Parlamentskorrespondenz Nr. 49 vom 30.01.2013

Wasserversorgung - Kritik an EU-Plänen im Nationalrat

Aktuelle Europastunde zu Wachstum, Beschäftigung, Nachhaltigkeit

Wien (PK) – Nach brisanten innerstaatlichen Fragen widmete sich das Nationalratsplenum im Rahmen einer Aktuellen Europastunde der europäischen Perspektive. Die SPÖ hatte im Vorfeld das Verlangen gestellt, zum Thema "Für eine Europa mit mehr Wachstum, Beschäftigung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" zu diskutieren. Dabei wurde auch die geplante EU-Richtlinie zur Konzessionsvergabe kritisch beleuchtet, da man dadurch eine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür befürchtet. Bundeskanzler Werner Faymann ging auf den derzeit in Verhandlung stehenden Mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2014-2020 ein.

SPÖ: Ja zum Binnenmarkt aber gegen Liberalisierung um jeden Preis

In seiner einleitenden Wortmeldung hob Abgeordneter Josef CAP (S) hervor, Bundeskanzler Werner Faymann sei als einer der ersten für eine Finanztransaktionssteuer in der Europäischen Union eingetreten, letztlich habe der Kanzler die Mehrheit in der EU auf seine Seite gezogen. Bei einem weiteren zentralen Thema der österreichischen Bundesregierung, dem Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, müsse die EU nun ebenfalls vermehrt Schritte setzen und dürfe nicht allein den Finanzmärkten folgen, wie es der Vorstellung des britischen Premiers Cameron entspreche, so Cap. Eine EU, in der es keine Mindeststandards bei der Beschäftigung, im Sozialbereich und bei Umweltfragen gebe, dürfe nicht die Antwort auf die Globalisierung sein. Der SPÖ-Klubobmann sprach sich zwar für eine Stärkung des Binnenmarkts aus, allerdings wandte er sich gegen eine "Liberalisierung um jeden Preis" und schnitt dazu das Thema der Daseinsvorsorge an, die Cap zufolge jedenfalls in der öffentlichen Hand zu verbleiben habe. Der Betrieb von Trinkwassernetzen dürfe nicht an private Firmen verkauft werden, betonte er und regte eine verfassungsrechtliche Regelung dazu an. Die Differenzen zwischen der Bevölkerung und der EU könnten nicht überwunden werden, wenn neoliberale Bestrebungen im Sinne des Markts grundlegende Sicherheiten der Menschen negierten, anstatt klare Regelungen für die Finanzwirtschaft zu schaffen, konstatierte der Klubobmann.

Faymann: Rabattverzicht nur dann, wenn auch die anderen verzichten

Die Ratsverhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU umreißend, sprach sich Bundeskanzler Werner FAYMANN für sinnvolle Investitionen mit Bedacht auf nachhaltiges Wachstum der Europäischen Union aus. Immerhin würden 90% des weltweiten Wirtschaftswachstums derzeit außerhalb Europas prognostiziert. Aus diesem Grund sei es hoch an der Zeit, so der Bundeskanzler, mit konkreten Projekten etwa der ansteigenden Jugendarbeitslosigkeit in der EU Einhalt zu gebieten, gebe es doch unionsweit bereits nahezu 6 Mio. junge Menschen ohne Beschäftigung. Als wichtiges Anliegen nannte Faymann zudem die Unterstützung der regionalen Entwicklung, um die Zukunft der EU auch im ländlichen Raum abzusichern. Damit EU-Staaten die Möglichkeit für notwendige Investitionen erhielten, gelte es, gegen die diametrale Zinsentwicklung von Staatsanleihen vorzugehen, unterstrich der Bundeskanzler.

Als problematisches Thema in den Gesprächen der Staats- und RegierungschefInnen nannte Faymann die Rabatte, die beispielsweise Großbritannien weiterhin erhalten wolle. Er trete zwar für einen allgemeinen Rabatt-Verzicht ein, um die dafür vorgesehenen Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu verwenden. Solange sich allerdings andere Mitgliedsländer gegen die Abschaffung ihrer Rabatte stellten, werde auch Österreich nicht davon Abstand nehmen. Erfreut zeigte sich der Bundeskanzler über den vermehrten Zuspruch zur Finanztransaktionssteuer. Der Ruf nach mehr Regulierung auf den Finanzmärkten werde auch weltweit immer lauter, wie er zuletzt beim Lateinamerika Gipfel bemerkt habe.

