Parlamentskorrespondenz Nr. 1061 vom 12.12.2012

Rechnungshof prüft Beschaffung der elektronischen Fußfessel

Starker Kostenanstieg bei medizinischer Versorgung im Strafvollzug

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses standen zunächst zwei Berichtskapitel aus dem Justizbereich auf der Tagesordnung. Während im ersten Teil der Debatte die Beschaffung der technischen Ausstattung für den elektronisch überwachten Hausarrest (elektronische Fußfessel) auf dem Prüfstand stand, befassten sich die Ausschussmitglieder im zweiten Teil mit den Kosten der medizinischen Versorgung im Strafvollzug (III-314 d.B. ) Nachdem dieser Rechnungshofbericht einstimmig zur Kenntnis genommen wurde, ging es im weiteren Verlauf der Beratungen um das Thema "Sanierung des Parlamentsgebäudes – Planungsprojekt". Ausschussvorsitzender Werner Kogler (G) gab zudem bekannt, dass nach Schluss der Debatte noch eine weitere Sitzung des Rechnungshofausschusses abgehalten wird, wobei im Rahmen einer aktuellen Aussprache der Finanzskandal in Salzburg näher beleuchtet werden soll. Weiters teilte Kogler mit, dass die Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger für das Team Stronach mit beratender Stimme an der Sitzung teilnimmt.

Großer Zeitdruck bei der Beschaffung der elektronischen Fußfessel

Ziel der Überprüfung war die Beurteilung, ob die Beschaffung der elektronischen Fußfessel dem Bundesvergabegesetz entsprechend durchgeführt und das Verfahren sowie die jeweiligen Entscheidungen vom Justizministerium bzw. der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) nachvollziehbar dokumentiert wurden. Von der Überprüfung nicht umfasst war die Beurteilung des elektronisch überwachten Hausarrests in seiner praktischen Durchführung.

Der Rechnungshof sah es vor allem als problematisch an, dass zum Zeitpunkt der Beschaffung der technischen Ausstattung für den elektronisch überwachten Hausarrest keine gesetzliche Grundlage für dessen Anwendung bestand. Entgegen dem Vorschlag der Bundesbeschaffung GmbH ließ das Justizressort statt fünf nur drei Bewerber zur Angebotslegung zu. Für die Durchführung des Vergabeverfahrens wählte die Bundesbeschaffung GmbH — allerdings ohne dies entsprechend zu begründen — das Verhandlungsverfahren. Das Justizministerium und die Vollzugsdirektion dokumentierten ihre Entscheidungen im Vergabeverfahren unzureichend, wodurch eine Nachvollziehbarkeit nicht vollständig gegeben war, hieß es in der Beurteilung durch die Rechnungshofprüfer.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) kritisierte, dass nur drei statt fünf Bewerber im Vergabeverfahren zugelassen wurden, obwohl relativ rasch klar war, dass zwei Unternehmen die Auflagen wegen technischer Probleme nicht erfüllen werden. Unklar war ihr auch, warum der Bewertungsprozess vier Tage gedauert habe und bei zwei Mitgliedern wortidente Begründungen aufgetaucht sind. - Abgeordnete Martina Schenk (B) erkundigte sich nach den genauen Kosten für die technischen Geräte und wollte wissen, ob sie auch nachrüstbar sind. - Abgeordneter Christian Lausch (F) war der Ansicht, dass einiges sehr dubios gelaufen sei, da man nicht genau wisse, was der Lenkungsausschuss gemacht hat und es darüber auch keine Aufzeichnungen gibt. - Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) lobte die ausgezeichnete Arbeit des Rechnungshofs; die konstruktiven Empfehlungen werden dazu beitragen, etwaige Fehler in der Zukunft zu vermeiden. - Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (T) bemängelte, dass das Beschaffungsverfahren zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, als es noch keine gesetzliche Grundlage für die Anwendung der Fußfessel gab. – Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F) thematisierte die täglichen Kosten für die Fußfessel in der Höhe von 22 €, wobei 17 € davon an den Verein Neustart gehen.

