Parlamentskorrespondenz Nr. 547 vom 27.06.2012

Kleinstpensionen werden im Oktober außertourlich um 1,1 % erhöht

Sozialausschuss stimmt Gesetzesantrag einhellig zu

Wien (PK) – BezieherInnen von Kleinstpensionen können im kommenden Herbst mit einer außertourlichen Pensionserhöhung rechnen. Der Sozialausschuss des Nationalrats stimmte einhellig einem entsprechenden Antrag der Koalitionsparteien und der Grünen zu. Demnach sollen Pensionen, die zum Stichtag 1. Jänner 2008 unter 747 € lagen und damals nur mit dem Anpassungsfaktor von 1,7 % erhöht wurden, ab Oktober um 1,1 % steigen.

Hintergrund für diesen Schritt ist ein OGH-Urteil vom Dezember 2011. Die HöchstrichterInnen haben in Anlehnung an ein EuGH-Erkenntnis festgestellt, dass eine Diskriminierung vorliegt, weil Pensionen zwischen 747 € und 1.050 € sowie der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende PensionsbezieherInnen im Jahr 2008 um jeweils 21 € und damit um bis zu 2,8 % erhöht wurden, während für Kleinstpensionen lediglich der für alle übrigen Pensionen geltende Anpassungsfaktor von 1,7 % zum Tragen kam. Von dieser Rechtsprechung profitierten unmittelbar jedoch nur jene 152 Personen, die die Pensionsanpassung im Jahr 2008 bekämpft hatten. Nun will die Politik aus sozialpolitischen Überlegungen heraus auch die übrigen Kleinstpensionen nachträglich erhöhen.

Betroffen sind laut Antrag rund 620.000 PensionsbezieherInnen (455.000 Direkt- und 165.000 Hinterbliebenenpensionen). Die jährlichen Kosten werden mit 37 Mio. € veranschlagt. Mit einem bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag nahm der Ausschuss noch redaktionelle Korrekturen vor und traf eine Klarstellung in Bezug auf Hinterbliebenenpensionen.

Die Gesetzesinitiative wurde grundsätzlich von allen Fraktionen begrüßt. Abgeordneter Werner Neubauer (F) sprach allerdings von einer "halben Lösung" und forderte in Übereinstimmung mit BZÖ-Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek eine Abschlagszahlung für die Betroffenen, um die in den letzten fünf Jahren angelaufenen Inflationsverluste auszugleichen. Generell verwahrte er sich gegen regelmäßige "Beschimpfungen" von PensionistInnen und verwies dabei auch auf die ÖVP-interne Diskussion in der letzten Woche.

Mit der geforderten Abschlagszahlung dürfte es jedoch nichts werden. Sozialminister Rudolf Hundstorfer machte auf den enormen Verwaltungsaufwand aufmerksam, etwa in Zusammenhang mit der Nachzahlung von Krankenversicherungsbeiträgen oder inzwischen abgewickelten Erbschaften. Überdies gab er zu bedenken, dass mehr als 25.000 betroffene PensionistInnen lediglich eine monatliche Pension von rund 10 € erhielten und man für eine einigermaßen sozial gerechte Einmalzahlung 20 bis 25 verschiedene Stufen, angefangen von einem Betrag von 2 €, bräuchte. Abgeordneter Karl Öllinger (G) fürchtet in diesem Zusammenhang, dass man auf weitere OGH-Urteile zusteuern würde. Abgeordneter August Wöginger (V) machte geltend, dass ein großer Teil der betroffenen PensionsbezieherInnen PartnerInnen mit einer hohen Pensionsleistung haben.

Zur Befürchtung von Abgeordnetem Neubauer, dass BezieherInnen von Kleinstpensionen 2013 aufgrund des Sparpakets eine Pensionsanpassung unter der Inflationsrate erhalten werden, hielt Hundstorfer fest, es werde im kommenden Jahr eine differenzierte Pensionserhöhung mit einer höheren Anpassung niedriger Pensionen geben.

FPÖ-Anträge zur Lehrlingsausbildung abgelehnt

Schließlich befasste sich der Sozialausschuss mit vier Entschließungsanträgen der FPÖ (1530/A[E], 1728/A[E], 1820/A[E], 437/A[E]) zum Thema Lehrlingsförderung, die alle jedoch abgelehnt wurden. Die FPÖ fordert unter anderem die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge von Lehrlingen durch die öffentliche Hand, die Einführung eines "Blum-Bonus Neu" und die Umbenennung der Lehrlingsentschädigung. Zudem wendet sie sich gegen die Streichung bestehender Lehrlingsförderungen.

