Parlamentskorrespondenz Nr. 842 vom 30.10.2012

EU möchte Katastrophenhilfe europaweit koordinieren

EU-Ausschuss des BR: Katastrophenschutz grundsätzlich Ländersache

Wien (PK) - Die Anstrengungen der Europäischen Kommission, Katastrophenhilfe EU-weit zu koordinieren, wurden heute vom EU-Ausschuss des Bundesrates differenziert bewertet. Konkret befasste sich der Ausschuss mit Kommissionsplänen, den Katastrophenschutz zwischen den Mitgliedsstaaten und der Union besser aufeinander abzustimmen und durch Mechanismen der Prävention, Vorbereitung und Abwehr zu ergänzen. Zudem kreiste die Debatte um den erneuten Versuch der Kommission, mit einem Verordnungsentwurf ein EU-Freiwilligencorps für humanitäre Hilfe und Katastropheneinsätze ins Leben zu rufen. In beiden Bereichen wurden Bedenken hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen EU und Nationalstaaten sowie der Finanzierung geltend gemacht. Den außerdem diskutierte Richtlinienvorschlag zu EU-weiten Regelungen für die online-Nutzung von Musikwerken beurteilten die Ausschussmitglieder generell positiv. Zentrale Frage dabei war, ob Österreich die nationale Monopolstellung seiner Verwertungsgesellschaften beibehalten solle.

Katastrophenschutzpläne der Kommission wurden adaptiert

Nachdem viele Mitgliedsstaaten sich ablehnend zum ursprünglichen Kommissionsentwurf für ein unionsweites Katastrophenschutzverfahren gezeigt hatten, wurde unter der zypriotischen Ratspräsidentschaft nun eine veränderte Fassung erarbeitet, informierte eine Expertin des Innenministeriums (BMI) den EU-Ausschuss des Bundesrats (siehe auch PK-Meldungen 186/2012, 233/2012). Die Kosten für den EU-Katastrophenschutz werden im kommenden mehrjährigen EU-Finanzrahmen (2014 bis 2020) laut Kommissionsentwurf mit 513 Mio. Euro beziffert. Anstatt der verpflichtenden Übermittlung von Risikomanagementplänen an die Kommission, sollten die Mitgliedsländer gemäß des EU-Plans nunmehr Informationen über Risiken und eine zusammenfassende Bewertung der nationalen Risikomanagementfähigkeit bekanntgeben und damit einen wirkungsvollen Austausch von Verfahren und Informationen ermöglichen. Dieser Ansatz werde von Österreich zwar begrüßt, so die Expertin, einzig die vorgesehene Frist von zwei bis drei Jahren werte man für diese präventiven Maßnahmen als zu kurz.

Gegen die positive Sichtweise des geänderten Kommissionsentwurfs wandte sich Bundesrat Franz Wenger (V/S). Er sehe keine Erleichterung dadurch, dass nun Zusammenfassungen der Risikopotentiale von der EU verlangt würden, meinte der Salzburger Bundesrat und betonte, Katastrophenschutz müsse jedenfalls nationale Sache bleiben. Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) erwiderte darauf, natürlich sei vielfach Katastrophenhilfe besser auf nationaler oder kommunaler Ebene zu verankern, doch dürfe man nicht übersehen, dass Katastrophen durchaus auch europaweit auftreten könnten. Dann gehe es um schnelle Reaktion und ausreichend verfügbare Ressourcen in den Ländern, wie es im Kommissionsvorschlag angedacht sei, befand Michalke. Tatsächlich beabsichtige die Kommission mit ihrem Entwurf, Mitgliedstaaten, die bislang bei Maßnahmen zur Risikovorsorge nachlässig waren, zur verstärkten nationalen Präventionsarbeit zu motivieren, erfuhr der Ausschuss von der Vertreterin des Innenministeriums. Generell verbleibe Katastrophenschutz in nationaler Verantwortung, erklärte sie, die EU-Hilfe komme innerhalb der Staatengemeinschaft dann zum Tragen, wenn der Hilfsbedarf die Fähigkeiten eines einzelnen Staates übersteige.

