Parlamentskorrespondenz Nr. 337 vom 26.04.2013

Medizinuni Linz ist kein Rezept gegen Abwanderung von ÄrztInnen

Nationalrat startet mit Fragestunde zu Wissenschaft und Forschung

Wien (PK) – Acht Fragen an Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle machten den Anfang der 200. Sitzung des Nationalrats. Im Zentrum standen die Themen Forschungsförderung und Forschungsranking, die Rahmenbedingungen für Studierende sowie die Einrichtung einer medizinischen Fakultät an der Universität Linz. Hinterfragt wurde auch die Zuständigkeit für die PädagogInnenausbildung Neu, die in den beiden Ressorts Wissenschaft und Bildung angesiedelt ist, aber laut Töchterle auf einer Schiene unterwegs sein soll.  

Anfrage der Abgeordneten Andrea KUNTZL (S):

Wie Ihnen sicher bekannt ist, gibt es zahlreiche Bestrebungen an der Universität Linz, eine medizinische Ausbildung zu ermöglichen. Welche Voraussetzungen sind notwendig, um an der Universität Linz eine medizinische Fakultät einzurichten?

Antwort:

Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE schätzte das Vorhaben grundsätzlich positiv ein, meinte aber, die Befürchtung eines drohenden Ärztemangels sei nicht begründet, zumal Österreich eine der höchsten Ärztedichten in Europa aufweise. Nach Ansicht des Ressortchefs ist es vielmehr notwendig, die Rahmenbedingungen zu verbessern und attraktiver zu gestalten, um der Abwanderung von MedizinerInnen aus Österreich entgegen zu wirken. Wenn diese Rahmenbedingungen stimmen, dann sei es auch zielführend, dem Ansinnen Oberösterreichs näher zu treten.

Auch gelte es, die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen zu setzen, dies insbesondere in Bezug auf die Abstimmung mit dem Hochschulplan und die Klärung der Finanzierung des medizinischen Aufwandes. Auf Fragen des Abgeordneten Peter MAYER (V) teilte Töchterle mit, dass die Vorbereitungen für die Gesetzesnovelle bereits abgeschlossen sind. Gegenüber dem Abgeordneten Rainer WIDMANN (B) präzisierte der Ressortchef überdies, mit einer Entscheidung über die Frage der Errichtung der Med-Uni-Linz könne gerechnet werden, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen geklärt sind. Dem Abgeordneten Kurt GRÜNEWALD (G) wiederum versicherte Töchterle, dass bei der Entscheidung auch der Hochschulplan respektiert werde. Vom Abgeordneten Andreas KARLSBÖCK (F) auf den klinischen Mehraufwand angesprochen kündigte der Minister für 2015 einheitliche diesbezügliche Verträge an.

Anfrage der Abgeordneten Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V):

Welche Schritte werden im Rahmen der Testphase der neuen Studienplatzfinanzierung gesetzt, um das Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Studierende zu erreichen?

Antwort:

Primär zielen sämtliche Maßnahmen auf eine Verbesserung der Studienbedingungen ab, unterstrich TÖCHTERLE und teilte mit, dass mit der Umsetzung nun bei fünf besonders stark nachgefragten Studienfächern begonnen werde. In erster Linie gehe es darum, die Kapazitäten und die Betreuung auszubauen, gleichzeitig aber auch eine Obergrenze der Zahl der Studierenden festzusetzen. Zugangsregelungen brauche es derzeit nicht, zumal in allen Fächern die Studienplätze erhöht wurden, betonte Töchterle. Zur Eingangsphase meinte der Minister, diese habe der Orientierung zu dienen und dürfe nicht zum "Hinausprüfen" missbraucht werden. Aus diesem Grund habe man auch die Zahl der Wiederholungsmöglichkeiten von Prüfungen erhöht.

Der Minister trat überdies der Behauptung des Abgeordneten Kurt GRÜNEWALD (G) entgegen, wonach die Einführung der Studienplatzfinanzierung 400 Mio. € kosten würde, und gab zu bedenken, bei einer derartigen Rechnung müsste auch die Hochschulmilliarde berücksichtigt werden.

