Parlamentskorrespondenz Nr. 68 vom 01.02.2013

EU-Budget - Euphorie ist noch nicht angesagt

EU-Hauptausschuss zum mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 der EU

Wien (PK) – Ein stabiler mehrjähriger Finanzrahmen sei notwendig und stelle ein wichtiges Vertrauenssignal für Investoren dar. Das betonte Bundeskanzler Werner Faymann im Rahmen des EU-Hauptausschusses, der im Vorfeld des Europäischen Rats am 7. und 8. Februar 2013 tagte. Der Bundeskanzler erteilte damit so manchen Bestrebungen von Regierungschefs der Mitgliedsländer, vom siebenjährigen Finanzrahmen zu einer einjährigen provisorischen Budgetierung auf EU-Ebene überzugehen, eine klare Absage. Gerade in einer Zeit, wo 90% des Wirtschaftswachstums außerhalb Europas erzielt werden, sei es erforderlich, Planungssicherheit für mittel- und langfristige Investitionen zu geben. Bei jährlichen Budgets steigen die Mitwirkungsmöglichkeiten der einzelnen Länder, was jedoch die Verlässlichkeit verringert.

Auch gegenüber einer periodischen Evaluierung des Finanzrahmens, wie dies EU-Abgeordneter Othmar Karas (V) vorgeschlagen hatte, zeigte sich der Bundeskanzler skeptisch. Diese könnten als Grundlage für angestrebte Kürzungen genommen werden, womit man Investoren abschrecken würde. Verlässlichkeit sei aber ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftswachstums, bekräftigte er.

Was die Diskussion um den Finanzrahmen für das EU-Budget 2014 bis 2020 anbelangt, so liege noch kein neuer Entwurf von Ratspräsident Rompuy vor und damit verfüge man auch nicht über konkrete Zahlen, über die man diskutieren könne, informierten Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger die Abgeordneten. Beide bekräftigten die Prioritäten Österreichs, nämlich die ausreichende Berücksichtigung der ländlichen Entwicklung und eine Gleichbehandlung in der Rabattfrage. Wenn der Rabatt für Großbritannien bleibe, dann werde auch Österreich nicht darauf verzichten. Österreich mache sich aber auch für Übergangsregionen und Forschungsprogramme stark.

Kritik am Rabattsystem

Faymann wiederholte in diesem Zusammenhang auf Anfrage von EU-Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) seinen Vorschlag, alle Länder mögen auf ihre Rabatte verzichten, um das freiwerdende Geld zur Unterstützung der Jugendbeschäftigung einsetzen zu können. Dies werde aber sicherlich einen langen Diskussionsprozess erfordern, zeigte er sich realistisch. Man könne aus derzeitiger Sicht nicht davon ausgehen, dass Großbritannien auf seinen Rabatt verzichtet, war die Regierungsspitze überzeugt. EU-Abgeordneter Othmar Karas wies zudem darauf hin, dass es bei den Rabatten eine unterschiedliche Rechtsqualität gibt und Großbritanniens Rabatt im Primärrecht verankert sei. Auch Karas trat für die generelle Abschaffung der Rabatte ein, wie auch Abgeordneter Bruno Rossmann (G). Das Rabattsystem sei intransparent, sagte der grüne Abgeordnete, der eine Umstellung der EU-Finanzierung vom Beitrags- auf ein Eigenmittelsystem befürwortete. Die Finanztransaktionssteuer sei ein erster Baustein dafür, weitere wären etwa Ökoabgaben oder eine harmonisierte Körperschaftssteuer, meinte er. Auch Abgeordneten Günter Stummvoll (V) erinnert das Rabattsystem an Basarmethoden. Wie die Abgeordneten Josef Cap (S) und Christine Muttonen (S) unterstütze er die von der Bundesregierung dargelegte Linie.

Insgesamt sei hinsichtlich einer Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen noch keine Euphorie angesagt, hieß es zusammenfassend von der Regierungsspitze. Entgegen verschiedener Gerüchte gebe es keine Einigung zwischen den großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, außerdem stünde unter anderem die britische Forderung nach einer weiteren Kürzung des Gesamtplafonds zur Diskussion. Dazu kämen viele neue und zum Teil kaum miteinander vereinbare Forderungen einzelner Mitgliedsstaaten, informierte Spindelegger.

