Parlamentskorrespondenz Nr. 93 vom 07.02.2013

Bundesrat: Schwere Vorwürfe der FPÖ gegen Wiener Polizeipräsidenten

Dringliche Anfrage zu Demonstrationen rund um den Akademikerball

Wien (PK) – Die Demonstrationen rund um den Akademikerball der FPÖ am 1. Februar 2013 hatten heute im Bundesrat ein parlamentarisches Nachspiel. Die Bundesräte Hans-Jörg Jenewein (F/W) und Gerd Krusche (F/St) brachten eine an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gerichtete Dringliche Anfrage ein, in der sie zu 50 detaillierten Punkten Auskunft verlangen. Die Beantwortung übernahm Staatssekretär Sebastian Kurz.

Bundesrat Hans-Jörg JENEWEIN (F/W) machte den Wiener Polizeipräsidenten Pürstl für die Eskalation der Situation anlässlich des Akademikerballs verantwortlich. Anständige und rechtschaffene Menschen seien am Weg zur Ballveranstaltung verhöhnt und bespuckt worden, die Wiener Polizei habe trotz gegenteiliger Zusagen den Zugang zum Ball nicht gesichert. Jenewein warf Pürstl im Einzelnen vor, keinerlei Einsatzbefehl an die Exekutive gegeben und damit vorsätzlich in Kauf genommen zu haben, dass BallbesucherInnen belästigt werden.

Während man in Österreich über "Po-Grapschen" diskutiere, werden auf Wiens Straßen BallbesucherInnen angepöbelt und angespuckt und der Polizeipräsident sage dazu noch, es bestehe kein Aggressionspotential, empörte sich Jenewein. Der Antifaschismus sei heute bereit, mit Steinen zu werfen und Menschen auf die Straßen zu jagen, stellte der Redner an die Adresse der DemonstrantInnen gerichtet fest und forderte SPÖ und Grüne auf, sich davon zu distanzieren. Jenewein kündigte eine Klage gegen den Wiener Polizeipräsidenten an und teilte überdies mit, die FPÖ verfüge über ausreichendes Beweismaterial, um ihre Vorwürfe zu untermauern.

Kurz: Zufahrtsrouten wurden frei und sicher gehalten

Staatssekretär Sebastian KURZ, der in Vertretung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Dringliche Anfrage beantwortete, erklärte, Ziel der Behörden sei es gewesen, die freie und gesicherte Zufahrt für die Ballgäste zu gewährleisten. Es habe mehrere Alternativrouten für Taxis gegeben sowie eine permanente Konsultation mit der Taxi-Innung, auch habe man die U-Bahn-Station Herrengasse abgesichert. Zu jedem Zeitpunkt habe es einen freie und gesicherte Zufahrtsroute gegeben, Blockaden an diesen Zufahrtsrouten seien unterbunden worden.

Kurz berichtete darüber hinaus von 87 strafrechtlichen Anzeigen und betonte, bei sämtlichen strafrechtlich relevanten Handlungen sei konsequent eingeschritten worden. Auch habe man aus dem Ausland eingereiste DemonstrantInnen kontrolliert und den erforderlichen Informationsaustausch mit den Polizeidienststellen der Nachbarländer betrieben. Von der Durchsetzung eines Versammlungsverbots sei abgesehen worden, da eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht zu befürchten war, teilte Kurz überdies mit.

Aussage gegen Aussage

Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) widersprach der Darstellung aus dem Innenministerium und betonte, es habe sehr wohl Blockaden des Zugangs zum Ball gegeben. Die FPÖ verfüge über eine Fülle an Zeugenaussagen und filmischem Beweismaterial, die dies bestätigten. Fest stand für den Redner, dass die Ballgäste mit Billigung der Exekutive am Ballbesuch gehindert wurden. Der Hochschülerschaft wiederum warf er vor, die Anreise von DemonstrantInnen mit den "Zwangsbeiträgen" der Studierenden bezahlt zu haben. Die drittgrößte Partei des Landes werde von der Exekutive nicht mehr geschützt, meinte Krusche und fügte an, er wolle nicht, dass die FPÖ gezwungen werde, den Schutz selbst in die Hand zu nehmen. Den Wiener Polizeipräsidenten Pürstl erklärte Krusche für rücktrittsreif.

Bundesrat Klaus FÜRLINGER (V/O) stellte klar, in einer Demokratie müsse es für jeden möglich sein, im Rahmen der Gesetze seine Meinung zu äußern und kundzutun, ohne dass er dafür verfolgt wird. Die österreichische Demokratie sei reif und alt genug, um es auszuhalten, wenn einer A und der andere B sagt. Das Demonstrationsrecht werde dort missbraucht, wo friedliche Kundgebungen zum Anlass für Straftaten genommen werden. Fürlinger drückte seine Hoffnung aus, dass diese Diskussion heute zum letzten Mal geführt werde und dass im nächsten Jahr "die einen friedlich ihre Meinung kundtun und die anderen ungestört ihre Faschingsfeier abhalten können".

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) betonte, die Demonstrationen richteten sich gegen die Zusammenkunft hochrangiger Vertreter rechtsextremer europäischer Kreise. Man habe dagegen demonstriert, dass sich Menschen treffen, die den Holocaust verherrlichen. Der Akademikerball sei eine Faschingsveranstaltung und betreffe nicht unbedingt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, meinte Todt und unterstrich, die sichere Zufahrt sei durch die Exekutive sehr wohl  gewährleistet worden. Der FPÖ aber wäre es nicht um Kooperation, sondern um Konfrontation gegangen, der Ballveranstalter habe sich nicht an die Vereinbarungen betreffend Bustransfer oder U-Bahn-Zufahrt gehalten. Demonstration sei ein Grundrecht, auch die FPÖ könne den Menschen nicht verbieten, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen, bemerkte Todt.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) warf der FPÖ vor, mit einer eigenen Privatexekutive zwecks Selbstjustiz zu drohen. Der Ball sei keine reine Faschingsveranstaltung, sondern ein Treffen vieler europäischer Rechtsextremer. Der FPÖ sei es dabei vor allem um Provokation und Medienpräsenz gegangen, um von ihrer Konzeptlosigkeit in Bezug auf die wirklich großen politischen Themen abzulenken, vermutete Schreuder. Die Freiheitlichen würden austeilen und sich dann als Opfer darstellen, kommentierte der Grün-Mandatar die Ereignisse rund um den Ball aus seiner Sicht.

Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) replizierte auf Bundesrat Todt mit der Bemerkung, er habe nicht zur Sache gesprochen. Schreuders Behauptung, die FPÖ habe gehofft, es werde zu Gewalt kommen, wies der Redner als Unterstellung zurück. Außerdem habe die FPÖ nicht die Polizei, sondern den für die Polizei Verantwortlichen für das Versagen kritisiert.

(Schluss Dringliche Anfrage/Fortsetzung Bundesrat)jan/red


Format