Parlamentskorrespondenz Nr. 797 vom 18.10.2012

Familienausschuss: Ausweitung des TOP-Jugendtickets ist geplant

Mitterlehner hofft auf Umsetzung bis zum nächsten Schuljahr

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Familienausschusses stand zunächst eine – einstimmig angenommene - Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes auf der Tagesordnung, wodurch eine rechtliche Basis für die bundesweite Umsetzung des bereits in Wien, Niederösterreich und Burgenland eingeführten TOP-Jugendtickets geschaffen wird. Überdies befassten sich die MandatarInnen mit zahlreichen – vertagten - Anträgen der Opposition, die thematisch von der Vereinfachung des Zugangs zu Familienleistungen (BZÖ), der Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld (FPÖ und BZÖ), der Schaffung einer Bundeskompetenz für Frühpadägogik bis hin zur Stärkung der Kinderrechte reichte (Anträge der Grünen). Abgelehnt wurde hingegen ein FPÖ-Entschließungsantrag betreffend "Geldsegen für Süchtige".

Gesetzliche Basis für Ausweitung des TOP-Jugendtickets geschaffen

In einer Novellierung des Familienlastenausgleichsgesetzes wird die gesetzliche Grundlage für die Leistung einer Pauschalabgeltung an Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften geschaffen. Hintergrund dafür ist ein diesbezügliches Pilotprojekt, das bereits im Verkehrsverbund Ostregion (VOR), also in Wien, Niederösterreich und Burgenland, implementiert wurde (ab September 2012). Neben dem bisherigen Ticket um 19,60 € können SchülerInnen und Lehrlinge bis zum 24. Lebensjahr, deren Schule oder Hauptwohnsitz in den genannten Bundesländern liegt, nun auch ein so genanntes TOP-Jugendticket um 60 € erwerben, das eine uneingeschränkte Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der VOR-Region ein ganzes Jahr lang (auch in den Ferien) ermöglicht. Da diese Umsetzung auf vertraglicher Basis ausgehandelt wurde und eine Ausweitung dieses Projekts auf das gesamte Bundesgebiet geplant ist, soll diese Beförderungsvariante nun auch auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Die Neuregelungen sollen unter anderem zu einer Verminderung von Verwaltungskosten in der Höhe von ca. 4,7 Mio. € pro Jahr führen und SchülerInnen und Lehrlinge – durch das Angebot von besonders günstigen Tickets - für eine stärkere Nutzung des öffentlichen Verkehrs gewinnen.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner hob die Vorteile des ab Herbst gültigen Top-Jugendtickets in der VOR-Region hervor. Man brauche in Hinkunft kein Antragsformular mehr für die Schüler- und Lehrlingsfreifahrten und auch keinen Zahlschein für die Entrichtung des Selbstbehalts. Um 60 Euro können die Jugendlichen das ganze Jahr über die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien, Niederösterreich und Burgenland benutzen, betonte der Ressortchef, was derzeit etwa 500.000 SchülerInnen und Lehrlingen zugutekommt. Die vorliegende Novelle schaffe die gesetzliche Berechtigung dazu, dass derartige Pauschalabgeltungsverträge auch in den anderen Bundesländern umgesetzt werden können. Er hoffe, dass bis zum nächsten Schuljahr das Angebot auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt werden kann.

Die Regierungsvorlage wurde von den MandatarInnen aller Fraktionen ausdrücklich begrüßt. Abgeordneter Christian Höbart (F) hätte sich aber noch eine Ausweitung auf den Kreis der StudentInnen gewünscht; dieses Anliegen wurde auch von der Grünen Fraktion unterstützt. Die SPÖ-Abgeordneten Franz Riepl und Gisela Wurm gaben zu bedenken, dass auch für jene Lehrlinge eine Lösung gefunden werden sollte, die zum Beispiel aus Tirol kommen, in Niederösterreich aber die Berufsschule besuchen müssen. Abgeordnete Angela Lueger (S) wies ihrerseits darauf hin, dass SchülerInnen von Hotelfachschulen verpflichtende Praktika haben, die oft in anderen Bundesländern absolviert werden.

