Parlamentskorrespondenz Nr. 593 vom 05.07.2012

Einführung der Zentralmatura wird um ein Jahr verschoben

Weitere Themen: Sprachförderung, Nachholen vom Pflichtschulabschluss

Wien (PK) – Der Nationalrat beschloss heute auch mehrheitlich, die Zentralmatura um ein Jahr zu verschieben. Darüber hinaus sollen die Sprachförderkurse auch nach dem Jahr 2012 fortgesetzt werden. Schließlich soll das Modell der "Pflichtabschluss-Prüfung" Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr die Möglichkeit eines altersgerechten Pflichtschulabschlusses geben, auch wenn sie diesen im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht erreicht haben.

Zentralmatura: Regierung will Druck bei Umsetzung herausnehmen

Die Zentralmatura an AHS und BHS wird ein Jahr später als von der Regierung geplant in den Schuljahren 2014/15 beziehungsweise 2015/16 allgemein eingeführt. Der jeweilige Schulgemeinschaftsausschuss kann jedoch beschließen, die standardisierte Form der Reifeprüfung, wie von der Regierung vorgesehen, in den Schuljahren 2013/14 bzw. 2014/15 abzuhalten. Der diesbezügliche S-V-Initiativantrag zur entsprechenden Novelle des Schulunterrichtsgesetzes wurde mehrheitlich angenommen.

Abgeordneter Harald WALSER (G) kritisierte die Unterrichtsministerin wegen der Verschiebung der Zentralmatura, die Walser als "Kniefall" vor reformresistenten Kräften in Österreich wertete. Er könne die Rücknahme eines Gesetzes nicht verstehen, das vor drei Jahren mit Unterstützung der Grünen beschlossen und von allen ExpertInnen begrüßt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum jetzt, nach einer intensiven dreijährigen Vorbereitung die Zentralmatura zu sistieren, obwohl ExpertInnen, LehrerInnen, SchulinspektorInnen, Eltern und SchülerInnen diese Verschiebung nicht für notwendig halten. Viele SchülerInnen in sechsten Klassen stünden nun vor großen Problemen, weil sie sich bereits auf die neue Matura vorbereitet und entsprechende Fächerentscheidungen getroffen haben, die im alten Modell der Matura nicht vorgesehen sind. Die Grünen stimmen der Verschiebung der Zentralmatura daher nicht zu, schloss Walser.

Abgeordneter Elmar MAYER (S) zeigte sich verwundert, dass sein Vorredner mit keinem Wort auf die großen bildungspolitischen Fortschritte eingegangen ist, die in den letzten Jahren unter Unterrichtsministerin Claudia Schmied erreicht werden konnten. Die Zentralmatura sei nur ein Mosaikstein in diesem Reformwerk und sie werde auch nicht verschoben. Es werde lediglich den Sorgen mancher Schüler- und Elternvertreter Rechnung getragen, die in einigen Fächern um mehr Zeit bei der Umsetzung dieses wichtigen Projekts gebeten haben. Es liege in der Entscheidung der Schulpartner, ob das neue oder das alte Modell zur Anwendung komme. Die Grünen wollen diese Entscheidung nicht im Rahmen der Schulpartnerschaft, sondern zentral in Wien treffen lassen, sagte Mayer und warf Walser eine populistische Argumentation vor.

Abgeordneter Werner AMON (V) widersprach seinem Vorredner, wonach nun ein Gesetz zurückgenommen werde. An den Inhalten werde überhaupt nichts geändert, betonte der VP-Mandatar, es werde den Betroffenen lediglich ein Jahr mehr zur Vorbereitung der Zentralmatura eingeräumt. Für die Verschiebung hätten sich auch alle Schulpartner sowie alle Fraktionen außer den Grünen ausgesprochen, gab Amon zu bedenken. Außerdem stehe es all jenen Schulen frei, die sich gut vorbereitet fühlen, auf Basis eines Beschlusses im Schulgemeinschaftsausschuss den bisher geplanten Termin einzuhalten.

