Parlamentskorrespondenz Nr. 1009 vom 29.11.2012

Platter: Bundesländer sind Reformer nicht Blockierer

Tiroler Landeshauptmann für Wehrpflicht und Südtiroler Schulmodell

Wien (PK) – Nachdem derzeit Tirol im Bundesrat den Vorsitz führt, nahm Landehauptmann Günther PLATTER die Gelegenheit wahr, im Rahmen der heutigen Sitzung des Bundesrats eine Erklärung zum Thema "Aktuelle Themen und Herausforderungen aus der Sicht der Länder" abzugeben. Dabei legte er ein klares Bekenntnis zur Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes ab und sprach sich für die Einführung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-jährigen mit individueller Förderung nach dem Modell Südtirols aus. Mit Vehemenz unterstrich Platter, die Bundesländer seien keine Reformblockierer, sondern im Gegensatz reformfreudig. Er thematisierte auch die Problematik des Stadt-Land-Gefälles und appellierte, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ländliche Gebiete lebenswert bleiben und die Gleichwertigkeit von Stadt und Land gewährleistet wird.

Plädoyer für Reform des Bundesrats

Einen wesentlichen Teil seiner Ausführungen widmete Platter auch der Reform des Bundesrats. Die Debatte darüber sei "so alt wie der Bart von Andreas Hofer", formulierte er pointiert und zeigte sich erfreut darüber, dass nun endlich etwas weiter gegangen ist. Der Tiroler Landeshauptmann ließ keinen Zweifel daran, dass er den Bundesrat als eine notwendige Einrichtung erachtet, und machte sich auch für  dessen Aufwertung stark. "Wir brauchen eine zweite Kammer", hielt er unmissverständlich fest. Platter bezog sich dabei auf den einstimmigen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz, wonach dem Bundesrat ein verstärktes Mitwirkungsrecht sowie die Zustimmung bei Verfassungsgesetzen zukommen soll. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, einen Vermittlungsausschuss einzurichten, der in jenen Bereichen, in denen der Bundesrat dann ein Vetorecht haben wird, Konsens zwischen Nationalrat und Bundesrat herstellen soll. Schließlich soll die Länderkammer auch viel früher in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden.

Bundesratspräsident Georg KEUSCHNIGG (V/T) dankte Platter, wie er sagte, für dessen "Regie", die zur Beschlussfassung des oben genannten Papiers innerhalb der Landeshauptleutekonferenz sowie zu einem gleichlautenden Beschluss der Landtagspräsidentenkonferenz geführt habe. Damit liege erstmals eine abgestimmte und einheitliche Position der Bundesländer zur Reform des Bundesrats vor, sagte Keuschnigg. Es gehe jedoch um mehr als um eine Reform der Länderkammer, merkte er an, Ziel sei eine "Koordinierung der Positionen, um eine wirkungsvolle und effiziente Mitwirkung der Bundeländer über den Bundesrat" zu erreichen. Außerdem sei es notwendig, den Föderalismus neu auszurichten.

Stadt und Land für BürgerInnen lebenswert erhalten

Die besondere Bedeutung des ländlichen Raumes und die durch die Landflucht entstehenden Probleme nahmen in der Erklärung des Tiroler Landeshauptmanns breiten Raum ein. In diesem Zusammenhang zeichnete er für das Zusammenwirken der einzelnen Regionen das Bild eines Baumes. Täler, Orte und Talschaften seien wie die Äste eines Baumes, der Stamm versinnbildliche die Zentren. An der Kraft der Äste und Zweige erkenne man, wie gesund der Baum ist, so Platter, der daraus seine Forderung nach geeigneten Rahmenbedingungen für starke Städte und blühende ländliche Regionen folgerte, um der Jugend auch eine Zukunftsperspektive zu geben. In Tirol forciere man daher die Versorgung der Bevölkerung mit Breitbandnetzen zur raschen Datenverbindung, den Ausbau für den Personen- und Nahverkehr, die Versorgung mit einem entsprechenden Bildungsangebot sowie mit bedarfsgerechter Kinderbetreuung und einem umfangreichen Kulturangebot. Gefragt sei auch eine aktive Regionalpolitik, skizzierte Platter, der die Gleichwertigkeit von Stadt und Land, sowie von Bund und Ländern besonders hervorhob.

