Parlamentskorrespondenz Nr. 231 vom 20.03.2013

Bilanz nach 20 Jahren Bundes-Gleichbehandlungsgesetz

Aktuelle Stunde im Nationalrat mit Frauenministerin Heinisch-Hosek

Wien (PK) – Mit einer Debatte über die Situation der Frauen in Österreich startete der Nationalrat in die die beiden Sitzungstage. Die SPÖ hatte für die Aktuelle Stunde das Thema "Gleichstellung: Erfolge. Perspektiven. Maßnahmen" gewählt.

Vor Beginn der Diskussion wurde Norbert DARABOS (S), der sein Amt als Verteidigungsminister zurückgelegt hat, als Abgeordneter angelobt.

Opposition drängt, Spekulationsverbot auf die Tagesordnung zu setzen

Nach der Aktuellen Stunde findet eine Einwendungsdebatte gegen die Tagesordnung statt, da das BZÖ im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte verlangt hat, die Berichte des Budgetausschusses zum Spekulationsverbot auf die Tagesordnung zu setzen und darüber eine Debatte abzuhalten. Im Budgetausschuss war die erforderliche Zweidrittelmehrheit dafür nicht erreicht worden, auch die weiteren Verhandlungen mit der Opposition führten bislang zu keinem Erfolg, sodass die notwendige Verfassungsrechtliche Mehrheit im Plenum nicht zustande kommen würde.

BZÖ-Klubobmann Josef BUCHER begründete seine Forderung mit der Feststellung, die BürgerInnen hätten ein Recht zu erfahren, welche Partei welche Positionen einnimmt. Dem schloss sich auch Klubobmann Heinz-Christian STRACHE (F) an. Er kritisierte vor allem die Länder und verlangte, ein gutes, nachhaltiges und echtes Spekulationsverbotsgesetz auszuarbeiten, das keine Hintertüren für die Länder offen lässt. Für "schwer verbesserungswürdig" hielt auch Abgeordneter Werner KOGLER (G) das im Budgetausschuss beschlossene Paket zum Spekulationsverbot mit Steuergeldern. Aus diesem Grund sollte es jetzt im Nationalrat behandelt werden, um es zumindest an den Ausschuss zurückverweisen zu können, betonte er. Klubobmann Robert LUGAR (T) sprach von einer "demokratiepolitisch bedenklichen Vorgangsweise" von Seiten der Regierungsparteien. Es könne nicht sein, dass Punkte nur dann auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn im vornherein klar sei, dass darüber positiv abgestimmt wird.

Seiner Auffassung mache es nur dann Sinn, diese Materie auf die Tagesordnung zu setzen, wenn sich auch eine Zweidrittelmehrheit für die Beschlussfassung abzeichnet, meinte hingegen Abgeordneter Josef CAP (S). Klubobmann Karlheinz KOPF (V) erinnerte daran, dass es seit vergangenen Samstag eine Einigung in dieser Causa zwischen SPÖ, ÖVP und den Verhandlern der Freiheitlichen gebe. Leider sei die FPÖ wortbrüchig geworden und halte ihre Zusage nicht mehr ein, bedauerte Kopf.

Nach dieser kurzen Geschäftsordnungsdebatte widmeten sich die Abgeordneten der aktuellen Situation der Frauen in Österreich, wobei die weiterhin bestehende große Lohnschere zwischen Frauen und Männern von den RednerInnen kritisch beleuchtet wurde. Auch die seit Jahrzehnten erhobene Forderung nach einer Neubewertung der Arbeit ist noch immer gültig.

Die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte der Familie für die Männer

Als erste Rednerin ergriff Abgeordnete Gisela WURM (S) das Wort.

Die heutige aktuelle Stunde sei eine gute Gelegenheit, um Bilanz darüber zu ziehen, was im Bereich der Gleichstellungs- und Frauenpolitik weitergegangen ist, leitete sie ihre Ausführungen ein. Auch wenn noch viel zu tun sei und in manchen Bereichen nachgeschärft werden müsse, sei es erfreulich, dass etwa die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen langsam kleiner wird.