Dem aktuellen Vorschlag zufolge können Fachleute und Sachleistungen wie Decken, Zelte, Sandsäcke etc. von einem Mitgliedsstaat als unionsweit zugängliche Notfallabwehrkapazität bei der EU gemeldet werden. Diese Ressourcen stünden jederzeit auch für nationale Zwecke bereit und die Mitgliedsstaaten hätten aus mehreren Gründen die Möglichkeit, ihre Mittel bei EU-Hilfsmaßnahmen nicht zum Einsatz kommen zu lassen, etwa wenn die Ressourcen im eigenen Land benötigt würden. Aufbau und Transport dieser Kapazitäten sollen mit EU-Mitteln finanziell unterstützt werden, heißt es im Kommissionsentwurf, wobei erwogen wird, für die Höhe der beigesteuerten Mittel zwischen Einsätzen innerhalb der EU (50 % Kostenübernahme) und außerhalb der Union (70 % Kostenübernahme) zu unterscheiden.

Als weiterhin strittigen Punkt bei den Ratsverhandlungen zu den Katastrophenschutz-Plänen der EU nannte die Expertin des Innenministeriums den Vorschlag der Kommission, auch nationale Kapazitätslücken auf europäischer Ebene zu schließen. Mit dem zentralen Aufbau von Kapazitäten würde die Union ihre Kompetenzen als Koordinatorin überschreiten, befürchte man seitens der Nationalstaaten.

Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) befürwortete zwar den im Kommissionsvorschlag angestrebten Aufbau einer Europäischen Notfallabwehrkapazität durch die EU-Länder, vermutete allerdings unnötigen Logistikaufwand in diesem Zusammenhang. Dazu erläuterte die Expertin des BMI, ein Logistikzentrum sei von der EU mangels Mehrwert nicht geplant.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) sprach sich im Sinne des Solidaritätsgedankens für EU-weite Hilfsmaßnahmen aus und merkte an, ein gemeinsames Budget für EU-Katastrophenhilfe sei auch für Einsätze außerhalb der Union, wie etwa den Balkanstaaten, wichtig. Zur Verteilung und Nutzung der Gelder für unionsweite Katastrophenschutzmaßnahmen erfuhren Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Bundesrat Franz Perhab (V/St) von der Expertin des BMI, auf EU-Ebene sei in einem Jahresarbeitsprogramm zum Katastrophenschutz genau aufgegliedert, wie viel Mittel jeweils im kommenden Jahr für welche Art von Aufwendungen benötigt werden.

Vorschlag zu EU-Freiwilligencorps stößt auf Vorbehalte

Zum Verordnungsentwurf für ein EU-Freiwilligencorps zur humanitären Hilfe wurden mehrere kritische Stimmen im EU-Ausschuss des Bundesrats laut. Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) bezog sich in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Roten Kreuzes, in dem bemängelt wird, der Kommissionsvorschlag sei ineffizient, zu teuer und verletze das Subsidiaritätsprinzip. Letztendlich befürchtete Mayer, mit einem freiwilligen EU-Hilfscorps würde eine Konkurrenz für die innerstaatlichen Strukturen entstehen.

Der Verordnungsentwurf zum Freiwilligencorps, rechtlich verankert im Vertrag von Lissabon, sieht die Entwicklung von Standards für die Auswahl und das Training von Freiwilligen, die Zertifizierung von Entsendeorganisationen, die Schaffung eines EU-Registers sowie die Stärkung der Kapazitäten von Organisationen in den Einsatzländern vor. Damit will die EU bestehende Freiwilligenprogramme ergänzen und so Mängel wie unzureichende Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, Defizite in der sofortigen Abrufbarkeit und schwache Aufnahmekapazitäten in den Gastländern beheben. Insgesamt ist die Kommission bestrebt, humanitäre Hilfe in der Union durch einen strukturierten Ansatz im Freiwilligenwesen sichtbarer zu machen, beschrieb die zur Thematik eingeladene Expertin des Außenministeriums und berichtete, budgetiert seien im kommenden EU-Finanzrahmen rund 240 Mio.€ für das Freiwilligencorps. Sie räumte jedoch ein, von den Mitgliedsstaaten würden die Finanzierung, Sicherheitsaspekte und die Gefahr einer Duplikation vorhandener Strukturen kritisch gesehen.

