Parlamentskorrespondenz Nr. 330 vom 25.04.2013

Nationalrat: Kontroverse Debatte über Zypern-Hilfspaket und den Euro

Grüner Misstrauensantrag gegen Finanzministerin Fekter abgelehnt

Wien (PK) – In der Sondersitzung des Nationalrats am vergangenen Montag hatte die Mehrheit von SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten Finanzministerin Maria Fekter ermächtigt, Finanzhilfe für die Republik Zypern aus den Mitteln des ESM zuzustimmen. Der ESM-Gouverneursrat hat gestern beschlossen, dem Inselstaat finanziell unter die Arme zu greifen. Über diese Entscheidung hat die Finanzministerin eine verfassungsrechtliche Berichtspflicht gegenüber dem Nationalrat, der Maria Fekter mit einer "Erklärung zur Gewährung von Finanzhilfe an die Republik Zypern" im heutigen Plenum nachkam. (siehe auch PK Nr. 320/2013 )

Die Grünen brachten im Rahmen der Debatte einen Misstrauensantrag gegen die Finanzministerin ein, weil sich diese beharrlich gegen den automatischen Datenaustausch von Bankkonten weigere. Der Antrag fand jedoch keine ausreichende Unterstützung.

Ebenso in der Minderheit blieb der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend eine Volksabstimmung über eine Rückkehr zum Schilling.

Fekter:

Zypern-Hilfe starkes Zeichen für Geschlossenheit der Euro-Länder

In ihrer Erklärung informierte Finanzministerin Maria FEKTER den Nationalrat, der Gouverneursrat der Euroländer habe gestern einvernehmlich alle notwendigen Beschlüsse gefasst, um die Finanzhilfe für Zypern auf den Weg zu bringen. Damit habe man ein starkes Zeichen für die Geschlossenheit der Euroländer in ihrem Bestreben, die Krise zu überwinden, gesetzt.

Die Stabilitätshilfe, die Zypern gewährt werde, betrage 10 Mrd. €. Davon sei der Beitrag des IWF in der Höhe von 1 Mrd. € abzuziehen. Die Laufzeit der gewährten Kredite werde sich auf durchschnittlich 15 Jahre und höchstens 20 Jahre erstrecken. Die Auszahlungen der Tranchen werde an die Erfüllung von Auflagen geknüpft. In einem Memorandum of Understanding habe man für Zypern eine Drei-Säulen-Strategie vereinbart. Der erste Punkt sei die Restrukturierung des zypriotischen Bankensektors. Weiters soll eine Fiskalkonsolidierung von 7% des BIP erreicht werden. Drittens soll die Umsetzung von Strukturreformen zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Stabilität des Landes führen.

Die Ausgangslage in Zypern sei schwieriger gewesen als in anderen Ländern, welche bisher Finanzhilfe in Anspruch nehmen mussten, betonte die Finanzministerin, da sich dort nicht nur der Bankensektor, sondern der Staat selbst in ernsthaften Schwierigkeiten befinde. Die Auszahlung der ersten Tranche der Hilfszahlungen könne bereits in der ersten Maihälfte erfolgen.

Harsche Kritik Straches am Euro

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) stellte die Überlebensfähigkeit des Euro in Frage und meinte, in Deutschland werde über dieses Problem von hochrangigen Wirtschafts- und Finanzexperten bereits offen diskutiert. Nur in Österreich weigere sich die Regierung beharrlich, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Euro selbst das Problem und in seiner derzeitigen Form gescheitert sei. Mit dem ESM-Diktat versuche man, zu retten, was letztlich nicht zu retten sei.

Die reale Staatsverschuldung Österreichs betrage, wenn man die ausgelagerten Bereiche hinzurechnet, bereits jetzt schon 90% des BIP, rechnete Strache vor. Sollten die Haftungen, die man nun übernehme, jemals schlagend werden, bestehe auch für Österreich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit. Die Frage sei, wie man den Schaden begrenzen könne, dazu brauche es eine offene Diskussion, wie in Deutschland. Die Eurozone nütze nur der Finanzoligarchie, den Banken, den Spekulanten und den globalen Konzernen, meinte der FPÖ-Klubobmann. An den eigenen BürgerInnen hingegen spare man, anstatt in Bildung und Pflege zu investieren.

Cap: Ist der Sparkurs der richtige Weg?

