Parlamentskorrespondenz Nr. 517 vom 19.06.2012

Menschenrechte im Fokus der Volksanwaltschaft

UN-Konvention: Volksanwaltschaft ist für neue Aufgabe gut vorbereitet

Wien (PK) - Ab 1. Juli 2012 ist die Volksanwaltschaft mit der Zuständigkeit für Schutz und Förderung der Menschenrechte betraut. Der Menschenrechtsbeirat wandert dann vom Innenministerium zur Volksanwaltschaft, wie die VolksanwältInnen dem Volksanwaltschaftsausschuss in seiner heutigen Sitzung berichteten. Mit dieser Kompetenzerweiterung setzt die Volksanwaltschaft das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention (OPCAT) und den darin geforderten "Nationalen Präventionsmechanismus" (NPM) um.

Der neue Prüfungsauftrag umfasst alle Einrichtungen, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen besonders stark Gefahr laufen, Misshandlung, unmenschlicher Behandlung und freiheitsentziehenden Maßnahmen wehrlos ausgesetzt zu sein. Geprüft werden etwa Justizanstalten, Kasernen, Dienststellen der Sicherheitsexekutive, psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Wohngemeinschaften für Jugendliche und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.

Grundlage für die Diskussion bildete der 35. Bericht der Volksanwaltschaft über die Tätigkeit im Jahr 2011. In der nächsten Ausschusssitzung am 21. Juni 2012 werden unter anderem Anregungen an den Gesetzgeber näher beleuchtet.

Eingehende Prüfungen sollen Fälle von Menschenrechtsverletzung aufzeigen

Die Übernahme der Aufgaben nach OPCAT stellt die größte Reform seit Bestehen der Volksanwaltschaft dar. Insgesamt werden in Zukunft etwa 4.000 öffentliche und private Einrichtungen nach Maßstäben der Menschenrechte kontrolliert.

Die Frage nach der Umsetzung dieser enormen Kompetenzerweiterung stand zunächst auch im Mittelpunkt der Fragen der Abgeordneten Hannes Fazekas (S), Anna Höllerer (V), Carmen Gartelgruber (F), Wolfgang Zinggl (G) und Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (B). Man habe im letzten halben Jahr enorm viel Energie verwendet, um die Umsetzung gut vorzubereiten, die MitarbeiterInnen zu motivieren und dafür Sorge zu tragen, dass die bisherigen Kompetenzen nicht ins Hintertreffen gelangen, stellte Volksanwältin Gertrude Brinek fest. Es wäre ein fatales Signal, wenn man den Anschein vermitteln würde, die neuen Kompetenzen seien wichtiger als die "alten Kernkompetenzen der Volksanwaltschaft". Man werde die Balance halten, versicherte sie.

Mit Ablauf des gestrigen Tages seien alle Kommissionen mit den LeiterInnen bestellt worden, die Auswahl habe nach den gesetzlichen Maßgaben sowie nach den jeweiligen Prüfbereichen stattgefunden. Die Entscheidungen seien im Einvernehmen mit dem Menschrechtsbeirat und NGOs gefallen. Man setze die Standards der Prüfungen sehr hoch und werde nach Individualbeschwerden und Systemprüfungen trennen, erläuterte Brinek. Die Aufgabe der Kommissionen sieht die Vorsitzende der VolksanwältInnen als "Augen und Ohren", jene des Menschenrechtsbeirats, der nun als ein Organ der Volksanwaltschaft fungiert, als ein Beratungsgremium. Man habe ihrer Ansicht nach genügend Personal aufgenommen, sagte Brinek, sie appellierte aber an die Abgeordneten, bei der Beratung des nächsten Bundesfinanzrahmengesetzes dafür Sorge zu tragen, dass auch nach dem Jahr 2015, wo ein Engpass zu erwarten ist, entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, um alle Aufgaben auch erfüllen zu können.

Ausschuss diskutiert Verstöße gegen Menschenrechte in Österreich

Problemfelder in Österreich sind dem vorliegenden Volksanwaltschaftsbericht zufolge immer noch Verstöße gegen das Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK), etwa durch unrechtmäßige Verhängung der Schubhaft, das Recht auf angemessene Verfahrensdauer (Art 6. MRK) sowie die Missachtung des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG).