Abgeordneter Franz Riepl (S) begründete die Ablehnung der FPÖ-Anträge unter anderem damit, dass es derzeit andere Modelle für die Lehrlingsförderung gebe. So werde etwa für Unternehmen und Lehrlinge ein Lehrlingscoaching angeboten und die Beseitigung von Bildungsdefiziten von Lehrlingen unterstützt. Der Blum-Bonus hat ihm zufolge einen hohen Kontrollaufwand verursacht und zu unerwünschten "Mitnahmeeffekten" geführt. Für Riepl wäre es außerdem nicht fair, würden Lehrlinge, die im dritten Lehrjahr teilweise mehr als 1.300 € erhalten, keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen, Erwachsene mit weniger Erwerbseinkommen aber schon.

Auch Abgeordnete Adelheid Fürntrath-Moretti (V) lehnte die Initiativen der FPÖ ab. Sie erinnerte daran, dass nicht alle ausbildenden Unternehmen den Blum-Bonus in Anspruch nehmen hätten können. Eine Wiedereinführung der Praxistest-Förderung würde ihrer Darstellung nach zu einer Erhöhung der Beiträge für den Insolvenzentgeltfonds führen. Vorstellen kann sich Fürntrath-Moretti allerdings, Unternehmen künftig die Schulzeit von Lehrlingen abzugelten – sie rechnete in diesem Zusammenhang vor, dass ein Lehrling der öffentlichen Hand pro Jahr nur 5.600 € koste, während Jugendliche in Berufsbildenden Schulen 8.600 € und Jugendliche in Überbetrieblichen Lehrstätten 17.320 € jährliche Kosten verursachten.

Wenig Verständnis für die Forderungen der FPÖ zeigten auch die anderen beiden Oppositionsparteien. Das BZÖ unterstützte zwar die Forderung nach Wiedereinführung des Blum-Bonus, lehnte aber die anderen drei Anträge ab. Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) machte geltend, dass bei einem Entfall der Sozialversicherungsbeiträge auch Versicherungszeiten entfallen würden. Er erachtet vorrangig mehr Imagewerbung für handwerkliche Berufe für erforderlich.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, ein Entfall der Sozialversicherungsbeiträge für Lehrlinge würde in der Sache überhaupt nichts bringen.

Abgeordneter Christian Höbart (F) zeigte sich über die Ablehnung der seiner Meinung nach "konstruktiven Vorschläge" seiner Fraktion enttäuscht und hob die Notwendigkeit hervor, Maßnahmen zu setzen, um dem drohenden Fachkräftemangel und der steigenden Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Überdies braucht es seiner Auffassung nach Schritte, um den Lehrberuf attraktiver zu gestalten und mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Höbart zufolge sind in den letzten 5 Jahren rund 10.000 Lehrplätze verloren gegangen, er führt das nicht zuletzt auf die Streichung des Blum-Bonus und der Praxistest-Förderung zurück. Für eine stärkere Förderung von Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, machte sich auch sein Fraktionskollege Bernhard Vock stark.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) verteidigte die Überbetrieblichen Ausbildungsstätten für Lehrlinge. Sie würden den Jugendlichen auch die Chance bieten, "nachzureifen" und "soft skills" zu erwerben, skizzierte sie. Um mehr Jugendliche von einer Lehrlingsausbildung überzeugen zu können, ist es ihrer Meinung nach auch wichtig, das Unternehmen den Wert von Lehrlingen schätzen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer warf der FPÖ vor, mit falschen Zahlen und Fakten zu operieren. Seiner Darstellung nach gibt es heute um 3.000 Lehrplätze mehr als vor einigen Jahren. Zudem gebe man heute mehr Geld für die Lehrlingsförderung aus "als in der Hochblüte des Blum-Bonus". Hundstorfer sieht vor allem die Gefahr, dass zu wenig Jugendliche einen Lehrberuf anstreben, er will hier Überzeugungsarbeit leisten. Die Arbeitslosigkeit unter den 15- bis19-Jährigen ist laut Hundstorfer in den letzten Monaten rückläufig gewesen, dem steht ein moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den 19- bis 24-Jährigen gegenüber. (Schluss)