Parlamentskorrespondenz Nr. 91 vom 07.02.2013

BR fixiert Grundlagen für Start der neuen Verwaltungsgerichte

Weitere Themen: Energielenkungsgesetz, Sicherheit bei Kernmaterial

Wien (PK) – Mit gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen für Kernmaterial und Änderungen im Außenwirtschaftsgesetz startete der Bundesrat den Reigen der 18 Tagesordnungspunkte, die auf dem Programm der heutigen Plenarsitzung standen. Die beiden genannten Vorlagen passierten die Länderkammer ohne Einspruch, ebenso das Energielenkungsgesetz. Auch die vom Nationalrat verabschiedeten Verfahrensbestimmungen für die neuen Verwaltungsgerichte wurden von den Bundesrätinnen und Bundesräten befürwortet.

Vor Eingang in die Tagesordnung wurde der Antrag auf Abhaltung einer Parlamentarische Enquete zu mehr direkter Demokratie einstimmig als Punkt 19 auf die heutige Tagesordnung gesetzt.

Soll Österreich Kernmaterial exportieren dürfen?

Mit dem Sicherheitskontrollgesetz 2013 soll die Kontrolle hinsichtlich der Ausfuhr und der Gewährleistung der friedlichen Verwendung von Kernmaterial vor allem durch erweiterte Meldepflichten und Überwachungsmechanismen verbessert werden. Das Gesetz passierte die Länderkammer mehrheitlich. Mehrheitlich befürworteten die Bundesrätinnen und Bundesräte ferner die Novelle zum Außenwirtschaftsgesetz. Dadurch soll eine vollständige und unbemerkte Übernahme von Unternehmen, die in einer für die Versorgung der Bevölkerung kritischen Bereichen tätig sind, durch ausländische Großunternehmen verhindert werden.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) hielt fest, die Grünen könnten dem Gesetz über Ausfuhr von Produkten in Zusammenhang mit der Atomindustrie nicht zustimmen. Aus ihrer Sicht gibt es grundsätzlich keine friedliche Nutzung der Atomenergie, das beginne mit dem Abbau und dem Risiko eines Unfalls und ende bei ungeklärten Fragen einer sicheren Nutzung über hunderttausende von Jahren. Der Umgang mit AKW-GegnerInnen in Weißrussland, Indien, Japan, aber auch in Deutschland und Frankreich sei leider oft nicht sanft, kritisierte sie. Was die Exporte österreichischer Firmen in Zusammenhang mit Atomenergie betrifft, so sei eine Anfrage von Nationalrätin Christiane Brunner nicht zufriedenstellend beantwortet worden. Sie habe nur die Anzahl der Exporte erfahren, jedoch keine Details. Diese Geheimhaltung stehe im Widerspruch zur Haftungspflicht von Firmen bei Atomunfällen. Österreich habe sich seit langem gegen die Nutzung der Atomkraft entschieden, es bestehe ein Anti-AKW-Konsens, der nicht aufgeweicht werden sollte. Güter und Waren für Atomkraftwerke würden zwar in geringem, aber steigendem Umfang exportiert, das sei das falsche Signal, sagte Kerschbaum. Vom weltweitem Atomausstieg würden österreichische Firmen mehr profitieren als von solchen Exporten. 

Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O) wies darauf hin, dass es sich bei der gegenständlichen Materie um eine Anpassung an völkerrechtliche Bestimmungen handle. Damit werde verhindert, dass sich Österreich an kriegerischen Atomprogrammen anderer Länder beteiligt. Der Anti-Atom-Konsens werde sicherlich nicht in Frage gestellt, bekräftigte sie. Was die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes betrifft, so beinhalte diese wichtige Bestimmungen, um die Unabhängigkeit der europäischen Staaten und Österreich in Fragen der Grundversorgung sicherzustellen.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) widersprach der Darstellung seiner Vorrednerin, dass österreichische Firmen nicht an problematischen Atomprogrammen beteiligt seien. So sei ausländischen Zeitungen zu entnehmen gewesen, dass im Falle des Iran, der an einem Nuklearprogramm arbeitet, Wien eine zentrale Rolle in der Finanzierung zu spielen scheint. Ein Mitarbeiter des iranischen Staatspräsidenten habe über Wien Transaktionen in Millionenhöhe durchgeführt. Hier sei es eindeutig um Produkte für die iranische Atomindustrie gegangen, sagte Schreuder. Trotz Geldwäschevorwürfen, die österreichische Banken betreffen, würden keine Ermittlungen geführt, die Öffentlichkeit solle offenbar nicht erfahren, welche Rolle Wien für das Atomprogramm des Iran spielt, so seine Kritik. Das widerspreche dem Anti-Atomkonsens eindeutig. Es sei Tatsache, dass zwar StudentInnen aus dem Iran in Österreich kein Konto eröffnen dürfen, aber das iranische Regime dürfe das sehr wohl. Hier sehe er eine Schieflage, die er in diesem Zusammenhang ansprechen wollte, sagte Schreuder.  

Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) meinte dazu, es sei keine Frage, Sanktionen gegen ein Regime wie das im Iran zu ergreifen, das keine Menschenrechte achte und Minderheiten unterdrücke, seien notwendig. In diesem Gesetz gehe es aber nicht darum, Exporte zu erleichtern, sondern vielmehr werden neue Instrumentarien der Kontrolle der Ausfuhr, Sicherheitsbestimmungen und Regelungen für eine Marktbeobachtung im Bereich der Atomtechnologie geschaffen. Europa habe lange auf Atom gesetzt, Österreich habe früh eine Trendwende eingeleitet. Sicherlich gebe es noch eine starke Atomlobby, meinte Schennach, die Ausstiegsdebatte komme aber allmählich in Gang. Der Anti-Atomkonsens bedürfe einer fortwährenden lebendigen Debatte, die auch mit Firmen geführt werden müsse.

Das Außenwirtschaftsgesetz, sei ebenfalls wichtig, betonte Schennach, zumal darin auf die Probleme der strategischen Infrastruktur und Daseinsvorsorge reagiert werden. Das Gesetz, wie es vorliege, stelle einen österreichischen Verhandlungserfolg dar. Auch der Bundesrat habe sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Die Daseinsvorsorge betreffe auch das Trinkwasser, mit dem viel Geld zu verdienen sei. Es gebe sehr wohl Versuche in der EU, durch eine Strategie, die an verschiedenen Stellen ansetze, Druck in Richtung Privatisierung aufzubauen, hielt Schennach fest. Das habe sich zuletzt in den südeuropäischen Krisenstaaten gezeigt, und hier müsse man die Entwicklung aufmerksam im Auge behalten, betonte der Redner.   

Wirtschaftsminister Reinhold MITTERLEHNER zeigte kein Verständnis für die Ablehnung des Sicherheitskontrollgesetzes durch die Grünen. Er machte geltend, dass es bei der Aus- und Einfuhrkontrolle in Bezug auf Atomwaffen sogar zu Verschärfungen komme. Ein Exportverbot für Produkte und Komponenten zur friedlichen Nutzung von Kernenergie erachtet er nicht für sinnvoll, schließlich würde Nukleartechnik etwa auch zur Krebsbehandlung eingesetzt, sagte er.

Das Außenwirtschaftsgesetz bietet Mitterlehner zufolge der öffentlichen Hand die Möglichkeit, maßgebliche Unternehmensbeteiligungen bzw. Unternehmensübernahmen gegebenenfalls zu untersagen, wenn davon wesentliche Bereiche der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge betroffen sind.

Der Bundesrat stimmte dem Sicherheitskontrollgesetz mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu. Auch gegen die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes erhob er mehrheitlich kein Einspruch.

