Parlamentskorrespondenz Nr. 688 vom 18.09.2012

Bundesrat bekräftigt Ablehnung der EU-Pläne zu Konzessionsvergabe

Breite Themenpalette im EU-Ausschuss der Länderkammer

Wien (PK) – Die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats bekräftigten heute ihre ablehnende Haltung zu den Plänen der EU hinsichtlich einer detaillierten Regelung der Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen (Vorschlag für eine Richtlinie zur Konzessionsvergabe). Auch der nun vorliegende Kompromissvorschlag der Kommission fand keine Unterstützung seitens der Länderkammer, die ihrerseits die am 1. Februar 2012 einstimmig angenommene begründete Stellungnahme aufrechterhielt (siehe PK-Meldung Nr. 73/2012). Die BundesrätInnen befürchten vor allem einen Liberalisierungsdruck im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere im kommunalen Wassersektor und im Sozialbereich.

Wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) festhielt, werde er das Thema auch bei der nächsten Sitzung der COSAC zur Sprache bringen. Man kam auch überein, die Materie abermals auf die Tagesordnung der nächsten Ausschusssitzung am 30. Oktober zu nehmen und bis dahin eine gemeinsame Mitteilung an die EU-Institutionen auszuarbeiten.

Die weitere Themenpalette der heutigen Sitzung reichte von der Genehmigung von Saatgut über die Neuregelung klinischer Prüfungen von Humanarzneimitteln bis hin zu einem harmonisierten Vorgehen gegen Betrug innerhalb der EU mit Straf- und Sanktionsdrohungen und den Schutz von Urheberrechten bei der Online-Nutzung von Musikwerken.

Beschlüsse wurden in der Sitzung keine gefasst, zumal teilweise keine Bedenken hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips bestanden, andererseits die Beratungen über die Vorschläge der Kommission in den Ratsarbeitsgruppen ganz am Anfang stehen bzw. noch gar nicht aufgenommen wurden.

Liberalisierungsdruck in Daseinsvorsorge ist abzulehnen

"Der Liberalisierungsdruck in der Daseinsvorsorge über die Hintertür der Konzessionsvergabe ist völlig abzulehnen". So brachte Bundesrat Stefan Schennach (S/W) die ablehnende Haltung der Ausschussmitglieder gegen das Vorhaben der EU-Kommission zur Konzessionsvergabe auf den Punkt. Das gut funktionierende öffentliche Netz kommunaler Anbieter, etwa im Bereich der Abwasserbewirtschaftung, würde zerstört, befürchtete er und wies auf das negative Beispiel in Frankreich hin. Der Vertreter der Städtebundes warnte vor einer "unnötigen Erschwernis kommunaler Investitionstätigkeit".

Auch seitens des Bundeskanzleramts teilt man die Bedenken des Ausschusses gegenüber den allzu detailliert geplanten Vergaberegelungen. Man finde mit dem derzeitigen Bundesvergabegesetz das Auslangen, hieß es, man begrüße zwar grundsätzliche Aussagen hinsichtlich einer größeren Transparenz bei der Vergabe, das im Richtlinienentwurf vorgelegte Regime sei aber zu weitgehend und untergrabe die kommunale Daseinsvorsorge durch einen Privatisierungsdruck. 

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) erinnerte an die einhellig beschlossene begründete Stellungnahme des Ausschusses vom Februar dieses Jahres. Darin wird unter anderem auch auf die Gefahr einer weiteren Bürokratisierung und unangemessenen Verteuerung hingewiesen. Diese Meinung bleibe aufrecht, da auch der überarbeitete Vorschlag den darin zum Ausdruck gebrachten Bedenken nicht Rechnung trage, sagte Mayer. Daran ändere auch nichts die Reaktion der Kommission auf die Stellungnahme, in der die Kommission versucht, die Befürchtungen zu widerlegen, und auf die Rechtsunsicherheit sowie auf die Abschottung der Märkte aufgrund unzureichender Regelungen hinweist. Es gebe keine Rechtsunsicherheit, nachdem der EuGH bereits 16 Entscheidungen in diesen Fragen getroffen hat, betonte dazu Bundesrat Stefan Schennach (S/W), der auch die kritische Haltung des Landes Wien zitierte. Der Städtebund unterstreicht außerdem die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon, in dem das Prinzip der lokalen und kommunalen Selbstverwaltung anerkannt wird.    

