Parlamentskorrespondenz Nr. 999 vom 28.11.2012

Diskussion um Biosprit im EU-Ausschuss des Bundesrats

Weitere Themen: UVP-Richtlinie, Haftung bei Nuklearschäden

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich heute auch mit relevanten umweltpolitischen Vorschlägen der Kommission. Dies betraf zunächst die geplanten Änderungen der Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die von österreichischer Seite skeptisch beurteilt wird.

Wie eine Vertreterin des Umweltressorts erläuterte, strebt die EU-Kommission damit eine größere Harmonisierung sowie eine inhaltliche Änderung der geltenden Gesetzesvorschrift an, mit dem Ziel, die Verfahrenseffizienz zu steigern sowie die Qualität der UVP zu verbessern. So ist etwa eine Qualitätssicherung der vom Projektwerber vorzulegenden Unterlagen vorgesehen. Zudem wird der Projektwerber verpflichtet, der Behörde zusätzliche spezifische Informationen für die Einzelfallprüfung, mit der entschieden wird, ob ein Vorhaben der UVP unterliegt, zur Verfügung zu stellen.

Die UVP soll darüber hinaus an aktuelle umweltpolitische Themen angepasst werden. Deshalb will man den Projektwerber verpflichten, auch Informationen betreffend biologische Vielfalt, Klimawandel, Flächenverbrauch, Katastrophenrisiken und den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu liefern. Das unterliege jedoch unterschiedlichen Interpretationen, weshalb die kommenden Verhandlungen eine Konkretisierung der Begriffe bringen müssten, betonte die Beamtin.

Die Kritikpunkte am UVP-Richtlinienvorschlag

Aus österreichischer Sicht wird es laut Unterlage des Ministeriums als problematisch angesehen, dass mit dem Vorschlag wesentliche Aufgaben des Projektwerbers auf die Vollzugsbehörden überwälzt werden sollen, insbesondere die Festlegung des Untersuchungsrahmens für das Projekt (sogenanntes Scoping) und die Auswahl von Alternativen. Außerdem bestehen aus heimischer Sicht Unklarheiten hinsichtlich des Prüfgegenstands und –umfangs, wie Klimawandel oder  Ökosystemdienstleistungen. Die Vorlage enthalte zu viele allgemein gehaltene Bestimmungen, die einer Konkretisierung bedürfen, stellte die Ressortvertreterin fest.

Die Expertin kritisierte vor allem das Fehlen von Entscheidungsstandards im Richtlinienvorschlag. Sie bemängelte weiters, dass sich die neuen umweltpolitischen Aspekte bei den Genehmigungsentscheidungen nicht wiederfinden. Österreich trete darüber hinaus für eine Nachprüfungspflicht ein. Nach aktuellem Stand will die Kommission Nachprüfungen nur auf jene Verfahren beschränken, die mit gravierenden Umweltbeeinträchtigungen verbunden sind. Negativ bewerte Österreich ferner die Tatsache, dass hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung keine Änderungen vorgesehen sind. Diese wären jedoch sinnvoll, da es in diesem Zusammenhang immer wieder Vertragsverletzungsverfahren gibt.

Die Diskussion auf EU-Ebene befinde sich aber erst im Anfangsstadium, informierte sie. Es zeichneten sich einige Problemfelder ab, sodass man von keiner raschen Einigung ausgehe.

Alle EU-Mitglieder müssen gleiche Standards einhalten

Auch die Wirtschaftsseite brachte im Rahmen der Ausschussdebatte einige Bedenken an. So meinte etwa Bundesrätin Angelika Winzig (V/O), schnellere, kostengünstigere und nachvollziehbare Verfahren seien zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber es müsse auch sichergestellt sein, dass die Vorgaben von den anderen EU-Staaten ebenso eingehalten werden wie in Österreich, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Dies wurde von der Vertreterin der Wirtschaftskammer bekräftigt, die ausdrücklich auf die Bedeutung effizienter Genehmigungsverfahren für den Wirtschaftsstandort aufmerksam machte. Den Richtlinienvorschlag bewertete sie daher mit Skepsis, weil sie befürchtete, dass man die vielen Vorgaben in kurzer Zeit gar nicht erfüllen könne. Außerdem gebe es sehr unterschiedliche Interpretationen darüber, was etwa unter dem Begriff Ökosystemdienstleistungen zu verstehen ist. Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) übte insbesondere Kritik an den derzeit langen Verfahren, wodurch ihrer Ansicht nach die Lebenssituation betroffener Menschen verschlechtert werde. Sie hält eine Verfahrensbeschleunigung für notwendig, diese müsse aber im Einklang mit den Erfordernissen stehen, sagte sie.

Positiver beurteilten die BundesrätInnen Stefan Schennach (S/W) und Elisabeth Kerschbaum (G/N) die Vorlage, obwohl auch sie Kritik äußerten. Schennach fehlen vor allem eindeutige Mechanismen dafür, damit die Entscheidungen für die umweltfreundlichsten Projekte fallen. Er vermisst einen aufschiebenden Rechtsschutz und eine Nachprüfpflicht sowie eine Untersagungspflicht, sollten Projekte gravierende Auswirkungen auf die Umwelt haben. Kerschbaum wiederum kritisierte den Mangel an Kriterien für die Genehmigung, und sie sprach sich für eine Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung aus.

