Parlamentskorrespondenz Nr. 311 vom 17.04.2013

Sozialversicherung: Kleinstunternehmen werden finanziell entlastet

Gesetzespaket passiert Sozialausschuss mit Koalitionsmehrheit

Wien (PK) – Selbständige müssen künftig keine Krankenversicherungsbeiträge nach dem GSVG mehr zahlen, wenn sie während des Bezugs von Wochengeld ihre Erwerbstätigkeit ruhend stellen bzw. unterbrechen. Zudem können sie während der Inanspruchnahme von Kindergeld eine geringfügige selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, ohne unter die GSVG-Pflichtversicherung zu fallen. Das sieht das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 vor, das heute den Sozialausschuss des Nationalrats passierte. Damit will die Politik – nach der Einführung von Krankengeld für Selbständige – weitere Schritte zur finanziellen Entlastung von Einpersonen- und Kleinunternehmen setzen.

Darüber hinaus bringt das Gesetzespaket (2246 d.B.) Zahlungserleichterungen für Jungunternehmen im Falle von Beitragsnachzahlungen zur Sozialversicherung und eine Reihe von Detailänderungen im Pensionsrecht. In besonderen Härtefällen kann Selbständigen aus einem Überbrückungshilfefonds ein Zuschuss zu den Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen gewährt werden. Mittels Abänderungsantrag wurden in den Entwurf außerdem Bestimmungen betreffend den Datenaustausch zwischen den Pensionsversicherungsträgern und den Krankenkassen bzw. dem Arbeitsmarktservice in jenen Fällen eingefügt, in denen es um die Gewährung von Rehabilitationsgeld bzw. um Maßnahmen zum beruflichen Wiedereinstieg für Personen mit geminderter Erwerbsfähigkeit geht.

Der Beschluss im Ausschuss fiel mit den Stimmen der Koalitionsparteien, Teilen des Gesetzes stimmten auch die Grünen zu. Abgeordneter Karl Öllinger kritisierte allerdings, dass im Gesetz ganz unterschiedliche Materien zusammengefasst wurden, ein Umstand, der auch FPÖ und BZÖ veranlasste, dem Gesetz zumindest vorerst einmal ihre Zustimmung zu versagen. Sowohl Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) als auch Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) begrüßten die Verbesserungen für Kleinstunternehmen allerdings grundsätzlich.

Überbrückungshilfefonds für besondere Härtefälle

Im Konkreten erhalten JungunternehmerInnen künftig die Möglichkeit, Beitragsnachzahlungen zur Sozialversicherung zinsenfrei in zwölf Raten, verteilt auf drei Jahre, zu entrichten. Damit soll existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen erfolgreicher JungunternehmerInnen entgegengewirkt werden.

Für besondere Härtefälle wird ein Überbrückungshilfefonds eingerichtet, der selbständig Erwerbstätigen, insbesondere Einpersonenunternehmen und kleinen Betrieben, Zuschüsse zu Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen gewähren kann, wobei die Mittel für den Fonds je zur Hälfte aus der Auflösung des Härteausgleichsfonds in der Pensionsversicherung und aus dem Unterstützungsfonds der SVA kommen.

Im Pensionsrecht werden eine Reihe von Adaptierungen und Klarstellungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Aufhebung der Parallelrechnung zur Berechnung der Pensionshöhe vorgenommen. So wird durch eine nach Jahrgängen gestaffelte begünstigende Abschlagsregelung sichergestellt, dass Frauen, die bereits heuer die Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Langzeitversichertenpension ("Hacklerregelung") erfüllen, diese aber erst später in Anspruch nehmen, keine Nachteile erleiden. Neu ist zudem, dass die Pensionskonto-Erstgutschrift im Wege eines Nachtragsabzugs auch nach 2016 noch vermindert werden kann, etwa wenn im Zuge des "Pensionssplitting" Teilgutschriften von einem Elternteil auf den anderen übertragen werden.

