Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 31.10.2012

Bundesrat billigt Änderung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes

LeiharbeiterInnen dürfen künftig nicht mehr diskriminiert werden

Wien (PK) – Der Bundesrat befasste sich in seiner heutigen Sitzung auch mit sozialpolitischen Fragen. Insbesondere ging es um einen besseren Schutz von LeiharbeiterInnen, um Opferfürsorgerenten sowie um ein Qualitätssiegel für Alten- und Pflegeheime. Alle diesbezüglichen Beschlüsse des Nationalrats wurden von der Länderkammer bestätigt.

Mit Stimmenmehrheit befürworteten die Bundesrätinnen und Bundesräte die vorliegende Novellierung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und weiterer damit in Zusammenhang stehender Gesetze. Damit wird das Diskriminierungsverbot von LeiharbeiterInnen gegenüber der Stammbelegschaft eines Unternehmens gesetzlich verankert sowie ein "Sozial- und Weiterbildungsfonds" für überlassene Arbeitskräfte eingerichtet. Das Diskriminierungsverbot gilt nicht nur für die Bezahlung und für Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen sondern grundsätzlich auch für sonstige Betriebsvergünstigungen wie etwa den Zugang zu verbilligtem Kantinenessen, angebotenen Beförderungsmitteln und betrieblichen Kinderbetreuungseinrichtungen.

Bundesrat Johann ERTL (F/N) bezweifelte in der Debatte allerdings, dass die Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz Leiharbeitskräften Lösungen bei Fällen von Ungleichbehandlung und Diskriminierung innerhalb von Betrieben biete. Es gebe eine hohe Dunkelziffer "ausgebeuteter" ArbeitnehmerInnen im Leiharbeitsverhältnis, war Ertl überzeugt und monierte, verifizierte Zahlen, wie viele Personen tatsächlich betroffen seien, fehlten. Da viele LeiharbeiterInnen diskriminierende Vorfälle aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht zu melden wagten, gebe es auch dazu keine Statistik, folgerte er. Ertl vermutet auch, viele BetriebsrätInnen würden LeiharbeiterInnen nicht unterstützen, da sie das gute Einvernehmen mit der Geschäftsleitung bewahren wollten. Ertl sprach sich deswegen für anonyme Beratungsstellen und höhere Strafen bei Diskriminierungen von Leihpersonal aus.

Empört zeigte sich Bundesrat Gerald KLUG (S/St) über die Aussage seines Vorredners, BetriebsrätInnen würden nicht im Interesse der gesamten Belegschaft arbeiten. Ebenso wies er die Kritik an der Gesetzesnovelle aufs Schärfste zurück. Zwar würden mit dem neuen Arbeitskräfteüberlassungsgesetz nicht alle Probleme der Leiharbeitsbranche gelöst, räumte Klug ein. Dennoch, so meinte er, verbessere die Novelle insgesamt die Situation der rund 78.000 österreichischen ZeitarbeiterInnen. Der vorliegende Gesetzesentwurf, mit dem eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, schreibe nicht nur die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer bei Arbeitszeit und betrieblichen Services sowie ein Diskriminierungsverbot vor. Mit dem geplanten Sozial- und Weiterbildungsfonds für Leiharbeitskräfte werde auch gegen Bildungsdefizite vieler in dieser Branche Beschäftigter angegangen, hob der SPÖ-Bundesrat hervor.