Die Energieversorgung soll auch in Krisenfällen sichergestellt sein

Das Energielenkungsgesetz blieb ebenfalls ohne Einspruch. Es dient der Sicherstellung der Energieversorgung in Krisenfällen.

Bundesrat Ferdinand TIEFNIG (V/O) wies darauf hin, dass Österreich durch seine Gasspeicher eine relativ hohe Versorgungssicherheit im Energiebereich habe. Um für Fälle der Energieknappheit gut gerüstet zu sein, erachtet er es darüber hinaus für wichtig, das Stromnetz auszubauen.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) erklärte, sie werde dem vorliegenden Gesetz nur mit Bauchweh zustimmen, da es dem Wirtschaftsminister viel Macht in die Hand gebe und ihm massive Eingriffe gestatte, wenn es aufgrund von Krisen zu erheblichen Störungen der Energieversorgung komme. Ziel muss es nach Meinung von Kerschbaum sein, Versorgungsengpässe erst gar nicht entstehen zu lassen. Sie machte sich daher eindringlich für eine Energiewende in Richtung erneuerbarer Energieträger stark. Derzeit bleiben ihr zufolge viele Projekte aufgrund fehlender Förderungen "in der Schublade liegen". Neben nachhaltiger Energieproduktion wertet Kerschbaum außerdem Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und die Forcierung von Elektro-Mobilität als wesentlich.

Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T) hielt fest, das alte Energielenkungsgesetz sei durch zahlreiche Novellierungen unübersichtlich geworden. Deshalb werde nun ein neues Gesetz erlassen. Es seien sich alle einig, dass es am besten wäre, wenn die Krisenfall-Bestimmungen nie gebraucht werden, meinte er, man könne aber nicht ausschließen, dass es in Zukunft zu Energieengpässen kommen werde. Ausdrücklich begrüßte Schweigkofler, dass im Falle von Energieknappheit die Versorgung privater Haushalte Vorrang hat. Allgemein urgierte er den Bau einer zweiten Gasleitung nach Tirol.

Wirtschaftsminister Reinhold MITTERLEHNER wies darauf hin, dass es bereits seit 1982 gesetzliche Regelungen gebe, um für Versorgungsengpässe im Energiebereich gerüstet zu sein. In der Praxis sei es bisher aber nie notwendig geworden, die Notfallbestimmungen anzuwenden, betonte er. Selbst als die Ukraine im Jahr 2009 die Gasversorgung nach Österreich unterbrach, sei man mit Empfehlungen und freiwilligen Maßnahmen über die Runden gekommen. Mitterlehner machte in Richtung der Grünen zudem geltend, dass die Macht des Wirtschaftsministers in Krisenfällen insofern beschränkt sei, als Verordnungen nachträglich dem Hauptausschuss des Nationalrats zur Genehmigung vorgelegt werden müssten. Damit sei die parlamentarische Kontrolle gewährleistet.

Der Bundesrat erteilte dem Energielenkungsgesetz ausdrücklich seine Zustimmung. Der Beschluss fiel einstimmig und damit mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit.

Neue Verwaltungsgerichtsbarkeit kann pünktlich starten

Einhellig passierte schließlich auch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2012 die Länderkammer - ein Gesetzespaket, das unter anderem die Verfahrensregeln für die neuen Verwaltungsgerichte festlegt, die ab 2014 ihre Tätigkeit aufnehmen sollen. Darüber hinaus wird unter anderem im Verwaltungsstrafgesetz sowohl die Obergrenze für Organmandate von 36 € auf 90 € hinaufgesetzt als auch für Strafverfügungen ein Limit von 600 € (bisher 365 €) festgelegt. Für Anonymverfügungen gilt künftig eine Strafgrenze von 365 € (bisher 200 €).

