Parlamentskorrespondenz Nr. 213 vom 14.03.2013

Gesetzesnovelle bringt Fachkräftestipendium und Bildungsteilzeit

Sozialausschuss beschließt einstimmig Regierungsvorschlag

Wien (PK) – Um dem drohenden Facharbeitermangel in manchen Berufssparten entgegenzuwirken, setzt die Politik nun auf neue Arbeitsmarktinstrumente. Wer arbeitslos ist oder sich beruflich neu orientieren will und nur eine geringe oder mittlere Qualifikation hat, erhält künftig unter bestimmten Auflagen ein Fachkräftestipendium. Ein entsprechender Beschluss wurde heute vom Sozialausschuss des Nationalrats in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags einstimmig gefasst. Das Stipendium lehnt sich an das Selbsterhalterstipendium für Studierende an und wird für eine Ausbildung in Mangelberufen gewährt. Voraussetzung ist eine zumindest vierjährige Beschäftigung innerhalb der letzten 15 Jahre. Außerdem wird mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2013 (SRÄG 2013) die Bildungsteilzeit eingeführt und das Weiterbildungsgeld punktuell reformiert. Sozialminister Rudolf Hundstorfer strich die Eckpunkte des SRÄG 2013 hervor, das u.a. einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gewährleiste, gleichzeitig aber auch strengere Erfolgsnachweise vorsehe.

Die Höhe des Fachkräftestipendiums orientiert sich laut Gesetzentwurf (2150 d.B.) am Ausgleichszulagenrichtsatz. Die maximale Bezugsdauer beträgt drei Jahre. Daneben wird für ArbeitnehmerInnen die neue Möglichkeit geschaffen, mit ihrem Arbeitgeber Bildungsteilzeit zu vereinbaren. Wer seine Arbeitszeit zum Zweck der Weiterbildung reduziert – um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte – erhält zusätzlich zum aliquoten Lohn ein pauschaliertes Bildungsteilzeitgeld im Ausmaß von täglich 0,76 € pro reduzierter Arbeitsstunde. Umgerechnet sind das bei einer Arbeitszeitreduktion von 19 Wochenstunden knapp 440 € im Monat.

Voraussetzung für den Bezug von Bildungsteilzeitgeld ist, dass das Arbeitsverhältnis zuvor durchgehend mindestens sechs Monate gedauert hat und die wöchentliche Arbeitszeit während der Bildungsteilzeit zehn Stunden nicht unterschreitet. Die Bildungsteilzeit ist für mindestens vier Monate und höchstens zwei Jahre zu vereinbaren, eine Stückelung in einzelne Teile innerhalb eines Vierjahreszeitraums ist möglich. Es kann auch ein – einmaliger – Wechsel von Bildungsteilzeit zur Bildungskarenz vorgenommen werden.

Weiterbildungsgeld während einer Bildungskarenz erhalten Personen künftig nur noch dann, wenn sie zuvor mehr als geringfügig beschäftigt waren. Zudem sind nunmehr auch für den Besuch universitärer Studien Leistungsnachweise zu erbringen. Die jährlichen Zusatzkosten für das gesamte Bildungspaket werden auf rund 24 bis 26 Mio. € geschätzt, eine Evaluierung der neuen Bildungsteilzeit und des Fachkräftestipendiums ist für 2014 geplant.

Ursprünglich waren im Sozialrechts-Änderungsgesetz auch Bestimmungen enthalten, die den freien Arbeitsmarktzugang für bulgarische und rumänische StaatsbürgerInnen ab 2014 und die verzögerte Öffnung des Arbeitsmarkts für kroatische StaatsbürgerInnen betreffen, diese Bestimmungen wurden jedoch mittels eines Abänderungsantrags herausgenommen und in eine in weiterer Folge diskutierte Regierungsvorlage zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingebaut.

Mitverhandelt mit dem Sozialrechts-Änderungsgestz 2013 wurden mehrere Entschließungsanträge der Opposition. Die Grünen fordern die Abschaffung von Volontariaten im öffentlichen Dienst und in profitorientierten privaten Unternehmen (1640/A[E], 2190/A[E]) und eine faire Bezahlung für alle PraktikantInnen (2191/A[E]). Das BZÖ drängt auf die Einführung des freiwilligen "Papamonats" auch in der Privatwirtschaft (1884/A[E]) und eine finanzielle Unterstützung von Personen, die sich beruflich neu orientieren und in den Pflege- und Betreuungsbereich umsteigen wollen (2034/A[E]).

Die Abgeordneten Franz Riepl (S) und Wolfgang Katzian lobten das vorliegende "Fachkräftepaket", das sehr wichtige Veränderungen bringe und vor allem gering qualifizierten Personen, die die größten Probleme am Arbeitsmarkt haben, neue Chancen eröffne.

Abgeordneter August Wöginger (V) ging ebenfalls auf die Eckpunkte des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2013 ein und hob insbesondere die Einführung der Bildungsteilzeit hervor. Von entscheidender Bedeutung für die ArbeitnehmerInnen sei natürlich, ob man sich angebotene Maßnahmen auch leisten könne. Wenn jemand z.B. 1.700 € netto verdient und seine Arbeitszeit um die Hälfte reduziert, werde er während der Bildungsteilzeit ca. 1.500 € erhalten, hob Wöginger beispielhaft hervor. Er glaube daher, dass dies eine Win-Win-Situation sowohl für die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber sei.

