Parlamentskorrespondenz Nr. 952 vom 21.11.2012

Nationalbank-Gouverneur Nowotny erwartet sehr verhaltenes Wachstum

OeNB lagert Gold dort, wo es in einer Krise rasch einsetzbar ist

Wien (PK) – Die aktuelle Geld- und Währungspolitik bildete das Thema einer Aussprache des Finanzausschusses mit dem Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, und Vize-Gouverneur Wolfgang Duchatczek. Von Seiten der Bundesregierung nahm Finanzstaatssekretär Andreas Schieder an der Diskussion teil. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die deutlich verschlechterten Konjunkturaussichten, die Situation der heimischen Banken, das Projekt einer europäischen Bankenunion, die Frage, ob bei der Sanierung Griechenland die richtigen Rezepte verwendet werden und warum ein großer Teil der OeNB-Goldreserven in Großbritannien gelagert werde.

Konjunktur trübt sich ein, auch in Österreich     

OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny informierte den Finanzausschuss über  die nach unten revidierte Wachstumsprognosen der EU-Kommission für 2012. Der Euro-Raum müsse mit einem Rückgang von 0,4 % rechnen, eine Zahl, hinter der jedoch sehr unterschiedliche Entwicklungen im Norden und Süden des Euroraums stehen. Während Deutschland und Österreich laut Kommission noch mit Wachstumsraten von 0,8 % rechnen können, liegen die Erwartungen für Spanien, Italien und Portugal negativ, Griechenland habe nach vier Jahren Rezession in Folge mit einer weiteren Schrumpfung von 6 % rechnen, die französische Volkswirtschaft stagniere. Angesichts einer Eintrübung der Wirtschaft in Österreich, einem Minuswachstum im dritten Quartal 2012 und einer Stagnation im vierten Quartal hielt der Notenbank-Gouverneur für 2012 eine weitere Reduktion der Wachstumsprognose für 2012 auf 0,5 bis 0,8 % für möglich. Für 2013 sei es angesichts einer raschen Eintrübung der deutschen Konjunktur nicht sicher, dass die 0,9 %-Wachstumsprognose halten werde. Starke Preissteigerungen bei Energie und bestimmten Dienstleistungen haben die Inflation im Oktober auf 2,9 % steigen lassen, 2013 werde der Preisauftrieb wieder zurückgehen, prognostizierte der Gouverneur.

Die Inflationserwartung für den Euroraum laute für 2012 auf 2,5 % und für das Jahr 2013 auf 1,8 %. An dieser Stelle nannte der Notenbank-Gouverneur zwei Inflationsursachen, wobei sich der Kostenfaktor, etwa Preissteigerungen bei Energie, dem Einfluss einer Notenbank entziehen. Beeinflussbar seien nur Nachfrageeffekte. Von dieser Seite könne in Europa mit einem Rückgang der Inflation gerechnet werden, sagte Nowotny und wies auf die enorm hohe Arbeitslosigkeit in Europa hin.

Das österreichische Exposure gegenüber Griechenland betrage bei den bilateralen Krediten 1,55 Mrd. €, bei den ESFS-Haftungen 2,2 Mrd. € und bei den IWF-Krediten 0,22 Mrd. €. Infolge von Ankäufen griechischer Staatsanleihen durch die EZB betrage das Ausfallsrisiko bei der OeNB 59 Mio. €.

Österreich genießt Vertrauen der Märkte und günstige Zinsen   

Generell habe sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage in Europa verbessert, was seinen Ausdruck in niedrigeren Zinsaufschlägen für Staatsanleihen finde. Allein die Ankündigung des Anleiheankaufprogramms durch EZB-Präsident Draghi hat zu einer weiteren Beruhigung der Märkte geführt, berichtete Nowotny. Dieses unter strengen Bedingungen konzipierte Programm habe nicht die Absicht, die Zinssätze in Europa zu vereinheitlichen, weil dies angesichts unterschiedlicher Risiken ökonomisch falsch wäre. Wohl aber gehe es darum, das Risiko eines Zerfalls der Eurozone auszuschließen, indem man die Zinsen für Anleihen aus schwächeren Ländern nicht zu hoch werden lasse. Österreich könne sich derzeit bei zehnjährigen Staatsanleihen mit einem Zinssatz von 1,77 % günstig finanzieren, erfuhren die Abgeordneten.

Positiv registrierte Nowotny, dass in Österreich von Seiten der Banken keine "Kreditklemme" bestehe, während im Euroraum die Kreditvergabe der Banken zurückgehe. Die Kreditqualität der Banken sei maßgeblich von den Aktivitäten der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa beeinflusst, wobei Nowotny die Entwicklung in der Ukraine als dramatisch einschätzt. Daher habe die OeNB die Banken zu einer vorsichtigeren Gestion veranlasst, was zu einer deutlichen Reduktion des Kreditausfallsrisikos geführt habe. Alle österreichischen Großbanken haben das Ziel des Bankenrekapitalisierungsprogramms der Europäischen Bankenaufsicht erreicht, teilte Nowotny mit, machte aber darauf aufmerksam, dass die Kapitalquote der Institute immer noch unter dem europäischen Durschnitt liege. Nowotny sah die Notwendigkeit einer Kapitalstärkung der österreichischen Banken. Positiv vermerkte der OeNB-Gouverneur, dass die österreichischen Banken wenig in Problemstaaten engagiert seien. Der bereits erfolgte Abbau des Exposures der Banken gegenüber Griechenland stelle ein Stabilitätselement für Österreich dar, sagte Nowotny.