Der Tagesordnungspunkt wurde sodann einstimmig vertagt.

Gentechnikfreiheit muss gewahrt bleiben

Eine weitere Vorlage betraf den Handel von forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, in der Fachsprache Vermehrungsgut genannt. Dieser soll zwischen EU-Mitgliedern und Drittländern erleichtert werden, weshalb die Kommission eine Adaptierung der Zulassungsregeln vorschlägt. Dies soll in Form eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rats erfolgen.

Bis jetzt durfte in die EU nur forstwirtschaftliches Saatgut der Kategorien "quellengesichert" und "ausgewählt" aus Kanada, Kroatien, Norwegen, Schweiz, Serbien, Türkei und den USA eingeführt werden. Gemäß einer Aktualisierung in der OECD-Zertifizierungssystematik für forstliches Vermehrungsgut möchte die Kommission die Zulassung auch auf Material mit der Kennzeichnung "qualifiziert" ausweiten, da dieses als gleichwertig mit bereits genehmigtem Saat- und Pflanzgut ausgewiesen wird.

Laut Information des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bezieht sich der vorliegende Entwurf insbesondere auf Saatgut von Douglasie (Douglastanne) für forstliche Zwecke, das in den USA erzeugt und klassifiziert wird.

Nachdem Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) Befürchtungen geäußert hatte, dass man mittels des Beschlusses gentechnisch manipuliertes Vermehrungsgut einführen könnte, Bundesrat Martin Preineder (V/N) auf das Gentechnikverbot in Österreich hinwies, das solche Einfuhren verbiete, und sich die Bundesräte Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) für eine Klärung dieser Frage aussprachen, kam man überein, eine Stellungnahme des Landwirtschaftsressorts einzuholen. Sollte der Einfuhr gentechnisch manipulierten Saatguts dadurch die Hintertür geöffnet werden, dann werde man die Frage nochmals auf die Tagesordnung des Ausschusses setzen, so die vereinbarte weitere Vorgangsweise. Das Subsidiaritätsprinzip sieht man nicht angetastet.

Ethikkommissionen bei klinischen Prüfungen von Medikamenten sind unerlässlich

Mit einiger Skepsis wurde der Vorschlag für eine "Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG" bewertet. Wie die zuständige Expertin des Gesundheitsministeriums dazu ausführte, zielt der vorliegende Entwurf der EU-Kommission darauf ab, die Verfahren der Mitgliedstaaten bei der Genehmigung und Überwachung von klinischen Arzneimittelprüfungen zu präzisieren, zu harmonisieren und mit eng gefassten Zeitlimits zu beschleunigen. Dadurch seien aber vielfach inhaltlich qualifizierte Prüfungen nicht durchführbar. Außerdem sollen so genannte stillschweigende Genehmigungen in größerem Ausmaß angewendet werden. Damit will die Kommission den Forschungsstandort Europa in diesem Bereich absichern und PatientInnen frühzeitig den Zugang zu innovativen Arzneimitteln ermöglichen.

Der Vorschlag regelt unter anderem die Verfahren, Inhalte und die Fristen für die Antragstellung und die Genehmigung klinischer Arzneimittelprüfungen, die Verfahren bei signifikanten Änderungen und bei der Überwachung dieser Prüfungen unter Einsatz von allfälligen Korrekturmaßnahmen der Mitgliedstaaten sowie nationaler und EU-Inspektionen. Die Verfahren, die Kommunikation und Zusammenarbeit der EU-Länder sollen durch eine zentrale IT-Struktur mit einem einheitlichen zentralen Portal und einer Datenbankstruktur unterstützt werden.

Weitere Kapitel der Vorlage behandeln den Schutz der Probanden und die Einwilligung nach Aufklärung, sowie die Sicherheitsberichterstattung und die Herstellung, Einfuhr und Kennzeichnung (Etikettierung) von Prüf- und Hilfspräparaten. Spezielle Kapitel sind schließlich der Erleichterung für Sponsoren, einschließlich Co-Sponsoren, dem Schadenersatz, Versicherung und einem nationalen Entschädigungsmechanismus gewidmet. Hinsichtlich des letzten Punktes zeigt man sich in Österreich zurückhaltend. Derzeit müssen Sponsoren für Probanden eine Versicherung abschließen, erfuhren die Bundesrätinnen und Bundesräte. Neu ist, dass in Notfallsituationen Notfallmedikamente getestet werden dürfen.