Damit sei auch der Föderalismus angesprochen, meinte Platter, wobei er sich für maximale Effizienz und maximale Bürgernähe stark machte. In diesem Sinne sei es dringend geboten, dass Länder und Gemeinden Selbstverantwortung übernehmen und auch selbst entscheiden. Aufgaben, die kleine Einheiten nicht bewältigen können, müssten nach oben delegiert werden. Mit allem Nachdruck wehrte sich der Landeshauptmann gegen den Vorwurf, die Ländern seien Blockierer. In diesem Zusammenhang erinnerte er an den Stabilitätspakt, an den völligen Umbau der Landesverwaltungsgerichte, an die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden und an die Einrichtung des Pflegefonds. Das alles beweise, dass man in keiner Weise von Stillstand reden könne, stellte er fest.

Der nächste Schritt sei die Gesundheitsreform, führte Platter aus, wobei man eine effiziente gemeinsame Zielsteuerung und eine Kostendämpfung anpeile. Platter wies die Behauptungen zurück, es handle sich dabei um Kosteneinsparungen, vielmehr sollen die Steigerungen auf das Niveau von 3,6 % gedeckelt werden, erklärte er. Für alle bleibe es oberstes Ziel, den hohen Versorgungsgrad langfristig zu garantieren. Man sei in den Verhandlungen sehr weit gekommen, berichtete er und zeigte sich zuversichtlich, dass es noch in diesem Jahr zu einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern kommen werde.

Gemeinsame Schule mit individueller Förderung

Auch im Bildungsbereich zeigte sich der Landeshauptmann reformbereit. Bereits die Landeshauptleutekonferenz sei übereingekommen, den DirektorInnen die Möglichkeit zu geben, mehrere Schulen zu verwalten. Außerdem habe man die Abschaffung der Bezirksschulräte beschlossen, berichtete er. Er selbst setze sich mit dem Bildungsthema intensiv auseinander und präferiere eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen, bekannte Platter. Diese Schule sei aber nicht als Einheitsbrei zu konzipieren, sondern als ein Bildungsangebot mit individueller Förderung, so wie es dies seit 30 Jahren in Südtirol gibt.

Platter sprach sich auch für die Ganztagsschule aus, jedoch dürfe diese nicht verpflichtend sein und der Bund müsse dafür Geld zur Verfügung stellen, betonte er. Er präferiere daher einen flexiblen und bedarfsgerechten Weg, fügte er hinzu. Ihm sei es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler auch im Rahmen der Nachmittagsbetreuung bei Vereinen tätig sein können.

Bundesheer: Beschluss der Bundesheerreformkommission umsetzen

Der Tiroler Landeshauptmann nahm auch zum kommenden Volksbegehren über die Zukunft des Bundesheeres Stellung und stellte klar, dass sein Bekenntnis zur Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes unverrückbar ist. Er erinnerte dabei an den einstimmigen Beschluss der Bundesheerreformkommission unter Helmut Zilk, die sich für die Wehrpflicht mit Inlands- und Auslandskomponente ausgesprochen hat. Als unverzichtbar bezeichnete Platter den Einsatz der Grundwehrdiener auch bei Naturkatastrophen, da die Blaulichtorganisationen diese Arbeit alleine nicht bewältigen könnten. Ein längerer Einsatz brauche Soldatinnen und Soldaten, da die Freiwilligen der Hilfsorganisationen ihren Arbeitsplatz nicht so lange verlassen können. Er appellierte, nicht alles auf dem Altar des Populismus preiszugeben, sondern das umzusetzen, was die Bundesheerkommission beschlossen hat.  

