Parlamentskorrespondenz Nr. 103 vom 13.02.2013

Zentrale EU-Vorhaben 2013: Bundeskanzler Faymann legt Bericht vor

Bessere Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, 6 EU-Gipfel

Wien (PK) – Mit der grundsätzlichen Einigung der Staats- und Regierungschefs der EU-Länder über den Budgetrahmen für die Europäische Union für die Jahre 2014 bis 2020 wurde bereits ein erster wichtiger Schritt zur Abarbeitung des diesjährigen Arbeitsprogramms der EU gesetzt, auch wenn die Zustimmung des Europäischen Parlaments noch fehlt. Der Abschluss des Finanzrahmens ist allerdings nur eines unter vielen Vorhaben, die sich die EU-Kommission und das aktuelle Trio der Ratspräsidentschaft für heuer vorgenommen haben.

Womit sich die EU 2013 schwerpunktmäßig beschäftigen wird, darüber informieren Berichte der jeweils zuständigen Ministerien. Für den Kompetenzbereich des Bundeskanzleramtes und des Frauenressorts haben Bundeskanzler Werner Faymann und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek dem Parlament einen gemeinsamen Bericht vorgelegt (III-391 d.B.). Dabei geht es nicht nur um jene Themen, die bei den insgesamt sechs für heuer geplanten EU-Gipfeln eine zentrale Rolle spielen werden, sondern auch um einzelne konkrete Politikfelder. Wesentliche Ziele für die EU-Kommission sind unter anderem, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU-Länder besser aufeinander abzustimmen, den Binnenmarkt weiter zu vertiefen, die Beschäftigung anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Außerdem stehen die Dauerthemen Abbau von Verwaltungslasten, EU-Erweiterung und Gemeinsame Außenpolitik auf der Agenda. Auch einige institutionelle Entscheidungen sind zu treffen.

Noch mindestens fünf weitere EU-Gipfel

Wie aus dem Bericht hervorgeht, werden die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder nach ihrem Treffen am 7./8. Februar heuer noch zu zumindest fünf weiteren EU-Gipfeln – 14./15. März, 22. Mai, 27./28. Juni, 24./25. Oktober und 19./20. Dezember – zusammenkommen. Schwerpunkt beim Frühjahrsgipfel im März wird dabei eine bessere Abstimmung der nationalen Wirtschafts- und Haushaltspolitiken sein (Europäisches Semester). Zudem sollen die 17 Euro-Länder und die anderen Teilnehmerstaaten am Euro-Plus-Pakt über den Umsetzungsstand der von ihnen übernommenen Verpflichtungen berichten – mittelfristiges Ziel des Pakts ist eine größere Konvergenz der Volkswirtschaften.

Auch beim Europäischen Rat im Juni wird es voraussichtlich um die Koordinierung der Wirtschaftspolitik gehen. Dazu stehen weitere Schritte zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, die engere Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz sowie die Erweiterung der EU am Programm. Der EU-Gipfel im Mai wird sich schwerpunktmäßig dem Thema Energie und den Beziehungen der EU zu Schlüsselpartnern und -regionen widmen. Im Oktober soll es um Innovation und die "Digitale Agenda", im Dezember um eine Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und nochmals um die Frage der EU-Erweiterung gehen.

Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion

Generell messen die EU-Kommission und das aktuelle Ratspräsidentschafts-Trio der Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion und einer weiteren Vertiefung des Binnenmarkts große Bedeutung bei. Nur durch eine bessere Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik könne das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen sowie Stabilität und Wohlstand in Europa gesichert werden, heißt es dazu im Bericht. Einige konkrete Maßnahmen und die Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht sind bereits im Laufen – soll die EU in diesem Bereich aber deutlich mehr Macht und Einfluss bekommen, ist eine Änderung der EU-Verträge erforderlich.