Äußerst kritisch bewertet das Gesundheitsministerium die Tatsache, dass im Entwurf die Ethikkommissionen nicht mehr explizit genannt werden. Die Einrichtung solcher Kommissionen wolle man den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, erklärte die Ressortexpertin. Damit wäre aber die Forschungskultur leichtfertig in Frage gestellt, sagte sie. Dem pflichtete auch Bundesrat Stefan Schennach (S/W) bei. Die Festlegung von Haftungsregeln und Entschädigungen bewertete er aber positiv.

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) sprach darüber hinaus die eingeschränkten Möglichkeiten betroffener Mitgliedstaaten an, bei multinationalen klinischen Prüfungen auf die Entscheidung der berichterstattenden Mitgliedstaaten rechtlich Einfluss zu nehmen, zumal bei Meinungsverschiedenheiten kein Schiedsverfahren vorgesehen ist. Eine Schwachstelle ortet das Ressort auch hinsichtlich der noch bestehenden Unklarheit darüber, an welchem Rechtsstandort Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können.

Die VertreterInnen des Ministeriums zeigten sich überzeugt davon, dass der Entwurf noch einige Änderungen erfahren wird. Man stehe erst ganz am Beginn der Verhandlungen, berichteten sie.

Betrugsbekämpfung soll auf EU-Ebene verstärkt und verbessert werden

Ein völlig neues Dokument, das dem Ausschuss ebenfalls zur Beratung vorlag, betrifft das seit Jahrzehnten aktuelle Thema der Betrugsbekämpfung innerhalb der EU. Das Gesamtschadensvolumen belief sich beispielsweise im Jahr 2010 auf rund 600 Mio. €. Eine Ursache ortet die Kommission in der Tatsache, dass die nationalen Rechtsvorschriften keinen einheitlichen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der EU bieten. Sie hat daher Vorschläge zur Harmonisierung strafrechtlicher Vorschriften etwa für Betrug und damit in Zusammenhang stehenden Straftaten wie Geldwäsche, aktive und passive Bestechung, Missbrauch öffentlicher Auftragsvergabe, Amtsmissbrauch und Veruntreuung vorgelegt ("Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug").

Der Vorschlag enthält ferner Bestimmungen zur Verantwortung juristischer Personen sowie Sanktionen und Strafen. Diese sollen abschreckend wirken und effizient sein, wie es im Dokument der EU heißt, wobei unter einem Schwellenwert des Schadens von 10.000 € und nicht schwerwiegenden Delikten von gerichtlichen Strafen abgesehen werden kann. Ab einem bestimmten Schwellenwert - dieser beträgt bei Betrug, bei "Umtrieben im Vergabeverfahren" und Veruntreuung 100.000 €, bei Geldwäsche und Korruption dagegen 30.000 € - ist eine Mindeststrafdrohung von sechs Monaten und eine Höchststrafdrohung von mindestens fünf Jahren vorgesehen, bei Begehung im Rahmen einer kriminellen Organisation eine Höchststrafe von mindestens zehn Jahren.

Die Sanktionen für juristische Personen können auch weitere Sanktionen wie den Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren, ein temporäres Verbot der Geschäftsausübung sowie das temporäre oder auch permanente Schließen von Einrichtungen, die zur Begehung von Straftaten genutzt wurden, enthalten.

Wie die Expertin des Justizministeriums erläuterte, korrelieren die materiellen Strafrechtsbestimmungen mit den bestehenden Übereinkommen. Erstmals seien aber Mindeststrafen vorgesehen, was hinsichtlich des österreichischen Strafrechts mit keinerlei Schwierigkeiten verbunden wäre. Großen Anpassungsbedarf gäbe es aber im heimischen Finanzstrafrecht, weshalb das Finanzministerium derzeit etwas zurückhaltend sei. Die Kommission strebe auch eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit OLAF, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, an. Diese sollte nicht durch Verjährungsvorschriften behindert werden.