Dazu beigetragen habe sicherlich auch das Einkommenstransparenzpaket, war Wurm überzeugt, Betriebe müssen sich nun verpflichtend mit den Einkommensunterschieden zwischen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigen und Frauen können bei Diskriminierungen leichter Klage einbringen. In Stelleninseraten muss zudem auf die Möglichkeit der Überzahlung hingewiesen werden. Ein wichtiges zusätzliches Instrument sei auch der vom Frauenministerium angebotene Gehaltsrechner, auf den bereits über eine Million Personen zugegriffen haben.

Besonders am Herzen liegt Wurm die Neubewertung der Arbeit. Es sei nämlich vollkommen unverständlich, warum so wertvolle Tätigkeiten wie Kindergartenpädagogik, Altenpflege etc., die vor allem von Frauen geleistet werden, noch immer zu niedrig entlohnt werden. Nachholbedarf sah die Rednerin auch noch hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie - z.B. weniger Schließtage in den Kinderbetreuungseinrichtungen, leichterer Wiedereinstieg in den Vollzeitjob, zusätzliche Betriebskindergärten etc. - sowie in Bezug auf die stärkere Einbeziehung von Vätern in die Kinderbetreuung. Die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte der Familie für die Männer, war ihre Devise.

Heinisch-Hosek für Ausdehnung des Papa-Monats auf die Privatwirtschaft

In Österreich leben 4,3 Millionen Frauen, was 51,2 % der gesamten Bevölkerung entspricht, konstatierte Bundesministerin Gabriele HEINISCH-HOSEK eingangs ihres Statements. Derzeit sei es leider noch immer so, dass sich nicht jede Frau aussuchen könne, wie sie gerne leben möchte. Aus diesem Grund müsse an einer weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen gearbeitet werden, betonte die Ressortchefin. Nach fast fünf Jahren in diesem Amt wolle sie nun einmal Bilanz ziehen, meinte Heinisch-Hosek, und sie glaube, dass sich diese auch sehen lassen könne.

Ihr Ministerium habe zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sowie außerhalb der Arbeitswelt voranzutreiben. Sie habe sich immer besonders dafür eingesetzt, dass Frauen ein eigenständiges, finanziell unabhängiges Leben führen können und auch im Alter abgesichert sind. Man müsse daher danach trachten, dass all jene derzeit teilzeitbeschäftigten Frauen (insgesamt 800.000), die ihre Arbeitszeit aufstocken wollen, auch einen Vollzeitjob bekommen. Sorge bereitet ihr auch die Tatsache, dass über 100.000 Frauen prekär beschäftigt sind und von ihrem Job nicht leben können.

Ein großer Schritt sei auch mit der gesetzlichen Verankerung von innerbetrieblichen Einkommensberichten gesetzt worden, führte Heinisch-Hosek weiter aus. Nun müsse man aber überprüfen, ob diese Vorgaben in der Praxis auch adäquat umgesetzt werden. Bedauern äußerte die Ministerin darüber, dass Österreich bezüglich der Lohnschere zwischen Männern und Frauen noch immer an der vorletzten Stelle innerhalb der EU rangiere. Es sei daher notwendig, intensiv in dieser Frage weiter zu arbeiten. Im Fokus stehen dabei die Gewährleistung von noch mehr Transparenz bezüglich der Einkommen, die Umsetzung von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie  -zusätzliche Kinderbetreuungsplätze, die Ausdehnung des Papa-Monats auf die Privatwirtschaft - sowie die weitere Gleichstellung der verschiedenen Lebensentwürfe und Familienformen – etwa die Stiefkindadoption für Regenbogenfamilien.

