Parlamentskorrespondenz Nr. 1081 vom 19.12.2012

EU-Hilfsfonds für bedürftige Personen in Europa

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Frauenquote in Aufsichtsräten

Wien (PK) – Neben der Konzessionsvergabe standen im heutigen EU-Ausschuss des Bundesrats auch die geplante Einrichtung eines Europäischen Hilfsfonds sowie der Vorschlag zu einer ausgewogenen Vertretung von Männern und Frauen in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen auf der Tagesordnung.

Armut auch in der EU traurige Realität

Armut ist auch in der EU noch immer traurige Realität. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat das Problem zusätzlich verschärft. Eines der fünf Kernziele der 2020-Strategie der EU ist es daher, mindestens 20 Millionen Menschen vor dem Risiko der Armut zu bewahren. Nachdem das EU-Nahrungsmittelprogramm 2013 ausläuft, plant die EU nun, einen Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen zu schaffen. Dabei geht es nicht um finanzielle Unterstützung, vielmehr sollen Nahrungsmittel und grundlegende Konsumgüter an Personen verteilt werden, die unter Nahrungsmangel und Obdachlosigkeit leiden. Besonderes Augenmerk wird dem Kampf gegen materielle Armut von Kindern gelten. Insgesamt steht die soziale Eingliederung im Vordergrund.

Das Budget beträgt nach den bisherigen Vorstellungen ca. 2,5 Mrd. € und ist Bestandteil des dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zugewiesenen Teils der Strukturfonds. Aus dem Fonds werden entsprechende nationale Programme unterstützt. Der Fonds fördert auch Voneinander-Lernen, Vernetzung und die Verbreitung von Good-Practice-Modellen im Bereich nichtfinanzieller Unterstützung der am stärksten von Armut betroffenen Personen.

Wie die Vertreterin des Sozialministerium ausführte, hat Österreich am bisherigen Programm, das aus dem Agrarbudget finanziert wurde, nicht teilgenommen, zumal es nur um Lebensmittelzuteilungen gegangen ist. Hierzulande werde die Hilfe mit Unterstützung von NGOs selbst organisiert. Nun stehe die soziale Eingliederung im Vordergrund, in Österreich werde man daher geeignete Strukturen entwickeln müssen, um den bürokratischen Aufwand zu minimieren.  

Der Vorschlag stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung. Völlige Ablehnung kam von Kärnten, da aus Sicht dieses Bundeslands das Subsidiaritätsprinzip verletzt werde. Die EU verfüge über keinerlei Kompetenzen in diesem Bereich, argumentierte der Vertreter der Kärntner Landesregierung, der Bezug auf die soziale Kohäsion ist ihm zufolge äußerst gewagt, die Strukturfonds heranzuziehen, eine völlig verfehlte Maßnahme. Gleichzeitig betonte er, die Kritik richte sich allein gegen die Rechtsgrundlage, die Tatsache, dass sich die EU stärker sozialen Belangen zuwende, werde jedoch begrüßt.

Auch wenn manche Bundesrätinnen und Bundesräte für die Skepsis hinsichtlich der Rechtsgrundlage durchaus Verständnis zeigten, befürworteten sie dennoch das Bemühen, sich auch auf EU-Ebene stärker dem Kampf gegen die Armut zu stellen. Bundesrätin Susanne Kurz (S/S) sah aus ihrer Sicht keine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips und meinte, auch in Österreich gebe es viel Armut. Es werde aber schwierig sein, eine genaue Definition für Kinder und Jugendliche zu finden, denn Kinderarmut sei nicht von der Familie zu trennen. Dem schlossen sich auch Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) und Bundesrat Preineder (V/N) an. Auch die Expertin des Sozialministeriums gab zu bedenken, dass die Definition der Zielgruppen für Österreich eine Herausforderung darstellen werde, weil keine Daten vorhanden sind. Man müsse sich aber dessen bewusst sein, das auch in Österreich eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen armutsgefährdet ist. Angesichts der Tatsache, dass man bei diesem Vorschlag noch völlig am Anfang der Verhandlungen stehe, sei es aus derzeitiger Sicht nicht absehbar, ob die Fokussierung auf die beiden genannten Gruppen so bleibe.

Verständnis für den Einwand Kärntens zeigte Bundesrat Friedrich Hensler (V/N). Gleichzeitig räumte er ein, dass angesichts der vorhandenen Armut die Intention der Kommission zu begrüßen sei. Er plädierte aber dennoch, bei der Beurteilung der Vorlage vorsichtig zu sein und den Grundkonsens nicht zu verlassen, dass man den Nationalstaaten keine Kompetenzen wegnehmen dürfe.

Bundesrätin Ana Blatnik (S/K) wies darauf hin, dass Armut in erster Linie auch weiblich ist, ihr Klubkollege Stefan Schennach (S/W) hielt es für einen Qualitätssprung, wie er sagte, dass sich die EU vermehrt ihrer sozialen Verantwortung bewusst wird. Schennach erinnerte insbesondere an die zahlreichen unversorgten Straßenkinder in Europa. Er begrüßte die Einbettung des Hilfsfonds in die Strukturfonds und hielt es für wichtig, dass sich auch Österreich aktiv daran beteiligt, auch wenn die Richtlinie "nicht auf den stärksten rechtlichen Betonpfeilern ruht", wie er hinzufügte.

Die beiden Bundesrätinnen Monika Mühlwerth (F/W) und Cornelia Michalke (F/V) vertraten die Auffassung, diese Aufgaben bei den Nationalstaaten zu belassen.