Die österreichische Regierung spricht sich in diesem Zusammenhang für eine transparente, strukturierte und ergebnisoffene Debatte aus. Maßgeblich ist für sie, dass eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion einen positiven Effekt auf Wachstum und Beschäftigung hat. Zudem fordert sie während des gesamten Prozesses eine angemessene Beteiligung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments.

EU-Kommission prüft makroökonomische Ungleichgewichte

Was das Europäische Semester betrifft, hat die EU-Kommission Ende November sowohl den Jahreswachstumsbericht 2013 als auch den damit in Zusammenhang stehenden Warnmechanismusbericht vorgelegt, wobei die fünf Prioritäten aus dem Vorjahr – differenzierte, wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung, Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe, Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Bewältigung der sozialen Folgen der Krise sowie Modernisierung der Verwaltung – bestätigt wurden. In 14 EU-Mitgliedsländern hat die EU-Kommission auf Basis von elf Indikatoren ein potenziell übermäßiges makroökonomisches Ungleichgewicht festgestellt, die Tiefenanalyse soll bis Mitte/Ende März am Tisch liegen. Für Österreich wurde keine Warnmechanismus ausgelöst.

Regelmäßige Euro-Gipfel als Antwort auf Euro-Krise

Um die Politik der Euro-Länder besser aufeinander abzustimmen und in Krisensituationen rascher reagieren zu können, sind künftig regelmäßige informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs des Euroraums geplant, zu denen auch der Präsident der EU-Kommission und der Präsident der Europäischen Zentralbank eingeladen werden sollen. Gleichzeitig soll – für jeweils zweieinhalb Jahre – ein Präsident der Euro-Gipfel gewählt werden. Die Gipfel sollen bei Bedarf, mindestens jedoch zweimal jährlich stattfinden.

Österreich behält EU-Kommissar, könnte aber ein EP-Mandat verlieren

Wie der Bericht festhält, stehen in den nächsten Monaten auch einige Entscheidungen über die Vertretung Österreichs in verschiedenen EU-Institutionen an. So muss die Zahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament, die durch den bevorstehenden EU-Beitritt Kroatiens vorübergehend auf 766 steigt, für die kommende Wahlperiode 2014 bis 2019 wieder auf 751 reduziert werden. Ob Österreich einen seiner 19 Sitze verliert, ist derzeit noch offen, die Entscheidung wird der Europäische Rat auf Basis eines Vorschlags des Europäischen Parlaments treffen. Auch die Zahl der Mitglieder im Wirtschafts- und Sozialausschuss und im Ausschuss der Regionen wird reduziert.

Politisch bereits geeinigt haben sich die EU-Staaten darauf, dass entgegen den ursprünglichen Plänen jedes Mitgliedsland bis auf Weiteres einen Kommissar behält. Der formelle Beschluss soll Ende 2013 oder Anfang 2014 gefasst werden.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament werden im Übrigen möglicher Weise um zwei Wochen vorverlegt, um eine Kollision mit Pfingsten zu vermeiden. Von den meisten Mitgliedstaaten als Wahltermin präferiert wird der Zeitraum vom 22. bis 25. Mai 2014, die Entscheidung darüber soll noch in der ersten Jahreshälfte dieses Jahres fallen.

Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention stockt

Noch keine Fortschritte gibt es in Bezug auf den grundsätzlich vereinbarten Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Verhandlungen mit dem Europarat stocken laut Bericht, nachdem die Vorbehalte, die Frankreich und Großbritannien zu zentralen Bestimmungen des Entwurfs des Beitrittsvertrags angemeldet haben, nur zum Teil ausgeräumt werden konnten.

Ebenfalls seit längerem verhandelt wird über eine Reform des EU-Beamtenstatus. Die EU-Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, die derzeitige Methode der Gehaltsanpassung zu ändern, das Regelpensionsalter von 63 auf 65 Jahre hinaufzusetzen, die Mindestwochenarbeitszeit auf 40 Stunden zu erhöhen und die jährlichen Heimreisetage zu reduzieren. Zudem wird eine 5-%ige Personalreduktion in allen Institutionen bis 2018 im Vergleich zum Stand 2012 angestrebt. Österreich gehen, wie vielen anderen EU-Ländern, die Vorschläge der EU-Kommission nicht weit genug, zuletzt wurde das Thema bei den Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen angesprochen.