Obwohl sich Bundesrat Franz PIROLT (F/K) eingangs auf den guten Beitrag von Arbeitskräfteüberlassungsfirmen zur österreichischen Wirtschaft bezog, da Leiharbeitskräfte vielfach betriebliche Spitzenzeiten abdeckten, betrachtete er die gegenständliche Gesetzesnovelle als keinen guten Ansatz, häufige Arbeitslosigkeit am Leiharbeitsmarkt einzudämmen. Derartige Missstände sollten vielmehr durch Schritte wie eine Ausweitung der gleitenden Arbeitszeit behoben werden, forderte Pirolt. Er sprach sich auch gegen zusätzliche Schulungen von Zeitarbeitspersonal im Rahmen des Sozial- und Weiterbildungsfonds aus, da das AMS bereits umfangreiche Bildungsmaßnahmen in dieser Hinsicht setze. Effizienter wäre es aus Sicht des FPÖ-Mandatars, Leiharbeitskräften Förderung direkt an ihrem Arbeitsplatz anzubieten.

Bundesrätin Sonja ZWAZL (V/S) brach eingangs eine Lanze für jene Arbeitskräfteüberlasser, die als "rechtschaffene Unternehmen" die Wirtschaft unterstützten. Als verdienstvoll bezeichnete sie auch die Rolle der Sozialpartner, die an der vorliegenden Novelle mitgewirkt hatten. Entgegen ihrem Vorredner befürwortete Zwazl den Aufbau eines Sozial- und Weiterbildungsfonds für Leihpersonal, der aus Mitteln der Arbeitgeber und des Bundes gespeist wird. Auch über die Regelung, dass Zeitarbeitskräfte, die länger als vier Jahre für den gleichen Betrieb tätig waren, Anspruch auf Betriebspension bei größeren Unternehmen haben, zeigte sich die ÖVP-Bundesrätin erfreut. Mit weiteren Bestimmungen gegen die Diskriminierung von LeiharbeiterInnen, wie die Informationspflicht der Beschäftigungsbetriebe über offene Stellen beziehungsweise die Benachrichtigung über das Ende des Arbeitsverhältnisses mindestens 14 Tage vor Auslaufen des Vertrags, sei eine faire Gesetzesnovelle geschaffen worden, so Zwazl.

Zur Abdeckung von Spitzenzeiten am Markt sei Leihpersonal für viele Unternehmen sicher notwendig, sagte Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O). Abzulehnen sei jedoch, wenn Firmen ihre Stammbelegschaft fast völlig durch Leiharbeitskräfte austauschten. Dönmez sah in der Einrichtung des Sozial- und Weiterbildungsfonds einen guten Ansatz, ZeitarbeiterInnen bereits in Stehzeiten zusätzliche Qualifikationen zu ermöglichen, die sie sonst nur als Arbeitslose über das AMS erhielten. Für wichtig erachtet es der Grün-Mandatar, Kontrollen etwa von Finanz- und Gesundheitspolizei zu verstärken und die Strafen bei Diskriminierungsfällen von LeiharbeiterInnen zu erhöhen.

Bundesministerin Gabriele HEINISCH-HOSEK ergriff in Vertretung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer das Wort zur Novelle des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes. Jedes Arbeitsverhältnis in Österreich müsse für ArbeitnehmerInnen gleiche Rechte und Pflichten enthalten, hielt die für Gleichbehandlungsfragen zuständige Ministerin fest. Auch wenn sie eine völlige Gleichstellung von ZeitarbeiterInnen mit dem Stammpersonal als nicht möglich erachte, begrüße sie die Annäherung der Rechtspositionen etwa bei der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung, beim Schutz vor Diskriminierung oder hinsichtlich des Zugangs zu betrieblichen Angeboten. Im geplanten Sozial- und Weiterbildungsfonds sieht Heinisch-Hosek eine konkrete Möglichkeit zur Höherqualifikation von LeiharbeiterInnen. 

Nationales Qualitätszertifikat für Pflegeheime

Unisono positiv äußerten sich die Mitglieder des Bundesrats zur Förderung eines nationalen Qualitätssiegels für Alten- und Pflegeheime. Die betreffenden Einrichtungen erhalten die Möglichkeit, freiwillig an einem externen Bewertungsverfahren teilzunehmen, um ein entsprechendes Qualitätszertifikat zu erhalten. Mit der gegenständlichen Novellierung des Bundes-Seniorengesetzes will man die Qualität der Heime forcieren und nebenbei auch deren Image anheben. Zudem erwartet sich die Politik eine Verbesserung der Arbeitssituation für Pflegekräfte in zertifizierten Häusern.

