Parlamentskorrespondenz Nr. 1006 vom 28.11.2012

Hearing im Justizausschuss zur Vorratsdatenspeicherung (2)

ExpertInnen hinterfragen Notwendigkeit der Datensammlung

Wien (PK) – Eingeleitet wurde das Hearing im Justizausschuss zur Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" (siehe PK-Nr. 1000/2012) durch eine kurze Einleitung von Ausschussvorsitzendem Peter Michael Ikrath. Ikrath bedauerte, dass das Hearing nicht öffentlich stattfinden könne, da dies aufgrund der Geschäftsordnung des Nationalrats nicht zulässig sei. Er will gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Justizausschusses für künftige Fälle eine Änderung der Geschäftsordnung anregen. Bedauern äußerte Ikrath außerdem darüber, dass der eingeladene Vertreter der EU-Kommission kurzfristig abgesagt habe.

Krisch: Vorratsdatenspeicherung ist massiver Eingriff in Grundrechte

Der Initiator der Bürgerinitiative Andreas Krisch wies darauf hin, dass die Bürgerinitiative zwei wesentliche Anliegen habe: Zum einen solle sich Österreich auf EU-Ebene für die Abschaffung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung stark machen. Zum anderen geht es ihr um die Evaluierung aller Überwachungsgesetze in Österreich. Krisch wertete es als massiven Eingriff in die Grundrechte, dass die Kommunikatiosverkehrsdaten von 500 Millionen EU-Bürgern verdachtsunabhängig gespeichert werden. Damit wird ihm zufolge unter anderem das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, das Grundrecht auf Familienleben und die Unschuldsvermutung verletzt.

Der EU-Kommission sei es auch mit dem Evaluierungsbericht nicht gelungen zu belegen, dass die Vorratsdatenspeicherung notwendig sei, sagte Krisch. So habe die EU-Kommission im Rahmen der Evaluierung keinen Vergleich zwischen Staaten mit und ohne Vorratsdatenspeicherung gemacht und lediglich "anekdotische Beispiele" vorgelegt, wo sich die Nutzung von Vorratsdaten als nützlich erwiesen habe. Was sich gezeigt habe, ist, so Krisch, dass es in Polen extrem hohe Zugriffsraten gebe. Eine Harmonisierung der Rechtsgrundlage in Europa sei nicht gelungen, die Richtlinie ist in den EU-Staaten äußert unterschiedlich umgesetzt.

Krisch fürchtet, dass die Begehrlichkeiten, auf vorhandene Daten zuzugreifen, in nächster Zeit noch zunehmen werden. Ihm zufolge überlegt etwa das Justizministerium, zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen den Zugriff auf Vorratsdaten zu ermöglichen. Auf EU-Ebene diskutiere man den Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf Up- und Download-Daten. In einer demokratischen Gesellschaft sei eine Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Terrorismus nicht notwendig, zeigte sich Krisch zusammenfassend überzeugt.

Kilchling hinterfragt Nützlichkeit der Datensammlung

Michael Kilchling (Max Planck Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg) meinte, er betrachte die Bürgerinitiative durchaus mit Sympathie. Seiner Ansicht nach hat die EU bei der Beschlussfassung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ihre Kompetenzen überschritten, da davon auch strafprozessuale Fragen betroffen seien. Allerdings räumte er ein, dass der EuGH in dieser Frage anders entschieden habe.

Österreich gehöre neben Schweden zu jenen Ländern, die sich bis zuletzt gegen eine Umsetzung der Richtlinie gewehrt hätten, skizzierte Kilchling. Nach einem Urteil des EuGH, dessen Begründung er als "Unverschämtheit" wertete, habe man den EU-Vorgaben Rechnung tragen müssen.

