Parlamentskorrespondenz Nr. 529 vom 21.06.2012

Prammer im Gespräch mit ihrem finnischen Amtskollegen Heinäluoma

Europäische Fragen im Zentrum des Interesses

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer empfing heute Nachmittag ihren finnischen Amtskollegen Eero Heinäluoma, den Präsidenten der Eduskunta, zu einem Gedankenaustausch über aktuelle europäische Fragen im Hohen Haus.

Eingangs des gut einstündigen Gesprächs in betont freundschaftlicher Atmosphäre informierte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ihren Gast über den Stand der Diskussion zum Europäischen Stabilitätsmechanismus und über den Fiskalpakt in Österreich, wobei sie ihrer Überzeugung Ausdruck gab, dass es über den Fiskalpakt hinaus auch um Aktivitäten für Wachstum und Beschäftigung gehen müsse. Für die Einbeziehung des Parlaments in Entscheidungen des ESM liege ein gut gelungener Entwurf vor, um Voraussetzungen für das Handeln auf europäischer Ebene zu schaffen.  

Der Präsident des finnischen Parlaments sah Europa mit wichtigen Zukunftsfragen beschäftigt, die stark in die Innenpolitik der Mitgliedstaaten hineinwirken. Auch nach Finnland, wo es der Sechs-Parteien-Koalition, die das gesamte ideologische Spektrum von den Konservativen bis zur demokratischen Linken umfasse, gelungen sei, in der öffentlichen Meinung zu punkten, sodass es wahrscheinlich sei, dass die Regierung die gesamte vierjährige Gesetzgebungsperiode halten werde. Wichtig sei die Frage, ob und wie es Europa gelinge, die Krise zu bewältigen. Im Zentrum stehe die Schuldenkrise, diese Frage werde von der finnischen Bevölkerung sensibel wahrgenommen, weil Finnland jeweils nach den beiden Weltkriegen sowie am Ende des letzten Jahrhunderts mit Schuldenproblemen aus eigener Kraft fertig werden musste. Die Menschen in Finnland wollen Garantien haben, dass das Geld, das zur Unterstützung südeuropäischer Eurozonenmitglieder aufgewendet wird, wieder zurückgezahlt werde. In dieser Frage habe die finnische Regierung wenig Handlungsspielraum, berichtete Präsident Eero Heinäluoma.

Die Konsolidierungspolitik Finnlands bestehe zu zu 50 % aus neuen Steuern bzw. Steuererhöhungen sowie zu 50 % aus Budgeteinsparungen, vor allem im Verteidigungsressort, bei Subventionen für Wirtschaft und Gemeinden, aber auch im Schulwesen und bei Vertretungsbehörden im Ausland. Nicht gekürzt werde die Entwicklungshilfe. Aufgrund von Erfahrungen mit dem letzten Konsolidierungspaket wende Finnland dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit in der aktuellen Budgetpolitik besonderes Augenmerk zu, führte der finnische Gast aus.

Besonderes Interesse zeigte Eero Heinäluoma an der österreichischen Beschäftigungspolitik, zumal es auch in Finnland in erster Linie darum gehen müsse, arbeitslos gewordene Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. Die relativ guten ökonomischen Daten Österreichs erklärte Prammer mit dem ausgewogenen Verhältnis der einzelnen Sektoren der österreichischen Volkswirtschaft und mit dem intensiven Bemühen der Regierung, arbeitslos gewordene Menschen neu zu qualifizieren und ältere Menschen im Arbeitsprozess zu behalten. Der Frage der sozialen Gerechtigkeit werde in der politischen Diskussion in Österreich große Bedeutung beigemessen.

Beim Thema Griechenland sprach sich Prammer dafür aus, den Weg der Reformen fortzusetzen und plädierte dafür, den Menschen in Griechenland neue Perspektiven zu geben. "Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone würde für uns alle sehr teuer kommen", zeigte sich Prammer überzeugt. Prammers Hoffnungen ruhten auf dem kommenden Europäischen Gipfel, der Fortschritte und Lösungen bringen möge. Beim Thema Fiskalpakt stellten Prammer und Heinäluoma übereinstimmend fest, dass es dabei auch um das parlamentarische Selbstverständnis und um die Frage gehe, ob man in einer Situation, die niemand vorhersehen könne, alle Entscheidungsmöglichkeiten behalte, um auf krisenhafte Situation, in der etwa eine hohe Arbeitslosigkeit drohe, reagieren zu können.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs informierte Eero Heinäluoma über die Arbeit eines speziellen Ausschusses des finnischen Parlaments, der sich als "Denkfabrik" mit Zukunftsfragen und der Lösung langfristiger politischer Probleme befasse und durch eine parteiübergreifende Arbeitsweise und einstimmige Berichte auf sich aufmerksam mache. Dem ESM habe das finnische Parlament zugestimmt, weil es ihn als einen Fortschritt gegenüber den bisherigen Instrumenten betrachte, berichtete Eero Heinäluoma.

Schließlich zeigten sich Barbara Prammer und ihr finnischer Gast einig in ihrer positiven Einstellung gegenüber der EU-Erweiterung auf den Balkan und in ihrer Unterstützung Makedoniens auf dessen Weg nach Europa, hielten dabei aber zugleich fest, dass der EU-Beitritt an bestimmte Kriterien geknüpft sei. Auf dem Weg zu einer Ratifizierung der bereits in Kraft gesetzten Konvention gegen Streumunition gehe es in Finnland nicht um politische, sondern technische Fragen auf Expertenebene, erfuhr Präsidentin Prammer von ihrem finnischen Amtskollegen. (Schluss)

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