Parlamentskorrespondenz Nr. 943 vom 20.11.2012

Europäische Zentralbank erhält Aufsicht über Europas Banken

Ausschussdebatte für und gegen europäische Superaufsichtsbehörde

Wien (PK) – Der Europäische Aufsichtsmechanismus für die Banken der Euro-Zone nimmt Gestalt an. Der EZB kommt dabei eine zentrale Rolle zu, wobei sie jedoch von den nationalen Behörden in einem festgelegten Rahmen unterstützt werden soll. Insbesondere wird die EZB für jene Kontrollaufgaben allein zuständig sein, die für die Sicherung der Finanzmarktstabilität als relevant angesehen werden. Sie wird dabei unabhängig agieren, gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat jedoch Rechenschaft ablegen müssen. Nicht explizit angeführte Aufgaben bleiben laut Entwurf in der Verantwortung der nationalen Aufsichtsbehörden, erläuterte Finanzstaatssekretär Andreas Schieder heute den Mitgliedern des EU-Unterausschusses des Nationalrats die Vorlagen und beantwortete in einer lebhaften Diskussion zahlreiche Detailfragen der Mandatare. Während Sprecher der Koalitionsparteien von einem wichtigen Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens der Menschen in die Banken sprachen, lehnte FPÖ-Abgeordneter Johannes Hübner (F) die Übertragung besonderer Aufgaben der Aufsicht über Kreditinstitute an die EZB und auch die Errichtung einer europäischen Bankenunion ab, weil dies einen weiteren Souveränitätsverlust der Mitgliedsstaaten bedeuten würde. Sein diesbezüglicher Antrag fand aber nur die Zustimmung des BZÖ und blieb ebenso in der Minderheit wie ein Antrag der Grünen auf Ausschussfeststellung. Die Grünen traten für eine rasche Umsetzung einer starken europäischen Bankenaufsicht mit umfassender Kontrolle aller systemrelevanten und grenzüberschreitend tätigen Banken in der EU ein und verlangten einmal mehr die Einführung eines EU-weit einheitlichen Bankeninsolvenzrechts, bei dem das Bail-In-Instrument Priorität hat und Finanzprodukte durch die Aufsichtsbehörden zu genehmigen sind.

Den Beratungen lag ein Vorschlag der Kommission für eine "Verordnung zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht von Kreditinstituten auf die Europäische Zentralbank" vor. Gleichzeitig soll auch die bestehende Verordnung hinsichtlich der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) angepasst werden. Die EU-Bankenaufsicht stellt laut der Kommission einen "wichtigen und entscheidenden ersten Schritt" zur Vollendung der Bankenunion dar, die neben der Aufsicht auch einen einheitlichen Mechanismus zur Sanierung und Abwicklung von Banken im Krisenfall und eine gemeinsame Einlagensicherung umfassen soll.  

Die Bemühungen um eine gemeinsame Bankenaufsicht und in weiterer Folge der Plan, eine Bankenunion zu schaffen, sind die Konsequenz der Bankenkrise. Es gilt vor allem, die spezifischen Risiken innerhalb des wirtschaftlich und finanziell eng verschränkten Euroraums und die damit erhöhte Gefahr grenzüberschreitender Spill-over-Effekte im Fall von Bankenkrisen zu minimieren, die Staatsschulden von den Bankschulden zu entkoppeln und damit den Teufelskreis zu durchbrechen, dass die SteuerzahlerInnen für die Bankenrettung aufkommen müssen. Vielmehr sollen in Zukunft die Kosten der Abwicklung den Eigentümern und Gläubigern und im Fall eines weiteren Finanzierungsbedarfs dem Privatsektor angelastet werden. Es habe sich auch gezeigt, dass eine Koordinierung zwischen den Aufsichtsbehörden zwar unabdingbar ist, diese aber nicht ausreicht. Wichtig sei es auch, dem Risiko des Auseinanderbrechens des Binnenmarkts zu begegnen. 

In der genannten Mitteilung zum "Fahrplan für eine Bankenunion" unterstreicht die Kommission die Dringlichkeit, noch vor Ende des Jahres 2012 eine Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament zu strengeren Eigenkapitalanforderungen (CRD IV) sowie zu einer Harmonisierung der Einlagensicherung und zur Sanierung und Abwicklung von Banken im Rahmen von Richtlinien herbeizuführen.

