Parlamentskorrespondenz Nr. 991 vom 27.11.2012

Öffentlicher Dienst: Sexualstraftätern droht automatischer Jobverlust

Dienstrechts-Novelle 2012 bringt auch neuen Anti-Folter-Paragraphen

Wien (PK) – Wer rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs, Vergewaltigung oder einer anderen vorsätzlichen Sexualstraftat verurteilt wird, muss künftig den Bundesdienst verlassen. Mit der Verurteilung gilt das Dienstverhältnis automatisch als aufgelöst, und zwar unabhängig vom Strafausmaß. Das sieht die Dienstrechts-Novelle 2012 vor, die heute vom Verfassungsausschuss des Nationalrats beschlossen wurde. Auch für Verurteilungen wegen Quälens oder Vernachlässigens unmündiger und wehrloser Personen oder eines Gefangenen sowie wegen Folter gelten die gleichen Konsequenzen. Zudem werden ein eigener Paragraph zur Ahndung von staatlicher Folter in das Strafgesetzbuch (§ 312a) aufgenommen und dutzende Detailbestimmungen in 19 weiteren Gesetzen geändert. Deutlich erleichtert wird etwa die Inanspruchnahme des "Papamonats" im öffentlichen Dienst.

Der Beschluss im Ausschuss fiel mit der Mehrheit der Koalitionsparteien. Dem neuen Anti-Folter-Paragraphen, dessen Formulierung von der FPÖ heftig kritisiert wurde, stimmten auch die Grünen zu. Ein im Rahmen der Beratungen eingebrachter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter S-V-Abänderungsantrag hat im Wesentlichen redaktionelle Berichtigungen und Klarstellungen zum Inhalt. Das BZÖ bedauerte ausdrücklich, dass mit der Dienstrechts-Novelle wieder kein modernes Dienstrecht für Beamte mit höheren Einstiegsgehältern und einer flacheren Einkommenskurve geschaffen wird.

Besonders umstritten war in der Debatte – neben dem neuen Anti-Folter-Paragraphen – die automatische Auflösung des Dienstverhältnisses wegen einer vorsätzlich begangenen Sexualstraftat und bestimmter anderer Delikte. Die Regierung begründet den Schritt damit, dass dem Ansehen der Verwaltung in der Vergangenheit durch öffentlich diskutierte Fälle immer wieder enormer Schaden zugefügt wurde und das Disziplinarrecht nicht so gegriffen habe wie vorgesehen.

Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, wertete die Sonderregelung für bestimmte Deliktsgruppen wie Sexualstraftaten allerdings als nicht schlüssig. Ausschlaggebend für den automatischen Amtsverlust eines öffentlich Bediensteten soll seiner Meinung nach ausschließlich die Schwere einer Tat sein. Und wie schwer eine Tat wiege, lege der Richter durch das Strafausmaß fest, argumentierte er. In diesem Sinn trat Steinhauser dafür ein, den automatischen Amtsverlust allein auf die Höhe der Strafe abzustellen und ansonsten auf das Disziplinarrecht zu setzen. Die neuen Bestimmungen mögen vielleicht populär sein, meinte er, eine Ungleichbehandlung einzelner Tätergruppen sei aber nicht gerechtfertigt.

Seitens der FPÖ warnte Abgeordneter Werner Herbert vor einer Vorverurteilung von betroffenen BeamtInnen, wobei er auch auf den Umstand Bezug nahm, dass bei einer Anklage wegen eines der genannten Delikte künftig eine zwingende Suspendierung ausgesprochen werden muss. Sexualstraftäter und Folterer hätten im öffentlichen Dienst nichts verloren, bekräftigte er, seiner Auffassung nach ist das geltende Disziplinarrecht aber ausreichend. Auch Abgeordneter Ernest Windholz (B) hinterfragte den automatischen Amtsverlust bei Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten und meinte, die Entscheidung sollte dem Dienstgeber überlassen bleiben.

Befürwortet wurden die neuen Bestimmungen hingegen von Abgeordnetem Otto Pendl (S) und Zweitem Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer (V). Neugebauer hielt Abgeordnetem Herbert entgegen, dass Suspendierungen schon derzeit allgemeine Praxis seien. Er hob zudem hervor, dass die neuen Bestimmungen im Sinne des öffentlichen Dienstes sind. Auch Beamten-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek stellte sich hinter die Gesetzesvorlage und sprach von einem richtigen Schritt.

