Parlamentskorrespondenz Nr. 941 vom 20.11.2012

Burnout: Politik setzt verstärkt auf Prävention

Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz passiert Sozialausschuss

Wien (PK) – Die Politik will die gesetzliche Pensionsversicherung nicht nur durch einen erschwerten Zugang zur Invaliditätspension entlasten (siehe PK-Nr. 946/2012), sie setzt auch verstärkt auf Prävention, um psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen vorzubeugen und damit frühzeitige Pensionierungen zu verhindern. Eine entsprechende Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes hat heute mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ den Sozialausschuss des Nationalrats passiert. Auch die Grünen und das BZÖ begrüßten die Intention des Gesetzentwurfs, für sie geht er allerdings nicht weit genug.

Kernziel des Gesetzesvorhabens ist der verstärkte Einsatz von ArbeitsmedizinerInnen und ArbeitspsychologInnen in Unternehmen zum gezielten Aufspüren psychisch belastender Faktoren am Arbeitsplatz. Als Beispiel wird in den Erläuterungen etwa Isolation, Arbeitsmonotonie oder systematische Überforderung genannt. Allerdings wird die Einbeziehung von Arbeits- und OrganisationspsychologInnen in die Prävention nicht verpflichtend vorgeschrieben, ein Umstand, den nicht nur die Opposition, sondern auch die SPÖ bedauerte. Ihrer Meinung nach wird mit den neuen Bestimmungen dennoch ein wichtiger Schritt gesetzt: Sie erwartet sich, dass psychisch krank machenden Arbeitsbedingungen in Betrieben künftig mehr Augenmerk geschenkt wird.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden darüber hinaus die Bestimmungen über gefährliche Arbeitsstoffe an die CLP-Verordnung der EU angepasst und der Strafrahmen für die Nichtbefolgung von Auflagen der Arbeitsinspektion um 15 % erhöht. Zudem sind zahlreiche punktuelle Änderungen und redaktionelle Bereinigungen vorgesehen.

Mitverhandelt wurden zwei Entschließungsanträge des BZÖ (1690/A[E]) und der Grünen (1639/A[E]), die eine Aufwertung von ArbeitspsychologInnen bzw. eine Verbesserung der betriebsärztlichen Betreuung zum Inhalt haben. Beide Anträge wurden ebenso abgelehnt wie ein weiterer Antrag der Grünen, der auf eine effizientere Kontrolle von Leiharbeitsfirmen abzielt.

Grundsätzlich positive Bewertung aller Fraktionen

Im Rahmen der Diskussion wurde die Intention der Gesetzesnovelle von allen Fraktionen begrüßt. Die Oppositionsparteien kritisierten jedoch, dass kein verpflichtender Einsatz von Arbeits- und OrganisationspsychologInnen in der Prävention vorgesehen ist. So sprach Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) etwa von einem "halbherzigen Versuch" und warb für den Entschließungsantrag seiner Fraktion. Abgeordneter Herbert Kickl (F) machte geltend, dass eine verstärkte Beiziehung von ArbeitspsychologInnen in der Prävention  später notwendige Rehabilitationskosten minimieren würde.

Grün-Abgeordnete Birgit Schatz stellte einen Abänderungsantrag ihrer Fraktion im Plenum des Nationalrats in Aussicht. Sie vermisst nicht nur die verpflichtende Einbindung von ArbeitspsychologInnen in die Arbeitsplatzevaluierung, auch die Erhöhung des Strafrahmens für die Nichtbefolgung von Auflagen der Arbeitsinspektion geht ihrer Meinung nach zu wenig weit. Zudem hob die Abgeordnete die Notwendigkeit hervor, auch in anderen Gesetzen, etwa im Arbeitszeitgesetz, Änderungen vorzunehmen, um systematische Arbeitsüberlastungen zu vermeiden. Ihr Fraktionskollege Karl Öllinger sprach die Frage der Ausbildung von ArbeitsmedizinerInnen an.

Seitens der SPÖ begrüßten die Abgeordneten Franz Riepl, Wolfgang Katzian und Sabine Oberhauser den Gesetzentwurf. Damit habe man, was die Einbeziehung von ArbeitspsychologInnen in die Prävention betrifft, zumindest einmal "den Fuß in der Tür", sagte Oberhauser. Schließlich könnten MedizinerInnen nicht alles leisten. Die Abgeordneten Riepl und Katzian sehen den Gesetzentwurf außerdem als klares Signal an die ArbeitgeberInnen, sich intensiver mit arbeitsbedingten psychologischen Belastungen auseinanderzusetzen. Katzian gab zu bedenken, dass der Druck auf die ArbeitnehmerInnen immer stärker zunehme, und forderte Gegenmaßnahmen.

Abgeordneter Johann Höfinger (V) wertete den vorliegenden Gesetzentwurf als praktikablen Schritt.