Damit alle Jugendlichen in Österreich in den Genuss des neuen Tickets kommen, sollte der zuständige Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend dieses Projekt so rasch wie möglich auf das ganze Bundesgebiet ausdehnen, wünschte sich auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) in einem Entschließungsantrag. – Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis darauf, dass diesbezügliche Gespräche mit den Bundesländern laufen, mit S-V-Mehrheit vertagt.

Familienminister Mitterlehner wies darauf hin, dass eine Ausdehnung der Freifahrten auf Studierende etwa 127 Mio. € kosten würde. Abgeordneter Ursula Haubner (B) gegenüber stellte Mitterlehner fest, dass auch der Rechnungshof die Freifahrten als Kernfamilienleistungen ansieht und auch aufgrund der begrenzten Mittel in den anderen Ressorts eine Auslagerung aus dem FLAF nicht sehr wahrscheinlich ist.

Die Regierungsvorlage wurde schließlich in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrages, der eine Erweiterung des Begünstigtenkreises für Schülerfreifahrten auf die Medizinischen Assistenzberufe vorsieht, einstimmig angenommen.

BZÖ: Vereinfachung der Antrags- und Auszahlungsmodalitäten von Familienleistungen

Die Abgeordneten des BZÖ Ursula Haubner und Martina Schenk fordern die Bundesregierung außerdem über einen Entschließungsantrag auf, für eine Erleichterung bei der praktischen Inanspruchnahme der wesentlichen Familienförderungsmaßnahmen, also Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu sorgen. Nach Vorstellungen des BZÖ soll eine Vereinheitlichung der Antrags- und Auszahlungsmodalitäten der Familienleistungen erfolgen, vor allem durch einen einheitlichen "Zahltag" und die Zusammenfassung der zuständigen Stellen. Zur Unterstützung der Studierenden wird in dem Antrag überdies verlangt, dass eine direkte Auszahlung der Familienbeihilfe an Studierende, die mit ihren Eltern nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben, erfolgt.

Da die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld an zwei unterschiedlichen Stellen angesiedelt sind, die sich in der Praxis auch bewährt haben, sprach sich Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V) gegen eine Zusammenlegung aus. Sie unterstütze jedoch das BZÖ-Verlangen, wonach die Behördenwege vereinfacht werden sollten, was jedoch bereits in die Wege geleitet wurde, wie z.B. bei der Anmeldung von Geburten. Auch die direkte Ausbezahlung der Familienbeihilfe an Studierende begrüßte sie. Einen derartigen Antrag habe sie bereits im Jahr 2008 eingebracht, erinnerte Fuhrmann.

Abgeordneter Franz Riepl (S) gab zu bedenken, dass im Fall von betriebsinternen Kinderzulagen die direkte Auszahlung der Familienbeihilfe an die Studierenden zu einem Wegfall dieser Sozialleistung führen würde. Außerdem setzte er sich für die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für Studierende – derzeit 10.000 € - ein.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) ging auf die Bedenken von Riepl ein und wies darauf hin, dass man dieses Problem durch eine Anknüpfung der Familienbeihilfe an die Unterhaltspflicht leicht lösen könnte. Wenn Jugendliche schon mit 16 wählen können, dann sei es nicht einzusehen, warum erwachsene StudentInnen die Familienbeihilfe erst über den Umweg des Elternkontos erhalten. Ein Wunsch von ihr war auch die Schaffung eines möglichst niederschwelligen Zugangs zu Familienleistungen.

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) hielt es für besser, wenn die Familienbeihilfe monatlich und auch direkt an die Studenten ausbezahlt wird.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner vertrat die Auffassung, dass sich die zwei unterschiedlichen Auszahlungsstellen für Familienbeihilfe (Finanzamt) und Kinderbetreuungsgeld (Krankenkassen) durchaus etabliert haben. Außerdem müsse man ja nicht mehr persönlich zu den Behörden gehen, sondern könne einen elektronischen Antrag stellen. Was die Direktauszahlung der Familienbeihilfe betrifft, so arbeite sein Ressort an einer "Soft-Variante", die auf einer gemeinsamen Entscheidung von Eltern und Studierenden beruht. – Der BZÖ-Antrag wurde bei der Abstimmung vertagt.

