Parlamentskorrespondenz Nr. 553 vom 28.06.2012

Expertenhearing zur Neuregelung der Kompetenzen im Asylverfahren

Bundesamt für Fremdenrecht und Asyl soll Verfahren konzentrieren

Wien (PK) – Bei den Beratungen des Innenausschusses über die Frage der Neuregelung der Kompetenzen im Asyl- und Fremdenrecht und der Konzentration des Verfahrens waren heute Expertinnen und Experten am Wort. Geplant ist im Wesentlichen die Einrichtung eines Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), das als einzige Behörde von Verfahrensbeginn bis zu einer allfälligen Abschiebung zuständig sein soll. Für abgelehnte AsylwerberInnen sollen zudem grundsätzlich die gleichen Bestimmungen gelten wie für andere Fremde, die aus Österreich abgeschoben werden, das BFA hat allerdings die mögliche Gewährung eines humanitären Aufenthaltstitels von sich aus zu prüfen. 

Gernot Bürstmayr (Rechtsanwalt und Fremdenrechtsexperte, Wien), Beatrix Hornschall (Senatsrätin, MA 35, Wien), Dietmar Hudsky (Leiter der Abteilung Aufenthalt und Staatsbürgerschaftswesen, Wien), Alexander Latzenhofer (Rechtsanwalt, Wien), Harald Perl (Präsident des Asylgerichtshofes, Wien), Gernot Steiner (Landesflüchtlings- und Integrationsbeauftragter, Kärnten), Joachim Stern (Verwaltungsrechtsexperte, Wien) und Wolfgang Taucher (Direktor des Bundesasylamtes, Wien) beurteilten die Kernpunkte des Pakets aus ihrer Sicht und standen den Abgeordneten Rede und Antwort.

Mikl-Leitner: BFA als Kompetenzzentrum für Fremden- und Asylrecht

Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner interpretierte die neuen Verfahrensregeln als strukturelle Antwort auf den rasanten Anstieg der Zahl von Asylanträgen in den letzten Jahren und betonte, in Zukunft werde es nun ein einziges Amt als Ansprechpartner geben, das für die Betroffenen so schnell wie möglich Klarheit darüber schafft, ob sie in Österreich bleiben können oder nicht. Das neue Bundesamt für Asyl sei somit ein Kompetenzzentrum, das sämtliche fremden- und asylrechtliche Fragen abklärt. Mit Nachdruck unterstrich die Ministerin überdies, man habe bei der Vorbereitung dieser Materie konstruktive Kritik eingearbeitet, dabei auch auf die Impulse von NGOs zurückgegriffen und sei zudem in enger Allianz mit den Ländern vorgegangen.

Bürstmayr gegen Zusammenführung von Asyl- und Fremdenbereich

Gernot Bürstmayr gab zu bedenken, die Schaffung des BFA laufe darauf hinaus, dass Asyl- und Fremdenpolizei wieder unter ein Dach zusammengeführt werden. Damit mache man eine Entwicklung der letzten Jahre rückgängig, die, wie er sagte, diese beiden so unterschiedlichen Bereiche aus gutem Grund bewusst getrennt hatte. So gehe es im Asylverfahren ausschließlich um die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen, während hingegen Fragen der Integration und der Zukunftsprognose im Mittelpunkt von fremdenrechtlichen Verfahren stehen. Bürstmayr bezeichnete es als problematisch, wenn nun ein und dieselbe Person zwei völlig verschiedene Aufgaben erfüllt, und plädierte dafür, die beiden Bereiche auch weiterhin getrennt zu belassen. Weiters wies er darauf hin, dass bis zum Inkrafttreten der im Entwurf enthaltenen materiellen Änderungen des Fremdenrechts im Jahr 2014 noch mindestens zwei Novellen des Fremdenrechts zu erfolgen haben, um allein die europarechtlichen Normen in diesem Bereich nachvollziehen zu können. Dies stelle die Legisten vor eine schwierige Situation, meinte der Experte, der zudem ein gesetzliches Chaos befürchtete und für eine Herausnahme dieses Teils aus dem Entwurf eintrat.

Hornschall beklagt zunehmende Komplexität der Materie

Beatrix Hornschall begrüßte grundsätzlich die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen und unterstützte darüber hinaus insbesondere auch jene Bestimmung, wonach Fremde nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich, wenn die Hälfte dieser Zeit legal gewesen ist, Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Ihrer Meinung nach sollte dieser Passus des Gesetzes nicht erst 2014, sondern so schnell wie möglich in Kraft gesetzt werden. Hornschall kritisierte in ihren weiteren Ausführungen allerdings die zunehmende Kompliziertheit der Materie und bedauerte, man habe die Gelegenheit versäumt, ein generelles Zuwanderungsmodell umzusetzen. Sie machte auch auf Probleme bei bereits anhängigen Verfahren aufmerksam und drängte auf eine Stichtagsregelung für humanitäre Fälle, die garantiert, dass alle Verfahren ab 2014 vom BFA erledigt werden.