Dies wäre auch für die Erarbeitung eines so genannten "Single Rule Books" durch die Europäische Bankenaufsicht (EBA) erforderlich. Maßgeblich für die einheitliche Anwendung dieser Regeln ist dann die Tätigkeit der EBA, die auch ein "Aufsichts-Handbuch" erstellen soll.

Die Errichtung eines einheitlichen Europäischen Abwicklungsmechanismus zur stärkeren Zentralisierung des Krisenmanagements wäre dann der nächste Schritt.

Zukünftige Aufgaben der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden

Was nun die neuen Aufsichtskompetenzen der EZB betrifft, so soll diese die ausschließliche Zuständigkeit für zentrale Aufgaben, die unverzichtbar sind, um die Risiken für die Existenzfähigkeit von Banken zu erkennen, erhalten. Sie bekommt in diesem Sinne auch die Kompetenz übertragen, die Banken zu verpflichten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Im Vorschlag werden diese Bereiche taxativ aufgezählt. Dazu zählen unter anderem die Vergabe und Rücknahme von Konzessionen, die Sicherstellung der Einhaltung von Erfordernissen vor allem hinsichtlich der Eigenmittel, der Liquidität und der Großveranlagungen, die Auferlegung von zusätzlichen Kapitalpuffern, die Vorgaben von Governance-Strukturen der Banken und interne Bewertungssysteme, die Prüfung der Risikomanagementsysteme der Banken, die Durchführung von Stress-Tests sowie der Aufsicht auf konsolidierter Ebene, wenn die Mutterbank dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus unterliegt, die Durchführung der Aufsichtsfunktionen in Bezug auf den Frühwarnmechanismus ("early intervention") und Koordinierung der Positionsfindung und Vertretung der Euro-Zone bei Aufsichtsangelegenheiten in den EBA-Gremien.

Die nationalen Behörden selbst sollen die EZB entsprechend den EZB-Instruktionen bei der Vorbereitung und Implementierung der Aufgaben unterstützen. Zu diesem Zweck soll die EZB die praktischen Modalitäten bzw. das Rahmenwerk und die Bedingungen für die Ausführung der Aufgaben durch die nationalen Behörden festlegen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhält die EZB das Recht, jederzeit relevante Informationen zu verlangen und auch die erforderlichen Vor Ort-Prüfungen durchzuführen. Bei Verstößen gegen Aufsichtsanforderungen kann die EZB künftig Verwaltungsstrafen verhängen. Der Verbraucherschutz und die Bekämpfung der Geldwäsche soll aber weiterhin bei den nationalen Behörden bleiben. Ebenso bleibt es deren Aufgabe, Kreditinstitute aus Drittländern zu beaufsichtigen.

Mitgliedstaaten, die nicht der Euro-Zone angehören, wird die Möglichkeit eröffnet, eine enge Kooperation mit der EZB einzugehen, wobei sie aber aus rechtlichen Gründen nicht den gleichen Status erhalten.

Die neuen Regelungen haben selbstverständlich auch Auswirkungen auf die bestehende Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Die EBA soll ihren Aufgaben weiterhin nachkommen können, auch in Bezug auf die EZB. Das betrifft ihre Funktion, Meinungsverschiedenheiten unter nationalen Aufsichtsbehörden durch bindende Mediation zu schlichten und nationale Behörden, die gegen geltendes europäisches Recht verstoßen, zu Maßnahmen zu verpflichten. Anzupassen sind jedoch Abstimmungsmodalitäten. So sollen bestimmte Entscheidungen einem unabhängigen Panel übertragen werden.

Was ist von der EZB als Bankenaufsichtsbehörde zu erwarten?

Die Debatte leitete Finanzstaatssekretär Andreas Schieder mit der Feststellung ein, die drei Vorschläge seien aus österreichischer Sicht unterstützenswert, außerdem liege es im Interesse Österreichs, am neuen Aufsichtssystem möglichst viele Länder außerhalb der Euro-Zone teilnehmen zu lassen. Es wäre langfristig nicht sinnvoll, würde Europa in einen "Euroblock" und einen "Nicht-Euroblock" zerfallen. Der Staatssekretär machte darauf aufmerksam, dass die geldpolitischen Aufgaben der EZB und deren Aufsichtsfunktionen künftig streng zu trennen seien. Die neue Bankenaufsicht soll schrittweise ab 2013 eingerichtet werden.  

