Parlamentskorrespondenz Nr. 944 vom 20.11.2012

Schmied: Ethikunterricht braucht gesellschaftlichen Konsens

Unterrichtsausschuss debattiert Wertevermittlung an Schulen

Wien (PK) – In welcher Form Schulen zukünftig Ethikunterricht anbieten sollen, wurde im heutigen Unterrichtsausschuss auf Grundlage eines Berichts mit Kostenschätzungen verschiedener Unterrichtsmodelle für das Fach Ethik kontrovers diskutiert. Während ÖVP und BZÖ mit Hinblick auf die vorangegangenen Diskussionen darüber eine politische Entscheidung zum Ethikunterricht forderten, erwarteten SPÖ, FPÖ und die Grünen eine noch tiefergehende Behandlung der Frage. Unterrichtsministerin Claudia Schmied wertete die Einrichtung eines Ethikunterrichts alternativ zum Unterrichtsfach Religion als zu kurz gegriffen, hielt aber fest, es sei noch eine breite gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema nötig. Der Bericht zum Ethik-Unterricht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und gilt damit als enderledigt.

Ethik als Alternative oder Ergänzung zum Religionsunterricht?

Unterrichtsministerin Claudia Schmied betonte, mit der parlamentarischen Enquete vom 4. Mai 2011 zu Thema Werteerziehung im Religions- und Ethikunterricht sowie dem danach erstellten Bericht ihres Ressorts (III-357 d.B.) seien im Sinne des Regierungsübereinkommens Eckpfeiler für die Einführung des Ethikunterrichts geschaffen worden. Es bedürfe letztendlich jedoch eines breiten gesellschaftlichen Konsenses zu dieser Frage, eine endgültige Entscheidung über die Form der zukünftigen Wertevermittlung an Schulen gebe es daher noch nicht. Auf Frage des Abgeordneten Elmar Mayer (S) erläuterte Schmied die drei Modelle für den Ethikunterricht in der Sekundarstufe II, die im Bericht hinsichtlich der erforderlichen Planstellen sowie der jährlichen Ausgaben behandelt werden.

Mögliche Varianten seien "Ethik" als eigenständiger, zusätzlicher Pflichtgegenstand, "Ethik" als alternativer Pflichtgegenstand zum Religionsunterricht, wie es in einem bereits laufenden Schulversuch Ethikunterricht praktiziert wird, oder "Ethik" als Lehrplanbestandteil eines bestehenden Pflichtgegenstandes wie etwa Philosophie. Zu den Kosten der drei Modelle sagte Schmied, die erste Variante mit einer Stunde Ethikunterricht pro Woche würde angesichts des erhöhten Ressourcenbedarfs 53 Mio. € ausmachen. Die Schätzung für Variante zwei, also Ethik als Alternativfach für SchülerInnen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, beliefen sich auf etwa 44 Mio. €, wobei diese Annahme auf einer Stichprobe beim Schulversuch Ethikunterricht im ländlichen Raum basiert, die für eine bundesweite Umsetzung adaptiert wurde. Die Unterrichtsministerin meinte weiters, sollte Ethik Teil eines bestehenden Unterrichtsfachs werden, seien keine zusätzlichen Kosten zu erwarten, außer, man benötige dann mehr Unterrichtsstunden in diesem Fach, wodurch sich die Ausgaben auf etwa 33 Mio. € beliefen. Schmied hielt auch fest, bei diesen Überlegungen sei die Behandlung des Ethikunterrichts in der PädagogInnenausbildung noch nicht berücksichtigt und offen sei auch die inhaltliche Ausgestaltung des Faches Ethik.

Schulversuche zum Ethikunterricht laufen bereits

Abgeordnete Anna Franz und Werner Amon (beide V) verwiesen auf die guten Rückmeldungen von SchülerInnen und LehrerInnen zu den derzeit an 223 Schulen in der Sekundarstufe II laufenden Schulversuchen zum Ethikunterricht. V-Mandatarin Franz plädierte daher, dieses Modell, bei dem SchülerInnen den Ethikunterricht anstatt des Religionsunterrichts besuchen, an den Schulen zur Regel zu machen. Schülerinnen und Schüler, die einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, die sich aber von einem konfessionellen Religionsunterricht ihres Bekenntnisses abgemeldet haben bzw. den Besuch eines (außerschulischen) Religionsunterrichts nicht nachweisen können, haben beim Schulversuch verpflichtende Unterrichtseinheiten im Fach Ethik. Konfessionslose Schülerinnen und Schüler müssen den Ethikunterricht besuchen, außer sie haben sich für den Religionsunterricht als Freigegenstand angemeldet.

Für Elmar Mayer war allerdings zu hinterfragen, ob SchülerInnen, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, für ein Alternativfach zur Werteerziehung verpflichtet werden sollten. Seine Parteikollegin Sonja Ablinger (S) warnte davor, "Ethik" könnte in Folge als "Strafe" für Kinder, die nicht den Religionsunterricht besuchen, empfunden werden. Generell können ReligionslehrerInnen den Ethikunterricht übernehmen, wobei die Schulleitung die Entscheidung über den konkreten Lehrereinsatz trifft. Ein Universitätslehrgang Ethik wird derzeit nur am Institut für Philosophie an der Universität Wien angeboten, allerdings besteht an Pädagogischen Hochschulen für LehrerInnen die Möglichkeit zur Weiterbildung im Fach Ethik.

Die völlige Wahlfreiheit zwischen den Fächern Ethik und Religion erachtete Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) als bedeutend, dürfe es doch keine Konkurrenz zwischen diesen Unterrichtsgegenständen geben. Der F-Mandatar befürwortete eine weiterführende Diskussion zu dem Thema, merkte allerdings an, er halte vor allem die Wissensvermittlung zu Wertehaltungen wichtig, die alleinige Diskussion von SchülerInnen darüber reiche nicht aus. Gegen die neuerliche Behandlung der Frage, ob und wie Ethikunterricht an Schulen Fuß fassen solle, sprach sich Abgeordnete Ursula Haubner (B) aus. Sie trat für die möglichst baldige Umsetzung der dritten Variante, bei der Ethikvermittlung in bestehende Pflichtfächer einfließt, ein. In Zusammenhang mit Fachthemen, befand Haubner, könnten moralische Werte am besten vermittelt werden.

Die Situation des aktuellen konfessionellen Religionsunterrichts stellte Abgeordneter Harald Walser (G) zur Debatte und bemerkte, zur Ausgestaltung einer zeitgemäßen Wertevermittlung an Österreichs Schulen sei es wichtig, auch jene bei Diskussionen darüber zu beachten, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Dieser Haltung schloss sich Abgeordneter Josef Auer (S) an, immerhin sei das umfassende Verständnis des Ethik-Begriffs mit all seiner sittlichen Bedeutung für sämtliche SchülerInnen notwendig. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss).


Themen