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) betonte, die vorliegende Gesetzesnovelle könne sich sehen lassen. Seiner Ansicht nach ist es gelungen, alle Ziele der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erreichen. Durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten werde der Rechtszugang für die BürgerInnen nicht erschwert, es gebe kein kompliziertes Verfahrensrecht und Verwaltungsverfahren würden nicht verteuert, bekräftigte er. Besonders begrüßte Klug, dass die Berufungsfrist gegen Bescheide von Behörden von ursprünglich zwei auf nunmehr vier Wochen ausgedehnt wurde. Der Bundesrat könne dem vorliegenden Gesetzentwurf auch deshalb beruhigt zustimmen, weil alle Vorschläge der Verbindungsstelle der Bundesländer aufgegriffen worden seien, betonte Klug. Um einen Wechsel der RichterInnen zwischen den einzelnen Verwaltungsgerichten zu ermöglichen, plädierte er für ein möglichst einheitliches Dienstrecht.

Bundesrat Gottfried KNEIFEL (V/O) unterstrich, bei der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzes sei von allen Seiten sehr gute Arbeit geleistet worden. Die Landesverwaltungsgerichte würden für die BürgerInnen mehr Rechtssicherheit, mehr Bürgernähe und schnellere Verfahren bringen, unterstrich er. Die Verfahrensregeln orientierten sich grundsätzlich an jenen der Unabhängigen Verwaltungssenate. Für Kneifel zeigt das Gesetz überdies, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern gut funktioniert. Es habe wenige Legislaturperioden gegeben, in denen Bund und Länder gemeinsam so viel weitergebracht hätten, sagte er. Als Beispiele nannte er die Einigung über die Pflegefinanzierung, die Reform der Sicherheitsbehörden, die Gesundheitsreform, die Einrichtung der Transparenzdatenbank, den Stabilitätspakt und das Spekulationsverbot. Auch bei der Jugendwohlfahrt habe man zuletzt eine Einigung erzielen können. Für die Zukunft kann sich Kneifel mehr Steuerautonomie für die Länder vorstellen, das würde seiner Meinung nach die Eigenverantwortung stärken.

Auch Bundesrat Hermann BRÜCKL (F/O) begrüßte das vorliegende Gesetz und hielt fest, mit der Beschlussfassung der Verfahrensregeln komme man der Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte einen "ganz ganz" großen Schritt näher. Er lobte die seiner Ansicht nach konstruktiven Verhandlungen und hob insbesondere die nunmehr vierwöchige Berufungsfrist als bürgerfreundlich und praktikabel hervor. Einige Fragen wie das Kommandantenverfahren beim Bundesheer sowie der Instanzenzug bei den Universitäten und den Rechtsberufen seien zwar noch offen, sagte Brückl, er zeigte sich aber zuversichtlich, dass auch in diesen Punkten eine Lösung gefunden werden kann, wenn das Verhandlungsklima so bleibe, wie es ist.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) stellte fest, das vorliegende Paket verdiene zu Recht die Bezeichnung Reform, und hob insbesondere die Unabhängigkeit der Entscheidungen, den verbesserten Rechtsschutz, die Möglichkeit, sich niederschwellig gegen Entscheidungen wehren zu können sowie die Vereinfachung und die stärkere Klarheit in Bezug auf den Instanzenzug als zentrale Punkte aus Sicht der Grünen hervor.

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) begrüßte den breiten Konsens über die Reform und sprach von Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen Bund und Ländern. Als Schönheitsfehler bezeichnete er den Umstand, dass die UVP-Verfahren weiterhin auf Bundesebene verbleiben.

Staatssekretär Josef OSTERMAYER dankte den Verhandlungspartnern auf Länderebene, aber auch den VertreterInnen der Fraktionen für deren Kooperations- und Kompromissbereitschaft und meinte, die vorliegende Reform sei ein Beweis dafür, dass Politik sehr wohl von Vernunft getragen sein und ohne Polemik und Gehässigkeiten auskommen könne.

Bei der Abstimmung wurde gegen die Vorlage einstimmig kein Einspruch erhoben. (Fortsetzung Bundesrat)jan/red


Format