Abgeordnete Christine Muttonen (S) sprach von einem sehr wichtigen Schritt, um das Vertrauen der Menschen in den europäischen Bankensektor wieder herzustellen. Es gehe darum, Europa krisensicherer als bisher zu machen. Ausdrücklich bekannte sich die Rednerin auch zur Einbeziehung der Nicht-Euroländer. Das neue Aufsichtssystem werde die Abhängigkeit der Staaten von ihren Banken reduzieren, zeigte sich Muttonen überzeugt und wies auf das Beispiel Spaniens hin, wo ein Land mit solider Wirtschaft und geringer Staatsverschuldung wegen der Probleme seines Bankensektors spekulativen Attacken ausgesetzt sei. Im Einzelnen befasste sich Abgeordnete Muttonen mit der künftigen Zusammenarbeit zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) begrüßte die Verordnungsvorschläge als weitere Schritte in Richtung auf eine Stabilisierung der Finanzmärkte in Europa, nachdem die Banken in der Abfolge der Krisen der letzten Jahre eine große Rolle gespielt haben. Einige Punkte, etwa die Zusammenarbeit zwischen europäischer Bankenaufsicht und der EZB seien im Detail noch zu klären. Für wichtig hielt Stummvoll auch einen realistischen Etappenplan für die Implementierung, wobei er die Frage stellte, woher die EZB die "Manpower" für ihre Aufsichtsaufgaben nehmen werde. Skeptisch äußerte sich Abgeordneter Stummvoll gegenüber der Absicht, alle Banken in die europäische Aufsichtsarchitektur einzubeziehen und plädierte demgegenüber für eine Bankenkontrolle nach dem Proportionalitätsprinzip.

Stummvoll sprach auch den Wunsch Deutschlands an, in der EZB eine Stimmgewichtung in Aufsichtsfragen vorzusehen. Was hier vorliege seien Vorschläge für erste Schritte, denen weitere folgen müssen, insbesondere bei der Regulierung der Restrukturierung von Banken, sagte Abgeordneter Stummvoll.

Abgeordneter Johannes Hübner (F) hielt es für notwendig, ein grenzüberschreitendes Insolvenzrecht für Banken einzuführen, er lehnte es aber ab, eine neue europäische "Superbehörde" zu schaffen, die aller Erfahrung nach politischen Einfluss auf Mitgliedsstaaten nehmen werde, weil die Frage der Konzessionierung von Banken zentrale Bedeutung für die Volkswirtschaft eines Landes und damit für die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten habe. Immerhin liege die Zahl der Banken in Europa, bei denen Voraussetzungen für einen Konzessionsentzug bestünden, bei 200, gab Hübner zu bedenken. Es sei auch sinnvoll, für die Abwicklung insolventer Banken und für die Eigenkapitalausstattung von Banken europäische Regeln vorzuschreiben, aber abzulehnen, eine zentrale europäische Behörde zu schaffen, die weit über alles hinausgehe, was man etwa in den USA oder Kanada kenne. Daher verlangte Abgeordneter Hübner eine Ausschussfeststellung zur Ablehnung der gegenständlichen Verordnungsentwürfe durch die Bundesregierung.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) wandte gegen seinen Vorredner ein, die Krise habe gezeigt, wie wenig nationale Aufsichtsbehörden gebracht haben. Die Staaten seien vielmehr gezwungen gewesen, ihre Steuerzahler zur Kasse zu bitten und Österreich habe immerhin zwei Banken verstaatlichen müssen. Für Rossmann ging die Entwicklung zu langsam, vor allem wenn man sie mit den raschen europäischen Entscheidungen für Fiskalregeln (Sixpack, Fiskalpakt) vergleiche. Abgeordneten Stummvoll erinnerte Rossmann daran, dass sich die EZB in ihrer Aufsichtsfunktion auf "Manpower" aus den nationalen Aufsichtsbehörden stützen könne und meinte, schlimmer als das, was in der Bankenaufsicht derzeit bestehe, könne es künftig nicht werden. Offene Fragen sah der Abgeordnete bei der Einbeziehung von Banken außerhalb der Eurozone. Gegenüber Stummvoll sprach sich Rossmann gegen eine Proportionalitätsprüfung und für die Prüfung aller Banken aus. Ein Antrag des Abgeordneten auf Errichtung einer starken Bankenaufsicht mit starken Kontrollbefugnissen und grenzüberschreitenden Kontrollen bereits ab 1.4.2013 und rasche Umsetzung eines europaweiten Bankeninsolvenzrechts blieb bei der Abstimmung der Minderheit der Antragssteller.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) nannte es einen Trugschluss seines Vorredners, eine Bankenaufsicht - die schon in Österreich nicht funktioniert hätte - würde besser funktionieren, wenn man sie auf europäischer Ebene organisiere. Petzner kritisierte die künftige Doppelrolle der EZB als Währungshüterin und oberste Bankenaufsichtsbehörde und ortete zudem Probleme bei der Vereinbarkeit der neuen Aufsichtsarchitektur mit dem EU-Recht.