Klubobmann Josef CAP (S) widersprach der Darstellung seines Vorredners und unterstrich, die Hilfsgelder würden sicherlich nicht den Banken auf Zypern zu Gute kommen. Das bisherige Geschäftsmodell Zyperns sei am Ende, sagte Cap. Die wesentliche Frage sehe er darin, ob der Sparkurs, der in Europa derzeit gefahren werde, tatsächlich der richtige Weg sei, um aus der Rezession herauszufinden. Führende Persönlichkeiten der EU würden immer lautere Zweifel daran äußern. Auch in Österreich mehrten sich Stimmen, die darauf hinweisen, dass zur Überwindung der Krise andere Maßnahmen gesetzt werden müssen. So sollte Deutschland ein größeres Wachstum anstreben und Großbritannien sich nicht in die Rezession sparen. Eine stärkere Kaufkraft der reicheren Volkswirtschaften der EU würde den Exportbedürfnissen der südlichen EU-Länder entgegenkommen. Auch Österreich sollte den Gedanken aufgreifen, im Interesse der wirtschaftlichen Stabilität eine Wachstumsstrategie zu verfolgen. Die Eurozone nütze allen, sie brauche eine Korrektur, aber kein Kaputtsparen, so Cap.

Glawischnig-Piesczek: Fekter verteidigt Privilegien geheimer Kontoinhaber

Es sei ihr absolut unverständlich, warum Ministerin Fekter nicht massiv dafür eingetreten ist, dass sich auch Zypern an der Finanztransaktionssteuer beteiligt, meinte einleitend Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G). Positiv an der Diskussion über das Hilfspaket für Zypern wertete es die Rednerin, dass die Themen Geldwäsche und Steuerbetrug ausführlich in der Öffentlichkeit behandelt wurden. Deshalb sei es umso bedauerlicher, dass die österreichische Ministerin beharrlich "auf der falschen Seite stehe" und die Privilegien der geheimen Kontoinhaber verteidige. Dafür ernte Österreich auch schon Hohn und Spott in Europa, zeigte Glawischnig-Piesczek auf. Die Rednerin wies mit Nachdruck darauf hin, dass laut Schätzungen etwa 1.000 Mrd. € jährlich in der EU durch Steuerbetrug und –hinterziehung verloren gehen. Wieso blockiert Österreich aber noch immer den automatischen Datenaustausch bei Zinserträgen, die Erweiterung der Zinsenrichtlinie (Einbeziehung von Aktiendepots, Versicherungserträgen etc.) und das gemeinsame Auftreten der Union gegen Steueroasen, fragte sie abschließend Bundesministerin Fekter, gegen die sie einen Misstrauensantrag einbrachte.

Pro und Contra Euro

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) erinnerte ihre Vorrednerin an die positiven wirtschaftlichen Eckdaten in Österreich und zeigte sich verwundert darüber, dass ausgerechnet die Grünen, die immer für Solidarität eintreten, die Rettung von Zypern in Frage stellen. Außerdem gehöre es sehr wohl zu den Auflagen, dass Zypern schärfer gegen die Geldwäsche vorgehen muss. Wie auch Finanzministerin Fekter schon sehr deutlich gemacht habe, werde in Österreich sehr viel gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche getan; dies müssten die Grünen auch einmal zur Kenntnis nehmen. Schließlich verteidigte Tamandl noch die Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein und unterstrich, dass anderen Ländern sehr wohl Auskünfte gegeben werden, wenn es Anfragen gibt bzw. Ermittlungen durchgeführt werden.

So toll könne die aktuelle Politik aber nicht sein, wenn etwa 400.000 Menschen keinen Job finden und der Schuldenstand der Republik ein Rekordhoch erreicht hat, hielt Klubobmann Josef BUCHER (B) seiner Vorrednerin entgegen. Nachdem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit nicht gerade einfach sind, sollte man sich auch fragen, ob man wirklich bei allen Hilfsaktionen auf europäischer Ebene mitmachen soll, gab Bucher zu bedenken. Außerdem befürchte er, dass das Kaputtsparen Zyperns sehr negative Auswirkungen hat und nur dazu führen wird, dass dieses Land noch schneller in die Staatspleite rutscht. Für ihn sei das eine neue Form des Kolonialismus und die Ausbeutung eines Landes in der Eurozone.