Verringerung der Einkommensschere: Kollektivverträge sind wichtiger Anker

Abgeordneter Wolfgang KATZIAN (S) beschäftigte sich vor allem mit der Einkommenssituation von Frauen. Es gebe in diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf, da Österreich bezüglich der Lohnschere zwischen Frauen und Männern den zweitschlechtesten Platz im EU-Vergleich belegt. Vor eineinhalb Jahren hätten die GewerkschaftsvertreterInnen daher Sonderlohnrunden für Frauen vorgeschlagen. Katzian wies darauf hin, dass es im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen bisher in insgesamt 75 Branchen gelungen sei, erstmals umfassende Anrechnungsbestimmungen bezüglich der Karenzzeiten zu verankern. Wichtig wären auch weitere verpflichtende Schritte wie gesetzliche Frauenquoten, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen, war der Redner überzeugt. Gleichstellungspolitik müsse aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet werden, weil die Höhe der Frauenerwerbsquote einen erheblichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit hat.

Auch wenn es in Österreich schon sehr gute gesetzliche Rahmenbedingungen für die Gleichstellung und den Schutz vor Diskriminierung gibt, seien noch lange nicht alle Probleme gelöst, urteilte Abgeordnete Dorothea SCHITTENHELM (V). Frauen erhalten noch immer nicht den gleichen Lohn für die gleichwertige Arbeit und sie leiden zudem unter finanziellen Benachteiligungen im Alter, wenn sie einige Jahre bei der Familie zu Hause bleiben. Schittenhelm ging sodann auf das Konzept des Gender-Mainstreamings ein, durch das die Gleichstellung von Männern und Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft erreicht werden soll. Ein wichtiges Anliegen war ihr auch die Überarbeitung der Kollektivverträge vor allem in den Dienstleistungsbranchen, wo sehr viele Frauen beschäftigt sind.

Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) zeigte wenig Verständnis für das Thema der Aktuellen Stunde. Es gebe derzeit größere Probleme als die Gleichstellung von Mann und Frau, hielt sie fest und konnte gleichzeitig der Gleichstellungspolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren nur wenig abgewinnen. Die Idee, den Nachteilen, die den Frauen noch immer erwachsen, mit dem "Gender-Wahnsinn" zu begegnen, ist ihrer Ansicht nach – ebenso wie früher in den Ostblockstaaten - völlig gescheitert. Frauen und Männer sind nicht gleich, sondern gleichwertig, unterstrich Unterreiner. 55 % der 14- bis 24-jährigen Mädchen hätten kürzlich bei einer Umfrage des Familienministeriums angegeben, gerne Hausfrau sein und sich selbst um die Kinder sorgen zu wollen. Selbstverständlich brauchen Frauen eine vernünftige Ausbildung, räumte die Rednerin ein, aber gleichzeitig müsse sie die Politik darin unterstützen, ihrem Wunsch, Kinder zu bekommen, nachkommen zu können.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) bezog sich in ihrer Wortmeldung auf einen "Falter"-Artikel über Vorfälle in der Justizanstalt Josefstadt und damit im Zusammenhang stehende Anschuldigungen gegen den FPÖ-Abgeordneten Lausch, Kolleginnen sexuell belästigt zu haben. Sie forderte mit Nachdruck den Rücktritt des freiheitlichen Mandatars.