Für Kilchling stellt sich vor allem die Frage der Nützlichkeit und der Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Evaluierungsbericht ist seiner Auffassung nach nutzlos, da er Verkehrs- und Vorratsdaten unzulässig miteinander vermische und nicht alle EU-Länder abdecke. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Netzbetreiber ohnehin für andere Zwecke, etwa für die Rechnungslegung, zahlreiche Daten speichern, die auch ohne Vorratsdatenspeicherung zur Verfügung stünden. Nach Meinung von Kilchling gibt es vermutlich nur wenige Bereiche, etwa die Internet-Kriminalität, wo man außer Computerdaten keine andere Ermittlungsansätze habe.

Generell ortet Kilchling ein selektives Problembewusstsein: So müssten Banken im Zuge der Bekämpfung von Geldwäsche sämtliche Daten fünf Jahre auf Vorrat speichern, ohne dass dies zu Diskussionen geführt hätte.

Tschohl: Kontrolldichte ist nicht zu unterschätzen

Christof Tschohl (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte) wies darauf hin, dass sein Institut damit beauftragt worden war, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu erarbeiten. Dem Institut sei klar gewesen, dass auch bei der besten Umsetzung Grundrechtsverletzungen blieben, dennoch habe man sich entschlossen den Auftrag anzunehmen, um der Vorratsdatenspeicherung zumindest einige Giftzähne zu ziehen, konstatierte er. Laut Tschohl wurde der Vorschlag des Instituts nicht auf Punkt und Beistrich, aber doch großteils umgesetzt.

Wie Tschohl erklärte, unterstützt er dennoch die beim Verfassungsgerichtshof eingereichte Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung. In Österreich habe seit jeher der Grundsatz gegolten, dass der Staat Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen müsse, betonte er. Mit der Vorratsdatenspeicherung werde die Unschuldsvermutung aber massiv verletzt, die Datensammlung sei überschießend. Man dürfe die Kontrolldichte und das Eingriffspotenzial, das durch die Datensammlung entstünden, nicht unterschätzen, warnte Tschohl. Wie Kilchling trat auch er für die Überprüfung der Notwendigkeit und der Nützlichkeit der Vorratsdatenspeicherung ein.

Kreissl: Wirkung von Anti-Terror-Gesetzen ist fraglich

Reinhard Kreissl (Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie) bestätigte, dass es praktisch keine unabhängige Evaluation der Vorratsdatenspeicherung gebe, wobei er die Erarbeitung eines wissenschaftlichen Designs grundsätzlich für schwierig erachtet. Er hinterfragte in diesem Zusammenhang generell die Wirkung von Anti-Terror-Gesetzen, deren Erfolg seiner Ansicht nach vermutlich vernachlässigbar sei. Zwar würden viele Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil die Gesetze eine "Toolbox" an Überwachungsmaßnahmen zur Verfügung stellen, daraus würden in der Regel aber nur wenige Anklagen und noch weniger Verurteilungen resultieren.

Kreissl appellierte in diesem Sinn an die Abgeordneten, Anti-Terror-Gesetze nur befristet zu beschließen und regelmäßig zu evaluieren.

Hirsch: EU-Richtlinie ist überschießend

Leopold Hirsch, Präsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer, teilte die Auffassung, dass die EU-Richtlinie zumindest überschießend sei. Er ortet ein Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Sicherheit und individueller Freiheit und warnte in diesem Zusammenhang vor einer Erosion der Privatsphäre. Aus Furcht, es könnte etwas passieren, greife man zu "abstrusen Maßnahmen", klagte er. Für ihn ist es nicht einzusehen, warum flächendeckend und anlasslos Daten von unbescholtenen Bürgern gespeichert werden. Diese präventive Überwachung bringe nichts und schade durch das entstehende Misstrauen auch den staatlichen Institutionen selbst.

Singer: Datenschutzbestimmungen verhindern Missbrauch

Christian Singer, Leiter der Rechtsabteilung für den Bereich Telekom und Post im Verkehrsministerium, erinnerte daran, dass Österreich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gezwungen gewesen sei, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Österreich sei es gerade noch gelungen, Strafzahlungen abzuwenden, skizzierte er. Nach massiven Bedenken an einen ersten Begutachtungsentwurf hat das Verkehrsministerium, wie Singer schilderte, das Boltzmann-Institut für Menschenrechte beauftragt, einen weiteren Entwurf zu erarbeiten.