Goldreserven müssen im Krisenfall rasch eingesetzt werden können

OeNB-Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek erklärte, dass ein Inkrafttreten von Basel III ab 2013 nicht realistisch sei, weil noch wesentliche Durchführungsbestimmungen fehlten. Im Hinblick auf die angestrebte Bankenunion sollen die Durchführungsbestimmungen für die Europäische Bankenaufsicht beim ECOFIN im kommenden Dezember beschlossen werden. Die EZB soll die dafür zuständige Behörde werden und die Aufsichtsaufgaben durch nationale Aufsichtsbehörden wahrnehmen. Für die Nicht-Euro-Mitgliedstaaten soll dabei die Möglichkeit einer Teilnahme und Mitwirkung geschaffen werden.

Der Goldbestand der OeNB lieg seit 2007 konstant bei rund 280 Tonnen. Die Länderaufteilung nach Lagerstätten physischer Bestände bzw. Auslieferungsorten nicht-physischer Bestände betrage 224,4 t (rund 80%) in UK, 6,9 t (rund 3%) in der Schweiz und 48,7 t (rund 17%) in Österreich. Durch Goldleihe-Geschäfte habe die OeNB in den letzten zehn Jahren 300 Mio. € verdient und bei solchen Geschäften keinerlei Ausfälle verzeichnet, teilte Vizegouverneur Duchatczek den Abgeordneten mit.

Weiters informierte der Vize-Gouverneur über die Einführung neuer 5 €-Banknoten mit neuen Sicherheitsmerkmalen im Mai 2013. Auch wenn es in Europa und Österreich nur wenige Geldfälschungen gebe, sei es notwendig, bei der Qualität der Zahlungsmittel auf dem Stand der technischen Entwicklung zu bleiben, sagte Duchatczek.

In der Debatte meinte Abgeordneter Christoph Matznetter (S) zum Thema Griechenland-Hilfe, es wäre an der Zeit, über die Frage zu diskutieren, ob Sparen allein nicht vielleicht das falsche Rezept bei der Behandlung eines todkranken Patienten sei. Weitere Fragen des Abgeordneten galten der Situation der Unternehmensfinanzierung und Problemen mit Kreditforderungen in der Ukraine und in Rumänien. Außerdem wollte der Abgeordnete wissen, warum Großbritannien ein guter Platz für das Lagern österreichischer Goldbestände sei und warum es zweckmäßig sei, nicht alle österreichischen Goldreserven in Wien zu bunkern. 

Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) befürchtete höhere Kosten für Österreich durch eine zeitliche Verschiebung der Sanierung Griechenlands und erbat Auskunft über die Einschätzung der Konsolidierungsperformance der österreichischen Bundesregierung durch die Nationalbank.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) ortete eine gefährliche ökonomische Abwärtsspirale in Europa, nannte in diesem Zusammenhang Griechenland als Beispiel für eine verfehlte Austeritätspolitik und wies auf Diskussionen über eine zweistufige, auf ökonomische Unterschiede in Europa ausgerichtete Konsolidierungspolitik hin. Rossmann wollte auch wissen, wie sich die OeNB zu einem Haircut Griechenlands äußere.

Abgeordneter Michael Ikrath (V) klagte über die hohe Belastung der Banken durch die zuletzt erhöhte Stabilitätsabgabe, zu der bei den in Osteuropa engagierten Banken zusätzliche steuerliche Belastungen kommen, was dazu führe, dass die österreichischen Banken zu den am stärksten belasteten Banken in Europa zählen. Dazu kommen nun weitere Belastungen durch Finanztransaktionssteuer, Basel III und die Kosten der Bankenunion. "Wer soll in Banken investieren, wie sollen Banken unter diesen Bedingungen noch Gewinne machen?", fragte der Abgeordnete. Außerdem erkundigte sich der Redner nach der Haltung der OeNB zum künftigen Verhältnis von nationaler Aufsicht, Europäischer Bankenaufsicht und EZB sowie zur Frage, ob die EZB künftig alle oder nur Systembanken beaufsichtigen soll. Zudem sei zu klären, wie die parlamentarische Kontrolle der neuen Bankenaufsicht aussehen soll, denn für die Kontrolle der FMA sei der Nationalrat zuständig.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) interessierte sich für das Kredit-Obligo österreichischer Banken in Osteuropa. 