In ihrer Replik auf die Diskussion bemerkte die Expertin des Umweltministeriums, der Zug der Richtlinie gehe durchaus in Richtung des heimischen UVP-Systems, etwa in Bezug auf die konzentrierten Genehmigungsverfahren. Sie bekräftigte, eine Nivellierung nach unten sei nicht zu erwarten.

Angesichts der Tatsache, dass der Vorschlag nicht auf die unterschiedlichen, damit in Zusammenhang stehenden Verfahren in den Mitgliedstaaten eingeht, regte sie an, sich diesen auch näher im Hinblick auf die Subsidiarität anzuschauen. Dem pflichtete Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) bei und vertrat gemeinsam mit Bundesrat Stefan Schennach (S/W) die Auffassung, dass der Stellungnahme des Kärntner Landtags nicht vollinhaltlich zu folgen sei.

Biokraftstoffe: Tank, Trog oder Teller?

Höchst unterschiedliche Auffassungen traten bei der Diskussion um den Einsatz von Biotreibstoffen zutage. Um negative Auswirkungen durch eine verstärkte Verwendung derartiger Kraftstoffe zu verhindern, beabsichtigt die EU-Kommission mittels eines Richtlinienvorschlags, den weiteren Ausbau von Biokraftstoffen der ersten Generation einzuschränken sowie den Übergang zu Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation (keine Nahrungsmittel) einzuleiten. Man erwartet sich dadurch erhebliche Treibhausgas-Einsparungen.

Die Diskussion eröffnete die Vizepräsidentin des Bundesrats Susanne Kurz (S/S), die die Pläne der EU als eine erfreuliche Kehrtwende bewertete. Biosprit habe sich nicht als so umweltfreundlich herausgestellt wie erwartet, vielmehr habe der Anbau von Nahrungsmitteln für die Kraftstofferzeugung hohe Lebensmittelpreise verursacht, was moralisch bedenklich sei, hielt sie fest. Es stelle sich immer mehr die Frage, "Tank oder Teller", sagte Kurz und sprach sich dafür aus, die Erzeugung von Biotreibstoffen nicht mehr zu subventionieren, sondern die Produktion jener Stoffe zu fördern, die nicht für die Nahrungsaufnahme (zweite und dritte Generation) geeignet sind.

Ähnlich kritisch nahm dazu Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) Stellung, die nicht von Biotreibstoffen, sondern von "Agrotreibstoffen" sprechen wollte, weil "Bio" dem fälschlicherweise ein zu positives Image verleihe. Den Anteil von 10 % an erneuerbarer Energie im Verkehr könne man auch anders erreichen, meinte sie. Österreich sei weit von einer Selbstversorgung im Lebensmittelbereich entfernt, merkte sie weiters an.

Dem widersprachen die Bundesräte Martin Preineder (V/N) und Ferdinand Tiefnig (V/O) entschieden. Man müsse eine Differenzierung zwischen der österreichischen Situation und jener in der Dritten Welt vornehmen, monierte Preineder. Was in der Dritten Welt passiere, könne und dürfe man selbstverständlich nicht unterstützen, in Österreich mache es aber Sinn, in die Treibstoffproduktion einzusteigen, da es heimische Produkte gebe, die für die Nahrung nicht geeignet sind. Er appellierte, das eigene System nicht zu beschneiden, und erklärte, dass in der heimischen Landwirtschaft rund 25 % für die Nahrung, rund 60 bis 70 % für Futtermittel und rund 5 % für Treibstoff produziert werden. Für die Bäuerinnen und Bauern sei es wichtig, die Chancen zu nützen.

Sein Klubkollege Ferdinand Tiefnig (V/O) wies auf die Ausgangslage im Jahr 2003 hin, die mit der heutigen Situation nicht verglichen werden könne. Die massive Energieproduktion, etwa in Brasilien und in den USA, habe zu einer Verminderung des Getreideangebots geführt, argumentierte er. In Österreich betrage der Anteil an Energieproduktion lediglich um die 5 %. Tiefnig warnte vor der Verunsicherung durch eine Änderung der Politik, denn die Betriebe hätten hohe Investitionen getätigt, ein plötzliches Umlenken würde sich für diese fatal auswirken. Tiefnig plädierte eher dafür, bei den Spekulationen mit Lebensmitteln anzusetzen. Ähnlich argumentierte der Vertreter der Wirtschaftskammer, der Planungs- und Rechtssicherheit für Investoren einforderte. Man könne nicht auf halbem Weg ein neue Richtung einschlagen, gab er zu bedenken.

Pro und Contra Biosprit

Der Experte des Umweltministeriums teilte diese Kritik, indem er es für falsch hielt, den nächsten Schritt zu setzen, ohne vorher zu wissen, wie der erste funktioniert. Der Vorschlag bringe neue Vorgaben mit sich, betonte er. Er sah auch keinen Zusammenhang zwischen der Produktion von Biokraftstoffen und den Lebensmittelpreisen, was zu einer Replik von Vizepräsidentin Kurz führte. Den Zusammenhang hätten ernstzunehmende Studien festgestellt, führte sie aus und meinte in Richtung Bundesrat Preineder, man müsse auch eine Gesamtverantwortung übernehmen.