Der erste Praxistest habe bewiesen, dass die Regelungen, wie das Parlament in die ESM-Entscheidungen eingebunden werden muss, sehr gut, transparent und praktikabel sind, urteilte Abgeordnete Christine MUTTONEN (S). Der ESM-Ausschuss sei nicht nur umfassend über das Zypern-Hilfspaket informiert worden, es habe auch eine breite Diskussion im Rahmen einer Sondersitzung gegeben. Generell stufte sie den ESM als sehr positive Maßnahme und als richtige Reaktion auf die ständigen Angriffe der Euro-Zone durch Spekulanten sowie die hysterischen Zustände auf den Finanzmärkten ein. Mit dem Zypernpaket werde nun sichergestellt, dass diese gute Entwicklung weitergehen kann und nicht wieder zunichte gemacht wird, war Muttonen überzeugt. Irland, Portugal, Spanien und Griechenland brauchten ein stabiles Umfeld, um ihre Reformprogramme auch umsetzen zu können.

Abgeordneter Robert LUGAR (T) erinnerte daran, dass die Befürchtungen bei der Einführung des Euro, wonach man in Zukunft einmal für die Schulden anderer Länder werde haften müssen, nun leider Realität geworden sind. Bei der ganzen Diskussion um das Hilfspaket für Zypern komme ihm auch der Begriff der Eigenverantwortung zu kurz. Wenn man schon jedem hilft, der in Schwierigkeiten ist, warum werden dann nicht all jene tausenden ÖsterreicherInnen unterstützt, die jährlich in Privatkonkurs gehen? Lugar war aufgrund der zahlreichen Beispiele in den letzten 800 Jahren der Auffassung, dass nicht viel passiere, wenn ein Staat Pleite geht. Im Grunde gehe es daher im Fall Zyperns nur darum, die Gläubiger zu schützen, argumentierte Lugar; und dies sei das Verwerfliche. Seiner Meinung nach müssten sich alle eingestehen, dass der Euro gescheitert ist. Jetzt gehe es nur mehr um Schadensbegrenzung.

Als eine "Absurdität" bezeichnete Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) den Misstrauensantrag gegen die Finanzministerin. So etwas habe er in vielen Jahren des Parlamentarismus nicht erlebt. Er erinnerte daran, dass alle von Fekter eingebrachten Vorlagen von einer Mehrheit des Nationalrats, der von der Bevölkerung gewählt wurde, angenommen wurden. Außerdem stehe gerade die Finanzministerin für einen Kurs, der nun auch von den EU-Spitzen eingefordert werde, erinnerte Stummvoll. So basierten nämlich die beiden Stabilitätspakete nicht nur auf dem Spargedanken, sondern vor allem auch auf der Durchführung von Strukturreformen sowie auf der Schaffung von Anreizen für Wachstum und Beschäftigung.

FPÖ will Volksabstimmung über Verbleib Österreichs in Euro-Zone

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) brachte eingangs einen Entschließungsantrag ein, in dem die Freiheitlichen die Durchführung einer Volksabstimmung über den weiteren Verbleib in der Euro-Zone fordern. Der Redner machte darauf aufmerksam, dass all jene Länder in der EU, die mit Hilfsmaßnahmen unterstützt werden mussten (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern), den so genannten "Erfolgseuro" als Währung haben. Wenn man sich die wirtschaftliche Performance in den letzten beiden Jahren in Europa aber ansehe, dann schnitten gerade jene Staaten am besten ab - Norwegen Schweiz, Schweden, Dänemark, Polen – die nicht der Euro-Zone angehören. In der EU hingegen gebe es mittlerweile 26 Millionen Arbeitslose, führte Themessl an, und jene, die Arbeit haben, brauchten oft zwei bis drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Die Union und die Euro-Zone können daher als absolut gescheitert angesehen werden, schloss der Redner.

Die Zypernkrise sei ein Beweis für das Scheitern eines Wirtschaftsmodells, das vorrangig auf einen starken Finanzsektor setzt, analysierte Abgeordneter Hubert KUZDAS (S). Er sei sehr froh darüber, dass es in den Verhandlungen gelungen sei, die Rettung für Zypern zu beschließen, um wieder ein wenig Stabilität in die Euro-Zone zu bringen. Positiv merkte der Redner auch an, dass mittlerweile fast allen klar sei, mit Sparen alleine könne man keine Volkswirtschaft sanieren. Hauptursache für die Probleme in der Euro-Zone sind nach Ansicht vieler Ökonomen die Ungleichgewichte in der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der Staaten, die aber sicherlich nicht durch ein Ausscheren aus der gemeinsamen Währung oder durch eine Abwertung beseitigt werden können. Notwendig sei es vielmehr, den angeschlagenen Volkswirtschaften, die Zinslast zu erleichtern und die Rückkehr zum Wachstumspfad zu ermöglichen.

