Parlamentskorrespondenz Nr. 759 vom 10.10.2012

Menschenrechtsausschuss behandelt Justizthemen

Antrag auf Prüfung des Sachwalterschaftsrechts angenommen

Wien (PK) - Von Menschenhandel bis Obsorgeregelungen und der Nachbetreuung von Häftlingen thematisierten heute die Mitglieder des Menschenrechtsausschusses zahlreiche menschenrechtlich relevante Fragen bei einer Aktuellen Aussprache mit Justizministerin Beatrix Karl.

Der Ausschuss beschäftigte sich zudem mit zwei Anträgen der Grünen an die Justizministerin. Die Forderung nach einer Überprüfung bzw. Novelle des Sachwalterschaftsrechts nahmen die Ausschussmitglieder in Form eines gesamtändernden Abänderungsantrags einstimmig an. Der zweite G-Antrag befasste sich mit einer Schwerpunktsetzung zum Themenbereich organisierte Kriminalität in der Ausbildung von RichteramtsanwärterInnen und wurde mehrheitlich vertagt.

Karl: Thematik Menschenhandel soll in der richterlichen Ausbildung forciert werden

Menschenhandel als Teil der organisierten Kriminalität sprachen die Abgeordneten Judith Schwentner, Alev Korun (beide G) und Petra Bayer (S) in ihren Fragen an Justizministerin Karl an. Schwentner bezog sich konkret auf die Bürgerinitiative "Stoppt Sexhandel mit Kindern und Jugendlichen" und erkundigte sich, ob die Prozessbegleitung bei Verfahren mit minderjährigen Opfern sichergestellt ist. Außerdem forderte sie Schulungen für RicherInnen und StaatsanwältInnen, um das Erkennen des Tatbestands Menschenhandel in der Justiz sicherzustellen. Korun bemängelte, dass generell kaum Entschädigungsmöglichkeiten für Opfer von Menschenhandel bestünden, wie eine Studie des Vereins LEFÖ zeige, da von Täterseite meist kein Schadensersatz erfolge. Die G-Mandatarin erwähnte auch die Empfehlung des Europarats, Österreich solle sich mit seiner Gesetzeslage gegen Menschenhandel kritisch auseinandersetzen und fragte wie ihre Vorrednerin nach aktuellen Verurteilungszahlen bei Verfahren wegen Menschenhandels, da sie vermutete, es gebe weitaus mehr Anklagen als tatsächlich verurteilte Täter. Für Abgeordnete Bayer war der internationale Erfahrungsaustausch über Opferschutzmaßnahmen im Rahmen des Menschenhandels bedeutend und sie interessierte sich für entsprechende Initiativen seitens des Justizministeriums.

Eine Prozessbegleitung von Kindern und Jugendlichen sei bei Verfahren zu Menschenhandel bundesweit gegeben, unterrichtete Karl die Fragestellerinnen. Konkrete Zahlen zu den Verurteilungen würden schriftlich nachgereicht. Hinsichtlich der Schulungsprogramme sagte Karl, vor wenigen Tagen sei ein Erlass des Ministeriums an alle Oberlandesgerichte ergangen, den Schwerpunkt Menschenhandel in der RichteramtsanwärterInnenausbildung zu integrieren. Zusätzlich gebe es bereits jetzt zahlreiche inländische und internationale Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, in denen RichterInnen und StaatsanwältInnen mit dem Themenbereich der organisierten Kriminalität vertraut werden und mit KollegInnen anderer Länder Best-Practice Beispiele etwa zur Opferbetreuung austauschen könnten. Allerdings, merkte die Justizministerin an, sei zur effektiven Bekämpfung des organisierten Verbrechens auch eine verbesserte Schulung der Kriminalpolizei notwendig.

Der Entschließungsantrag (2073/A[E]) an die Justizministerin von den G-Abgeordneten Alev Korun und Albert Steinhauser, in dem ein verpflichtender Schulungsschwerpunkt zu Mechanismen und Funktionsweisen organisierter Kriminalität und Menschenhandel gefordert wird, wurde am Ende der Debatte auf Antrag des Abgeordneten Franz Glaser (V) mehrheitlich vertagt. Die Mandatare Glaser und Wolfgang Großruck (beide V) sprachen sich dafür aus, die Wirkung des ministeriellen Erlasses an die Oberlandesgerichte zum Thema Menschenhandel abzuwarten und dann zu evaluieren, ob zusätzliche Schritte zur Verbesserung der juristischen Ausbildung auf diesem Gebiet nötig seien.

Neuerung in Obsorgefragen, Mängel bei Nachbetreuung von Häftlingen

Das von Justizministerin Karl und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek heute präsentierte Familienrechtspaket erwähnte Abgeordnete Christine Marek (V) und begrüßte insbesondere, dass bei Trennung der Eltern ein Kontaktrecht anstatt des Besuchsrechts installiert worden ist. Abgeordneter Glaser wertete die neue Regelung zur gemeinsamen Obsorge positiv, denn diese nütze nicht zuletzt unverheirateten Vätern, die bislang nach einer Trennung von der Partnerin häufig vergeblich Kontakt zum gemeinsamen Kind gesucht hätten. Abgeordneter Bernhard Vock (F) sprach in diesem Zusammenhang die bisher oft jahrelangen Obsorgestreitigkeiten an und fragte, wann die gemeinsame Obsorge eines getrennten Paares nun Regelfall werde.