Österreich hat große Banken und ein Interesse an der Bankenunion

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) unterstrich das Interesse Österreichs mit seinen - im Vergleich zum BIP - relativ großen Banken an einer europäischen Bankenunion. Würde man nämlich Maximalgrößen für Banken im Verhältnis zum BIP der Mitgliedsstaaten einführen, würde dies bedeuten, dass nur Frankreich und Deutschland große international tätige Banken haben könnten. Auch Abgeordneter Krainer sprach sich dafür aus, alle Banken der europäischen Bankenaufsicht zu unterwerfen, weil auch kleine Banken als Teile von Haftungs- und Strategieverbänden systemische Bedeutung haben können. Die Bedeutung von Basel III sah Abgeordneter Krainer darin, die pro-zyklischen Effekte von Basel II zu vermeiden, die sich in der jüngsten Krise als kontraproduktiv herausgestellt haben. Abgeordneten Rossmann erinnerte Krainer daran, dass es naturgemäß wesentlich leichter gewesen sei, Fiskalregeln für 27 EU-Mitgliedsstaaten zu entwickeln, als eine Aufsichtsarchitektur für tausende Banken.

Abgeordneter Werner Kogler (G) zeigte ebenfalls nur geringstes Vertrauen in nationale Aufsichtsbehörden und sprach sich grundsätzlich dafür aus, die Aufsicht bei der EZB zu konzentrieren. Im Einzelnen ging der Redner auf Fragen nach der Trennung von Geldpolitik und Aufsicht in der EZB ein und befasste sich mit der Frage, ob der ESM-Vertrag im Hinblick auf die Restrukturierung von Banken geändert werden müsse. Laut Kogler sollte man auch endlich feststellen, wo und wie viel Geld griechische Milliardäre außerhalb ihres Landes gebunkert haben.

Schieder: Es ist möglich, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen 

Abschließend bezeichnete Finanzstaatssekretär Andreas Schieder die vorliegenden Vorschläge für ein europäisches Regelwerk als eine Krisenreaktion und insgesamt als ein "work in progress". Hinsichtlich der Möglichkeit, das Vertrauen der Anleger wiederzugewinnen, zeigte sich der Staatssekretär optimistisch und erinnerte an jüngste Erfahrungen, als die bloße Ankündigung der EZB, auf dem Sekundärmarkt zu Gunsten von Euroländern tätig zu werden, die unter extrem hohen Anleihezinsen litten, bereits zu einer Verbesserung des Vertrauens auf den Märkten führte. Im Einzelnen werde es notwendig sein, eine vernünftige Aufgabenteilung zwischen EZB und nationalen Behörden zu schaffen, sagte Schieder. Lokale Kreditinstitute werden weiterhin von der Finanzmarktaufsicht kontrolliert, hielt der Staatssekretär fest, die europäische Bankenaufsicht soll aber die Möglichkeit haben, auch diese Institute zu kontrollieren, wenn sie dafür einen Anlass sehe. Bei der Einlagensicherung habe man noch kein optimales System gefunden, es sei aber auf jeden Fall sinnvoll, auch die Einlagensicherung auf europäischer Ebene umzusetzen, sagte Schieder. Gegenüber dem Wunsch Deutschlands nach einer Stimmgewichtung bei Entscheidungen vertrete Österreich weiterhin der Grundsatz: "One country, one vote".

Dann informierte Staatssekretär Andreas Schieder über den geplanten gemischten Ausschuss von Euro- und Nicht-Euro-Staaten und meinte gegenüber Kritik an der österreichischen Bankenaufsicht, die Erfahrung, dass Österreichs Aufsicht nicht in der Lage gewesen sei, alle Probleme von Österreich fernzuhalten, bestätige einerseits die Tatsache, dass keine Aufsicht im Stande sei, alle Probleme zu lösen. Andererseits unterstreiche diese Erkenntnis auch die Notwendigkeit, das System permanent zu verbessern. (Schluss)