Seitens des Umweltministeriums werden die Vorteile von Biotreibstoffen durchaus gesehen. Die angepeilten 10 % Einsparungen setzten sich aus einem Mix aus der Verwendung erneuerbarer Energien, Elektromobilität und Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zusammen. Ohne den Einsatz von Biokraftstoffen sei das Ziel nicht zu erreichen, hieß es. Außerdem funktioniere die zweite und dritte Generation von Biokraftstoffen im großtechnischen Maßstab nicht, argumentierte der Vertreter des Ministeriums, dafür benötige man hohe Investitionen.

Konkret soll laut Richtlinienvorschlag eine Obergrenze von 5% für Biokraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen (stärke- und zuckerhaltige Nutzpflanzen sowie Ölpflanzen) am Endenergieverbrauch im Verkehrsbereich in 2020 eingezogen werden. Außerdem soll ein Anreizsystem für Biokraftstoffe geschaffen werden, die geringe indirekte Landnutzungsänderungen verursachen (Z.B. Biokraftstoffe basierend auf bestimmten Abfällen und Reststoffen oder Lignozellulose). Weitere Punkte betreffen die

Berichterstattung von ILUC-Emissionen durch Mitgliedstaaten und Kraftstoffanbieter sowie die Erhöhung der verpflichtenden Mindesteinsparung an Treibhausgasemissionen für Neuanlagen, die nach dem 01.07.2014 in Betrieb gehen. (Unter "ILUC" versteht man die Umwandlung von zuvor ungenutzten Flächen für die Lebens- und Futtermittelproduktion. Der ILUC-Effekt ist ein globaler Markt- bzw. Preiseffekt, ausgelöst durch die steigende Biokraftstoffnachfrage).

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft will zunächst weitere Erfahrungswerte mit der Umsetzung der Richtlinie für Erneuerbare-Energie sammeln, bevor man konkrete Schritte im Hinblick auf die indirekten Landnutzungsänderungen setzt und allfällige Maßnahmen beschließt. Auch dieser Vorschlag steht ganz am Beginn der Verhandlungen und seitens des Ressorts erwartet man sich keine Einigung von 2014.

Haftung bei Nuklearschäden

Um die Opferentschädigung handelt es sich beim so genannten Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden. Nun sollen die Vertragsstaaten des Übereinkommens – das sind Bulgarien, Estland, Litauen, Polen, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn, nicht aber Österreich – ermächtigt werden, das am 12. September 1997 unter der Federführung der Internationalen Atomenergie-Organisation angenommene Änderungsprotokoll zu dem Übereinkommen im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren beziehungsweise ihm beizutreten. Durch einen Beitritt zum Protokoll von 1997 würde sich laut Kommission die Opferentschädigung innerhalb der Europäischen Union verbessern. Das Änderungsprotokoll enthält u.a. Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.

Österreich steht dem Vorschlag der EU-Kommission grundsätzlich nicht negativ gegenüber, wie der Vertreter des Justizministeriums informierte, da dadurch eine Verbesserung des Opferschutzes in den entsprechenden Ländern erreicht werden würde. Dennoch enthalte dieser aber Formulierungen, die in der vorliegenden Fassung aus nuklearpolitischer Sicht nicht akzeptabel seien. Es könnte sich der Druck auf Österreich erhöhen, sich einem internationalen Nuklearhaftungsregime zu unterwerfen. Wesentliche Regelungen des österreichischen Atomhaftungsrechts seien für potentiell Geschädigte im Verhältnis zu den internationalen Nuklearhaftungsregimen vorteilhafter. Die Durchbrechung dieser Grundsätze des österreichischen Atomhaftungsrechts sei aus nuklearpolitischer Sicht jedenfalls zu vermeiden. Die Position Österreichs sollte daher in keiner Weise berührt werden, meint man im zuständigen Ministerium.

Der Ressortexperte zeigte sich daher gegenüber dem Vorschlag von Bundesrat Stefan Schennach (S/W), eine Mitteilung zu formulieren, in der man sich für eine europaweites Atomhaftungsgesetz ausspricht, skeptisch. Schennach hatte gemeint, man müsse die tatsächlichen Kosten eines nuklearen Unfalls einbeziehen, denn es gehe um die Gesamthaftung. Der Ressortexperte hielt dem entgegen, er sehe keine Chance, dass die EU das österreichische Modell ohne Haftungsgrenzen übernimmt, was sicherlich wünschenswert wäre. Wenn aber das Optimum unerreichbar ist, solle man eher bei der geltenden rechtlichen Lage bleiben, da Österreich über ein vorbildliches Haftungsrecht verfüge. Die Bunderätinnen Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Ana Blatnik (S/K) unterstützten dennoch den Vorstoß Schennachs, um den österreichischen Standpunkt zu dokumentieren. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats)


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