Um gänzlich auszuschließen, dass verurteilte Sexualstraftäter in Schulen unterrichten oder in anderer Form Jugendliche betreuen, etwa in Jugendstrafanstalten, sind die zuständigen Personalstellen und Dienstbehörden künftig außerdem dazu verpflichtet, bei Neuaufnahmen Auskünfte aus der Sexualstraftäterdatei einzuholen. Für den übrigen öffentlichen Dienst reicht bei Personaleinstellungen eine einfache Strafregister-Auskunft, wobei normiert wird, dass diese nach Prüfung der Dienstbehörde sofort zu löschen ist und nicht dem Personalakt beigegeben werden darf.

Anti-Folter-Paragraph: FPÖ fordert Diskussion im Justizausschuss

Intensiv diskutiert wurde im Ausschuss auch über den neuen Anti-Folter-Paragraphen im Strafgesetzbuch. Mit diesem Paragraphen tragen die Abgeordneten einer Empfehlung des UN-Ausschusses gegen Folter Rechnung, wobei in den Erläuterungen zum Abänderungsantrag nochmals ausdrücklich klargestellt wird, dass dieser Paragraph ausschließlich für staatliche Folter – also Folter durch öffentliche Amtsträger bzw. durch Personen, die auf Veranlassung oder mit Einverständnis eines Amtsträgers handeln – gilt. Zusätzlich wird im Strafgesetzbuch verankert, dass der neue Straftatbestand zu jenen strafbaren Handlungen gehört, die ohne Rücksicht auf die Gesetzeslage am Tatort bestraft werden.

Heftige Kritik am Paragraphen kam vor allem von der FPÖ. Die Abgeordneten Werner Herbert und Peter Fichtenbauer zeigten sich verwundert darüber, dass das Strafgesetzbuch "im Schnellverfahren" im Zuge einer Dienstrechts-Novelle geändert wird, und forderten eine ausführliche Diskussion im Justizausschuss. Bemängelt wurde von ihnen vor allem die legistische Formulierung. So sprach Abgeordneter Fichtenbauer von einer "grottenschlechten Übersetzung" der Anti-Folter-Konvention der UNO, die noch dazu nicht der österreichischen Rechtskultur entspreche. Angesichts unbestimmter Begriffe prophezeite er "mörderische Auslegungsschwierigkeiten" und meinte, das rechtspolitische Ziel könne mit einer anderen Formulierung sicher besser erreicht werden. Fichtenbauer zufolge könnte aufgrund des Wortlautes des Paragraphen auch ein Richter wegen "Geständniserpressung" verurteilt werden, wenn er dem Angeklagten signalisiere, dass seine Strafe im Falle eines Geständnisses niedriger ausfallen werde.

Dem gegenüber wertete Abgeordneter Albert Steinhauser (G) den neuen Anti-Folter-Paragraphen als "menschenrechtlichen Quantensprung". Über die legistische Qualität des Paragraphen könne man diskutieren, sagte er, er erachtet die Kritik der FPÖ aber als "sehr nebulos". Steinhauser wies darauf hin, dass es nur um die Zusammenfassung von Delikten in einem neuen Paragraphen gehe, Folter sei auch jetzt schon strafbar.

Als Vertreter des Justizministeriums hielt Christian Pilnacek der Kritik der FPÖ entgegen, dass die Formulierung im StGB dem Artikel 1 des Anti-Folter-Übereinkommens der UNO entspreche, der im Zuge der Ratifizierung des Übereinkommens durch Österreich bereits 1987 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Mit der Ergänzung des Strafgesetzbuchs setze man nicht nur das Regierungsprogramm um, sondern folge auch einer Entschließung des Nationalrats, betonte er. Laut Pilnacek habe man sich nicht zuletzt deshalb am Wortlaut der Konvention orientiert, um Auslegungsprobleme zu vermeiden. In den Erläuterungen werde auch klargestellt, dass legitime Maßnahmen wie die Verhängung einer U-Haft oder eine Festnahme keinesfalls als Folter gewertet werden können. Kernpunkt des Paragraphen ist ihm zufolge eine Geständniserlangung mit unlauteren Methoden.