Hudsky sieht keine Nachteile für die Betroffenen

Dietmar Hudsky hob die Überleitung der humanitären Fälle an das neue Bundesamt für Asyl als positiv hervor und bemerkte im Übrigen, materiell-rechtlich habe sich durch den vorliegenden Entwurf nur wenig verändert. Als richtig erachtet er es, dass nun das BFA die Aufenthaltsberechtigung für besonders berücksichtigungswürdige Fälle erteilt. Er erwartet sich insgesamt keine Nachteile für die Betroffenen und stellte überdies klar, dass die durch das BFA erteilten Aufenthaltsberechtigungen zum Erwerb des Daueraufenthalts angerechnet werden. Die Abgrenzung des humanitären Aufenthalts vom Aufenthalt nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz sei richtig und erlaube durch die Nutzung von Schnittstellen einen effizienten und schlanken Vollzug, ohne dass dadurch das BFA überfordert werde, meinte Hudsky.

Latzenhofer: BFA sollte alle Migrationsangelegenheiten übernehmen

Alexander Latzenhofer bezeichnete die Schaffung der neuen Behörde als gute Idee, kritisierte die Ausführung allerdings als mangelhaft. Man hätte viel mehr machen können als bloß das alte Asylamt herzunehmen und ihm ein neues Türschild zu verpassen, sagte er. So wäre es besser gewesen, sämtliche Angelegenheiten der Migration dieser neuen Behörde anzuvertrauen, zumal die Lebenssachverhalte oft in einem engen Zusammenhang stehen. Die Schaffung eines einheitlichen Verfahrensrechtes wiederum stellte nach Meinung Latzenhofers einen Systembruch dar und führe, wie er sagte, nun dazu, dass man in Hinkunft anstatt mit zwei Gesetzestexten nun mit drei Regelwerken hantieren müsse. Überhaupt hätte man nach Einschätzung Latzenhofers die Schaffung des einheitlichen Verfahrens für die neuen Verwaltungsgerichte abwarten und erst dann die Verfahrensregeln für das BFA treffen sollen.

Perl erwartet sich mehr Effizienz durch BFA

Harald Perl erinnerte an die wachsende Verzahnung zwischen asyl- und fremdenpolizeilichem Bereich und die damit einhergehende große organisatorische Nähe der Zuständigkeit für Asyl- und Fremdenrecht und erwartete sich nun durch die Zusammenführung der Verfahren vor allem mehr Effizienz und eine Vermeidung von Doppelgleisigkeiten. Perl verwies zudem auf die Notwendigkeit, Verfahrenskonzentration und die daraus resultierenden inhaltlichen strukturellen Effekte nun auch im Bereich des Rechtsschutzes zu schaffen.

Steiner: Eine Behörde für gesamten Migrationsbereich

Gernot Steiner befürwortete grundsätzlich die Idee der Zusammenführung der asyl- und fremdenrechtlichen Materien, vermisste aber Maßnahmen, um Asylmissbrauch oder bewusste Verfahrensverzögerung hintanzuhalten. Die Überführung des humanitären Aufenthaltstitels betrachtete er als konsequent, kritisierte jedoch, dass das Niederlassungswesen nach wie vor im Kompetenzbereich der Länder verbleibt, was, wie er zu bedenken gab, dazu führe, dass nun über die Verlängerung des Aufenthaltstitels wieder die Länder entscheiden werden. Seiner Meinung nach wäre es besser gewesen, den gesamten Migrationsbereich an das BFA zu übertragen.

Stern sieht grundrechtliche Garantien konterkariert

Joachim Stern sah durch den vorliegenden Entwurf zahlreiche grundrechtliche und europarechtliche Probleme aufgeworfen und beklagte überdies die Komplexität und schwierige Lesbarkeit des Gesetzes. Er bemängelte vor allem, dass die Umsetzung der europäischen Verfahrensgarantien, wie etwa die Verpflichtung zur Übersetzung der ganzen Entscheidung oder die Verpflichtung zur Rechtsberatung, im Entwurf ignoriert oder gar konterkariert werden. Im Einzelnen kritisierte Stern eine Aufweichung der Aufenthaltsverfestigung, eine Beseitigung der Asylmöglichkeit für EU-BürgerInnen, eine Erweiterung der Möglichkeit der Anhaltung bis zu 120 Stunden und eine Verletzung der Unschuldsvermutung durch den Entzug des Aufenthaltsrechts bei Vorliegen von bloßem Verdacht. Als problematisch sah er auch die zahlreichen Verweise des Textes auf nicht näher genannte Paragraphen und trat insgesamt dafür ein, den Entwurf aus rechtsstaatlicher und europarechtlicher Sicht noch einmal zu überarbeiten.