FPÖ-Antrag betreffend "Geldsegen für Süchtige" wird abgelehnt

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) spricht sich in einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion dagegen aus, dass drogenabhängige Menschen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe sowie auf deren rückwirkende Auszahlung von der öffentlichen Hand haben. Diese Möglichkeit sollte so rasch wie möglich unterbunden werden, denn Drogenkranke brauchten Therapie- und Hilfsangebote und kein zusätzliches Geld. Wenn jemand suchtkrank ist, dann bestehe einfach die Gefahr, dass direkt ausbezahlte Geldbeträge sofort wieder für Drogen ausgegeben werden, gab auch ihr Fraktionskollege Norbert Hofer (F) zu bedenken. Außerdem brauche seiner Meinung nach jede Behinderung eine andere Arten der Hilfestellungen.

Abgeordnete Gisela Wurm (S) übte - ebenso wie die Mandatarinnen Daniela Musiol (G) und Christine Marek (V) - Kritik am Titel des F-Entschließungsantrags und wies darauf hin, dass es sich maximal um Einzelfälle handeln könne, wo größere Beträge rückwirkend ausbezahlt werden. Außerdem sei ein Attest des ärztlichen Dienstes des Bundesozialamtes nötig, um als Suchtkranker eine erhöhte Familienbeihilfe beziehen zu können.

Ebenso machte Familienminister Reinhold Mitterlehner darauf aufmerksam, dass es sich bei der angesprochenen Problematik maximal um Einzelfälle handeln könne. Seinem Ressort sei jedenfalls kein einziger Fall bekannt. Außerdem stellte der Minister richtig, dass die Familienbeihilfe nicht direkt an die Betroffenen, sondern an die Eltern ausbezahlt wird. Eine erhöhte Familienbeihilfe könne nur dann bezogen werden, wenn mindestens eine 50 prozentige Behinderung festgestellt wird. Dafür sei aber ein behördliches Attest notwendig und nicht bloß eine Bescheinigung durch eine Drogenambulanz, informierte er. – Bei der Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt.

FPÖ und BZÖ gegen eine Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld

Für eine höhere Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und tatsächliche Wahlfreiheit setzt sich Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) in einem weiteren Entschließungsantrag und deshalb für die Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld ein. Der Leiter des österreichischen Instituts für Familienforschung, Wolfgang Mazal, hat kürzlich erst wieder darauf hingewiesen, dass die Zuverdienstgrenze hier keinen Lenkungseffekt habe, argumentiert die Abgeordnete. Auch Abgeordnete Martina Schenk (B) sah eine Beschneidung der Wahlfreiheit der Eltern in der Zuverdienstgrenze, die offenkundig kein Lenkungsinstrument sei, und forderte in einem Entschließungsantrag ebenfalls ihre Abschaffung.

Abgeordnete Christine Marek (V) verwies auf offene Fragen der Gleichbehandlung von Selbständigen und Angestellten bei einem Entfall der Zuverdienstgrenze, die man riskieren würde, ohne dass ein positiver Effekt bei der Väterbeteiligung in der Kinderbetreuung eintritt. Ähnlich argumentierte Abgeordnete Angela Lueger (S), die eher Nachteile für unselbständig Beschäftigte sah. Abgeordnete Daniela Musiol (G) plädierte für eine Gesamtreform des Systems, das mit derzeit fünf Varianten undurchschaubar und viel zu kompliziert sei. Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) sah die Frage der Wahlfreiheit der Eltern eng mit dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen verknüpft. Auch Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) meinte, eine Abschaffung der Zuverdienstgrenze wäre nur im Rahmen eines Gesamtpaket denkbar.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner stimmte zu, dass die Wahlfreiheit der Eltern ein wichtiges Thema sei. Eine völlige Aufhebung der Zuverdienstgrenze würde aber den FLAF sofort mit 170 Mio. € zusätzlich belasten. Es seien verschiedene Modelle in Diskussion, wie man die Frage der Zuverdienstgrenzen lösen und die derzeitigen Kindergeldregelungen vereinfachen könnte. Es habe sich aber derzeit noch keines als das Beste herausgeschält, merkte er an. – Beide Anträge wurden vertagt.