Auch Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) hielt es für wichtig, die Weiterbildungsmöglichkeiten gerade von niedrig qualifizierten ArbeitnehmerInnen zu fördern, da diese Gruppe derzeit kaum von den Angeboten profitiere. Auch seine Fraktionskollegin Ursula Haubner beurteilte die Bildungsteilzeit sowie die Nachbesserungen beim Weiterbildungsgeld (Einführung von Leistungsnachweisen) positiv. Was ihren Antrag bezüglich Einführung eines Papamonats – analog zum öffentlichen Dienst – betrifft, so sollte es ihrer Meinung nach allen Vätern ermöglicht werden, innerhalb der ersten zwei Monate nach der Geburt eines Kindes vier Wochen unbezahlte Karenz zu nehmen. Zur finanziellen Absicherung der Familie schlug sie zudem vor, dem Kindesvater während des Papamonats parallel zum Wochengeldbezug der Mutter Kinderbetreuungsgeld zu gewähren. In dem zweiten Antrag des BZÖ werde gefordert, den beruflichen Umstieg in den Pflege- und Betreuungsbereich besser zu fördern, erinnerte sie. Sozialminister Rudolf Hundstorfer solle ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit ein Berufsumstieg für alle Personen, die dazu motiviert sind, auch leistbar ist. Haubner trat zudem dafür ein, dass auch berufstätige Personen vom AMS gefördert werden können.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) stellte bezüglich der BZÖ-Initiative zur Einführung eines Papamonats einen Vertagungsantrag, da es Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern gebe. -Abgeordneter Stefan Markowitz (T) begrüßte grundsätzlich die Neuerungen, hegte jedoch Zweifel bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit von Maßnahmen wie der Bildungsteilzeit. - Abgeordneter Werner Neubauer (F) gab zu bedenken, dass der Einkommensausgleich bei der Bildungsteilzeit nicht sehr hoch sei und wünschte sich zumindest zusätzliche steuerliche Erleichterungen in diesem Bereich.

Da sich viele Personen die Bildungskarenz nicht leisten können, sei die Bildungsteilzeit ein sinnvoller Schritt, auch wenn die finanzielle Unterstützung nicht allzu hoch sei, meinte Abgeordnete Birgit Schatz (G). Kritik übte die Mandatarin der Grünen an der Tatsache, dass es keinen Rechtsanspruch auf derartige Bildungsauszeiten gibt. Auch beim Fachkräftestipendium, für das man maximal 795 € bekommt, stelle sich die Frage, ob die Betroffenen nicht stattdessen gleich eine Schulung beim AMS machen und weiterhin Arbeitslosengeld beziehen.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer stellte in Richtung der Abgeordneten Schatz fest, dass das AMS keine Schulung bezahle, wenn der Betroffene im Grundberuf vermittelbar ist. Außerdem müssen die Personen – im Gegensatz zu den Voraussetzung für den Erhalt eines Fachkräftestipendiums – mindestens drei Monate arbeitslos gemeldet sein. Der Minister informierte zudem darüber, dass Bezieher von Fachkräftestipendien sehr wohl geringfügig dazu verdienen dürfen. Überdies gebe es natürlich die Möglichkeit, die Bildungsausgaben in Form von Werbekosten von der Steuer abzusetzen. Dem Abgeordneten Karl Öllinger entgegnete Hundstorfer, dass es ein äußerst umfangreiches Angebot an Bildungsberatungsstellen gebe, auch in den ländlichen Regionen.

Diskussion über rechtliche Stellung von Praktikanten

Eine ausführliche Diskussion gab es sodann noch über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Praktikanten und Volontäre. Abgeordnete Birgit Schatz kritisierte, dass die finanzielle Entschädigung von Praktika zum Großteil gar nicht und wenn, dann sehr unterschiedlich geregelt sei. Lediglich im Bereich der berufsbildenden Schulen würden Pflichtpraktika zumeist als Arbeitsverhältnisse bewertet.

Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) lehnte gesetzliche Sonderregelungen für Praktikanten und Volontäre ab, weil damit ungesetzliche Zustände legalisiert würden. Wenn jemand in einem Unternehmen arbeitet, dann soll er entsprechend den Kollektivverträgen auch entlohnt werden. – Abgeordneter August Wöginger (V) räumte ein, dass ein sinnvoller und gangbarer Weg in dieser Problematik gefunden werden müsse, wobei man sowohl die Dauer als auch die Art der Tätigkeit berücksichtigen und auf die Anforderungen der jeweiligen Branche eingehen müsse. - Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) äußerte Bedenken bezüglich der G-Anträge, da ein "Schnuppern" in Form eines Volontariats sicher für viele Berufsanfänger hilfreich sei. Dennoch sei er überzeugt davon, dass rechtliche Klarstellungen notwendig sind. - Abgeordneter Werner Neubauer (F) war gegen eine Abschaffung von Volontariaten, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen. Er sah jedoch auch einen Handlungsbedarf, da Praktikanten manchmal als billige Arbeitskräfte missbraucht würden. Abgeordneter Bernhard Vock (F) hielt Praktika und Volontariate grundsätzlich für sinnvoll, bestehende "Grauzonen" sollten allerdings genau geregelt werden.

Da es sehr unterschiedliche Zugänge zu diesem Thema gibt und einige Aspekte näher beleuchtet werden sollten, lud Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Mitglieder des Ausschusses dazu ein, gemeinsam eine Expertentagung abzuhalten. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue