Parlamentskorrespondenz Nr. 52 vom 30.01.2013

Teller-Trog-Tank: Agrotreibstoffe kritisch beleuchtet

Kurze Debatte im Nationalrat über Für und Wider von Biosprit

Wien (PK) – Entwicklungspolitische und ökologische Bedenken gegenüber dem Einsatz von Agrotreibstoffen hatten in einer schriftlichen Anfrage an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Abgeordneten Petra Bayr (S) und Wolfgang Pirklhuber (G) geäußert. Mit der Beantwortung durch Bundesminister Nikolaus Berlakovich zeigte sich jedoch insbesondere Abgeordneter Pirklhuber unzufrieden, weshalb seine Fraktion im Rahmen der heutigen Nationalratssitzung darüber eine Kurze Debatte verlangte.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) wandte sich dagegen, Weizen zu verspriten und in Tanks zu füllen, während eine Milliarde Menschen hungerten. Minister Berlakovich verteidige das derzeit ausgesetzte EU-Ziel, den Biospritanteil am Benzin unter dem Titel "E10" auf 10 % zu erhöhen, obwohl er wisse, dass die Biospritproduktion ökologisch bedenklich und ethisch nicht zu verantworten sei. Konkret wies Pirklhuber auf negative Veränderungen in der Agrarstruktur der Entwicklungsländer hin, weil dort Biosprit-Exportproduktion die Herstellung von Nahrungsmitteln für die Menschen verdränge. Zudem behinderten Agrotreibstoffe sinnvolle technische Innovationen in der Kraftfahrzeugindustrie. Erneuerbare Energieträger ja – ungebremster Einsatz von Agrotreibstoffe nein, lautete die Forderung Pirklhubers, der vom Landwirtschaftsminister verlangte, die Absicht der EU-Kommission zu unterstützen und die die Biospritbeimischung bei fünf Prozent zu begrenzen.

Demgegenüber erläuterte Landwirtschaftsminister Nikolas BERLAKOVICH das europäische Gemeinschaftsprojekt Biotreibstoffe und die Absicht, fossile Treibstoffe zu 10 % durch erneuerbare Treibstoffe zu ersetzen. Derzeit werde die entsprechende Verordnung neu konzipiert. In Österreich laute die Prioritätsreihung bei der Nutzung agrarischer Produkte " Teller – Trog – Tank". 80 % der heimischen  Getreideproduktion Österreichs dienen der Herstellung hochwertiger Lebensmittel, sagte er. Nur ein kleiner Teil minderwertigen Getreides werde industriell oder als Rohstoff verwertet. Überdies erlaube die Biospritproduktion Österreich, Eiweißfuttermittelimporte zu verringern, weil bei der Biospriterzeugung hochwertiges Eiweißfuttermittel abfalle. Der Hunger in der Welt sei ein ernstes Thema, es sei aber aus vielen Gründen nicht sinnvoll, österreichisches Getreide – außer in Krisenzeiten – nach Afrika zu transportieren, führte der Landwirtschaftsminister aus. Der Minister warnte davor, Biotreibstoffe in Frage zu stellen, sie seien notwendig, um fossile Treibstoffe im Verkehr zum Schutz des Klimas zu ersetzen. Er unterstütze die Entwicklung von Treibstoffen der zweiten Generation, diese seien aber derzeit noch zu teuer, führte Berlakovich aus.

Koalitionäre Meinungsunterschiede

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) plädierte für eine Versachlichung der Debatte und schlug vor, über Agrotreibstoffe nicht nur agrarpolitisch, sondern auch umweltpolitisch zu diskutieren. Die EU bremse bei der Einführung von E10 und es stelle sich die Frage, wie sich Berlakovich in dieser Debatte auf EU-Ebene positioniere. Zu berücksichtigen sei laut Weninger die Rodung von Regenwald in Entwicklungsländern, der Hunger in der Welt und der Import von Agrarrohstoffen. Weninger riet, auf die Verwertung von Abfällen zu setzen und in die Entwicklung der Elektromobilität zu investieren. Beim Biotreibstoff gehe es um die Entwicklung einer zweiten Generation von Treibstoffen und um den vorsichtigen Einsatz von Agrotreibstoffen der ersten Generation, führte Weninger aus.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) sah keinen Anlass, die Produktion heimischer Biotreibstoffe zu verteufeln, man sollte eher darauf achten, wie Agrotreibstoffe in Ländern der Dritten Welt produziert werden. Auch Schmuckenschlager wies darauf hin, dass es die Biospritproduktion in Österreich erlaube, den Import von  Eiweißfuttermitteln durch eigene Erzeugung zu substituieren und die agrarische Wertschöpfung in Österreich zu steigern. Die Behauptung, die Agrotreibstoffproduktion stehe in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion wies auch Schmuckenschlager entschieden zurück und plädierte dafür, den heimischen Bauern und Bäuerinnen das ganze Spektrum agrarischer Produktion zu ermöglichen.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) erinnerte den Landwirtschaftsminister daran, dass seine Biotreibstoffargumente nicht einmal die Fraktionskollegen Fekter und Mitterlehner überzeugten. E10 sei einer der Flops des Ministers Berlakovich im Jahr 2012 gewesen, meinte Jannach und konkretisierte seinen Vorwurf mit dem Hinweis, es sei nicht gelungen, eine Logistik für den Vertrieb von E10 aufzubauen oder auch nur eine Liste der Fahrzeugen herauszugeben, die mit E10 betankt werden können. Daher auch der Widerstand der Kraftfahrerorganisationen. Demgegenüber sei der Agrana-Konzern an E10 interessiert und betreibe schamlosen Lobbyismus im österreichischen Parlament. "Zurück an den Start in der Diskussion über Biosprit", lautete die Forderungen des Abgeordneten Harald Jannach.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) konnte in den Agrotreibstoffen keinen Beitrag zum Klimaschutz erkennen. Sie forderte eine Aussetzung der Beimischungsquote in Österreich und vermisste eine entsprechende klare Stellungnahme seitens des Landwirtschaftsministers.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) sprach sich vehement gegen Biotreibstoffe aus und argumentierte, es wäre besser, Getreide als Nahrungs- oder Futtermittel zu verwenden, als es in den Tank zu stecken. Er beklagte, die Agrarpolitik werde nicht für die Bauern und Bäuerinnen, sondern in erster Linie für Konzerne wie Raiffeisen gemacht, und verlangte überdies einen sofortigen Verzicht Österreichs auf die Beimengung von E10.

(Schluss Kurze Debatte/Fortsetzung Nationalrat) jan