Singer betonte, dass das Verkehrsministerium großen Wert darauf gelegt habe, nur eine Minimalvariante umzusetzen. So ist lediglich eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen, ein Datenzugriff nur im Falle schwerer Straftaten möglich. Flankierend habe man besonderen Wert auf Datenschutz gelegt und auch eine Datensicherheitsverordnung erlassen. Diese stelle sicher, dass jeder Datenzugriff transparent sei und Missbrauch ausgeschlossen werde. Durch eine Datendurchlaufstelle im Bundesrechenzentrum werde etwa ein direkter Datenzugriff von Behörden und Betreibern verhindert.

Kunnert: Grundrechtspolitische Zweifel an Vorratsdatenspeicherung

Gerhard Kunnert vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt gab zu bedenken, dass schon im Vorfeld der Vorratsdatenspeicherung massive grundrechtspolitische Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der geplanten Datensammlung geäußert wurden. Die Dimension der Vorratsdatenspeicherung reihte er plastisch "zwischen Tschernobyl und Fukushima" ein. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes habe überlegt, sich einem vom irischen Höchstgericht angestrengten Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anzuschließen, erläuterte er, Justiz- und Innenministerium seien aber dagegen gewesen.

Eine abschließende Beurteilung ob die Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig ist, wollte Kunnert nicht vornehmen, man müsse diese im Kontext der Überwachungsgesetze sehen. Alles was über sechs Monate Speicherung hinausgeht, ist ihm zufolge jedenfalls zweifelhaft.

Souhrada-Kirchmayer: Datenspeicherung greift in Bürgerrechte ein

Eva Souhrada-Kirchmayer (Datenschutzkommission) teilte die Auffassung, dass die Vorratsdatenspeicherung zu stark in die Bürgerrechte eingreife, und erinnerte daran, dass die unabhängigen Datenschutzbehörden bereits im Jahr 2002 Bedenken gegen die damals diskutierte Datensammlung vorgebracht hätten. Sie erachtet daher die Forderung, die EU-Richtlinie abzuschaffen als nachvollziehbar. Zumindest Änderungen hält Souhrada-Kirchmayer für notwendig. Wenn man die EU-Richtlinie abschaffe, müsse man gleichzeitig auch Artikel 15 der E-Privacy-Richtlinie überarbeiten, hob sie hervor.

Souhrada-Kirchmayer wies darauf hin, dass die EU-Richtlinie in den einzelnen EU-Staaten extrem unterschiedlich umgesetzt worden sei und daher keinen Beitrag zur Harmonisierung der Rechtslage geleistet habe. Als Beispiel nannte sie etwa Polen, wo eine extrem lange Speicherfrist der Daten und großzügige Datenzugriffe verankert seien. So könnten auch Finanzämter in Polen auf Daten zugreifen.

Laut Evaluierungsbericht der EU-Kommission haben sich die Vorratsdaten als wertvoll bei der Kriminalitätsbekämpfung erwiesen, skizzierte Souhrada-Kirchmayer. Es sei aber nicht überzeugend dargestellt worden, dass man mit dem Zugriff auf Vorratsdaten über das "nice-to-have" hinaus Terrorismus und schwere Kriminalität tatsächlich erfolgreicher bekämpfen könne. Bei der Darstellung der Erfolge sei auch keinen Unterschied gemacht worden, ob ein Fahndungserfolg auf die Verwendung von Vorratsdaten zurückging oder auf andere Daten, die von Telekom-Betreibern ebenfalls gespeichert würden.

Rechtschutzbeauftragter Strasser: Bisher 188 Abfragefälle

Der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums Gottfried Strasser teilte den Abgeordneten mit,  dass ihm bis zum gestrigen Tag 188 Abfragefälle vorgelegt worden seien. Ende Oktober waren es 168, wobei in einem Fall ein Widerruf erfolgte. In drei dieser 168 Fälle ging es um Mord, in 58 um schweren Diebstahl, in 14 um schweren Raub, in 20 um Stalking, in 16 um schweren Betrug, in 20 um Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz und in 10 um Vergewaltigungen. In 19 Fällen sei bisher eine Aufklärung erfolgt, darunter in sieben Stalkingfällen. Als konkretes Beispiel für eine erfolgreiche Abfrage von Vorratsdaten nannte er etwa die Klärung eines Mordes, bei dem ein Handy geraubt wurde.