Dezidiert sprach sich der Bundeskanzler gegen einen Verkauf der Wasserversorgung aus. Er äußerte seine Hoffnung auf eine Verfassungsbestimmung darüber, auch wenn er die EU-Richtlinie für fairen Wettbewerb an sich nicht ablehne.

Wasserversorgung: Kleine Differenzen in der Koalition

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) sprach sich für sinnvolles und nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der EU und in Österreich aus und erteilte einem Europa nach den Vorstellungen des britischen Premierministers David Cameron eine klare Absage. "Wir wollen kein Europa ohne Sozial- und Umweltpolitik und wir wollen kein Europa, in dem die Rechte der ArbeitnehmerInnen beschnitten werden", sagte Muttonen. Auch hielt es die Rednerin für wichtig, die Menschen in Europa flächendeckend mit leistbaren Gütern zu versorgen. In einem Europa nach sozialdemokratischen Vorstellungen leistet jeder einen angemessenen Beitrag zum Allgemeinwohl, auch die Finanzindustrie, fügte Muttonen hinzu und gab ihrer Genugtuung über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer Ausdruck. In diesem Zusammenhang dankte die Rednerin dem Bundeskanzler für dessen Engagement und sprach von einem Erfolg des Nationalrats, der sich immer wieder für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen hat. Erfreulich sei aus der Sicht Österreichs auch die Übernahme des heimischen Modells für eine Job- und Ausbildungsgarantie für Jugendliche durch die EU-Kommission. Einen Antrag ihrer Fraktion kündigte Muttonen beim Thema Absicherung der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand an und betonte das Anliegen, Trinkwasser mit hoher Qualität zu leistbaren Kosten bereitzustellen.  

  

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) bekannte sich ebenfalls zu nachhaltigem Wachstum und sah eine starke, wettbewerbs- und exportfähige Wirtschaft als Voraussetzung für die Sicherung der Arbeitsplätze. Das Beispiel Italien, wo zuletzt Erfolge bei der Budgetkonsolidierung erzielt wurden, Österreichs Exporte dorthin aber zurückgegangen seien, zeige überdies, dass es gelte, eine optimale Balance zwischen Schuldenreduktion und Wachstumspolitik zu finden. In der Diskussion über eine EU-Konzessionsrichtlinie forderte Bartenstein, "die Kirche im Dorf zu lassen", denn der Entwurf enthalte keinen Privatisierungsauftrag, sondern Regeln für Privatisierungen. Er halte nichts davon, Wasserrechte, wie sie etwa von Energieversorgern wahrgenommen werden, wieder zu verstaatlichen, sagte Bartenstein. 