Widerspruch gegen Erstgutschrift am Pensionskonto möglich

Die Frist zur Mitteilung der Kontoerstgutschrift am Pensionskonto wird um ein halbes Jahr auf Ende 2014 verlängert. Gegen die Kontoerstgutschrift kann ein so genannter "Widerspruch" erhoben werden, in einem solchen Fall muss der Versicherungsträger den erlassenen Bescheid, allenfalls unter Einbindung eines Ausschusses, nochmals überprüfen. Damit will man etwaige Klagen beim Arbeits- und Sozialgericht reduzieren.

Klargestellt wird überdies, dass Vertragsbedienstete auch nach ihrer Pensionierung in der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter krankenversichert bleiben, wenn sie dies vorher bereits waren. In Anpassung an das neue Familienrecht nehmen die Sozialversicherungsgesetze keine rechtliche Unterscheidung mehr zwischen ehelichen und unehelichen Kindern vor.

Beim mittels Abänderungsantrag verankerten Datenaustausch zwischen den Pensionsversicherungsträgern und den Krankenkassen bzw. dem Arbeitsmarktservice geht es etwa um Gutachten und Feststellungen, die das Leistungskalkül der zu rehabilitierenden Person betreffen.

Opposition bewertet einzelne Teile des Gesetzespakets positiv

Im Rahmen der Debatte übte Abgeordneter Karl Öllinger (G) massive Kritik daran, dass zum einen zahlreiche verschiedene komplexe Materien in einem Gesetz zusammengefasst sind und zum anderen viel zu wenig Zeit für Beratungen vorhanden sei. Er sei nicht bereit, gesetzlichen Bestimmungen zuzustimmen, die mit einer so großen Unsicherheit behaftet seien, dass eine neuerliche Gesetzesreparatur wahrscheinlich sei, erklärte er.

Zu einzelnen Punkten der Gesetzesnovelle brachte Öllinger einen Abänderungsantrag ein, der bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit fand. Dabei ging es insbesondere um das prozedurale Verfahren im Zusammenhang mit der Festlegung der Erstgutschrift am Pensionskonto. Nach Meinung Öllingers haben die Versicherten zu wenig Zeit für Einsprüche, während den Pensionsversicherungsträgern zum Teil zu lange Fristen zugestanden werden. Änderungsbedürftig ist ihm zufolge außerdem die Bestimmung zum Entfall der Krankenversicherungsbeiträge für Selbstständige beim Bezug von Wochengeld, da die vorgesehene Regelung je nach Geburtstermin unterschiedliche Befreiungszeiten bringt.

Zwiespältig zum Gesetz äußerten sich auch die Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) und Sigisbert Dolinschek (B), die beide zwar einzelne Punkte des Entwurfs begrüßten, sich anderen gegenüber aber ablehnend äußerten. So kritisierte Belakowitsch-Jenewein, dass durch die Auflösung des Härteausgleichsfonds und die Übertragung der Mittel an den Überbrückungshilfefonds Arbeitnehmerbeiträge in Richtung Selbständige fließen.

Ausdrücklich begrüßt wurde die Gesetzesnovelle hingegen von den ÖVP-Abgeordneten Adelheid Fürntrath-Moretti und Karl Donabauer.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer machte geltend, dass der Härteausgleichsfonds aus Steuergeldern gespeist worden sei und das Geld damit "kein Mascherl" habe. Er wies außerdem darauf hin, dass die Auszahlung von Mitteln aus dem Überbrückungshilfefonds mit einer Studie verbunden wird, in der eruiert werden soll, warum die betroffenen UnternehmerInnen in eine schwierige finanzielle Lage gekommen sind.

Nicht nachvollziehen kann Hundstorfer die Skepsis von Abgeordnetem Öllinger in Bezug auf das Widerspruchsverfahren zur Kontoerstgutschrift, er hofft, dessen Bedenken bis zur Plenarsitzung ausräumen zu können.

Oppositionsanträge vertagt bzw. abgelehnt

Mitverhandelt mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 wurde ein Antrag der Grünen, der auf einen erleichterten Zugang von Personen ohne Berufsschutz zur Invaliditätspension abzielt (2095/A), jedoch von den anderen Parteien abgelehnt wurde.

