Parlamentskorrespondenz Nr. 683 vom 17.09.2012

Nationalratspräsidentin besucht Republik Albanien

Prammer spricht im Parlament in Tirana und eröffnet Großkraftwerk

Tirana (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer stattet der Republik Albanien, die heuer 100 Jahre Unabhängigkeit feiert, einen offiziellen Besuch ab. Sie trifft mit den führenden politischen RepräsentantInnen des rund 2,8 Millionen Einwohner zählenden Landes zusammen und spricht heute im albanischen Parlament. Außerdem wird Prammer an der Feier zur Inbetriebnahme eines mit Beteiligung Österreichs errichteten Wasserkraftwerkes Ashta 1 im Norden des Landes teilnehmen.

Fragen der europäischen Integration standen im Mittelpunkt des Gesprächs, das Nationalratspräsidentin Prammer am Montagvormittag mit dem albanischen Premierminister Sali Berisha führte. Albanien verdiene bei der Annäherung an die EU Anerkennung und Unterstützung, müsse aber die erforderlichen Reformen speziell im Justizbereich umsetzen, erklärte Prammer: "Es ist zu hoffen, dass Albanien seine Anstrengungen weiter intensiviert, damit die EU-Kommission einen positiven Fortschrittsbericht erstellen kann."

Reformeifer versus Erweiterungsmüdigkeit

Auch in ihrer Rede im albanischen Parlament heute Mittag setzte sich Prammer ausführlich mit Europa-Fragen auseinander: "Österreich ist überzeugt, dass Europa erst dann vollständig ist, wenn auch seine südosteuropäischen Partner vollwertige Mitglieder der Europäischen Union sein werden." Österreich sei jedenfalls an einer möglichst baldigen Verleihung des Kandidatenstatus an Albanien und an der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen interessiert. Gemeinsames Anliegen müsse darum sein, innerhalb der EU Überzeugungsarbeit gegen eine allfällige Erweiterungsmüdigkeit zu leisten. Zugleich müsse Albanien diese Bemühungen durch Reformeifer unterstreichen.

Österreich werde Albanien auf diesem Weg begleiten und tatkräftig unterstützen, versprach Prammer. Als Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Länder nannte sie den Aufbau eines zentralen Melderegisters. Dadurch konnte die technische Grundlage zur Visa-Liberalisierung Albaniens mit den Staaten des Schengener Abkommens gelegt werden.

Als beispielhaft für die nachhaltig guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern nannte Prammer den Bildungs- und Kulturbereich. So gebe es nicht nur einen regen akademischen Austausch, sondern auch Partnerschaften auf universitärer Ebene. Ein Meilenstein in der Zusammenarbeit sei die Österreichische Schule in Shkodra, die 2006 als gemeinsames Projekt gegründet wurde.

Nicht zuletzt gebe es intensive wirtschaftliche Kontakte, die in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden seien, führte Prammer aus. Im Bank- und Versicherungssektor seien österreichische Unternehmen sogar marktführend. Als drittgrößter Auslandsinvestor in Albanien habe Österreich besonderes Interesse an Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, betonte Prammer: "Dies sind zwei Schlüsselbereiche, die generell für jedes Gesellschaftssegment von grundlegender Relevanz sind."

In Österreich habe sich die Fähigkeit zum Kompromiss als zentrale historische Bedingung für den Erfolg der Zweiten Republik herausgestellt, erklärte Prammer abschließend. Die Erkenntnis, dass der politische Kompromiss und die damit verbundene Stabilität allen dienten, sei eine wesentliche Erfolgsursache. "Ich hoffe, dass es auch in Albanien zunehmend gelingt, diese Kompromissfähigkeit als politischen Wert zu erkennen", sagte Prammer.

Beiderseitiges Interesse am Ausbau der Beziehungen

Möglichkeiten zum Ausbau der parlamentarischen Beziehungen erörterte NR-Präsidentin Prammer mit ihrer albanischen Amtskollegin Jozefina Topalli. Begrüßt wurde von beiden Präsidentinnen ein Kulturabkommen, das es Österreich möglich macht, Skanderbegs Helm und Schwert zum Unabhängigkeitsjubiläum an Albanien leihweise auf Zeit zu überlassen. Die beiden Originale befinden sich im Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien und sind wichtige Exponate zur Dokumentation der Geschichte Albaniens. Das Abkommen muss noch von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden.

Zum Auftakt ihres dreitätigen Besuchs traf Prammer am Sonntagabend mit Staatspräsident Buja Nishani zu einem Informationsaustausch zusammen. Von beiden Seiten wurden die guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Albanien und Österreich betont, die es weiter auszubauen gelte.

Großkraftwerk mit österreichischem Know-how

Morgen Dienstag wird die Nationalratspräsidentin einem Festakt zur Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes Ashta 1 an der Drin im Norden Albaniens beiwohnen. Das zweigeteilte Laufkraftwerk wird von der Projektgesellschaft "Energji Ashta Shpk" errichtet, deren 50-Prozent-Teilhaber seit August 2010 die EVN ist. Auch die technische Ausstattung stammt zu einem wesentlichen Teil aus Österreich, so hat Andritz Hydro 90 Hydromatrix Turbinen geliefert. Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf rund 213 Millionen Euro.

Fotos von diesem Besuch finden Sie auf der Parlamentshomepage im Fotoalbum. (Schluss)