Parlamentskorrespondenz Nr. 1082 vom 20.12.2012

Keuschnigg gegen Eingriff in die Selbstverwaltung der Länder

Bundesratsreform muss nun umgesetzt werden

Wien (PK) – Am Beginn der heutigen Bundesratssitzung hielt der scheidende Präsident Georg Keuschnigg eine Abschiedsrede, in der er die allgemeine politische Situation und insbesondere jene in der Länderkammer beleuchtete.

Keuschnigg hielt es für wesentlich, dass sich der Bundesrat seiner Kernaufgabe, nämlich der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung, immer wieder stellt, sie in zeitgemäßer Form ausübt und weiterentwickelt. Die Bundesländer stehen gerade in den letzten Tagen in der öffentlichen Auslage, betonte er, die Anlässe, die zu vorgezogenen Neuwahlen in Kärnten und Salzburg geführt haben, seien tatsächlich kein Ruhmesblatt, urteilte Keuschnigg. Trotzdem halte er das momentane "Länder-Bashing" und jene Form der Kritik am Föderalismus, wie sie derzeit in vielen Medien zu finden ist, keinesfalls für gerechtfertigt. Auf jeder Ebene gebe es politisches Fehlverhalten, das im Anlassfall aufzuklären, abzustellen und zu korrigieren ist, hielt der Präsident unmissverständlich fest.

Dennoch war Keuschnigg überzeugt davon, dass es hervorragend geführte Bundesländer gibt und auch keine Grund bestehe, in die Rechte der Länder einzugreifen. Er persönlich tue sich in dieser Diskussion als Tiroler besonders leicht, führte Keuschnigg weiter aus. Das Land Tirol habe derzeit nämlich weniger als 300 Mio. € Schulden, es bilanziere nach den Jahren der Krise bereits wieder ausgeglichen bzw. zahle sogar Schulden zurück. Außerdem verfüge Tirol über mehr als das Zehnfache dessen, was es an Schulden hat, an Eigentumswerten. Dem Land Tirol gehören zu 100 Prozent die Tiroler Wasserkraft AG, zu 100 Prozent die Hypo Tirol, zu 100 Prozent die Wohnbaudarlehen. Mit welchem Grund wäre es zu rechtfertigen, in die Selbstverantwortung des Bundeslandes Tirol einzugreifen, fragte Keuschnigg.

Subsidiarität muss auch innerösterreichisch Geltung haben

Die Föderalismuskritik, die derzeit so modern ist, ist seiner Ansicht nach einäugig, wie sie einäugiger nicht sein könnte, formulierte Keuschnigg. Außerdem gibt es ihm zufolge eine unheilige Allianz der Zentralisten dieses Landes mit den großen österreichischen Tagesmedien, die aus der Perspektive des ersten oder des 19. Wiener Gemeindebezirks in das Land schauen und über Sinn und Unsinn der Gesetzgebung in den Bundesländern schwadronieren.

Der Bundesratspräsident wies in diesem Zusammenhang auf den Subsidiaritätsgrundsatz hin, um den alle auf europäischer Eben so lange gekämpft haben. Seit dem Vertrag von Lissabon komme dem Europaausschuss des Bundesrats die Aufgabe zu, jede EU-Vorlage dahingehend zu prüfen, auf welcher Ebene eine Materie besser geregelt werden kann. Warum soll das innerösterreichisch nicht auch gelten, gab Keuschnigg zu bedenken. Warum soll das, "was in Europa hui ist, plötzlich innerösterreichisch pfui" sein?

Föderalismus immer wieder neu denken

Keuschnigg räumte jedoch ein, dass es geboten sei, den Föderalismus immer wieder neu zu denken. Er habe daher auch im September zu einer Föderalismuskonferenz in Innsbruck eingeladen hat, aus der sich eine wichtige Drehscheibe entwickelt habe. Föderalismus dürfe nicht ein Gezerre um Zuständigkeiten sein, sondern es müsse eine sinnvolle Mitwirkung der Länder und Regionen an der Bundesgesetzgebung sichergestellt sowie eine ausgewogene Teilhabe aller Regionen an der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes gewährleisten werden, forderte er.

Keuschnigg war zudem überzeugt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger sich für diese internen Diskussionen schon lange nicht mehr interessieren. Sie hätten es immer mit der öffentlichen Hand zu tun, egal ob sie Bund, Land oder Gemeinde heiße. Und es gebe auch kein Bundesgeld, kein Landesgeld und kein Gemeindegeld, es gehe immer um das Steuergeld der BürgerInnen, das möglichst sinnvoll auszugeben ist, unterstrich der Bundesratspräsident.

In diesem Sinne habe er sich in seiner Präsidentschaft auch immer bemüht, einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Bundesrats zu leisten. Er habe im Rahmen einer umfangreichen Sommertour durch die Bundesländer versucht, auszuloten, ob eine gemeinsame Position der Länder zur Reform des Bundesrats erzielbar ist, und das sei auch gelungen, hob Keuschnigg hervor und erinnerte daran, dass die LandtagspräsidentInnen und die Landeshauptleute im Oktober jeweils einstimmig eine gemeinsame Verhandlungsposition zur Reform des Bundesrats beschlossen haben. Sie alle hätten dazu beigetragen, dass es erstmals in den vielen Jahren der Diskussion eine einheitliche Position der Bundesländer zur Reform der Länderkammer gibt, so das zufriedene Resümee Keuschniggs. Es müsse daher nun Schluss sein mit den Zwischenrufen, mit den  nicht durchdachten Einzelvorschlägen und mit vielen Besserwissereien, appellierte Keuschnigg.

Vorschläge zur Reform des Bundesrats

Der Bundesrat habe bewiesen, dass er sich bewegt und eine Reform will, führte Keuschnigg weiter aus. Das Angebot laute, dass die Zahl der bundesratspflichtigen Materien verringert wird und dass es zu einer Reduktion auf die Kernkompetenzen kommt (also Gesetzgebung, Vollziehung und Finanzen der Bundesländer). Im Gegenzug soll der Bundesrat dafür ein Einspruchsrecht (mit einem Vermittlungsgremium) bekommen und die Möglichkeit, frühzeitig zu Gesetzen Stellung zu nehmen, die im Nationalrat beraten werden. Dieses Recht der frühzeitigen Stellungnahme könne Blockaden möglichst verhindern, erläuterte Keuschnigg. Ein sinnvolles Angebot liege nun auf dem Verhandlungstisch, nun müssten aber Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Was die inhaltlichen Schwerpunkte seine Präsidentschaft betrifft, so habe er sich vor allem mit dem neuen Phänomen der Verstädterung versus Ausdünnung vieler Regionen befasst, erinnerte Keuschnigg. Dieses Phänomen sei global feststellbar und lasse sich auch in Österreich in harten Zahlen darstellen.

Große Herausforderungen kämen auf das Bildungs- sowie auf das Verkehrssystem zu, auf die dringend Antworten gefunden werden müssen. Außerdem sei es von besonderer Bedeutung, dass die Arbeitsplätze zu den Menschen ziehen und nicht die Menschen zu den Arbeitsplätzen, unterstrich Keuschnigg abschließend. Primäres Ziel müsse es sein, gleichwertige Lebensbedingungen für alle BürgerInnen zu gewährleisten, unabhängig davon, wo sie wohnen. (Fortsetzung Aktuelle Stunde)


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