Parlamentskorrespondenz Nr. 489 vom 14.06.2012

Vorlagen: Verfassung und Geschäftsordnung

Nationalrat soll umfassende Mitspracherechte beim ESM erhalten

Wien (PK) – Geht es nach SPÖ, ÖVP und den Grünen, soll der Nationalrat umfassende Mitspracherechte beim dauerhaften Euro-Schutzschirm (ESM) erhalten. Zu diesem Zweck wollen die drei Parteien sowohl die Bundesverfassung als auch das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats ändern (1985/A, 1986/A). Beide Gesetzesnovellen sollen gemeinsam mit der Ratifizierung des von der Regierung vorgelegten ESM-Vertrags beschlossen werden.

Gemäß der Initiative der Koalitionsparteien und der Grünen soll in die Verfassung ausdrücklich ein Passus eingefügt werden, wonach der Nationalrat in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus mitwirkt. Dabei muss die Regierung bzw. die Finanzministerin insbesondere in drei Fällen die Genehmigung des Nationalrats bei Entscheidungen der ESM-Organe – Gouverneursrat und Direktorium – einholen: für Grundsatzbeschlüsse, einem EU-Mitgliedsstaat Finanzhilfe zu gewähren, bei einer Änderung der Finanzhilfeinstrumente sowie bei einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals, einer Anpassung des maximalen Darlehensvolumens und bei Abruf von genehmigtem nicht eingezahlten Stammkapital. Darüber hinaus sollen die Abgeordneten auch beabsichtigte Sekundärmarktinterventionen ablehnen können und die Möglichkeit erhalten, Stellungnahmen zu allen ESM-Angelegenheiten abzugeben.

Um eine rasche und flexible Abwicklung des parlamentarischen Mitwirkungsverfahrens zu ermöglichen, ist geplant, analog zum EU-Unterausschuss, zwei Ständige Unterausschüsse des Budgetausschusses einzurichten, denen die Mitwirkungsrechte des Nationalrats übertragen werden können. Einer dieser beiden Ausschüsse soll sich ausschließlich mit sekundärmarktrelevanten Maßnahmen, etwa den Aufkauf von Staatsanleihen, befassen und damit in einem kleinen Kreis die parlamentarische Beteiligung an vertraulichen Maßnahmen im Rahmen des ESM gewährleisten. Für die Beratungen der beiden Ständigen Unterausschüsse ist grundsätzlich Vertraulichkeit vorgesehen, Beschlüsse sollen in der Regel jedoch, gegebenenfalls zeitversetzt, verlautbart werden. Die österreichischen Mitglieder der ESM-Organe werden berechtigt, an den Sitzungen der beiden Unterausschüsse teilzunehmen.

Zentrale Entscheidungen, insbesondere der Beschluss, einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich Finanzhilfe zu gewähren, sowie eine Änderung der Finanzhilfeinstrumente, sollen laut S-V-G-Antrag dem Plenum des Nationalrats vorbehalten bleiben. Nur bei besonderer Dringlichkeit ist ein Einspringen des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten vorgesehen. In solchen Fällen muss die Regierung das Plenum des Nationalrats jedoch im Nachhinein in Form einer Erklärung informieren, um eine öffentliche Debatte über die gesetzten Maßnahmen und deren Auswirkungen auf Österreich sicherzustellen.

Die Finanzministerin wird verpflichtet, dem Nationalrat regelmäßig über sämtliche im Rahmen des Euro-Schutzschirms getroffenen Maßnahmen zu berichten. Details dazu werden in einer eigenen Anlage zum Geschäftsordnungsgesetz (ESM-Informationsordnung) geregelt. Im Hinblick auf die zum Teil notwendige Wahrung der Vertraulichkeit werden besondere Vervielfältigungs- und Verteilungsregeln vorgeschlagen.

Vorgesehen ist schließlich, dass die Berichte des Finanzministeriums gemäß Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz künftig dem Budgetausschuss des Nationalrats, und nicht wie bisher dem Hauptausschuss, vorgelegt werden. (Schluss)