Gefragt ist Neubewertung der Arbeit

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) bilanzierte nach 20 Jahren Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, man habe einiges erreicht, es gebe aber noch viel zu tun. Die wahren Probleme müssten erkannt werden, betonte die Rednerin und meinte, es gehe nicht um Frauenquoten, Gehaltstransparenz oder verpflichtende Frauenförderungspläne, sondern vielmehr um den wachsenden Einkommens- und Arbeitsdruck im Berufsleben. Von einer leistungsgerechten Bezahlung sei man nach wie vor weit entfernt, kritisierte Haubner und ortete Handlungsbedarf vor allem in den, wie sie sagte, typischen Frauenberufen im Pflege- und Sozialbereich. Es gehe nicht an, dass Arbeit mit und am Menschen weniger wert ist als die Arbeit an Maschinen. Anliegen der Rednerin waren darüber hinaus auch eine steuerliche Entlastung, die Einführung von Mindestlöhnen sowie die Gleichstellung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) sah das Hauptproblem insbesondere in der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, aber auch in der Teilzeit und forderte Anreize für die Betriebe, Frauen verstärkt in Vollzeitjobs aufzunehmen. Plakate und Kampagnen seien zu wenig, stellte er an die Adresse von Frauenministerin Heinisch-Hosek gerichtet fest. Massive Benachteiligungen in der Arbeitswelt beklagte Markowitz aber auch bei Menschen mit Behinderungen.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) bemerkte in Anspielung an die Wortmeldung von Abgeordneter Unterreiner, niemand rede heute noch von Gleichmacherei. Es gehe vielmehr darum, die Chancen gleich zu gestalten. Frauen sollen sowohl den privaten als auch den beruflichen Teil des Lebens leben können, so wie dies für Männer immer schon eine Selbstverständlichkeit war, stand für Kuntzl fest. Wichtige Fortschritte seien bereits erreicht worden, am Ziel sei man aber noch lange nicht, lautete der Befund der SP-Mandatarin nach 20 Jahren Gleichstellungsgesetz. Kuntzl rief zu weiteren Anstrengungen bei der Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen auf, drängte auf die Einführung des Papa-Monats auch in der Privatwirtschaft und begrüßte mit Nachdruck das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld.

Gleichbehandlung passiert vor allem in den Köpfen

Die Einkommensschere, die sie u.a. auf Babypause und Kindererziehung zurückführte, betrachtete auch Abgeordnete Christine MAREK (V) als die zentrale Herausforderung bei der Gleichstellung. Sie meinte aber, das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und die Einführung der Kurzvariante hätten wesentliche Fortschritte gebracht. Marek sah nun auch die Unternehmen gefordert, familien- und frauenfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Rednerin warnte vor überschießender Gleichbehandlung und vertrat die Auffassung, man dürfe nicht allein auf gesetzlichen Zwang setzen, Gleichbehandlung passiere vor allem in den Köpfen.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) kam auf die Anschuldigungen der Grünen gegen FPÖ-Mandatar Lausch zurück, warf Abgeordneter Schwentner vor, mit Denunzierungen und Unwahrheiten zu operieren, und sprach von einer "Schmutzkübelkampagne". Die Vorwürfe seien längst widerlegt, der "Falter"-Artikel sei kein Gerichtsakt, unterstrich sie. Zum Thema Gleichstellung bemerkte Gartelgruber, man habe ein paar kleine Schritte gemacht, die allerdings nicht weit genug gingen. Es gehe vor allem darum, bei aller Frauenförderung die Wahlfreiheit zu garantieren und den Wert der Arbeit, die Frauen leisten, zu würdigen.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) hielt die Vorwürfe gegen Lausch hinsichtlich sexueller Belästigung unter Hinweis auf die Aktenlage aufrecht und forderte den FPÖ-Abgeordneten zum Rücktritt auf. Lausch habe gegen die Behauptungen nicht geklagt, weil er wusste, dass er den Prozess verlieren würde, vermutete Steinhauser. Das Verfahren sei nicht wegen Widerlegung der Anschuldigungen, sondern bloß wegen Verjährung eingestellt worden, präzisierte der Justizsprecher der Grünen überdies.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) appellierte an die Gewerkschaften, sich für bessere Einkommen der Frauen einzusetzen, und beklagte zudem gravierende Unterschiede zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft, dies etwa hinsichtlich des Papa-Monats. Nach Meinung des Redners gelte es nun vor allem, ein Umfeld für die Vollbeschäftigung zu schaffen. Dolinschek forderte in diesem Zusammenhang ganztägige Kinderbetreuungs- und Schulformen, aber auch eine niedrigere Besteuerung der Arbeitskraft. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat) red