Volksanwältin Terezija Stoisits beleuchtete vor allem die bisherigen Arbeit des Asylgerichtshofs kritisch. Sie reagierte damit auf eine Frage von Abgeordnetem Wolfgang Zinggl (G). Es sei nicht alles so optimal gelaufen wie erhofft, weil die politischen Rahmenbedingungen nicht geschaffen wurden, nahm sie die MitarbeiterInnen des Gerichtshofs in Schutz. Stoisits hegte große Zweifel daran, dass der "Rucksack" bis 2013 abgearbeitet werden kann. Von den 717 Beschwerden seien in 417 Fällen Missstände festgestellt worden, rechnete sie vor. Das sei eine enorm hohe Zahl, bis Ende Mai 2012 habe die Volksanwaltschaft sogar 99 Doppelmissstände in diesem Bereich festgestellt. Daher sei es notwendig, entsprechende Voraussetzungen für den ab 2014 arbeitenden Bundesverwaltungsgerichtshof zu schaffen, um ihn nicht mit alten Verfahren zu belasten, warnte sie eindringlich.

Im Bereich des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art. 8 MRK) bemängelt die Volksanwaltschaft die fehlende gesetzliche Grundlage für die Weitergabe gesundheitsbezogener Daten durch AmtsärztInnen. Dies wurde auch von Abgeordneter Anna Höllerer (V) thematisiert. Auch bei der Antidiskriminierung orten die VolksanwältInnen Verbesserungsbedarf. Es gebe Hinweise auf ein bestehendes "Underreporting" von Diskriminierungsfällen aufgrund der Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit von Personen, wodurch das wahre Ausmaß des Problems verschleiert werde.

In diesem Zusammenhang kritisierte Abgeordneter Ewald Sacher (S) insbesondere das Fehlen einer bundeseinheitlichen Vollziehung des Diskriminierungsverbots. Die Vorgangsweise sei nicht nur von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, sondern auch unter den verschiedenen Bezirksverwaltungsbehörden, erläuterte daraufhin Volksanwalt Peter Kostelka und ging damit auch auf Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G) ein. Man dürfe keinesfalls nach der Diskriminierungsabsicht vorgehen, mahnte Kostelka, denn diese sei nicht nachzuweisen. Er bemängelte auch, dass sich in vielen Fällen die Ermittlungen so lange hinausziehen, dass das Delikt verjährt. Bei mehrmals nachgewiesener Diskriminierung von AusländerInnen durch Gewerbetreibende sei die allerschärfste Waffe der Entzug der Gewerbeordnung, so Kostelka.

Was die Diskriminierungsvorwürfe im Rahmen der Kunstförderung betrifft, so ortete Volksanwältin Stoisits bei der Entscheidung von Beiräten vielfach eine intransparente Vorgangsweise.      

Volksanwältin Brinek erwiderte auf die Fragen der Abgeordneten Gertrude Aubauer (V) und Johan Hell (S) zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr, es gebe eine klare Stellungnahme der Volksanwaltschaft, dass die barrierefreie Nutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ein wichtiges Element der Mobilität sei. Entsprechende bauliche Maßnahmen müssten daher in Bahnhöfen gesetzt werden. Für die barrierefreie Umgestaltung öffentlicher Gebäude ist eine Frist bis 2015 gesetzt worden, fügte die Volksanwältin hinzu, meinte jedoch, dringliche Umbauten sollten nicht aufgeschoben werden.

Zur Forderung der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller (F), dass im Namen des Gleichheitssatzes sowohl bei Totgeburten als auch bei Fehlgeburten der Mutterschutz gewährt werden sollte, merkte Volksanwalt Kostelka an, tatsächlich sei die diesbezügliche WHO-Empfehlung für ihn nicht nachvollziehbar. Zu welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft eine Tot- oder Fehlgeburt erfolgt, gebe in seinen Augen mehr Aufschluss über die Notwendigkeit eines Mutterschutzes als die derzeitige Regelung, die sich am Geburtsgewicht des Kindes orientiert. (Schluss)