Wird die EU bei Budgetkürzungen ihren Verpflichtungen nachkommen können?

Ein Plädoyer gegen die geplanten Budgetkürzungen kam von EU-Abgeordnetem Othmar Karas (V). "Es geht nicht um die Durchsetzung von Eigeninteressen, sondern um das Ganze", appellierte er. Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge bedeuteten eine Reduzierung gegenüber dem Budgetrahmen 2007 – 2013, damit könne man den übernommenen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, warnte er. Die einzige Konsequenz wäre, dass die EU Nachtragshaushalte beschließt, wobei er darauf hinwies, dass die EU keine Schulden machen darf. Für 2013 bestehe bereits ein Finanzbedarf von 13 Mrd. €. Auch Faymann machte klar, dass genau zu prüfen sein werde, ob man in Hinkunft die eingegangenen Verpflichtungen auch halten kann.

In eine ähnliche Kerbe schlug Abgeordneter Bruno Rossmann (G). Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen, denen sich die EU in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gegenübersieht, wäre eine Budgetkürzung ein schwerer Fehler, stellte Rossmann fest. Zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit sowie für die Programme im Interesse von Wachstum, Beschäftigung und Nachhaltigkeit sei eine europäische koordinierte Vorgangsweise nationalen Einzelgängen vorzuziehen. Der europäische Haushalt sei ein Investitionshaushalt und als solcher erziele er Multiplikationseffekte, die ein Nationalstaat nicht erreiche. Das sehe man an der wirtschaftlichen Situation der Schweiz. Er halte es daher für einen sträflichen Leichtsinn, den Finanzrahmen nicht ausweiten zu wollen.

Der grüne Abgeordnete zeigte sich auch enttäuscht darüber, dass offenbar keine Umstrukturierung im Budget geplant ist. Er hielt vor allem die Mittel für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu hoch angesetzt und plädierte dafür, bei der Förderung des ländlichen Raums nicht nur auf die Landwirtschaft zu schauen, sondern die Mittel  auszuweiten und diese für alle dort lebenden Menschen einzusetzen. Dem stimmte der Bundeskanzler zu und meinte, es liege auch im europäischen Interesse, dass es nicht nur den Zuzug lediglich in Richtung Städte stattfindet.

Nettogewinner versus Nettozahler

Gegen die Nettozahler-Diskussion in der Öffentlichkeit wandte sich vor allem Abgeordneter Günter Stummvoll (V). Diese laufe falsch, da Österreich, ökonomisch gesehen, haushoher Nettogewinner sei, sagte er. Aufgrund der Mitgliedschaft bei der EU wachse die Wirtschaft jährlich zusätzlich um 0,4 – 0,5%. Auch Abgeordneter Bruno Rossmann (G) schloss sich dem an. Ihm zufolge würde eine Umstellung auf ein Eigenmittelsystem im EU-Budget die leidige Nettozahler-Debatte beenden und wäre darüber hinaus ein identitätsstiftender Faktor.

Dem konnte sich Abgeordneter Johannes Hübner (F) in keiner Weise anschließen. Es gebe Wissenschaftler, sagte er, die meinen, ohne EU hätte man rund 1% Wachstum zu verzeichnen. Dass der Weg zu noch mehr Integration falsch sei, beweise die Tatsache, dass man sich derzeit in einer Zone mit der schlechtesten wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber anderen Wirtschaftsräumen befinde und mit geringem Wachstum, Arbeitslosigkeit, Nichtfinanzierbarkeit der Haushalte sowie mit sozialem und wirtschaftlichem Auseinanderbrechen der Regionen konfrontiert sei. Um in Wachstum und Beschäftigung zu investieren, brauche man die EU nicht, man müsse mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten setzen. Die EU mit ihrer Überbürokratisierung bringe keine Vorteile, hielt Hübner fest und brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem die Regierung aufgefordert wird, gegen jede Erhöhung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU ein Veto einzulegen und eine deutliche Senkung der österreichischen EU-Beiträge herbeizuführen, um die freiwerdenden Mittel in Österreich direkt in die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Stärkung des ländlichen Raums zu investieren. Der Antrag wurde jedoch von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt.

