Parlamentskorrespondenz Nr. 63 vom 31.01.2013

Demokratiepaket soll Kluft zwischen Politik und Bürgern reduzieren

Koalitionsvorschläge werden in Begutachtung geschickt

Wien (PK) – Das von SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgeschlagene Demokratiepaket wird in Begutachtung geschickt. Der Verfassungsausschuss und der Innenausschuss des Nationalrats beschlossen heute nach Schluss der Plenarsitzung jeweils einstimmig, Meinungen von betroffenen Stellen und ExpertInnen zu den beiden gestern eingebrachten Gesetzentwürfen einzuholen. Geplant ist, Vorzugsstimmen bei Nationalratswahlen ein höheres Gewicht zu geben, die elektronische Unterstützung von Volksbegehren und Bürgerinitiativen zu ermöglichen, Bürger-Fragestunden im Nationalrat einzuführen und ein neues Procedere für die parlamentarischen Beratungen von Volksbegehren festzulegen.

Zur Abgabe von Stellungnahmen eingeladen sind unter anderem die Bundesministerien, die Länder, die Höchstgerichte, der Städte- und der Gemeindebund, die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten, andere wissenschaftliche Einrichtungen und private Demokratieinitiativen. Als Frist für das Einlangen der Stellungnahmen wurde, was die Änderung der Nationalrats-Wahlordnung betrifft (2178/A), der 4. März, was die anderen Teile des Demokratiepakets betrifft (2177/A), der 15. März gesetzt. Beide Gesetze sollen laut einer Vereinbarung zwischen den Klubs noch im Frühjahr beschlossen werden, die Wahlrechtsänderungen bereits im Rahmen der Plenarsitzungen im März, die weiteren Teile des Gesetzespakets im April. Eine erste Debatte im Nationalrat wurde bereits abgehalten (siehe PK-Nr. 62/2013).

Die Änderung der Nationalrats-Wahlordnung wird im Innenausschuss vorberaten, der zweite Gesetzentwurf, der auch eine Änderung der Verfassung umfasst, wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

Vorzugsstimmen haben künftig mehr Gewicht

Konkret wird mit der vorgeschlagenen Änderung der Nationalrats-Wahlordnung (NRWO) etwa die Möglichkeit geschaffen, auch auf Bundesebene Vorzugsstimmen zu vergeben. Demnach muss ein Kandidat bzw. eine Kandidatin auf der Parteiliste vorgereiht werden, wenn er bzw. sie 7 % der auf die Partei entfallenden gültigen Stimmen erhält.

Parallel dazu werden auf Ebene der Regional- und Landeswahlkreise die Vorzugsstimmen-Schwellenwerte herabgesetzt. So hat eine Umreihung der jeweiligen Regionalparteiliste zu erfolgen, wenn ein Kandidat, eine Kandidatin mindestens 14 % der Parteistimmen erhält. Bisher waren Vorzugsstimmen im Ausmaß der halben Wahlzahl des betreffenden Bundeslandes bzw. ein Sechstel der Parteistimmen (16,7 %) nötig. Auf Landesebene reichen künftig 10 % der jeweiligen Parteistimmen, die Wahlzahl des Bundeslandes muss, anders als bisher, nicht mehr zwingend erreicht werden.

Änderungen sind darüber hinaus bei den für Nationalratswahlen geltenden Fristen vorgesehen. Um zu gewährleisten, dass die Stimmzettel am 30. Tag vor der Wahl ausgegeben werden können und somit auch AuslandsösterreicherInnen rechtzeitig ihre Stimme abgeben können, muss der vom Hauptausschuss des Nationalrats gemeinsam mit dem Wahltag festzulegende Stichtag in Hinkunft auf den 82. Tag vor der Wahl fallen. Das wirkt sich in Folge auch auf andere Fristen aus, so wird der letztmögliche Zeitpunkt für die Einbringung von Landeswahlvorschlägen und Bundeswahlvorschlägen deutlich vorverlegt.

Bürger-Fragestunden und elektronische Unterstützungserklärungen

Um Bürgerinnen und Bürger verstärkt in den parlamentarischen Prozess einzubeziehen, schlagen die Koalitionsparteien vor, eine Unterstützung von Volksbegehren und Bürgerinitiativen auf elektronischem Weg zu ermöglichen, regelmäßige Bürger-Fragestunden im Nationalrat abzuhalten und die parlamentarische Behandlung von Volksbegehren aufzuwerten. Zu diesem Zweck müssen unter anderem die Bundesverfassung und das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden. Außerdem ist die Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters erforderlich.

Im Konkreten sieht die vorgelegte Gesetzesinitiative vor, in Hinkunft viermal jährlich so genannte Bürger-Fragestunden im Nationalrat abzuhalten. Bürgerinnen und Bürger sind aufgefordert, konkrete Anfragen an ein Mitglied der Bundesregierung zu formulieren, diese werden auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Dabei sind allerdings gewisse Kriterien einzuhalten, so dürfen die Anfragen nicht den Datenschutz verletzen und keine beleidigenden Äußerungen enthalten. Eine Woche lang können die Anfragen laut Gesetzentwurf elektronisch unterstützt werden – bei mehr als 10.000 Votings ist eine Beantwortung des zuständigen Regierungsmitglieds innerhalb von zwei Monaten verpflichtend. Die sieben am meisten unterstützten Bürgeranfragen gelangen in der nächsten Bürger-Fragestunde mündlich zum Aufruf, jede Fraktion kann dabei eine Zusatzfrage stellen.

Voraussetzung für die Einbringung und für die Unterstützung einer Bürgeranfrage ist eine eindeutige Identifikation durch die Verwendung der Bürgerkarte (inkl. Handy-Signatur). Gleiches gilt auch für die künftig mögliche elektronische Einleitung und Unterstützung von Volksbegehren und von Bürgerinitiativen. Damit sollen doppelte Unterstützungserklärungen durch Wahlberechtigte ausgeschlossen und die Authentizität der Stimmabgabe bestätigt werden.

Um die Abgabe elektronischer Unterstützungserklärungen überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters (ZeWaeR) beim Innenministerium erforderlich. Das Register soll, wie es in den Erläuterungen heißt, auch administrative Erleichterungen für die Gemeinden bei der Abwicklung von Wahlen und Volksabstimmungen bringen und für eine verbesserte Datenqualität sorgen. Zudem wird dadurch die Voraussetzung dafür geschaffen, Volksbegehren in jeder Gemeinde – und nicht nur in der Heimatgemeinde – unterschreiben zu können. Auch AuslandsösterreicherInnen können damit künftig, anders als bisher, Volksbegehren unterstützen.

Spezielle Nationalratssitzungen für erfolgreiche Volksbegehren

Aufgewertet werden soll nach Vorstellungen der SPÖ und der ÖVP auch die Behandlung von Volksbegehren im Nationalrat. Für jedes Volksbegehren, das mehr als 100.000 Unterschriften erhält, wird demnach künftig eine eigene Nationalratssitzung einberufen. Bei dieser Sitzung darf auch der Bevollmächtigte des Volksbegehrens das Wort ergreifen und die zentralen Forderungen der Initiative erläutern. Eine Stellungnahme des zuständigen Regierungsmitglieds ist zwingend, für die Fraktionen gelten kurze Blockredezeiten. Anschließend soll das Volksbegehren einem Spezialausschuss zugewiesen werden, danach ist für die abschließenden Beratungen eine neuerliche Nationalratssitzung in Aussicht genommen.

Dringliche Anfragen, Dringliche Anträge, Aktuelle Stunden, Fragestunden sowie Kurzdebatten sollen in "Volksbegehren-Sitzungen" nicht zulässig sein, um, wie es in der Erläuterungen heißt, die Aufmerksamkeit nicht vom Volksbegehren abzuziehen.

Adaptiert wird schließlich auch das Procedere für die Einleitung eines Volksbegehrens. Zunächst ist eine Registrierung erforderlich, danach können für das Volksbegehren elektronische bzw. schriftliche Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Bei Vorliegen einer ausreichenden Zahl von Unterschriften (1 Promille der Bevölkerung) wird wie bisher ein Eintragungszeitraum festgelegt. Das Fristengefüge wurde an sich nicht geändert, angesichts der elektronischen Unterstützungsmöglichkeit wird allerdings auf das obligate Offenhalten des Eintragungslokals am Sonntag verzichtet.

Inkrafttreten soll das Demokratiepaket mit 1. Jänner 2014, die neuen Vorzugsstimmenregelungen könnten bereits bei der kommenden Nationalratswahl gelten.

Der Innenausschuss hatte sich zu Beginn seiner Sitzung aufgrund seiner erweiterten Mitgliederzahl neu konstituiert, Obmann des Ausschusses bleibt SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl. (Schluss) gs