Die Grünen sprechen zwar gerne von Bürgerbeteiligung, Autonomie oder Einbindung der Betroffenen, meinte Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F), aber wenn sich Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam für die Verschiebung einer Maßnahme aussprechen, würden sie als Verhinderer bezeichnet. Er sei zudem der festen Überzeugung, dass die Schulpartner am jeweiligen Standort am besten wissen, ob das Projekt der Zentralmatura bereits jetzt oder erst in einem Jahr umgesetzt werden kann. Allerdings müsse bei der Umsetzung der Zentralmatura gewährleistet werden, dass das Leistungsniveau gehoben und nicht gesenkt wird, merkte Rosenkranz an.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) wies eingangs darauf hin, dass es in 23 von 27 EU-Staaten bereits eine so genannte Zentralmatura gibt. Das BZÖ habe dieser kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung vor drei Jahren mit Überzeugung zugestimmt, weil dadurch länger abrufbare Fertigkeiten und Fähigkeiten gefördert sowie ein transparenteres und objektiveres Beurteilungsverfahren mit einheitlichen Bewertungskriterien eingeführt wird. Die zuständige Ministerin habe - spät aber doch - nun die Bedenken der Schulpartner ernst genommen und eingesehen, dass eine Verschiebung dieses Projekts am sinnvollsten ist. Ihre Partei werde dem Optionsjahr zustimmen, kündigte Haubner an, diese Zeit sollte aber wirklich für gezielte Informationen und eine gute Vorbereitung genützt werden. Zudem forderte sie, dass endlich auch die anderen "Baustellen" im Bildungsbereich, wie Lehrerdienstrecht, einheitliche Ausbildung für PädagogInnen sowie Schulorganisations- und –verwaltungsreform, zügig angegangen werden. 

Die neue Reife- und Diplomprüfung zählt mit ziemlicher Sicherheit zu einem der größten Bildungsreformprojekte der letzten Zeit, war Bundesministerin Claudia SCHMIED überzeugt. Für alle AHS- und BHS-Standorte bedeute diese Reform einen großen Paradigmenwechsel, da bisher alle Maturafragen von den Lehrern und Lehrerinnen vorgegeben worden seien. In Zukunft komme es im schriftlichen Bereich zu einer Umstellung auf extern vorgegebene Fragen, und das am selben Tag und zum selben Zeitpunkt für alle Schulen. In Summe werde die neue Matura, die einem internationalen Trend folge, für mehr Fairness und Objektivierung sorgen, zeigte sich die Ministerin überzeugt.

Der Grundstein für dieses große neue Projekt wurde im Jahr 2009 gelegt, führte Schmied weiter aus, und daran werde auch nicht gerüttelt, bekräftigte sie. Trotz intensiver Vorbereitungen seien in den letzten Monaten und Wochen von Seiten der Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen Bedenken geäußert worden, ob der im Gesetz vorgesehene Termin zu halten ist. Sie habe sich dann in enger Abstimmung mit dem Regierungspartner dazu entschlossen, ein zusätzliches Vorbereitungsjahr zu ermöglichen, was durch das vorliegende Gesetz realisiert werden könne. Als verpflichtender Umsetzungstermin soll nun für alle AHS das Schuljahr 2014/15, für alle BHS das Schuljahr 2015/16 festgelegt werden. Es werde also ein Jahr gewonnen, um intensiv dieses Großprojekt vorzubereiten, sagte sie. Schmied erinnerte auch noch daran, dass natürlich all jene Schulstandorte und Klassen, die sich gut vorbereitet fühlen, Schulversuche in gewohnter Weise durchführen können. Wenn sich der Schulgemeinschaftsausschuss darauf einigt, könne auch schon ein ganzer Standort zum ursprünglichen Termin antreten, informierte die Ressortchefin.

Es bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass die neue Matura ein sehr wichtiger Baustein im Zuge der Bildungsreform ist und mit aller Kraft weiter vorangetrieben wird, erklärte Abgeordnete Andrea KUNTZL (S). Es handle sich dabei um ein sehr gut vorbereitetes Projekt, war sie überzeugt, was von einigen Betroffenen aber subjektiv anders empfunden werde. Da es sich um ein so großes Reformvorhaben handle, halte sie die Entscheidung, eine Verschiebung vorzunehmen für sinnvoll, da es besser sei, Druck herauszunehmen, als etwas auf Biegen und Brechen durchzuziehen.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) pflichtete der BZÖ-Mandatarin bei, wonach es im Bildungsbereich noch einige Baustellen, wie etwa das Lehrerdienstrecht oder die PädagogInnenausbildung Neu, gibt. Es liege aber an den Abgeordneten selbst, diese großen Projekte anzugehen und zu beschließen, meinte sie. Außerdem erinnerte Fuhrmann daran, dass es im Laufe dieser Gesetzgebungsperiode bereits gelungen sei, viele Vorhaben umzusetzen. Als Beispiele führte sie die Bildungsstandards, die Neue Mittelschule, die modulare Oberstufe etc. an. Schließlich ging sie noch auf die in Diskussion stehende Gesetzesvorlage ein, die durch die Ermöglichung eines Toleranzjahres, die Betroffenen dort abhole, wo sie stehen.