Seine Position wurde auch von EU-Abgeordnetem Andreas Mölzer (F) unterstützt. Man brauche nicht mehr Europa, betonte er, sondern weniger und das wäre auch billiger. Mölzer sprach in diesem Zusammenhang von einem "paranoiden Regelungswahn der EU". Er verteidigte daher auch den britischen Premierminister David Cameron, der nicht aus der EU austreten wolle, aber für eine Umkehr zu einem föderativen Europa stehe. Hart ging Mölzer mit der europäischen Außenpolitik ins Gericht, der er eine fatale Mischung aus Ratlosigkeit und Hilflosigkeit attestierte.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag von Abgeordnetem Rainer Widmann (B), in dem sich auch das BZÖ gegen jegliche Beitragserhöhungen für Österreich ausspricht. Widmann trat weiters gegen jede Änderung des geltenden Rabattsystems ein und forderte die Regierung auf, für eine Reduzierung der EU-Verwaltungskosten einzutreten. Gegen diesen Antrag sprachen sich alle anderen Fraktionen aus. Widmann warf der Regierung vor, sich in Europa nicht klar zu positionieren, was von Bundeskanzler Faymann mit Nachdruck in Abrede gestellt wurde.

Bei Handelsverträgen Sozial- und Umweltstandards beachten

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) thematisierte auch den Plan der EU, mit anderen Wirtschaftsräumen bilaterale Handelsverträge abzuschließen. Das sei ein echter Durchbruch, sagte er, und diene auch dem Exportland Österreich. Wenn diese Handelsagenda umgesetzt werde, dann bringe das ein Plus von 2% an Wachstum. Damit könne auch ein "Mehr an Europa" Einsparungen bringen, bemerkte er gegenüber der FPÖ. Trotz dieses Paradigmenwechsels verfolge die EU aber auch den multilateralen Weg.

Der freie Handel sei wichtig, ergänzte Abgeordnete Christine Muttonen (S), machte aber darauf aufmerksam, dass man beim Abschluss derartiger Verträge auf soziale und umweltpolitische Standards im Interesse von sicheren und gesunden Arbeitsplätzen achten müsse.

Außenpolitische Krisenherde

Im heutigen EU- Hauptausschuss kamen auch außenpolitische Themen zur Sprache. Dazu zählt insbesondere die besorgniserregende Entwicklung im Rahmen des arabischen Frühlings, informierte Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger. Man dürfe sich trotz aller Rückschläge nicht entmutigen lassen, sagte er, die Unterstützungsmaßnahmen der EU würden aber nur fließen, wenn Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Frauenrechte sowie Medien- und Meinungsfreiheit gewährleistet seien. Auch die Religionsfreiheit stelle gerade in Gesprächen mit Ägypten ein wichtiges Thema dar. Er ging damit auf eine skeptische Bemerkung von EU-Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) ein, die gefragt hatte, ob die EU im Rahmen des Programms "More for More" tatsächlich bereit sei, Gelder einzufrieren.

Weiters werde der Rat das Thema Syrien erörtern, so Spindelegger und merkte kritisch an, dass sich das Regime Assad hinter der Uneinigkeit im UNO-Sicherheitsrat verstecke. Solange dort keine Resolutionen gefasst werden, werde sich in Syrien nichts bewegen, bedauerte er.

Das Interesse an einer Stabilisierung in Mali begründete Spindelegger mit dem Hinweis auf die Gefahr von Wanderungsbewegungen. Man dürfe Menschenrechtsverletzungen nicht zuschauen, und er halte es für notwendig, dass sich die EU etwa am Aufbau von Sicherheitskräften in Mali beteiligt. Im Rahmen der EZA habe man dieser Region insgesamt 3,1 Mio. € zur Linderung humanitärer Katastrophen zukommen lassen.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass in Bezug auf Afrika ein einheitliches europäisches Konzept fehle. Neben dem militärischen und wirtschaftspolitischen Bereich müsse man auch an die gesellschaftspolitischen Aspekte denken, sagte sie. (Schluss EU-Hauptausschuss)jan