Zusammenfassend stellte Strasser fest, trotz aller Bedenken sei die Nutzung von Vorratsdaten ein wesentliches Mittel zur Ahndung schwerer Kriminalität.

Burgstaller: Zugriff auf Vorratsdaten kann auch Leben retten

Der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums Manfred Burgstaller vermutet, dass die Sicherheitsbehörden die Nutzung von Vorratsdaten zur Abwehr von Gefahren nur selten in Anspruch nehmen werden. Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass man mit den Betriebsdaten das Auslangen finde und nur in Ausnahmefällen auf Vorratsdaten zurückgreifen müsse, meinte er. Das belegen ihm zufolge auch die bisherigen Daten von April bis Ende September.

Demnach wurde in diesem Zeitraum zu Präventionszwecken neun Mal auf Vorratsdaten zurückgegriffen: vier Mal zur Eruierung einer IP-Adresse und fünfmal zur Feststellung eines Handy-Standortes. Damit ist es Burgstaller etwa zufolge gelungen, eine Person ausfindig zu machen, die laufend auf Kosten eines anderen im Internet eingekauft habe. Auch der Urheber einer Anleitung zur Anfertigung eines Bombengürtels im Internet konnte eruiert werden. Die Handyortung ermöglichte es, einem schwerkranken Mann zu helfen, der nicht angeben konnte wo er sich gerade befand.

Für die genannten Fälle war der Rückgriff auf Vorratsdaten laut Burgstaller notwendig, weil Standortdaten nicht immer als Betriebsdaten zur Verfügung stehen.

Pilnacek: Grundrechte bleiben in Österreich gewahrt

Christian Pilnacek, Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, hielt den Kritikern der Vorratsdatenspeicherung entgegen, dass man die Entscheidung des EuGH zur Kenntnis nehmen müsse. Es gebe keinen strafprozessualen Ansatzpunkt in der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, weil diese nur die Speicherung der Daten, aber nicht den Zugriff auf die Daten regle, argumentierte er. Dass sich das Justizministerium dagegen ausgesprochen hat, sich am derzeit laufenden Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu beteiligen, begründete Pilnacek damit, dass es merkwürdig wäre, wenn Österreich auf der einen Seite vor dem Verfassungsgerichtshof die Grundrechtskonformität der österreichischen Umsetzung der Richtlinie verteidige, auf der anderen Seite aber beim EuGH aber Grundrechtsbedenken äußere.

Pilnacek stellte weiters klar, dass auch das deutsche Bundesverfassungsgericht die EU-Richtlinie als per se nicht grundrechtswidrig gewertet hat. Es habe vielmehr festgestellt, dass es auf die Umsetzung der Richtlinie ankomme. Österreich habe diese Umsetzungsspielräume wahrgenommen und das Möglichste getan, um die Umsetzung grundrechtssicher zu machen, betonte der Sektionschef. Auch der deutsche Juristentag hebt ihm zufolge die Notwendigkeit hervor, den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen technischen Mittel in die Hand zu geben, um Kriminalität effizient zu bekämpfen.

Weiss: Datenaufbewahrung zum Zweck der nationalen Sicherheit erlaubt

Verena Weiss, Leiterin der Abteilung Rechtsangelegenheiten und Datenschutz im Innenministerium, verwies darauf, dass einem EuGH-Urteil zufolge die Datenaufbewahrung zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit erlaubt sei. Die Frage des Zugriffs auf Vorratsdaten in Österreich ist ihr zufolge klar determiniert.