Inanspruchnahme des "Papamonats" wird erleichtert

Mit der Dienstrechts-Novelle 2012 erleichtert wird auch die Inanspruchnahme des Frühkarenzurlaubs für Väter. Der so genannte "Papamonat", der nach der Geburt eines Kindes einen bis zu vierwöchigen unbezahlten Karenzurlaub ermöglicht, kann in Hinkunft nicht mehr aufgrund von wichtigen dienstlichen Interessen untersagt werden. Zudem muss er nicht mehr zwei Monate vor dem voraussichtlichen Geburtstermin beantragt werden, eine Meldung spätestens eine Woche vor Antritt reicht.

Eine Reihe weiterer dienstrechtlicher Änderungen ist durch die geplante Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz und die damit verbundene Auflösung einzelner Sonderbehörden wie der Disziplinaroberkommission bedingt. Durch die neue Form der Reifeprüfung müssen außerdem die Abgeltungen für LehrerInnen neu festgelegt werden, wobei es dadurch zu keinen wesentlichen budgetären Auswirkungen kommen soll.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf dutzende Detailänderungen: Bei unentschuldigter Abwesenheit vom Dienst und bei einer Haftstrafe wird die dienstrechtliche Vorrückung in Hinkunft gehemmt. Vertragsbedienstete, die unmittelbar nach Dienstantritt krank werden, müssen nicht mehr um ihre Entgeltfortzahlung bangen. RichterInnen können zur Betreuung eines schulpflichtigen Kindes ihre Dienstzeit flexibel bis zur halben Auslastung herabsetzen lassen. Für BeamtInnen, die wegen Dienstunfähigkeit frühzeitig in den Ruhestand versetzt werden und zuvor mindestens 120 Schwerarbeitsmonate geleistet haben, reduziert sich – analog zum ASVG – der Pensionsabschlag von 15 % auf maximal 11 %. Die fünfjährige Befristung für Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst beginnt mit dem Tag der Funktionsbetrauung zu laufen, auch wenn die offizielle Ernennung erst später erfolgt. Für Klassenzimmer gibt es keine Ausnahme aus dem Anwendungsbereich des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes mehr. Ausgegliederte Rechtsträger erhalten mehr Flexibilität in Bezug auf die Wahl der Pensionskasse.

Heinisch-Hosek: Dienstrechts-Novelle ist "nahezu kostenneutral"

Abgeordnete Daniela Musiol (G) wertete es als positiv, dass die RichterInnen der neuen Verwaltungsgerichte in das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz aufgenommen werden. Deren Einstufung ist für sie allerdings nicht ganz nachvollziehbar, da man, wie sie meint, vom ursprünglichen Grundsatz abweiche, den neuen Verwaltungsgerichten die gleiche Wertigkeit beizumessen wie den ordentlichen Gerichten. Ihrer Auffassung nach gilt es außerdem darauf zu achten, dass es nicht zu einer unterschiedlichen Besoldung bei den einzelnen Verwaltungsgerichten komme.

Auch Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) hob die Notwendigkeit eines einheitlichen Richterbildes hervor, unabhängig davon ob der Richter an einem ordentlichen Gericht oder einem Verwaltungsgericht tätig ist. Er erachtet es in diesem Sinn für dringend notwendig, Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate nur nach einer Übernahmeprüfung in die Verwaltungsgerichte aufzunehmen. Damit der Rechtsstandard in Österreich nicht sinke, braucht es ihm zufolge unter anderem eine ordentliche Ausbildung der UVS-Mitglieder in Verfahrensrecht.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) bedauerte, dass mit der vorliegenden Novelle wieder kein modernes Dienstrecht für BeamtInnen geschaffen werde. Das BZÖ sei für tiefgreifende Änderungen und ein neues Besoldungsrecht mit höheren Einstiegsgehältern und einer flacheren Einkommenskurve, skizzierte er.

Abgeordnete Judith Schwentner (G) begrüßte den erleichterten Zugang zum "Papamonat" und die Möglichkeit für RichterInnen, ihre Arbeitszeit variabel zu reduzieren. Nach wie vor hätten aber eingetragene PartnerInnen nicht in allen Fällen die gleichen Rechte wie EhepartnerInnen, kritisierte sie.