Abgeordneter Josef AUER (S) sah die Zielsetzungen der Zentralmatura darin, dass eine breite und fundierte Wissensbasis geschaffen und alle SchülerInnen auf einen maximalen Mindestsockel gestellt werden. Es werde ein gemeinsamer Nenner geschaffen, der nach oben hin offen ist und daher auch keine Gleichmacherei oder Nivellierung nach unten bringe, unterstrich Auer. Auch die LehrerInnen erhielten eine neue Rolle, da sie nun zum Trainer, Helfer, Coach und auch Freund der SchülerInnen werden, war Auer überzeugt, zumal sich alle auf ein gemeinsames Ziel hinbewegen. Die Kritik des Kollegen Walser sei für ihn absolut nicht nachvollziehbar, da die Verschiebung um ein Jahr sowohl im Interesse des Projekts als auch der Betroffenen sei. Bundesministerin Schmied habe dadurch bewiesen, dass sie die Schulpartnerschaft wirklich ernst nimmt.

Auch Abgeordnete Anna FRANZ (V) zeigte sich angesichts der Bedenken von Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen sehr froh darüber, dass die zuständige Ministerin Einsicht gezeigt und sich zu einer Verschiebung der Zentralmatura entschlossen hat. Das sei wirklich kein Kniefall, sondern ein gutes Beispiel für gelebte Schulpartnerschaft, bekräftigte die ÖVP-Mandatarin. Das kommende Jahr könne nun intensiv für die Vorbereitung dieses großen Projekts genutzt werden, etwa für zusätzliche Probeprüfungen im Fach Mathematik.

Abgeordnetem Dieter BROSZ (G) war es ein großes Anliegen, ein Schulsystem zu schaffen, in dem es ein gemeinsames Ziel gibt und SchülerInnen nicht der Willkür von einzelnen LehrerInnen ausgeliefert sind. Auch wenn die Mehrzahl der PädagogInnen sehr gut sei, so gebe es leider doch immer wieder Personen, die nicht für den Lehrberuf geeignet seien, sagte Brosz. Deshalb sollten auch die Schulen gestärkt werden, um die Möglichkeit zu haben, solche LehrerInnen aus dem Schulsystem rauszubekommen. Wegkommen müsste man auch endlich auch vom stupiden Auswendiglernen von Informationen und Wissen, das nachher niemand mehr braucht, forderte Brosz.

Abgeordneter Hermann GAHR (V) begrüßte die vorliegende Gesetzesmaterie, weil dadurch dem komplexen Projekt der Zentralmatura ein wenig mehr Vorbereitungszeit eingeräumt wird. Nur durch die Gewährung des Toleranzjahres könne die notwendige Qualität sichergestellt werden, war der Redner überzeugt. Schließlich wiederholte er noch einmal die Zielsetzungen der Zentralmatura, die zudem zu einer internationalen Ausrichtung des österreichischen Bildungssystems beitrage.

Abgeordneter Harald WALSER (G) wies noch einmal darauf hin, dass in der Frage der Zentralmatura nicht die SchülerInnen und LehrerInnen der 6. Klasse entscheiden können, sondern der Schulgemeinschaftsausschuss. Es entstehe zudem enormer Druck an den Schulen, wobei sich die Reformverweigerer nicht selten durchsetzen. Überdies werde durch diese Entscheidung das fatale Signal ausgesandt, dass sich die PolitikerInnen von den Interessenvertretungen diktieren lassen, wann Gesetze in Kraft treten.

Bundesministerin Claudia SCHMIED hielt ihrem Vorredner mit Nachdruck entgegen, dass die betroffenen SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen selbstverständlich aktiv werden können. Entweder nehme man die Schulpartnerschaft ernst oder nicht, unterstrich sie, dies könne nicht jedes Mal anders interpretiert werden. Überdies wies sie darauf hin, dass die Beschlüsse über die Durchführung von Schulversuchen keine Zweidrittelmehrheit im Schulgemeinschaftsausschuss brauchen.

Bei der Abstimmung wurde die Änderung des Schulunterrichtsgesetzes mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ angenommen.