Kritik an der EU in vielen Bereichen

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) wertete die Aussagen seines Vorredners als Hinweis darauf, dass die ÖVP für die Privatisierung der Trinkwasserversorgung sei und forderte demgegenüber: "Hände weg von unserem Wasser." Bundeskanzler Faymann wiederum sollte sich ein Beispiel an seinem britischen Kollegen nehmen, der sich mit Mut und Selbstbewusstsein für die Interessen seiner Landsleute einsetze, sagte der FPÖ-Klubobmann. Dieser Mut fehle Faymann, kritisierte Strache und verlangte, den EU-Beitrag Österreichs zu halbieren und die nationalen Wasserreserven gegenüber den Begehrlichkeiten der EU zu schützen. Ein Vorbild dafür biete Norwegen, wo es gelungen sei, die Interessen seiner BürgerInnen an den Ölreserven des Landes zu wahren.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) konstatierte eine allgemeine Ablehnung einer Privatisierung der Wasserversorgung im Nationalrat, wies aber darauf hin, dass diese Diskussion im EU-Parlament zu führen sei, wo sich die Sozialdemokratie bereits für die Konzessionsrichtlinie und damit für die Fortsetzung der Deregulierungs- und Privatisierungspolitik ausgesprochen habe. Die Grünen seien für saubere Privatisierungsverfahren, was durch bessere Kontrollrechte von Gemeinderäten und ehrliche Antworten auf Anfragen von ParlamentarierInnen einfach zu gewährleisten sei. Wenig Verständnis zeigte Glawischnig dafür, Gemeinden zu europaweiten Ausschreibungen zu zwingen. Abschließend trat Glawischnig dafür ein, die österreichischen Trinkwasserreserven ausdrücklich und verfassungsrechtlich vor dem Zugriff internationaler Konzerne zu schützen.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) mahnte seinerseits ein aktives Auftreten des Bundeskanzlers zum Schutz des heimischen Wassers in Brüssel ein. Die Europapolitik der Bundesregierung unterzog Bucher einer fundamentalen Kritik, in der er die Überweisung von Milliardenbeträgen nach Griechenland und die Unterstützung spanischer Banken anprangerte. Dort setzten Banken Menschen auf die Straße, wenn sie ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Das sei ein falsches Verständnis von europäischer Solidarität, das sei Geldvernichtung auf Kosten der ÖsterreicherInnen, so werde die EU zu einem Pakt für die großen Bankkonzerne zu Lasten der Menschen, klagte Bucher. Darüber hinaus warnte der Redner davor, die Krise zu missbrauchen, um einen sozialistischen EU-Zentralstaat zu bilden und erteilte an dieser Stelle "Hirngespinsten" wie einer EU-Sozialversicherung, einer EU-Arbeitslosenversicherung oder Eurobonds eine entschiedene Absage. Initiativen des BZÖ kündigte Bucher gegen die Privatisierung des heimischen Trinkwassers an.

Abgeordneter Christoph HAGEN (T) warnte davor, nachhaltiges Wachstum mit dem Wachstum der Bankbilanzen zu verwechseln und erinnerte an den Beschluss von SPÖ, ÖVP und Grünen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus, den der Redner als "Meisterstück" auf dem Weg zur Aufgabe des letzten Restes an nationaler Souveränität brandmarkte. Dabei zitierte Hagen Milton Friedman, der vor der beschleunigten Enteignung der europäischen Bevölkerung gewarnt habe. Konkret illustrierte der Abgeordnete diese Entwicklung an der Kaufkraft eine Durchschnittverdieners, die sich seit der Einführung des Euro netto um 25 % vermindert habe, sowie an der Zunahme der Spritpreise im selben Zeitraum um 59 %. "Politik ist jener Spielraum, den die Banken den Regierenden lassen," schloss Hagen pointiert.  

Die EU und was sie bringt - ein breites Meinungsspektrum

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) forderte FPÖ, BZÖ und Team Stronach dazu auf offen, bekanntzugeben, wann Österreich ihrer Meinung nach aus der EU austreten und auf die Vorteile des gemeinsamen Marktes und der gemeinsamen Währung verzichten solle. Demgegenüber bekannte sich Weninger nachdrücklich zum gemeinsamen Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und zur gemeinsamen europäischen 2020-Strategie. Beim Thema Daseinsvorsorge und Wasserreserven erinnerte
Weninger an die schwarz-blaue Politik, alles zu deregulieren und zu privatisieren, was nicht niet- und nagelfest war. Die SPÖ stehe für eine Politik nicht zur Verfügung, die Gemeinden dazu zwinge, ihre Wasserreserven zu verkaufen.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) brach aus der Sicht der Regionen und der Gemeinden des ländlichen Raums eine Lanze für die Europäische Union und machte darauf aufmerksam, dass die wirtschaftlichen Erfolge der Europäischen Regionalförderung zu den Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum zählen. Schmuckenschlager brachte Beispiele aus Niederösterreich und wies darauf hin, dass die Landwirtschaftspolitik und die Förderung vitaler ländlicher Räume in zu den Vorzeigemodellen Österreichs in der EU zählten. Viele tausend Arbeitsplätze werden so gesichert, sagte Schmuckenschlager, der sich zur Versorgung der Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln durch eine funktionierende heimische Landwirtschaft bekannte. 