ExpertInnen antworten auf Abgeordnetenfragen

Von Seiten der Abgeordneten stellten Johann Maier (S), Peter Fichtenbauer (F), Albert Steinhauser (G), Herbert Scheibner (B), Eva-Maria Himmelbauer (V) und Harald Stefan (F) zahlreiche Detailfragen. Bürgerinitiativen-Vertreter Andreas Krisch meinte in seiner Antwort unter anderem, er sehe gute Möglichkeiten für Österreich, in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sparten auf EU-Ebene aktiv zu werden. Man dürfe jedenfalls nicht warten, bis die EU-Kommission einen neuen Entwurf vorlege, mahnte er.

Michael Kilchling wies darauf hin, dass das von vielen Seiten als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung gesehene Quick-Freeze-Verfahren nicht in allen Fällen nütze, da Daten, die einmal gelöscht sind, nicht eingefroren werden könnten. Angesichts der EuGH-Entscheidung, dass für die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eine ausreichende Rechtsgrundlage vorgelegen ist, erachtet er einen neuerlichen juristischen Weg auf EU-Ebene für wenig sinnvoll, zielführender seien politische Verhandlungen.

Christof Tschohl hielt fest, nicht alle Datenspeicherungen seien überflüssig, man müsse aber überlegen, welche Daten man am dringendsten brauche, und von einer flächendeckenden Datenspeicherung wegkommen. Reinhard Kreissl riet den Abgeordneten die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung auf den Nachweis des konkreten Nutzens festzunageln.

Leopold Hirsch sprach sich dafür aus, im Zuge der Evaluierung aller Überwachungsgesetze auch die Verpflichtung von Anwälten zu überdenken, bei Geldwäscheverdacht ihre eigenen Klienten anzuzeigen. Er erinnerte außerdem daran, dass die Vorratsdatenspeicherung mit dem Argument der Terrorismusbekämpfung eingeführt wurde, die vom Rechtsschutzbeauftragten des Justizministeriums geschilderten Fälle aber nichts mit Terrorismus zu tun hätten.

Kunnert: Diskussion über Änderung der EU-Richtlinie ist eingeschlafen

Gerhard Kunnert wies darauf hin, dass der Reformprozess zur Änderung der EU-Richtlinie ziemlich eingeschlafen sei, nachdem ein Vorstoß der EU-Kommission bei einigen Mitgliedstaaten auf massiven Widerstand gestoßen ist. Zum Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts merkte er an, dieser habe nicht festgestellt, dass bezüglich der Vorratsdatenspeicherung alles in Ordnung sei, vielmehr könne dem Gericht zufolge die Frage des Grundrechtseingriffs nur im Gesamtpaket mit der Umsetzung beurteilt werden. Bei der laufenden EuGH-Klage gehe es nicht um die innerösterreichische Umsetzung der EU-Richtlinie, sagte er, sondern um die generelle Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

Bisher kein Hinweis auf unzulässige Datenabfragen

Eva Souhrada-Kirchmayer hielt fest, Österreich habe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie "ein wenig mehr hineingepackt", als unbedingt notwendig gewesen wäre. Das Quick-Freeze-Verfahren könnte ihr zufolge durchaus eine sinnvolle Alternative zur Vorratsdatenspeicherung sein, da zwar manche Daten weg, aber viele doch vorhanden wären. Keinen Hinweis hat sie darauf, dass Vorratsdaten in unzulässiger Weise abgefragt wurden. Es gebe aber Beschwerden über die Nichtbefolgung der Auskunftspflicht an BürgerInnen durch die Telekombetreiber. Eine flächendeckende Überprüfung ist laut Souhrada-Kirchmayer durch die Datenschutzkommission aufgrund von Personalmangel nicht möglich, es sind aber stichprobenartige Überprüfungen vorgesehen.

Gottfried Strasser meinte, er könne nicht sagen, welchen Anteil die Vorratsdaten bei der Aufklärung der von ihm genannten Delikte gehabt haben. Beim angesprochenen Mordfall sei die Nutzung der Vorratsdaten aber entscheidend gewesen. Auch bei Diebstählen könne man nur mit Vorratsdaten feststellen, wer in der Nähe des Tatorts gewesen sei. Ein Fall von Missbrauch sei ihm nicht bekannt. Auch Manfred Burgstaller kennt keinen Missbrauchsfall, wie er festhielt. Standortdaten sind seiner Auskunft nach häufig nur mit Vorratsdaten zu ermitteln.