Kommunikationstechnologie, Datenschutz und Regionalpolitik

Was den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) betrifft, informiert der Bericht unter anderem über Pläne der EU-Kommission, mit einer Cyber-Security-Strategie gezielt gegen Cyberkriminalität vorzugehen, die grenzüberschreitende Nutzung von Bürgerkarten und anderen sicheren elektronischen Signaturen durch eine Vereinheitlichung der technischen Standards zu ermöglichen, einen barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen vorzuschreiben und Online-Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu forcieren. Geplant ist auch, das Mandat der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) zu überarbeiten und im Rahmen der "Digitalen Agenda" den Ausbau von Breitband-Festnetzen und Mobilfunk-Hochgeschwindigkeitsnetzen voranzutreiben.

Noch eine Weile dauern dürften die Verhandlungen über einen neuen Rechtsrahmen für den Schutz personenbezogender Daten: Gegen das von der EU-Kommission Anfang 2012 vorgelegte Legislativpaket haben die Mitgliedstaaten etliche Vorbehalte. Österreich ist es wichtig, dass das geltende Datenschutzniveau keinesfalls unterschritten wird, hält der Bericht fest. Die Regierung würde – bei entsprechend hohen Schutzstandards – auch ein Rahmenabkommen zwischen der EU und den USA über den Datenschutz im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit begrüßen, die vorübergehend ausgesetzten Verhandlungen darüber sollen nunmehr wieder aufgenommen werden.

Im Bereich der Kohäsions- und der Regionalpolitik begrüßt die Regierung die Fokussierung der zukünftigen Fördermittel auf die Ziele der EU 2020-Strategie, die auf ein nachhaltiges und integratives Wirtschaftswachstum abzielt. Eine Evaluierung der EU-Donauraumstrategie und der Strategie für den Ostesseraum seitens der EU-Kommission soll bis Mitte 2013 vorliegen.

Integration von Roma: Österreich muss weitere Maßnahmen setzen

Von der EU-Kommission bereits evaluiert wurden die nationalen Strategien zur Integration der Roma, aus dem Bericht ergibt sich für Österreich weiterer Handlungsbedarf. Insbesondere ist Österreich aufgefordert, weiterführende Maßnahmen in den vier Kernbereichen Bildung, Beschäftigung, Wohnen und Gesundheitsfürsorge zu konzipieren, Mechanismen zur Überprüfung gesteckter Ziele zu entwickeln und entsprechende Finanzmittel bereitzustellen.

Weiterverfolgt werden die Bemühungen der Europäischen Institutionen und der Regierung, den BürgerInnen die Leistungen der EU näherzubringen. Unter anderem soll eine Informationskampagne entwickelt werden, um die BürgerInnen zu ermuntern, an den Wahlen zum Europäischen Parlaments teilzunehmen.

Gleichstellung von Frauen und Männern: EU setzt auf Quoten

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU voranzutreiben, setzt die EU unter anderem auf Quoten. So soll etwa eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten börsennotierender Gesellschaften sichergestellt werden. Die österreichische Position zum Richtlinienvorschlag ist laut Bericht noch in Ausarbeitung, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek begrüßt diesen jedoch ausdrücklich. Nach wie vor in Verhandlung sind die seit längerem auf dem Tisch liegende Anti-Diskriminierungsrichtlinie und die Mutterschutzrichtlinie.

Diskussionsthema auf EU-Ebene sollen heuer unter anderem auch die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, der Bereich Frauen und Medien, die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen und die Wirksamkeit institutioneller Mechanismen für die Geschlechtergleichstellung sein. Für 6. März ist ein runder Tisch zum Thema Genitalverstümmelung anberaumt. Das Jahr 2014 soll Europäisches Jahr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden. (Schluss) gs