Taucher rechnet mit Nutzung von Synergieeffekten

Wolfgang Taucher leitete die Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Asylverfahrens aus der Zunahme an Dynamik im Migrationsbereich ab und meinte, das BFA könne flexibel auf diese Herausforderungen reagieren. Taucher war sich der Komplexität der fremdenrechtlichen Angelegenheiten an sich durchaus bewusst, erachtete aber gerade aus diesem Grund den Ruf nach einer Vereinfachung der Regeln für komplexe Fälle als äußerst problematisch. Die Bündelung der Kompetenzen werde letztlich zu Synergien und zu einer Reduktion der Schnittstellen führen, zeigte er sich zuversichtlich.

Der Entwurf in der Einschätzung der Abgeordneten

Abgeordnete Alev Korun (G) warnte, das Gesetz werde nun nicht einfacher, sondern vielmehr noch komplizierter, und sah dabei die Gefahr der Überforderung der mit der Materien befassten MitarbeiterInnen und eines Abgleitens in Zynismus. Statt einer Vereinheitlichung im Verfahren schaffe man nun eine zusätzliche Ebene, was letztlich zu längeren statt kürzeren Verfahren führen würde, stand für Korun fest.

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) kritisierte, im vorliegenden Entwurf sei von der an sich richtigen Idee der Schaffung des BFA als einzige zuständige Behörde nichts mehr übrig geblieben. Man habe die große Chance verpasst, im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform ein Amt einzurichten, in dem alle fremdenrechtlichen Kompetenzen zusammengeführt werden. Anstatt den Dschungel an Gesetzen zu roden, habe man ein weiteres "Gesetzesmonster" geschaffen, das bloß weitere Vollzugsdefizite und eine Überforderung der MitarbeiterInnen bringen werde, kritisierte Westenthaler, der sich zudem skeptisch in Bezug auf die angestrebte Verfahrensverkürzung zeigte.

Abgeordneter Günter Kößl (V) befasste sich mit der Zukunft der Rechtsberatung und stellte Überlegungen an, wie die bisherigen Aufgaben künftig von einer Behörde wahrgenommen werden können.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) verwies darauf, dass die Zahl der AsylwerberInnen ständig steige und zudem innerhalb der EU auch ungleich verteilt sei. Es stelle sich die Frage, wie sich die für die Bevölkerung beträchtlichen Kosten im Lichte der Neuregelung entwickeln werden.

Abgeordnete Angela Lueger (S) sprach prinzipiell von einer guten Entscheidung und einem Schritt in die richtige Richtung, allerdings werde es entsprechende Übergangsregelungen brauchen, damit man nicht von heute auf morgen mit einer neuen Gesetzeslage konfrontiert sei. Eine derartige Vorgangsweise geböte sich also im Interesse der Anwender der Bestimmungen ebenso wie im Interesse der Rechtsunterworfenen. Ihre Fraktionskollegin Gisela Wurm befasste sich mit dem Opferschutz und meinte, man müsse verhindern, dass neben den Opfern etwa auch Täter Unterschlupf fänden.

Abgeordneter Christoph Hagen (B) setzte sich mit den personellen Auswirkungen der Neuregelung auseinander und stellte die Frage in den Raum, wie die Bestimmungen in der Übergangsphase vollzogen werden können. Er regte an, das Gesetz noch einmal zu überarbeiten, um 2014 ein lesbares, leicht vollziehbares und effizientes Instrument in Händen halten zu können.

Abgeordneter Werner Herbert (F) regte schließlich noch an, Ausnahmeregelungen in das Gesetzeswerk aufzunehmen, mit denen sichergestellt werde, dass die Sonderregelungen für Minderjährige nicht missbraucht würden.

Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner konzedierte, dass es anfänglich zu Mehrkosten für den Bund durch zusätzliches Personal kommen werde, allerdings habe man diesen Punkt mit den Ländern verhandelt, sodass die Angelegenheit gesamtstaatlich kostenneutral bleiben werde. Zukünftig würden die Kosten dann sogar sinken, weil durch die zu erwartende kürzere Verfahrensdauer auch die durchschnittliche Verweildauer abnehmen werde, schloss die Ministerin.

Die Beratungen des Ausschusses wurden daraufhin einstimmig vertagt. (Schluss)