Abgeordnete wünschen sich unbefristete Verlängerung der Sprachförderkurse

Die den Abgeordneten zur Beschlussfassung vorliegende Novelle zum Schulorganisationsgesetz sieht die Verlängerung der Sprachförderkurse an Österreichs Schulen um zwei weitere Jahre vor.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) erläuterte die Inhalte der Novelle zum Schulorganisationsgesetz, die vor allem eine Verlängerung der Sprachförderkurse zum Inhalt hat. Diese Kurse hätten sich in den letzten Jahren sehr bewährt und seien im Rahmen einer Untersuchung auch sehr positiv beurteilt worden. Einerseits vermittelten sie die notwendige unterrichtssprachliche Kompetenz, andererseits trügen sie aber auch viel zur sozialen Integration der SchülerInnen bei. Jedes Kind in Österreich soll – unabhängig von der Herkunft, dem Einkommen oder dem Bildungsstand der Eltern – die gleichen Chancen auf die beste Bildung haben, betonte Rudas. Diese Maßnahme sei ein weiterer wichtiger Baustein im Rahmen eines umfassenden Reformprozesses im Bildungsbereich, im Zuge dessen schon viele wichtige Maßnahmen beschlossen wurden und auch weiterhin beschlossen werden. 

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) merkte an, gute Bildungsqualität in Kindergärten und Schulen entschieden über die Chancen, die die Kinder und Jugendlichen in Zukunft haben. Exemplarisch für die vielen guten Bildungsmaßnahmen informierte sie über ein best-practice-Modell an der Hans-Christian-Andersen-Schule im 16. Bezirk, wo die Lese- und Sprachförderung mit einem europäischen Projekt verbunden wurde. Für sie zeigt sich, dass Sprachförderung nicht nur als Zusatzförderung angeboten werden soll, sondern im Regelunterricht verankert werden sollte. Als wichtig erachtete Cortolezis-Schlager die Evaluierung der bestehenden Angebote, damit der Unterricht auch wirklich am letzten Stand der Wissenschaft und Forschung und auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet ist.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) betonte, das schulische Sprachförderprojekt für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund sei enorm wichtig. Sie bedauerte daher, dass dieses nur auf zwei Jahre befristet verlängert wird. Sprachförderung koste Geld, räumte Kitzmüller ein, dieses sei aber gut angelegt und erspare höhere Folgekosten durch schlecht ausgebildete Jugendliche. Gute Deutschkenntnisse sind für sie auch eine wichtige Vorbeugung gegen die Bildung von Parallelgesellschaften.

Auch Abgeordneter Harald WALSER (G) kritisierte, dass die Sprachförderkurse nur auf zwei Jahre befristet verlängert werden und brachte zu dieser Frage einen Abänderungsantrag ein. Die Kurse waren ihm zufolge ein großer Erfolg, das hätten die vergangenen Jahre bewiesen. Walser sprach sich außerdem dafür aus, außerordentliche SchülerInnen in jenen Fächern zu beurteilen, in denen das möglich ist.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) kündigte die Unterstützung der vorliegenden Gesetzesnovelle durch das BZÖ an. Nur wer gut Deutsch spreche, sei in der Lage, sich in die Gesellschaft und in die Wirtschaft einzubringen, sagte er. Die Sprache sei ein wichtiges Integrationskriterium. Wie FPÖ und Grüne forderte auch Widmann die dauerhafte Einrichtung von Sprachförderkursen.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED bedauerte gleichfalls, dass eine unbefristete Verlängerung der Sprachförderkurse nicht geglückt sei. Ihr zufolge hat es Einwände von Seiten des Finanzministeriums gegeben. Für Schmied ist die Deutschförderung vor allem für jene Kinder von Bedeutung, die in Familien aufwachsen, in denen nicht Deutsch gesprochen wird. Wie Abgeordneter Widmann hält auch die Ministerin Deutsch für eine Grundvoraussetzung für Integration.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) äußerte sich über die Fortsetzung der Sprachförderkurse erfreut. Sie sieht darin einen wichtigen Schritt für mehr Chancengleichheit und mehr Chancengerechtigkeit. Wer gut Deutsch könne, könne dem Unterricht besser folgen und tue sich beim Berufseinstieg leichter, sagte sie.

Bei der Abstimmung wurde die vorliegende Gesetzesnovelle mit breiter Mehrheit beschlossen. Nur der fraktionslose Abgeordnete Robert Lugar stimmte dagegen. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit. Mehrheitlich stimmte der Nationalrat auch der dem Ausschussbericht angeschlossenen Entschließung betreffend Evaluierung der Sprachförderkurse zu.