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) zeigte sich erstaunt darüber, dass sein Vorredner kein Wort der Kritik gegenüber der EU gefunden habe, was ihn markant von den SprecherInnen der SPÖ unterscheide, die im Vorfeld von Landtagswahlen Kritik an der EU laut werden ließen und zumindest Entschlossenheit zeigten, die Interessen der Menschen gegenüber Fehlentwicklungen in Europa zu verteidigen. Hübner vermisste aber ein grundsätzliches Umdenken bei der SPÖ. Sie nehme nicht zur Kenntnis, wie viel schief gelaufen sei und versuche, die Fortsetzung einer falschen Entwicklung und die Erhöhung des EU-Finanzrahmens mit mehr Geld für Beschäftigungsprogramme zu rechtfertigen. Es sei schon richtig, dass die EU mit dem Konzept des freien Personenwarenverkehrs Erfolge gebracht habe. Der Aufbau eines "bürokratischen Molochs" habe aber in eine Katastrophe geführt, konstatierte Hübner und verlangte nachdrücklich ein Umdenken in der Europapolitik.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) forderte die FPÖ auf, das übliche "Europa-Bashing" aufzugeben und konstruktive Beiträge zur Veränderung in Europa zu bringen. Ziel müsse es sein, Europa sozialer, ökologischer, bürgerfreundlicher und demokratischer zu machen. David Cameron könne dabei kein Vorbild sein, denn er verteidige lediglich die Interessen der Britischen Banken gegen die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Europa brauche mehr Engagement für Green Jobs durch thermischen Gebäudesanierung und Energiewende auf Basis erneuerbarer Energieträger. Auch gelte es, die Daseinsvorsorge in den Mittelpunkt zu stellen, wozu zähle, Bildung, soziale Dienste und Wasserversorgung aus der Konzessionsrichtlinie herauszunehmen und den Begehrlichkeiten privater Wasserkonzerne entgegenzutreten. Die desaströsen Zustände, die die Privatisierung der Wasserversorgung in Großbritannien, Paris und in manchen deutschen Städten nach sich gezogen habe, seien bekannt, sagte Pirklhuber. Eine Lanze brach Pirklhuber schließlich für die Aufrechterhaltung der Förderung des ländlichen Raums durch Umschichtung von Agrarförderungsmitteln.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) vermisste angesichts düsterer Wirtschafts- und Arbeitsmarktprognosen Initiativen der Bundesregierung für ein intelligentes Konjunkturpaket, für die Entlastung der SteuerzahlerInnen und er forderte Priorität für Bildung, Forschung und Entwicklung. Der ÖVP warf Widmann vor, beim Thema Schutz der Wasserreserven vor Privatisierungen in Brüssel eine traurige Rolle zu spielen. Tatsächlich stimmten Vertreter der ÖVP der Absicht zu, die Wasserreserven großen Konzernen zu verkaufen, hinter denen Banken und Spekulanten stünden, kritisierte er.

Abgeordneter Robert LUGAR (T) meinte, angesichts der Hoffnung auf ein Ende der Krise "sollten wir nicht einfach dort weitermachen, wo wir 2008 aufgehört haben, sondern endlich die Lehren ziehen". Erstens habe die Abkehr von der Realwirtschaft und der Ausbau der Finanzwirtschaft die Krise ausgelöst – das sei nicht besser, sondern schlechter geworden, analysierte Lugar: "Die Banken spekulieren lieber, statt der Realwirtschaft Kredite zu geben." Zweitens werde die Finanzierung des Wachstums durch Schulden fortgesetzt und drittens habe der Umlauf von Derivaten, von toxischen Wertpapieren, um 30 % weiter zugenommen. "Weder Österreich noch die Europäische Union machen ihre Hausaufgaben", klagte Lugar. "Wir kommen nicht von der Schuldenwirtschaft weg, sondern versuchen, die Verschuldung mit noch mehr Schulden zu bekämpfen", sagte Lugar und kritisierte die diesbezügliche Politik der Europäischen Zentralbank. Lugars Rezepte lauten: Lehren aus der Analyse der Krisenursachen ziehen, Rückkehr zur Realwirtschaft, Unterstützung produktiver Betriebe, Kampf der Schuldenwirtschaft und Reform von Verwaltung, Pensions- und Sozialsystem.

(Schluss Aktuelle Europastunde/Fortsetzung Nationalrat) jan