Hundstorfer: Gesetzentwurf ist Kompromiss

Sozialminister Rudolf Hundstorfer hielt in Richtung der KritikerInnen fest, dass der vorliegende Gesetzentwurf ein Kompromiss sei. Auch er sei nicht ganz glücklich, meinte er, gab aber zu bedenken, dass die ArbeitgeberInnen für die Finanzierung des ArbeitnehmerInnenschutzes zuständig seien. Die Ausbildung von ArbeitsmedizinerInnen erfolge in sehr engagierten Instituten, sagte Hundstorfer, er will sich aber dafür einsetzen, dass das Fach Arbeitsmedizin auch wieder universitär verankert wird, um die Forschung zu forcieren. Ein Manko an ArbeitsmedizinerInnen gebe es seines Wissens nicht.

Auch die Anhebung des Strafrahmens ist laut Hundstorfer ein Kompromiss, bei einer Inflationsanpassung hätte die Strafobergrenze um 30 % erhöht werden müssen.

Kritik von Abgeordneter Schatz an einer mangelnden Koordination der für die Überprüfung von Betrieben zuständigen Kontrollorgane wies Hundstorfer zurück. Er hob hervor, dass es immer wieder gemeinsame Schwerpunktaktionen der Krankenkasse, der Finanzpolizei, der Arbeitsinspektion und der zuständigen Magistratsbehörden gebe. Zudem habe er per Verordnung veranlasst, dass die Arbeitsinspektion auch am Wochenende arbeiten dürfe. Mittlerweile wurde Hundstorfer zufolge auch eine erste – mittelgroße – Leiharbeitsfirma in der Steiermark wegen Missachtung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes gesperrt.      

Bauarbeiter: Auch große Hitze gilt künftig als Schlechtwetter

Mit den Stimmen aller Fraktionen beschloss der Sozialausschuss sodann eine Novelle des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) und des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes. Sie sieht unter anderem vor, den Strafrahmen im BUAG für nicht gewährte Einsichtnahme in Lohnunterlagen an jenen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes anzupassen und weitere Schritte im Kampf gegen Sozialbetrug im Baugewerbe zu setzen. Zudem wird festgelegt, dass der für bestimmte Formen der Schichtarbeit zustehende Zusatzurlaub auch für nach Österreich entsandte bzw. überlassene ArbeitnehmerInnen gilt.

Als Schlechtwetter am Bau gilt künftig ausdrücklich nicht nur Regen, Schnee und Frost, sondern auch Hitze. Genaue Kriterien soll die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse festlegen.

Abgeordneter Josef Muchitsch (S) ging davon aus, dass in Österreich an durchschnittlich 2,6 Tagen pro Jahr extreme Temperaturen bis über 35 Grad auftreten, wo die Schwerarbeit auf Baustellen wirklich gesundheitsgefährdend sein kann. Für diese Fälle soll nun Vorsorge getroffen werden und er freue sich, dass damit einem jahrzehntelangen Wunsch der Gewerkschaft entsprochen wird.

Die Gesetzesnovelle wurde unter Berücksichtigung eines von den Koalitionsparteien eingebrachten Abänderungsantrags beschlossen. Dieser enthält vorwiegend technische Korrekturen und schafft die Voraussetzung dafür, dass eine vorgesehene Verordnung des Sozialministeriums in Bezug auf Urlaubsanwartschaften rechtzeitig am 1. Jänner 2013 in Kraft treten kann.

Für ZiviltechnikerInnen gilt künftig neues Pensionsrecht

Schließlich stimmte der Sozialausschuss - ebenfalls einstimmig - der Überführung der ZiviltechnikerInnen in das Pensionsversicherungssystem der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen ab 2013 zu. Mit dem so genannten Pensionsfonds-Überleitungsgesetz wird auch das Vermögen des Pensionsfonds der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft übertragen und der Sterbekassenfonds aufgelöst. Laut Erläuterungen wird das Bundesbudget dadurch einmalig um rund 215 Mio. € entlastet, mittel- und langfristig kommt es aufgrund einer Finanzlücke im Pensionsfonds aber zu finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt.

Eine gleichzeitige Änderung im Ziviltechnikergesetz zielt darauf ab, auch eingetragene PartnerInnen von ZiviltechnikerInnen als Familienangehörige zu werten.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ging auf Fragen der Abgeordneten ein und wies zunächst darauf hin, dass es immer weniger selbstständige ZiviltechnikerInnen gebe. Aus diesem Grund habe man sich eine Neuregelung überlegt, die auch vom Rechnungshof geprüft wurde. Die angesprochene Berufsgruppe bringe insgesamt 215 Mio. € in das System ein, wodurch die Ausfinanzierung der Pensionen bis 2045 gewährleistet sei. (Fortsetzung)