Auch mit anderen Anliegen konnten sich die Oppositionsparteien nicht durchsetzen. So sprach sich die FPÖ unter anderem dafür aus, die bedarfsorientierte Mindestsicherung nur noch dann an AusländerInnen auszuzahlen, wenn die jeweiligen Heimatbehörden beim Aufspüren etwaiger Vermögenswerte der Betroffenen behilflich sind (1410/A[E]). Zudem forderte sie eine monatliche Veröffentlichung von Daten über die bedarfsorientierte Mindestsicherung (1892/A[E]) und die bessere Einbindung von Abgeordneten in die Diskussion über die Weiterentwicklung dieses Instruments (1821/A[E]).

Sozialminister Rudolf Hundstorfer hielt dazu fest, dass Österreich in Verdachtsfällen prüfe, ob ausländisches Vermögen vorliege. Der Antrag 1892/A(E) wurde mit der Begründung vertagt, dass derzeit noch zu wenig Daten über die bedarfsorientierte Mindestsicherung vorliegen, die beiden anderen Anträge wurden abgelehnt.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ, der auf Steuererleichterungen für jene Personen abzielt, die eine deutsche Sozialversicherungsrente beziehen und gleichzeitig eine österreichische Pension oder andere Einkünfte in Österreich haben (2158/A[E]). Abgeordneter August Wöginger (V) verwies darauf, dass es einem Expertenteam des Finanzministeriums in Gesprächen mit den deutschen Finanzbehörden weitgehend gelungen sei, eine Lösung im Sinne der betroffenen PensionistInnen zu finden. Zur Beratung der Betroffenen werde in Österreich außerdem eine Ombudsstelle eingerichtet. Wöginger sieht den FPÖ-Antrag damit als erledigt an.

Zuvor hatte sich Abgeordneter Werner Neubauer (F) für den Antrag stark gemacht und skizziert, dass viele PensionistInnen Probleme mit hohen Steuernachzahlungen hätten und teilweise unnötige Zahlungen an die deutschen Finanzbehörden geleistet haben.

Grüne wollen Beschäftigungssituation im Tourismus verbessern

Für die Anträge der Grünen, die einen Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf zumindest einen freien Sonntag im Monat (2121/A[E]), ein weitgehendes Verbot von "All-In-Klauseln" in Arbeitsverträgen (2126/A[E]) und eine stärkere Kontrolle von Tourismusbetrieben zur Eindämmung von Verstößen der Branche gegen das Arbeitsrecht (2122/A[E]) fordern, zeigte die SPÖ zum Teil zwar Verständnis, Abgeordneter Josef Muchitsch wies aber auf laufende Gespräche der Sozialpartner hin. Sozialminister Rudolf Hundstorfer bekräftigte, dass die Kontrolle von Betrieben sehr wohl funktioniere, und machte in diesem Zusammenhang auf Lob des Rechnungshofs aufmerksam.

Abgeordnete Birgit Schatz warb für die Anträge der Grünen mit dem Argument, dass der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Österreich sei und auch in der Krise steigende Beschäftigungszahlen verzeichnen konnte. Die Beschäftigungssituation in der Branche sei aber so unbefriedigend, dass viele, die dort beschäftigt sind, weg wollten, konstatierte sie. Ebenso würden Jugendliche nicht im Tourismus arbeiten wollen. Schatz erachtet es daher für notwendig, die Rahmenbedingungen für die ArbeitnehmerInnen zu verbessern und wandte sich etwa gegen die ihr zufolge immer stärker verbreiteten All-In-Verträge auch in untersten Einkommensbereichen.

Der Antrag 2122/A(E) wurde abgelehnt, die beiden anderen Anträge vertagt.

Schließlich vertagte der Sozialausschuss neuerlich einen Antrag des BZÖ betreffend eine bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Menschen in Beschäftigungstherapie (1152/A[E]) und lehnte einen Antrag des BZÖ betreffend die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der kollektivvertraglichen Gehaltseinstufung (1316/A[E]) ab. (Schluss Sozialausschuss) gs