Abgeordneter Rainer Widmann (B) befasste sich ebenfalls mit der Griechenland-Hilfe und brachte möglicherweise rechtswidrige Geschenke für Kunden der Oesterreichischen Banknoten- und Sicherheitsdruckerei OeBS und damit im Zusammenhang stehende Rechtsprobleme des Aufsichtsratsvorsitzenden der OeBS zur Sprache und wandte sich einmal mehr gegen eine parteipolitische Personalpolitik im Bereich der OeNB.

Finanzstaatssekretär Andreas Schieder führte demgegenüber aus, dass die Politik der OeNB vollkommen frei von parteipolitischen Betrachtungen sei. Zum Thema Griechenland gebe es positive Nachrichten, sagte Schieder. Griechenland erfülle die Bedingungen für die Verlängerung des Zeitraums für die Erreichung seines 3-%-Defizitziel um zwei Jahre. Absolute Entwarnung könne aber noch nicht gegeben werden, weil die Schuldenquote Griechenlands noch nicht den Hilfsprogrammen entspreche. Ein Haircut sei bei den jüngsten Verhandlungen kein Thema gewesen, offen seien noch technische und Zinsenfragen.

Nowotny: Ordnung in den öffentlichen Haushalten ist wichtig

OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny berichtete beim Thema Problemländer der Eurozone, dass Länder wie Irland und Portugal oder Spanien, wo Immobilienblasen zu spezifischen Problemen geführt haben, Erfolge verzeichneten. Das gelte nicht für Griechenland, das große Strukturprobleme aufweise, etwa in der Steuerverwaltung und in der Exportindustrie, sodass man dort realistisch von längeren Zeithorizonten bei der Sanierung ausgehen müsse. Die Frage, wie weit die Bereitschaft reiche, dabei Hilfestellung zu geben, sei eine politische Frage, hielt Nowotny fest, fügte aber den Hinweis auf mögliche Ansteckungsgefahren im Falle eines Staatsbankrotts hinzu.

Den Abgeordneten Matznetter und Rossmann teilte Nowotny mit, dass es Diskussionen über die Erfahrungen mit fiskalischen Restriktionen gebe, die sich in Problemländern stärker auswirken als anderswo. Griechenland zahle derzeit 17,25 % Zinsen für zehnjährige Anleihen, sei also faktisch vom Kapitalmarkt ausgeschlossen.

Das Kreditangebot von Seiten der österreichischen Banken sei intakt, konjunkturbedingt bestehe aber geringe Nachfrage nach Krediten, sagte Nowotny. Bei der Finanzierung von Unternehmen sei in den letzten Jahren ein Boom an Unternehmensanleihen zu verzeichnen, wodurch die OeNB sich veranlasst sah, verstärkt auf die Qualität solcher Anleihen zu achten. Beim Thema Non Performing Loans in der Ukraine und in Rumänien sah Nowotny funktionierende Strukturen in Rumänien, aber eine problematische Situation in der Ukraine und berichtete von der Reduktion des Engagement österreichischer Banken.

Der Bundesregierung konzedierte OeNB-Gouverneur Nowotny, einen vernünftigen Pfad für die Budgetkonsolidierung eingeschlagen zu haben, was auch von den Märkten honoriert werde, sodass sich Österreich günstig finanzieren könne. Es sei wichtig, die öffentlichen Haushalte in Österreich in Ordnung zu bringen, weil Österreich das Vertrauen ausländischer Gläubiger brauche.

Abgeordnetem Rossmann teilte Nowotny mit, dass auch die OeNB schon lange ein Bankeninsolvenzrecht und rasche Interventionsmöglichkeiten für OeNB und FMA fordere. Abgeordnetem Michael Ikrath sagte Nowotny, die kumulative Belastung der Banken sei bekannt und werde in der EZB hinsichtlich deren Auswirkungen, etwa auf die Kreditversorgung, diskutiert.

Dass beim Verfahren zur Besetzung der Notenbank-Spitze auch politische Komponenten eine Rolle spielen, sei richtig, räumte der OeNB-Gouverneur ein, das bedeute aber nicht, dass eine Notenbank nicht nach streng objektiven Kriterien vorgehe. Probleme bei der OeBS räumte Nowotny ein, erinnerte aber zugleich daran, dass es das Direktorium der OeNB war, das die Untersuchungen veranlasst habe, die nun von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden.

OeNB-Vizegouverneur Wolfang Duchatczek klärte die Ausschussmitglieder darüber auf, dass die OeNB bei ihrer Goldlagerungspolitik von der Überlegung geleitet werde, dass Reserven in einem Krisenfall rasch einsetzbar sein müssen.

Die OeNB unterstütze die Bemühungen für eine Europäische Bankenaufsicht, verlange aber einen klaren Zeitplan für den Übergang von der nationalen Bankenaufsicht zu einer Europäischen Aufsicht. Diese Frage sei derzeit noch offen, erfuhren die Ausschussmitglieder. (Schluss)