Urheberrechtsverletzungen: Justizressort arbeitet an Gesetzentwurf

Christian Pilnacek bestätigte, dass das Justizministerium an einem Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen arbeite. Es gehe dem Justizministerium nicht darum, auf Vorratsdaten zuzugreifen, meinte er, es sei aber notwendig, den Namen und die Adresse eines Rechtsverletzers bei Zivilrechtsklagen zu erhalten. Im Gegensatz zu Deutschland ist es laut Pilnacek in Österreich sehr wohl nachvollziehbar, welche Teile einer Auskunft von Telekomunternehmen an die Strafverfolgungsbehörden sich auf Vorratsdaten und welche sich auf Verkehrsdaten beziehen.

Verena Weiss erklärte, das Innenministerium verschließe sich einer Diskussion über eine Überarbeitung der EU-Richtlinie nicht, habe bis jetzt aber auf Vorschläge der Europäischen Kommission gewartet. Im Übrigen machte sie darauf aufmerksam, dass bei der Vorratsdatenabfrage sowohl auf Betreiber- als auch auf Abfragerseite das Vier-Augen-Prinzip gelte und die Datenübermittlung verschlüsselt eine Durchlaufstelle erfolge.

Justizausschuss nimmt Bürgerinitiative einstimmig zur Kenntnis

Von Seiten der Abgeordneten sprach sich Grün-Justizsprecher Albert Steinhauser für eine Vertagung der Beratungen aus, um in Ruhe über die Konsequenzen nachzudenken, die aus dem Hearing zu ziehen sind. Ihm gehe es vor allem um die Erarbeitung einer gemeinsamen Position, die Österreich dann geschlossen auf EU-Ebene vertreten solle. Angesichts der Haltung des Justizministeriums äußerte Steinhauser aber Zweifel, ob Österreich in Brüssel tatsächlich eine laute Stimme zur Abschaffung der EU-Richtlinie sein wolle. Als wesentlich sieht er außerdem eine Evaluierung aller Überwachungsgesetze. Zum von den Koalitionsparteien eingebrachten Entschließungsantrag merkte Steinhauser an, dieser sei keine Antwort auf die Anliegen der Bürgerinitiative.

Abgeordneter Franz Glaser (V) gab zu bedenken, dass es insgesamt ein großes Unbehagen über die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung gebe. Namens der Koalitionsparteien brachte Abgeordneter Johann Maier (S) einen Entschließungsantrag ein, der auf die Überprüfung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nach dem Vorliegen der Ergebnisse der beim EuGH und beim VfGH anhängigen Verfahren abzielt. Besonderen Wert legen die Abgeordneten dabei auf den Aspekt der Datensicherheit, insbesondere die Verhinderung des unberechtigten Zugriffs auf gespeicherte Daten und die Kontrolle der Datenlöschung.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) wertete die Vorratsdatenspeicherung in Übereinstimmung mit vielen Experten als überschießend und erinnerte daran, dass die FPÖ bereits vor einiger Zeit einen Entschließungsantrag eingebracht habe, in dem sie die Evaluierung aller bestehenden Überwachungsgesetze fordert. Fichtenbauer fürchtet, dass mit der Kenntnisnahme der Bürgerinitiative das Thema Vorratsdatenspeicherung wieder einschlafen werde.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) unterstrich, es sei wichtig, sich für die Beratung des sensiblen Themas ausreichend Zeit zu nehmen. Ein "nice-to-have" rechtfertigt seiner Ansicht nach massive Grundrechtseingriffe jedenfalls nicht.

Der Entschließungsantrag wurde bei der Abstimmung mit S-V-F-B-Mehrheit beschlossen. Die Bürgerinitiative wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Schluss Justizausschuss)