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) erklärte eingangs, bereits jetzt würden Österreichs Alten- und Pflegeheime zahlreiche Qualitätsentwicklungsmaßnahmen für ihre insgesamt mehr als 70.000 BewohnerInnen setzen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde allerdings die Qualitätssicherung mit einem nationalen Zertifikat rechtlich verankert. Zum einen sichere man damit mehr Professionalität im Umgang mit SeniorInnen in Pflege, erläuterte Todt, zum anderen erfüllten sich dadurch Forderungen der Seniorenvertreter, wie sie im Bundesseniorenplan festgehalten sind. Zur geplanten Pensionserhöhung, die mit 1,8% unter der Steigerung des Verbraucherpreisindexes liegt, merkte Todt an, damit hätten auch ältere Menschen ihre Bereitschaft gezeigt, einen Beitrag zur Sanierung des österreichischen Budgets zu leisten.

Angesichts der stetig steigenden Anzahl älterer Personen in Österreich werden sich die Pflegekosten im Land bis 2050 verdoppeln, schilderte Bundesrat Josef SALLER (V/S). Zwar werde der Großteil der über 420.000 PflegegeldbezieherInnen daheim gepflegt, führte Saller aus, doch müsste auch für in Heimen Betreute eine menschlich und qualitativ hochwertige Pflege sichergestellt werden. Die ausgezeichneten Leistungen der 850 Alten- und Pflegeheime Österreichs würden nun durch das in der Novelle enthaltene nationale Qualitätszertifikat abgesichert, betonte der ÖVP-Mandatar. Er hielt zudem fest, dass die Kontrolle der Pflegeheime weiterhin in die Kompetenz der Länder fällt.

Bundesrat Karl PETRITZ (V/K) meinte, mit der Änderung im Bundes-Seniorengesetz erreiche man nicht nur eine Verbesserung der Lebensqualität vieler älterer Menschen, auch die Mitbestimmungsrechte von SeniorInnen würden gestärkt und den Forderungen des Bundesseniorentenrats werde Rechnung getragen. Das Qualitätszertifikat erleichtere etwa die Heimauswahl für jene 20% pflegebedürftiger älterer Personen, die nicht zu Hause betreut werden könnten. Begrüßenswert fand Petritz außerdem, dass sich Bund und Länder im Rahmen des Seniorengesetzes über die Finanzierung geeinigt haben.

Bundesrat Gregor HAMMERL (V/St) hob hervor, dass von 27 EU-Ländern nur zwei Staaten ein Bundes-Seniorengesetz haben; darauf könne Österreich also sehr stolz sein. Sodann sprach er noch die 24-Stunden-Betreuung an, die derzeit in Österreich über 25.000 Frauen und Männer benötigten. Er würde sich diesbezüglich wünschen, dass im Sinne der Qualitätssicherung eine Diplomkrankenschwester etwa alle zwei Wochen in den betroffenen Haushalten vorbeischaue.

Gegen die Gesetzesnovelle wurde einstimmig kein Einspruch erhoben.

Einhellig stimmte das Bundesratsplenum auch jenem Gesetzesbeschluss zu, mit denen Leistungskürzungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, dem Opferfürsorgegesetz, dem Heeresversorgungsgesetz und dem Impfschadengesetz infolge der mit 1. Oktober außertourlich erfolgten Erhöhung von Kleinstpensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz um 1,1 % vermieden werden. Die Ausnahmeregelung kommt ca. 4.300 Versorgungsberechtigten zugute, sie endet mit der nächsten regulären Pensionsanpassung im Jänner 2013. (Fortsetzung Bundesrat)


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