Altersadäquates Nachholen des Pflichtschulabschluss bringt neue Chancen

Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, die keinen Pflichtschulabschuss im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht erreicht haben, soll nun die Möglichkeit geboten werden, diesen in einer altersadäquaten Form nachholen zu können. Die neue Form der Externistenprüfung passierte das Plenum einstimmig.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) hob die Bedeutung eines Pflichtschulabschlusses für einen erfolgreichen Berufseinstieg hervor. Er begrüßte es daher, dass Jugendlichen ab 16 und Erwachsenen nunmehr das Nachholen des Pflichtschulabschlusses erleichtert wird. Ein von ihm eingebrachter S-V-Abänderungsantrag zielt darauf ab, dass auch Personen ohne Lehramtsstudium in die Vorbereitung auf die Externistenprüfung miteingebunden werden können, wenn sie ein facheinschlägiges Studium absolviert haben und in der Erwachsenenbildung tätig sind.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) führte aus, eine alarmierend hohe Anzahl von Personen scheide jährlich ohne Pflichtschulabschluss aus dem Bildungssystem aus. Ein solcher Abschluss sei aber eine wichtige Basis für den Berufseinstieg. Nicht alle Menschen würden in jungen Jahren erkennen, wie wichtig Bildung sei, sagte er, man müsse ihnen die Möglichkeit geben, nachzuholen, was sie versäumt haben. Prinz zufolge ist die Ablegung einer Prüfung in Deutsch, Englisch, Mathematik und Berufsorientierung verpflichtend, dazu kommen weitere Wahlpflichtfächer.

Abgeordnete Edith MÜHLBERGHUBER (F) erklärte, Jugendlichen und Erwachsenen ohne Pflichtschulabschluss falle es schwer, im Berufsleben Tritt zu fassen. Sie zeigte sich daher erfreut, dass Betroffenen das altersgerechte Nachholen eines Pflichtschulabschlusses ermöglicht wird. Die neue Form der Externistenprüfung lehne sich an das Modell der Berufsreifeprüfung an. Turnen oder Werken müssten, wie Mühlberghuber ausführte, nicht nachgeholt werden.

Auch Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) äußerte sich zustimmend zur vorliegenden Gesetzesnovelle. Ein Pflichtschulabschluss werte eine Erwerbsbiographie auf, betonte sie. Windbüchler-Souschill bedauerte allerdings, dass Menschen, die bereits seit längerem in der Erwachsenenbildung tätig sind, aber kein abgeschlossenes Studium haben, nicht als Ausbildner anerkannt würden. Sie brachte zu dieser Frage einen Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) sprach von einer "erschreckend alarmierenden Zahl" junger Menschen, die über keine Berufsausbildung bzw. keinen Pflichtschulabschluss verfügen. Es sei wichtig, ihnen eine Perspektive zu geben, um keine Sozialfälle zu produzieren, bekräftigte sie. Abseits notwendiger "Reparaturmaßnahmen" erachtet Haubner aber auch vorbeugende Schritte, wie etwa eine gezielte Förderung von Kindern bereits im Kindergartenalter, und mehr ganztägige Schulformen für notwendig. Das neunte Schuljahr sollte man ihrer Meinung nach außerdem zur zielgerichteten Berufsvorbereitung nutzen.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED führte aus, ihr seien in Zusammenhang mit der neuen Form der Externistenprüfung zwei Punkte ein besonderes Anliegen gewesen. Zum einen werde die Prüfungsvorbereitung primär über die Erwachsenenbildung erfolgen, zum anderen solle die Prüfung als Basisabschluss für eine Ausbildung im Bereich der Pflege anerkannt werden. Mit der Novelle wird ihr zufolge Tausenden Menschen der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht.

Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) gab zu bedenken, dass Menschen ohne Pflichtschulabschluss häufig in Arbeitsverhältnissen tätig seien, die gerade einmal die Lebenskosten decken. Wichtig ist für sie ein Ausbildungsangebot für die Betroffenen vor Ort.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) wies darauf hin, dass die heutige Gesetzesvorlage eine bereits vor einem halben Jahr beschlossene Initiative zum kostenlosen Nachholen von Pflichtschulabschlüssen ergänze. Man habe gemeinsam mit den Ländern ein vorbildliches Modell gefunden, sagte er. In den nächsten Jahren würden 55 Mio. € für eine Qualifizierungsoffensive in die Hand genommen.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) machte darauf aufmerksam, dass fast 280.000 Menschen zwischen 15 und 64 keinen Pflichtschulabschluss haben und jährlich zwischen 3.500 und 5.000 Jugendliche die Schule ohne Pflichtschulabschluss verlassen. Sie begrüßte in diesem Sinn die vorliegende Gesetzesnovelle.

Das Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz wurde vom Nationalrat unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags einstimmig verabschiedet. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat)


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