Justizministerin Beatrix Karl gab einleitend zu bedenken, dass das Justizressort bei der Beschaffung der technischen Ausrüstung für den elektronisch überwachten Hausarrest unter einem großen Zeitdruck stand. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde nämlich im Juli 2010 vom Nationalrat beschlossen, die Umsetzung sollte schon ab 1. September erfolgen. Dies war auch der Hauptgrund dafür, dass nur drei Bewerber zur Angebotslegung zugelassen wurden. Aufgrund der Komplexität der Thematik habe man sich für das zweistufige Verhandlungsverfahren entschieden, erklärte sie. Auch wenn sie damals noch nicht Justizministerin war, so Karl, habe sie aus dieser Causa die Konsequenz gezogen, dass man sich in der Zukunft bei Beschaffungsvorgängen ausreichend Zeit nehmen müsse.

Was die finanzielle Seite angeht, so fallen für die elektronische Aufsicht 40.000 € pro Monat an. Die Geräte seien Leasingmodelle, die auch jederzeit nachrüstbar sind. So sei etwa geplant, dass Sexualstraftäter in Hinkunft mit GPS-Fußfesseln ausgestattet werden, wofür Mehrkosten in der Höhe von 2,4 € pro Tag anfallen werden. Der Bewertungsprozess habe sich über vier Tage erstreckt, weil für die schriftliche Begründung einige Zeit benötigt wurde, erläuterte Karl. Schließlich informierte die Justizministerin noch über die Zusammensetzung des Lenkungsausschusses, dessen Tätigkeiten bei der Bundesbeschaffung GmbH abgebildet wurden. Es gebe jedenfalls keine Anhaltspunkte auf Schiebung oder ähnliche Vorgänge, betonte Karl. Hinsichtlich des Vereins Neustart merkte die Ministerin an, dass er eine Reihe von Leistungen erbringe, die von der Vorbereitung bis hin zur Betreuung der Fußfesselträger reichen. Die Entscheidung darüber, wer eine Fußfessel bekommt, treffe aber immer die Anstaltsleitung.

Rechnungshofpräsident Josef Moser räumte zunächst ein, dass es einen sehr großen Zeitdruck bei dem angesprochenen Beschaffungsvorgang gab, der jedoch vom Justizressort selbst verursacht wurde. Bereits im Begutachtungsentwurf habe man ein sehr kurzfristiges Inkrafttreten vorgesehen, wodurch eine Reihe von Problemen entstanden sind. Es wäre in Hinkunft sicherzustellen, dass im Zuge einer Projektabwicklung Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Zielsetzungen und Entscheidungskompetenzen der daran beteiligten Gremien, wie beispielsweise eines Lenkungsausschusses, klar festgelegt werden und dies entsprechend dokumentiert wird. Aus Gründen der Objektivität sollte man auch danach trachten, Teilnehmerunterlagen in anonymisierter Form zur Verfügung zu stellen, urgierte Moser.

Starker Anstieg der Kosten für die medizinische Versorgung im Strafvollzug

Der Rechnungshof prüfte weiters die Ausgaben für die medizinische Versorgung von Häftlingen, die seit dem Jahr 2000 stark angestiegen sind, und zwar von 29,34 Mill. € auf 73,76 Mill. € (2010). Im Durchschnitt betrugen die Ausgaben pro Häftling 2009 8.418 € und waren damit rund dreimal so hoch wie die laufenden öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf in Österreich, ermittelten die Rechnungshofprüfer. Den größten Anteil an den Ausgaben stellte die externe Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in psychiatrischen Anstalten dar. Allein 2009 entfielen darauf bereits 50 % der Gesamtausgaben. Da Häftlinge nicht sozialversichert sind, hat das Justizministerium für die stationäre Aufnahme in Krankenanstalten den Privatpatiententarif zu bezahlen, was hohe Kosten verursache. Auch die Ausgaben für Medikamente stiegen von 2,76 Mill. € (2000) auf 8,19 Mill. € (2008).  

Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die medizinische Versorgung der Häftlinge dreimal so teuer komme wie jene für den Rest der Bevölkerung, konstatierte Abgeordnete Heinz-Peter Hackl (F). - Einige Mandatare, u.a. Abgeordnete Daniela Musiol (G), erkundigten sich danach, ob die Einbeziehung der Häftlinge in die Allgemeine Sozialversicherung zu Einsparungen gegenüber dem bisherigen Modell führen würde. - Abgeordneter Johann Singer (V) zeigte sich erfreut darüber, dass viele Empfehlungen des Rechnungshofs bereits umgesetzt wurden und dass es durch die Errichtung des Forensischen Zentrums in Asten zu erheblichen Einsparungen gekommen ist. – Abgeordneter Christian Lausch (F) wies darauf hin, dass stationäre Behandlungen von Gefängnisinsassen oft viel länger dauern als beim Durchschnittsösterreicher, da aufgrund des Privatpatiententarifs viel mehr verrechnet werden könne. Sein Fraktionskollege Alois Gradauer war der Meinung, dass bei Kostensteigerungen von 151 % alle Alarmglocken läuten sollten.

Justizministerin Beatrix Karl machte darauf aufmerksam, dass die Einbeziehung in die Sozialversicherung an das Prinzip der Freiwilligkeit der Beschäftigung gebunden ist, weshalb die Häftlinge davon ausgenommen sind. Ihr Ressort nehme die Empfehlungen des Rechnungshofs sehr ernst und es wurden auch bereits eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die Kosten der medizinischen Versorgung zu senken. Als Beispiele führte die Ministerin u.a. die Errichtung des Forensischen Zentrums in Asten sowie die Umwandlung des bis dato provisorischen chefärztlichen Dienstes in eine fixe Einrichtung an, wodurch sie sich sehr viel erwarte. Eine zusätzliche fachärztliche Unterstützung soll es zudem noch im Bereich der Psychiatrie und der Drogensubstitution geben, kündigte sie an. Eine weitere Kostenreduktion erwartete sich Karl durch den Ausbau der Kooperation mit den Heeresspitälern. In der Frage Methadon bemühe man sich intensiv darum, eine zentrale Steuerung einführen, wobei derzeit zwei Modelle getestet werden.

Rechnungshofpräsident Josef Moser skizzierte nochmals die Ziele der Überprüfung, wobei es vor allem um die Darstellung der wesentlichen Faktoren für die Kostenentwicklung der medizinischen Versorgung im Strafvollzug, die Beurteilung des Mitteleinsatzes sowie die Identifikation von Kostentreibern und Einsparungspotenzialen ging. Für besonders wichtig hielt Moser die Einführung einer Kostenrechnung, die eine nachvollziehbare Überprüfung der Mittelverwendung - insgesamt und detailliert (gegliedert nach Justizanstalten und wesentlichen Leistungspositionen) – gewährleisten würde. HINWEIS: Ökonomische Analysen zur Budgetpolitik bietet der Budgetdienst des Parlaments im Menüpunkt "Parlament aktiv/Budget-Analysen" auf www.parlament.gv.at.

Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte 2013) finden Sie auf der Homepage des Finanzministeriums (http://www.bmf.gv.at/). 

Der Rechnungshof empfiehlt zudem, eine neuerliche Initiative zur Anpassung der Pauschalvergütung der Länder zu setzen, zumal deren Beitrag von anfänglich 50 % auf mittlerweile 20 % gesunken ist. Damit sollte das ursprüngliche Ziel — Abgeltung der Mehrausgaben wegen der Anwendung des Privatpatiententarifs für die stationäre Behandlung von Häftlingen in öffentlichen Krankenanstalten — so weit wie möglich erreicht werden. Es wäre auch zu klären, ob die Zuteilung von Häftlingen an einen Sozialversicherungsträger — wie dies bereits zur fortgesetzten Behandlung entlassener Häftlinge nach Arbeitsunfällen gesetzlich vorgesehen war — auch auf andere Fälle (z.B. bei längeren Krankenhausaufenthalten) erweitert werden kann. Weiters schlug Moser eine Ausweitung der Kooperation mit den Militärspitälern vor, die teilweise nur eine Auslastung von 5 % haben. Außerdem wünschte er sich mehr Budgetwahrheit, da derzeit der Zukauf von Betreuungspersonal als Sachaufwand verbucht wird. (Fortsetzung)