Gleichzeitig mit der Befürwortung des Wehrdienstes hielt Platter ein Plädoyer für die Beibehaltung des Zivildienstes. "Wer soll die Leistungen erbringen", fragt er und hielt es für "unanständig" jungen Leuten Geld für ihren Dienst zu bieten, die dann mit Freiwilligen zusammenarbeiten. Gerade durch die Zivildiener würden viele Menschen für den Dienst bei Blaulichtorganisationen rekrutiert.

Lob und Tadel für den Landeshauptmann

Den Reigen der RednerInnen in der Debatte eröffnete Bundesrat Gottfried KNEIFEL (V/O). Er begrüßte, dass Platter aktuelle und heiße Themen angesprochen und klargestellt hat, dass die Bundesländer in keiner Weise Reformen blockieren. Kneifel ging auch auf die Reform des Bundesrates ein und betonte, Mitverantwortung und Föderalismus seien gleichbedeutend. Es gelte, regionale Verantwortung zu übernehmen, etwa in der Schulverwaltung, bei der Energieversorgung, aber auch im Bereich der Wirtschaft. So sei das Betriebsansiedlungsmanagement regional besser zu lösen und auch ehrenamtliche Tätigkeiten könnten auf Landesebene besser gestaltet und organisiert werden.

Mit Verve verteidigte Kneifel den Bundesrat und monierte, die Bundesländer müssen an der Bundesgesetzgebung über dem Bundesrat auf Augenhöhe mitwirken können. Er befürwortete den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz und der Konferenz der Landtagspräsidenten und sprach seine Hoffnung aus, dass das genannte Konzepte nun bald umgesetzt werde. "Föderalismus ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, um im Interesse der BürgerInnen arbeiten zu können", schloss Kneifel.

Lob erntete Platter wegen seines Zugangs zur Bildungs- und Gesundheitsreform von Bundesrat Gerald KLUG (S/St). Er verwies auf die Verwaltungsreform in seinem Heimatbundesland und verband damit die Auffassung, dass jedes Bundesland aufgrund der individuellen Strukturen seine Aufgaben primär selbst zu bewerkstelligen habe. Die Verwaltungsreformen könnten nicht eins zu eins in allen Bundesländern gleich umgesetzt werden. Ziel müsse es aber bleiben, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass alle Regionen - von den Städten bis hin zu den Kleinstgemeinden - lebenswerte Räume bleiben.

Ein Kompliment erhielt Platter vom steirischen Bundesrat auch wegen seiner Initiativen zur Reform des Bundesrats. Er zeigte sich dabei optimistisch, dass es zu einer gut überlegten, inhaltlichen Weiterentwicklung kommen kann. Dennoch müsse man sich die Mühe machen, die inhaltliche Umsetzung in eine Gesamtreform einzuarbeiten, meinte er. Klug sagte dies vor dem Hintergrund der EU-Mitgliedschaft, die sowohl für den Nationalrat als auch für den Bundesrat eine große Herausforderung im Gesetzgebungsprozess darstellt. Er hielt es daher für notwendig zu überlegen, wo eine alleinige Gesetzgebungskompetenz vorliegt und wo die Kontrolle der Vollziehung zugenommen hat.

Die einheitliche Stellungnahme der Landeshauptleute und Landtagspräsidenten wurde auch von Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) begrüßt. Sie teilte auch die Einschätzung Platters zur Wehrpflicht, widersprach ihm jedoch heftig hinsichtlich der Gesamtschule. Diese stelle ein "ideologisches Manifest" von SPÖ und Grünen dar, sagte sie, und es sei noch niemandem gelungen zu beweisen, dass dieses Modell einen Vorteil für die SchülerInnen bringe. Individuelle Förderung könne man auch im bestehenden System ausweiten, die Probleme liegen laut Mühlwerth nicht in der Organisation, vielmehr müsse man sich auf die Inhalte konzentrieren.