Die Angst vor Verdoppelung von Hilfsstrukturen stieß bei Bundesrat Reinhard Todt (S/O) auf Unverständnis, könne er doch einer standardisierten Hilfsstruktur innerhalb der EU, auch in Bezug auf die Ausbildungspläne, nur Positives abgewinnen. Im Gegensatz dazu meinten die Ausschussmitglieder Friedrich Hensler (V/N) und Angela Winzig (V/O), mit dem EU-Plan zum Freiwilligencorps werde eine unzweckmäßige weitere Strukturebene angedacht, die noch dazu mit Profis der UNO und nationaler Hilfsorganisationen konkurrieren würde. Für Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) war es schwer vorstellbar, wie EU-weit Freiwillige konkret zum Einsatz kommen könnten. Da die Verhandlungen über das Freiwilligencorps in den EU-Ratsarbeitsgruppen noch am Beginn stehen, einigte sich der Ausschuss auf Vorschlag von Bundesrat Schennach (S/W), die Diskussion darüber in der nächsten Ausschusssitzung fortzusetzen.

Musiknutzung online soll EU-weit erleichtert werden.

In einem Richtlinienentwurf regt die Kommission die länderübergreifende Vergabe von Nutzungsrechten an online verbreiteten Musikstücken im gesamten Binnenmarkt an (siehe PK-Meldung Nr. 688/2012). Verwertungsgesellschaften, denen Nutzungs- und verwandte Schutzrechte von den Rechtsinhabern übertragen wurden, sollen dem EU-Vorschlag zufolge die Möglichkeit haben, Mehrgebietslizenzen für die online-Nutzung von Musikwerken zu erteilen. Voraussetzung dafür sei, so die Kommission, dass für die genaue Zuordnung der Rechte sowie daraus erfolgter Einnahmen eine geeignete technische Infrastruktur gegeben ist. Mit diesem paneuropäischen Lizenzierungssystem soll die Verbreitung von online-Musikangeboten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU erleichtert werden, informierte ein Experte des Justizministeriums (BMJ). Wie der ebenfalls anwesende Vertreter der Wirtschaftskammer bekrittelte er allerdings, dass zahlreiche Vorschriften in dem Kommissionsentwurf zu detailliert gefasst seien.

Die Kommission will in ihrem Entwurf mit verstärkten Berichterstattungspflichten, wie die Veröffentlichung jährlicher Geschäftsberichte, und Kontrollen für mehr Transparenz und ein verbessertes Management der Verwertungsgesellschaften sorgen. Weitere Bestimmungen der Vorlage behandeln Streitbeilegungsverfahren und Beschwerdemöglichkeiten von Mitgliedern einer Verwertungsgesellschaft, Rechteinhabern, Nutzern und sonstigen Betroffenen. Die Mitgliedsstaaten haben laut Kommissionsentwurf eigene Behörden mit der Durchsetzung der Richtlinie zu beauftragen und diesen Sanktionshoheit bei Richtlinienverstößen zu geben.

Österreich solle in der EU als positives Beispiel bei Fragen zur Vergabe von Nutzungsrechten vorangehen, meinte Bundesrat Franz Perhab (V/St). Durch das heimische Monopolsystem ergebe sich für Nutzer, etwa im Tourismusbereich, nur geringer Aufwand, um Senderechte von Musikwerken über eine konkrete Verwertungsgesellschaft zu erlangen. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Bundesrat Stefan Schennach (S/W) begrüßten den Vorschlag, die online-Musiknutzung EU-weit zu regeln. Kerschbaum bezweifelte allerdings den Sinn, den Monopolgrundsatz in Österreich beizubehalten, wie es ihr Vorredner Perhab im Hinblick auf die leichtere Erlangung von Nutzungsrechten vertreten hatte. Bedeutend war für die G-Mandatarin, dass KünstlerInnen auch nach Umsetzung der Richtlinie ungehinderten Zugang zu Verwertungsgesellschaften haben.

In Verbindung mit Urheberrechtsfragen erkundigte sich Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V), ob zukünftig eine Festplattenabgabe geplant ist. Der BMJ-Vertreter informierte darauf, eine diesbezügliche Urheberrechtsnovelle wird voraussichtlich 2013 fertig ausgearbeitet sein. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats)


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