Grüne fordern Koordinationsstelle für Kinder- und Jugendpolitik

G-Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill vermisst einen Fokus der österreichischen Jugendpolitik und verlangt in einem Entschließungsantrag die Einrichtung einer Koordinationssstelle für Kinder- und Jugendpolitik, um die interministerielle Vernetzung in diesem Bereich zu forcieren. Offenbar gebe es im Ministerium bereits Überlegungen zu einer solchen Stelle, sagte die Abgeordnete und erkundigte sich danach, wie diese aussehen soll und wann sie zu erwarten ist.

Skeptisch äußerte sich Abgeordneter Norbert Hofer (F), der vor Überregulierung und Bürokratie durch eine zusätzliche Stelle für eine Querschnittmaterie warnte. Ähnlich sah das Problem Abgeordnete Ursula Haubner (B). Die Abgeordneten Anna Höllerer (V) und Angela Lueger (S) verwiesen zudem auf die in Ausarbeitung befindliche Jugendstrategie des Familienressorts. Die Kompetenz für Jugendangelegenheiten sei dort klar verankert. Bundesminister Reinhold Mitterlehner teilte mit, eine koordinierende Stelle der Jugendstrategie sei für 2013 geplant, er wolle aber nicht vorgreifen, was ihren Aufbau betrifft. Dieser müsse mit allen Beteiligten abgestimmt werden. – Der Antrag wurde mit Mehrheit vertagt.

Grüne für Einsetzung eines Kinderrechte-Monitoringausschusses

Für die Einrichtung eines finanziell ausreichend dotierten und unabhängigen Kinderrechte-Monitoringausschusses plädiert Abgeordnete Tanja Winderbüchler-Souschill (G) in einem weiteren Entschließungsantrag. Die Schaffung eines Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern habe keine Auswirkung auf die Praxis gehabt, so die G-Mandatarin kritisch. Dem widersprach Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V), die Kinderrechte seien in Österreich sehr wohl umfassend umgesetzt. Ein Monitoring des Familienressorts sei dazu bereits im Gange. Dem schloss sich Abgeordnete Angela Lueger (S) an und forderte ein zügiges Vorgehen in diesem Monitoring ein.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner hielt fest, dass die rasche Einrichtung eines Monitoring-Boards für Kinderrechte auch in seinem Interesse sei und versprach, er werde dem Ausschuss zu gegebener Zeit dazu Bericht erstatten. – Der Antrag wurde mehrheitlich vertagt.

Grüne: Frühpädagogik soll Bundeskompetenz werden

Abgeordnete Daniela Musiol (G) argumentierte, der Forderung nach einer Bundeskompetenz im elementarpädagogischen Bereich hätten im Besonderen Ausschuss zur Behandlung des Bildungsvolksbegehrens alle ExpertInnen und Fraktionen zugestimmt. Nichts anderes fordere ihr Entschließungsantrag. Nach wie vor komme es zu einer Ungleichbehandlung von Kindern und Eltern in den verschiedenen Ländern. Es müssten aber einheitliche Qualitätsstandards in ganz Österreich durchgesetzt werden.

Abgeordnete Christine Marek (V) meinte, es gebe in der derzeitigen realpolitischen Situation keine Chance für die Schaffung einer derartigen Bundeskompetenz. Man habe aber sehr wohl in einzelnen Schritten mit den Ländern viel erreicht. Dem schlossen sich die Abgeordneten Dorothea Schittenhelm (V) und Hermann Lipitsch (S) an. Abgeordneter Norbert Hofer (F) meinte, eine "Zerschlagung des gordischen Knotens" der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich könne man auf dem Weg der direkten Demokratie durch eine Volksabstimmung über eine solche Bundeskompetenz schaffen.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner wies darauf hin, dass die Erreichung des Barcelona-Ziels in der Kinderbetreuung natürlich eine Anhebung der pädagogischen Erfordernisse in den Betreuungseinrichtungen bedeuten würde. Die Umsetzung von Qualitätsstandards und eine Bundeskompetenz würde auch entsprechende finanzielle Mittel für den Bund erfordern. Derzeit gehe man den Weg, in 15a-Vereinbarungen mit den Ländern über Kinderbetreuungseinrichtungen auch das Kriterium der Qualitätsstandards einzubeziehen und so eine Vereinheitlichung allmählich zu erreichen. – Der Antrag der Grünen wurde neuerlich vertagt. (Schluss)