Aufgrund von Wortmeldungen der BundesrätInnen Muna Duzdar (S/W), Stefan Schennach (S/W), Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Franz Wenger (V/S) präzisierte die Ressortvertreterin, die Richtlinie ziele explizit auf den Schutz des EU-Haushalts ab, Österreich würde den Weg des einheitlichen Betrugstatbestands nicht verlassen. Hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips sah sie keine Schwierigkeiten, da es Sache der Mitgliedstaaten bleibe, wie diese den Verpflichtungen nachkommen. Der Mehrwert bestehe vor allem in einer stärkeren Zuständigkeit des EuGH und einer stärkeren Angleichung der Strafdrohungen. Man war sich im Ausschuss einig, dass keine Gebiete oder Inseln von den Bestimmungen ausgenommen werden dürfen.

Urheberrecht: Ministerium plant "Leermedienabgabe"

Der letzte Tagesordnungspunkt betraf eine sehr sensible und komplizierte Materie: Das Urheberrecht im Zusammenhang mit der Online-Nutzung. Mit dem Richtlinienvorschlag "über kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt" will die EU-Kommission mehr Transparenz und ein verbessertes Management der Verwertungsgesellschaften erzielen. Dies soll durch verstärkte Berichterstattungspflichten und Kontrolle der Rechteinhaber über deren Tätigkeiten erreicht werden.

Zum anderen will man die multimultiterritoriale und repertoireübergreifende Vergabe von Urhebernutzungsrechten an Musikstücken für die Online-Verbreitung in der EU und im EWR fördern und erleichtern. Die Musikbranche habe man deshalb vorgezogen, weil diese vom illegalen Downloaden am meisten betroffen sei, erfuhren die BundesrätInnen nach einer Frage von Bundesrat Stefan Schennach (S/W) durch den Experten des Justizministeriums.

Dieser unterstrich auch die Bedeutung der Verwertungsgesellschaften im Hinblick auf die Wertschöpfung der UrheberInnen. Ohne sie wäre eine Massennutzung nicht möglich, sagte er. Das österreichische Konzept sehe ein Monopol vor. Die Kommission vertrete aber die Auffassung, dass das System der kollektiven Rechteverwertung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit widerspricht.

Nachdem durch die Online-Nutzung eine erhebliche Rechtsunsicherheit aufgetreten sei, verfolge man nun das Ziel, Mindeststandards für Verwertungsgesellschaften zu schaffen und ein paneuropäisches Lizenzierungssystem zu etablieren. Das sei zwar zu begrüßen, sagte der Experte, die Stoßrichtung sei aber unglücklich, weil der Entwurf einen zu hohen Detaillierungsgrad aufweise.

Vor allem befürchtet man in Österreich, mehr Wettbewerb berge die Gefahr in sich, dass das Repertoire "austrocknet". Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) meinte dazu, es gehe darum sicherzustellen, dass auch weniger renommierte KünstlerInnen ihre Rechte wahrnehmen können. Dies sei nicht gewährleistet, wenn die Verwertungsgesellschaften nicht verpflichtet sind, diese aufzunehmen. Auch der Experte des Justizresorts versicherte, man werde darauf bestehen, dass der Monopolgrundsatz in einigen Bereiche unberührt bleibt, dass der gesetzliche Vergütungsanspruch im Online-Bereich vom Monopolisten wahrgenommen wird.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) thematisierte die Problematik des privaten Downloadens im Spannungsfeld zwischen Urheberrechtsschutz und Nichtkriminalisieren und wies auf die mangelnden Einnahmen bei der Leerkassettenvergütung hin. Seitens des Justizministeriums wurde auf das Vorabentscheidungsansuchen des OGH hingewiesen, darüber hinaus plane das Ressort, eine sogenannte "Leermedienabgabe" statt der Leerkassettenvergütung einzuführen.

Der Entwurf der Kommission legt unter anderem fest, welche Anforderungen Verwertungsgesellschaften hinsichtlich ihrer internen Organisation und Transparenz erfüllen müssen, er enthält Bestimmungen über die Verwaltung, Einziehung und Verwendung der Einnahmen und regelt das Verhältnis der Verwertungsgesellschaften zu Nutzern. Darüber hinaus enthält der Entwurf auch Offenlegungspflichten von Verwertungsgesellschaften. Normiert werden sollen weiters die Anforderungen an Verwertungsgesellschaften bei der Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Online-Rechte an Musikrechten. (Schluss)


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