Der Ausschuss nahm sich nach dieser Diskussion vor, das Thema nochmals auf die Tagesordnung zu setzen, sobald die Verhandlungen weiter gediehen sind.

Maßnahmen gegen gläserne Decke in börsennotierten Unternehmen

Sehr unterschiedlich äußerten sich die Mitglieder des EU-Ausschusses zum Vorschlag der EU, mittels einer entsprechenden Richtlinie qualifizierten Frauen den Weg zu den Top-Positionen von börsennotierten Unternehmen zu ebnen. Während die SPÖ BundesrätInnen sich klar für die Einführung einer Quote aussprachen, äußerten sich die V- und F-Ausschussmitglieder dazu skeptisch.  

Nachdem die von der Vizepräsidentin der Kommission im März 2011 gestartete Initiative "Mehr Frauen in Unternehmensvorständen -  Selbstverpflichtung der Unternehmen" keine Fortschritte gebracht hatte, hat Viviane Reding einen Richtlinienentwurf vorgelegt, durch den der Frauenanteil – der Text spricht vom Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts -  in den Aufsichtsräten aller börsennotierten Unternehmen auf 40% angehoben werden soll. Derzeit sind Frauen in Aufsichtsräten innerhalb der EU nur zu 15% repräsentiert. Darüber hinaus sollen auch Mindeststandards für transparente Auswahlverfahren definiert werden. Auf Kleine und Mittlere Unternehmen (weniger als 250 MitarbeiterInnen, Jahresumsatz maximal 50 Mio. €, Jahresbilanzsumme höchstens 43 Mio. €) soll die Regelung keine Anwendung finden.

Konkret zielt der Kommissionsvorschlag darauf ab, börsennotierte Unternehmen, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 40% der Aufsichtsratsmitglieder stellt, zu verpflichten, neue Mitglieder auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen der KandidatInnen nach festgelegten, klaren neutral formulierten und eindeutigen Kriterien auszuwählen, so dass spätestens zum 1. Jänner 2020 der Anteil erreicht ist. Für börsennotierte öffentliche Unternehmen ist diese Frist mit dem Jahr 2018 festgelegt.

Bei gleicher Qualifikation wäre dem Kandidaten/der Kandidatin des unterrepräsentierten Geschlechts der Vorrang einzuräumen, wobei Ausnahmen gemäß der Rechtsprechung des EuGH möglich sein sollen. Die Qualifikationskriterien sind jedenfalls offenzulegen. Das Unternehmen muss nachweisen, dass es nicht gegen die Vorrangregel und Qualifikationsüberprüfung verstoßen hat.

Die beiden Vertreterinnen des Bundeskanzleramts und des Frauenministeriums betonten in ihrer Stellungnahme, dass es bei dem Vorschlag um Qualifikation und Eignung sowie um objektive Verfahren gehe. Die Selbstverpflichtung führe, wie die Vergangenheit zeige, nicht zu einem raschen Erfolg. Studien hätten belegt, dass ein ausgewogener Anteil von Frauen und Männern in Toppositionen sich positiv auf die wirtschaftlichen Kennzahlen auswirken. In Österreich sei das Ziel, in staatsnahen Unternehmen bis 2013 einen Frauenanteil von 25% zu erreichen, bis 2018 einen Anteil von 35%. Derzeit stehe man bei einem Anteil von 26%.  

In der Diskussion betonte Bundesrätin Ana Blatnik (S/K), der Vorschlag ziele auf Chancengleichheit und Gleichstellung ab. Selbstverpflichtung bringe nichts, sagte sie, noch immer seien die Führungspositionen zu 95% mit Männern besetzt, obwohl Frauen bei Bildungsabschlüssen sich heute bereits auf der Überholspur befänden. Auch Vizepräsidentin Susanne Kurz (S/S) hielt die Quote zum jetzigen Zeitpunkt für notwendig. Sie befürwortete auch Sanktionen und stimmte Bundesrat Christian Jachs (V/O) zu, dass man sowohl für Frauen als auch für Männer entsprechende Förder- und Ausbildungsprogramme brauche. Dem schloss sich auch Bundesrat Stefan Schennach (S/W) an, der nochmals die Tatsache anführte, dass Frauen in wirtschaftlichen Toppositionen noch immer eine marginalisierte Gruppe darstellen.

Gegen eine verpflichtende Quote sprachen sich die ÖVP-MandatarInnen aus. Qualifizierte Frauen werden sich durchsetzen, meinte etwa Bundesrätin Angelika Winzig (V/O), außerdem gebe es nur eine gleiche Ausbildung nicht aber gleiche Qualifikationen. Dabei seien auch andere Komponenten ausschlaggebend. Bundesrat Jachs fügte hinzu, die Definition von Kriterien zur Erstellung eines Profils werde eine große Herausforderung darstellen. Bundesrat Franz Perhab (V/St) erinnerte in diesem Zusammenhang, dass 45% der Mitglieder der Wirtschaftskammer Frauen sind.

Für Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) bedarf es keiner Quote, denn sie wolle Frauen und Männern die Entscheidung überlassen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen. Auch die UnternehmerInnen müssten bei der Aufnahme von MitarbeiterInnen frei sein.

Die Vertreterin des Bundeskanzleramtes erläuterte abschließend, der Richtlinienvorschlag lege keine Qualifikationskriterien fest, dies obliege weiterhin den Unternehmen. Die Kriterien müssten nur transparent und nachvollziehbar sein. Wenn man aber in dem Tempo weitermache wie bis jetzt, dann werde die Quote von 40% in den Aufsichtsräten erst im Jahr 2040 erreicht. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats)


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