Die Bundesrätin widmete sich in der Folge den jüngsten Entwicklungen in Südtirol und sah die Autonomie des Landes gefährdet. Die italienische Regierung wolle die Autonomiebestimmungen aushöhlen, gab sie zu bedenken, ebenfalls dürfe die Kritik Montis an der Schutzfunktion Österreichs nicht hingenommen werden. Mühlwerth äußerte auch ihre Sorge dahingehend, dass nur wenige Autonomiebestimmungen international einklagbar sind. "Wehret den Anfängen", rief sie dem Plenum zu und forderte den Tiroler Landeshauptmann auf, in der Landesregierung die Südtirol-Abteilung wieder aufleben zu lassen und die Südtirol-Konferenzen wieder einzuberufen.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) stimmte mit Platter dahingehend überein, dass man dem ländlichen Raum besonderes Augenmerk schenken müsse. Aber auch Ballungszentren seien durch den großen Zuzug gefordert, die Herausforderungen etwa in Bezug auf die Infrastruktur zu bewältigen. Er unterstützte die Bereitbandoffensive für den ländlichen Raum, denn nur so könne das Arbeiten in der globalisierten Welt funktionieren und damit Chancen für die ländliche Bevölkerung gewahrt werden. Die Unterstützung dezentraler Arbeitsmöglichkeiten würde sich auch positiv auf die Senkung des Pendlerverkehrs auswirken, war Schreuder überzeugt.

Der G-Bundesrat zeigte sich auch über die Reformvorschläge zur Länderkammer erfreut, räumte jedoch ein, dass die zunehmende Bedeutungslosigkeit des Bundesrats auch daran liege, dass die Landeshauptleutekonferenz zu einem der mächtigsten Gremien geworden ist, ohne in der Verfassung verankert zu sein. Er kritisierte ferner, dass deren Protokolle öffentlich nicht zugänglich sind. Eine Verfassungsreform müsse daher auch die Landeshauptleutekonferenz miteinbeziehen, forderte er.

Während sich Schreuder über die bildungspolitischen Aussagen Platters zufrieden zeigte, warf er ihm in Bezug auf die Bundesheerdebatte Populismus vor. Katastrophenschutz könne man auch ohne das Bundesheer organisieren, hielt er fest.

Bundesrätin Anneliese JUNKER (V/T) sprach über die Besonderheiten ihres Bundeslandes, vor allem in sozial-, wirtschafts- und verkehrspolitischer Hinsicht und appellierte, den ländlichen Raum vor allem für Frauen attraktiv zu erhalten. Sie plädierte daher für den Ausbau des Tele-Working und der Teilzeit. Der ländliche Raum sei wie eine "Vene", skizzierte sie, wenn diese verstopft ist – also wenn es etwa keine Betriebe und Schulen mehr gibt – dann stirbt sie. Ländliche Regionen brauchten gleichberechtigte Bedingungen, gleichzeitig müsse man die unterschiedlichen Voraussetzungen und Gesetze berücksichtigen, so die Bundesrätin.

Platter: Zusammenarbeit mit Südtirol funktioniert exzellent

In seiner Replik auf die Diskussion wehrte sich Landeshauptmann Platter entschieden gegen den Vorwurf von Bundesrätin Mühlwerth, man unterstütze Südtirol zu wenig im Kampf gegen die Aushöhlung der Autonomie. Er stimme sich mit Landeshauptmann Durnwalder eng ab, betonte Platter und wies gleichzeitig auf die Aussagen von Außenminister und Vizekanzler Spindelegger hin. Der Südtiroler Landeshauptmann werde sich auch morgen in Wien aufhalten. Platter verhehlte dennoch nicht seine Sorge über den derzeitigen Umgang Italiens mit der Autonomie.

Er bekräftigte nochmals seine Haltung zur Zukunft des Bundesheeres und meinte, dies sei eine Frage der Staatsverantwortung. Man brauche auch in Zukunft die militärische Landesverteidigung sowie Leute, die in Katastrophenfällen zur Verfügung stehen und die im Zivildienst tätig sind. (Schluss Platter/Fortsetzung Bundesrat)

HINWEIS: Fotos von Landeshauptmann Platter im Bundesrat finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.


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