Nach Trennungen im Streit gebe es mit der neuen Bestimmung eine sechsmonatige Phase, in der beide Elternteile Obsorgerechte und -pflichten für ihr Kind hätten und Vereinbarungen über den weiteren Kontakt mit dem Kind sowie über Unterhaltsleistungen getroffen werden sollten, erläuterte die Justizministerin. Erst danach würde eine endgültige richterliche Entscheidung erfolgen, wobei immer das Kindeswohl der Maßstab sei. Auch unverheiratete Väter könnten ab nun den Antrag auf Obsorge stellen, selbst wenn das nicht dem Willen der Mutter entspreche, führte Karl weiter aus. Bezüglich Umwandlung des Besuchsrechts in Kontaktrecht beschrieb die Ministerin Maßnahmen wie den Einsatz von Besuchsmittlern und den Ausbau der Familiengerichtshilfe. Dadurch sollten die Konflikte über Kontaktfragen bereinigt beziehungsweise mit einvernehmlichen Lösungen raschere Verfahren gewährleistet werden.

Zur Frage der Nachbetreuung entlassener Häftlinge, die Abgeordneter Albert Steinhauser (G) gestellt hatte, gestand die Justizministerin Verbesserungsbedarf ein. Steinhauser hatte bekrittelt, dass Personen oftmals über ihre Haftzeit hinaus im Maßnahmenvollzug die Freiheit entzogen werde und befand, dieser Umstand sei wohl im Fehlen von Nachbetreuungseinrichtungen begründet. Außerdem hinge die Haftdauer oft von Gutachten ab, deren Qualität zu hinterfragen sei, so Steinhauser. Tatsächlich seien Personen im Maßnahmenvollzug häufig Pflegefälle, für die es keine passenden Nachbetreuungseinrichtungen gebe, replizierte die Ministerin. Um das zu ändern, sei jedoch die Mitwirkung der Bundeländer nötig, erklärte Karl und sprach sich für weitere Verhandlungen mit den Ländern zu diesem Sozialthema aus. Zur Problematik bei Gutachten meinte Karl, die GutachterInnenausbildung liege in Händen der Universitäten und der Ärztekammer, doch würde die Qualität von Sachverständigen alle fünf Jahre von den Landesgerichten überprüft.

Folterverbot, Tierschützerprozess, Verhetzungsparagraph, Burgenlandkroaten, NS-Verbotsgesetz

Auf die Anmerkung von Steinhauser und Bayer hin, im österreichischen Recht bestehe noch immer eine Lücke zum Folterverbot, informierte die Justizministerin den Ausschuss, dass der Entwurf für einen Paragraphen dazu fertiggestellt worden sei und kündigte die Umsetzung bis Jahresende an.

Entschädigungszahlungen für die hohen Anwaltskosten der freigesprochenen Angeklagten des Tierschützerprozesses und die Novellierung des sogenannten Terrorismusparagraphen 278a StGB sowie die Auswirkungen des neugefassten Verhetzungsparagraphen, der auch die Hetze gegen Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung unter Strafe stellt, thematisierten die Abgeordneten Andrea Gessl-Ranftl und Ewald Sacher (beide S). Karl bemerkte, ein Evaluierungsbericht mit Änderungsvorschlägen zu 278a StGB sei dem Parlament bereits zugegangen, aus budgetären Gründen könne sie jedoch eine vollständige Kostenrückerstattung an die Angeklagten des Tierschützerprozesses (es seien noch nicht alle Urteile rechtskräftig) zusagen. Bislang habe es keine Strafanträge wegen Hetze gegen sexuelle Ausrichtung gegeben, doch sei diese Regelung erst seit Anfang dieses Jahres in Kraft, erinnerte die Justizministerin.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) bemängelte, im Burgenland gebe es nur in Eisenstadt kroatischsprechende Richter, was einen Missstand für die kroatische Minderheit des Burgenlands darstelle, da sie ein Recht auf Verfahren in ihrer Muttersprache habe. Lange Gerichtsverfahren seien außerdem eine Folge daraus, so Huber. Karl erwiderte, dass, wie im Volksgruppengesetz vorgesehen, in den sechs burgenländischen Bezirksgerichten der Gebrauch des Kroatischen durch DolmetscherInnen sichergestellt werde. Es gebe im Burgenland derzeit schlicht nicht genügend RichterInnen, die der kroatischen Sprache mächtig sind.

Die Frage nach Maßnahmen gegen die Zunahme von Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz, die Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) aufwarf, beantwortete die Ministerin mit dem Hinweis, dass derartige Delikte vermehrt im Internet begangen würden. Das erschwere die Ermittlungen, daher sei präventive Aufklärungsarbeit, vor allem bei Jugendlichen, umso wichtiger.

Novelle zum Sachwalterschaftsrecht angeregt

Das österreichische System der Sachwalterschaft verstoße gegen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, das für Österreich seit 2008 verbindlich ist, kritisierte Abgeordneter Albert Steinhauser.  Durch eine Sachwalterbestellung verlören Personen derzeit automatisch das Recht, selbst Rechtsgeschäfte zu tätigen. Dies entspreche nicht der gleichberechtigten Rechts- und Handlungsfähigkeit von Menschen mit und ohne Behinderung, monierte der G-Abgeordnete. Er brachte daher gemeinsam mit den Abgeordneten Großruck und Kirchgatterer einen diesbezüglichen Entschließungsantrag  (2072/A[E]) in Form eines gesamtändernden Abänderungsantrages an die Justizministerin ein. Die Ministerin wird darin ersucht, das bestehende Sachwalterschaftsrecht zu prüfen und gegebenenfalls eine Novellierung vorzunehmen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. (Schluss)