Wie steht es mit dem Wirtschaftsmodell Europa?

Finanzministerin Fekter müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass sie mit ihrer Strategie - Aufrechterhaltung des Bankgeheimnisses und Abschluss von Steuerabkommen mit der Schweiz und Liechtenstein - in Europa völlig isoliert da stehe, erklärte Abgeordneter Bruno ROSSMANN (G). Was die Bankenkrise in Europa anbelangt, so sei Zypern das beste Beispiel dafür, dass sie noch lange nicht bewältigt ist, führte der G-Mandatar weiter aus. So habe etwa das Krisenmanagement in diesem Fall klar gemacht, dass Europa dringend ein Bankeninsolvenzrecht und eine Bankenunion braucht. Dies werde sich auch bald im Fall von Slowenien zeigen, das wohl als nächstes Land in Schwierigkeiten kommen wird. Außerdem müsse Europa generell sein Wirtschaftsmodell, das eindeutig gescheitert sei, überdenken, forderte Rossmann. Auch in Zypern werden die Auflagen des Memorandum dazu führen, dass bei den Löhnen und Pensionen, im Gesundheitsbereich etc. massiv gekürzt und zugleich die Steuern erhöht werden. Solange es keine wachstumsfördernden Maßnahmen gibt, solange werde Zypern sicherlich nicht wieder auf die Beine kommen, prognostizierte Rossmann. Er hoffe, dass sich die Stimmen der Vernunft noch durchsetzen und dass Europa den Austeritätskurs verlässt.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) warf den Freiheitlichen vor, ständig gegen Abkommen über den Steuerdatenausgleich zu stimmen, und erklärte die FPÖ zum Schutzpatron von Steuerhinterziehern und russischen Schwarzgeldoligarchen, wofür ihm Präsident Martin Graf einen Ordnungsruf erteilte. Der SPÖ-Mandatar sprach sich vehement gegen Steueroasen aus und rief die Finanzministerin auf, dafür zu sorgen, "dass die Piratenbuchten dicht gemacht werden".

Der Euro und die Idee einer gemeinsamen Währung seien längst gescheitert, meinte Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) und stellte fest, Verträge und Vertrauen würden tagtäglich gebrochen, die EU habe sich zu einer bloßen Rettungsunion entwickelt. Der Wurm liege im System, befand Westenthaler und rechnete mit einem Auseinanderbrechen der Währungsunion in den nächsten Jahren. Er forderte die Verantwortlichen auf, die Fakten zu erkennen, und plädierte für eine Neugründung der Währungsunion mit einer Trennung zwischen Norden und Süden.

Die Hilfsmaßnahmen würden nicht den BürgerInnen zugutekommen, sondern vielmehr ausschließlich an die Banken fließen, kritisierte Abgeordneter Christoph HAGEN (T). Nach dem derzeitigen System der Rettungspakete übe der Bankensektor immer stärkeren Druck auf die Regierungen aus, weitere Steuergelder für die Stabilisierung der Geldinstitute aufzuwenden, die Menschen hingegen würden "abgezockt", stellte der Redner fest. Besser wäre es nach Meinung Hagens, dem Beispiel Islands zu folgen und die Banken pleitegehen zu lassen.

Abgeordneter Alois GRADAUER (F) zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft des Euro und warnte vor weiterer Verschuldung und noch höheren Belastungen als Folge von Währungsunion und Rettungspaketen, wobei er von Enteignung der SteuerzahlerInnen sprach.

Die Pleitestaaten leben auf unsere Kosten, während bei uns die BürgerInnen zur Finanzierung der Hilfspakete immer stärker belastet werden, fasste Abgeordneter Maximilian LINDER (F) seine Kritik an Währungsunion und Rettungsschirmen zusammen. Anstatt über neue Rettungspakete nachzudenken, sollte man sich wieder mit dem Schilling als einer möglichen Alternative zum Euro befassen, riet Linder. (Fortsetzung Nationalrat) red