Parlamentskorrespondenz Nr. 1007 vom 29.11.2012

Keuschnigg für Reform der Aufgabenteilung und des Finanzausgleichs

Hearing mit Experten zum Phänomen der Verstädterung

Wien (PK) – Das Phänomen der Verstädterung stellt die ländlichen Regionen mittelfristig vor zahlreiche Probleme. Insbesondere wird es zunehmend schwieriger, die Daseinsvorsorge zu organisieren, zu finanzieren und Wirtschaftsimpulse zu setzen, da eine schwindende Bevölkerung auch weniger Finanzen bedeutet. Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern stellt dabei ein wichtiges Instrument dar, um gegensteuern zu können. Die Schweiz, aber auch Südtirol haben auf diese Entwicklung bereits mit konkreten Maßnahmen reagiert.

Bundesratspräsident Georg Keuschnigg hat daher gestern, am 28. November 2012, eine kleine Gruppe von PolitikerInnen und Experten aus dem In- und Ausland zu einem Hearing eingeladen, um das Thema "Periphere Regionen im Finanzausgleich – Beispiele Schweiz und Südtirol" zu diskutieren. Ziel sei es, so Keuschnigg, Beispiele kennenzulernen, wie andere Regionen mit dieser Problematik umgehen, aber auch darum, eine strategische Position im Vorfeld der kommenden Finanzausgleichsverhandlungen zu erarbeiten. Der Finanzausgleich muss "Demografie-fit" gemacht werden, forderte der Bundesratspräsident.

Das Schweizer Modell

In der Schweiz hat man bereits im Jahr 2008 versucht, eine Antwort auf die drohende Ausdünnung der ländlichen Regionen zu finden und einen "Neuen Finanzausgleich" (NFA) beschlossen. Dieser könne als die größte Reform des schweizerischen Föderalismus seit 1848 gewertet werden, betonte dazu der Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Berggebiete, Thomas Egger. Zunächst sei eine Neuaufteilung der Aufgaben zwischen den Gebietskörperschaften nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgt, erläuterte er. Der NFA betreffe in erster Linie den Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen, des Weiteren gebe es in jedem der 26 Kantone einen Finanzausgleich zwischen Kanton und Gemeinden.

Die Regelung der Finanzströme ergebe sich aus der neuen Aufgabenteilung, wobei es zunächst zu einer Entflechtung nach dem Prinzip gekommen sei, dass die Aufgaben bei jener Ebene angesiedelt werden, die sie auch am besten erfüllen kann. Die horizontale Zusammenarbeit der Kantone wird durch interkantonale Kooperation mit einem Lastenausgleich gestärkt, auch die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Aufgaben wurde neu geregelt. Für Berggebiete und Stadtkantone gibt es einen besonderen Lastenausgleich.

Verbleibende Disparitäten sollen durch einen Ressourcenausgleich abgebaut werden. Dieser wird laut Egger mit einem geographisch-topographischen Lastenausgleich (nach Siedlungshöhe, Steilheit des Geländes, Siedlungsstruktur und Bevölkerungsdichte) und einem soziodemographischen Lastenausgleich (Armut, Altersstruktur, Ausländerintegration) erreicht. Konkretes Ziel dabei sei auch die Ankurbelung des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen, um die Standortbedingungen zu verbessern, betonte Egger.

Die Südtiroler Variante

Auch Südtirol hat seit 2008 ein neues Modell für die finanziellen Beziehungen zwischen Land und Gemeinden, entwickelt, berichtete der Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes, Arno Kompatscher, im Rahmen seiner Ausführungen. Einerseits gebe es einen Ausgleich zwischen Städten und Berggemeinden, andererseits zwischen finanzstärkeren und finanzschwächeren Gemeinden. Die Mittelzuteilungen erfolgen getrennt nach laufenden Ausgaben einerseits und Investitionen andererseits, wobei diese jeweils auf gesetzlich festgelegten Kriterien basieren: Die laufende Ausgaben richten sich nach Einwohnerzahl, PflichtschülerInnen, EinpendlerInnen, Nächtigungen etc. Die Investitionen wiederum orientieren sich an den EinwohnerInnen, an Gemeindestraßenlängen, Tourismusbetten etc.

Die Basisdaten werden jährlich erhoben, um die Ausgleichszahlungen unter Berücksichtigung der Eigenfinanzkraft der Gemeinden anzupassen. Kompatscher wies insbesondere auf die Qualitätskontrollen hin, die regelmäßig durchgeführt werden. Projektbezogene Darlehen werden ihm zufolge mit einem sogenannten Rotationsfonds werden finanziert.

Keuschnigg: Probleme des Stadt-Land-Gefälles gemeinsam lösen

Im Rahmen der Diskussion wurden insbesondere die Unterschiede zum österreichischen System sowie Fragen der Datenermittlung und der Steuerberechnung thematisiert. Auch die politischen Aspekte der jeweiligen Modelle kamen dabei nicht zu kurz.

Bundesratspräsident Georg Keuschnigg unterstrich abschließend, das Stadt-Land-Gefälle dürfe nicht als eine Gegeneinander, sondern müsse im gemeinsamen Dialog gelöst werden. Man hoffe auf eine Fortsetzung der Gespräche, wichtig seien "starke Wirtschafts- und Lebensstandorte in den Regionen". Die Reform der Aufgabenteilung und des Finanzausgleichs stünden in Österreich noch bevor. (siehe auch PK-Meldung Nr. 975/2012)

HINWEIS: Fotos des Hearings finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.(Schluss)


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