Abgeordneter Otto Pendl (S) gab zu bedenken, dass gerade diejenigen, die immer wieder ein modernes, einheitliches Dienstrecht für den öffentlichen Dienst fordern, diejenigen seien, die für alle möglichen Sondergruppen des öffentlichen Dienstes ein eigenes Dienstrecht wollten.

Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (V) betonte, die vorliegende Novelle habe außerordentlich viele positive Punkte. Als Beispiele nannte er nicht nur den erleichterten Zugang zum "Papamonat", sondern auch die Verlängerung der Opt-Out-Regelung für Führungskräfte mit Pauschalbezug, die Absicherung jener ExekutivbeamtInnen, die von der Behördenreform des Innenministeriums betroffen sind, die reduzierten Pensionsabschläge bei der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand von SchwerarbeiterInnen und verstärkte Mitwirkungsrechte der Personalvertretung.

Beamten-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek hielt fest, dass die Dienstrechts-Novelle auf sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen basiere. Verbesserungen für eingetragene PartnerInnen gibt es ihr zufolge bei der Pflegefreistellung. Erfreut äußerte sich die Ministerin auch darüber, dass die Dienstrechts-Novelle "nahezu kostenneutral" sei.

Oppositionsanträge abgelehnt bzw. vertagt

Mitverhandelt mit der Dienstrechts-Novelle 2012 wurde außerdem eine Reihe von Oppositionsanträgen. So fordert die FPÖ, die Rechte von Beschwerdeführern in Disziplinarverfahren zu stärken (1909/A[E]), die Bestimmungen für Belehrungen und Ermahnungen von BeamtInnen zu präzisieren, um Willkür hintanzuhalten (1705/A), und ExekutivbeamtInnen auch dann eine einmalige Geldaushilfe als Schmerzensgeldersatz zu gewähren, wenn sie sich nicht im Einsatz, sondern im Rahmen der dienstlich angeordneten Aus-, Fort- und Weiterbildung schwer verletzen (838/A). Außerdem wollen die Abgeordneten Werner Neubauer und Werner Herbert Beamte in Bezug auf die Leistung von Pensionssicherungsbeiträgen und von zusätzlichen Pensionsbeiträgen für Nebengebühren entlasten (1232/A[E], 499/A[E]).

Das BZÖ macht sich für ein Streikverbot im öffentlichen Dienst (930/A[E]) und die umgehende Abschaffung der sogenannten "Hacklerregelung" für BeamtInnen stark (1872/A).

Abgeordneter Werner Herbert (F) erinnerte in der Diskussion daran, dass die Pensionssicherungsbeiträge für BeamtInnen seinerzeit eingeführt wurden, da Beamtinnen pensionsrechtlich besser gestellt waren als ASVG-Bedienstete. Mittlerweile seien die Pensionssysteme aber angeglichen worden. Daher müssen seiner Meinung nach gesetzliche Korrekturen vorgenommen werden. Für Abgeordneten Otto Pendl (S) ist diese Frage, wie auch die Pensionsbeiträge für Nebengebühren und die Geldaushilfen für ExekutivbeamtInnen, allerdings ein klassisches sozialpartnerschaftliches Thema. Er brachte daher drei Vertagungsanträge ein, die bei der Abstimmung auch angenommen wurden.

Die anderen Oppositionsanträge wurden mit wechselnden Mehrheiten abgelehnt. Kritik von Abgeordnetem Ernest Windholz (B) und Abgeordnetem Christian Lausch (F) an den geltenden Bestimmungen über Ermahnungen und Belehrungen von BeamtInnen hielt Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer entgegen, dass im vorliegenden FPÖ-Antrag lediglich der nicht ordnungsgemäße Vollzug einer an sich eindeutigen gesetzlichen Bestimmung bemängelt werde. Windholz und Lausch hatten zuvor kritisiert, dass Ermahnungen und Belehrungen von Dienststellenleitern immer wieder dafür herangezogen werden, um das Fortkommen einzelner BeamtInnen zu verhindern.

Ein zweiter BZÖ-Antrag zur "Hacklerregelung" (1882/A) wurde unmittelbar vor der Ausschusssitzung aus formalen Gründen von den AntragstellerInnen zurückgezogen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)