Gegenüber dem Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) stellte Töchterle mit Nachdruck fest, die Platzbeschränkung beim Studienfach Medizin sei eine Erfolgsgeschichte, er denke nicht daran, diese Maßnahme wieder abzuschaffen. Bestätigt fühlte sich der Minister dabei vor allem durch die Senkung der Drop-Out-Quote von 50 auf 5 %. Abgeordneter Elisabeth GROSSMANN (S) wiederum teilte Töchterle mit, dass nunmehr 95 Professuren geschaffen werden, 36 Mio. € sollen dafür aus Offensivmitteln kommen. Was die Situation von sozial schwachen Studierenden betrifft, auf die Abgeordneter Gerhard HUBER (B) aufmerksam machte, erinnerte Töchterle vor allem an die Anhebung der Studienbeihilfe.

Anfrage des Abgeordneten Walter ROSENKRANZ (F):

Welche fachlichen Gründe waren dafür ausschlaggebend, die Zuständigkeit für die PädagogInnenausbildung Neu als generell tertiäre Ausbildung, nicht ausschließlich im Wissenschaftsressort anzusiedeln?

Antwort:

Töchterle begründete dies mit der historisch gewachsenen Dichotomie in der Lehrerausbildung und bemerkte, dieses etablierte System aus Universitäten und pädagogischen Hochschulen könne man nicht von heute auf morgen eliminieren. Es gelte aber, die beiden Institutionen näher aneinander zu führen. Am Ende möge eine Schiene herauskommen, auf der der Zug der Lehrerausbildung kraftvoll fährt, drückte Töchterle seinen Wunsch aus. Klar war für den Minister, dass die vom Abgeordneten Elmar MAYER (S) thematisierte Qualitätssicherung gewährleistet bleibt. Ein eigener Qualitätssicherheitsrat werde darauf achten, dass die zu entwickelnden Curricula dem Sinn des Gesetzes entsprechen und für mehr Wissenschaftlichkeit auf allen Ebenen sorgen, betonte Töchterle.

Einer Meinung war der Minister mit der Abgeordneten Anna FRANK (V) hinsichtlich der Notwendigkeit, den Quereinstieg in den Lehrberuf zu fördern und attraktiver zu machen. Abgeordneter Ursula HAUBNER (B) gegenüber unterstrich Töchterle, mittelfristig werde es auch akademisch gebildete ElementarpädagogInnen geben. Zunächst müssten aber die entsprechenden Kompetenzen an den Universitäten für die geplante Akademisierung der Kindergartenpädagogik geschaffen werden. Die vom Abgeordneten Harald WALSER (G) urgierte Kooperation zwischen pädagogischen Hochschulen und Universitäten werde jedenfalls durch die Kraft des Faktischen eine sehr enge werden, zeigte sich Töchterle überzeugt.

Anfrage des Abgeordneten Kurt GRÜNEWALD (G):

Die Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin (Bio-Ethik-Konvention des Europa-rates) ist Teil des Regierungsübereinkommens. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es zu einer raschen Ratifizierung kommt?

Antwort:

Töchterle bekräftigte, er stehe positiv zu einer raschen Ratifizierung, wies aber auf die Notwendigkeit gesetzlicher Vorbereitungen in Österreich hin. Ziel sei ein Bundesgesetz, das die Frage der ethischen Implikationen in der Forschung umfassend regelt und die derzeitige Zersplitterung der Materie beendet. Der Minister drückte auch gegenüber dem Abgeordneten Erwin PREINER (S) seine Hoffnung auf einen entsprechenden Entwurf für die nächste Legislaturperiode aus. Angestrebt werde jedenfalls eine ganzheitliche Regelung, wobei, wie Töchterle auf eine Frage des Abgeordneten Franz-Joseph HUAINIGG (V) versicherte, die FTI-Strategie des Bundes eingebunden werde.

Anfrage des Abgeordneten Rainer WIDMANN (B):

Wie wollen Sie angesichts der rückläufigen Budgetzahlen (BVA 2013: 4.022,0 Mio. €, 2014 3.971,3 Mio. € und 2015 3.966,4 Mio. €) sicherstellen, dass das Ziel der Regierung, die Forschungsquote bis zum Jahr 2020 auf 3,76 Prozent zu erhöhen, auch erreicht wird?

Antwort:

Töchterle sprach von einem sehr ambitionierten Ziel und erinnerte vor allem an die großen Anstrengungen gerade im Bereich der öffentlichen Mittel. So investiere der Bund mehr als 3 Mrd. € in die Forschung. Allgemein befinde sich Österreich mit seiner Forschungsquote auf dem 5. Platz in der EU. Zur Erreichung des angestrebten Ziels sei aber, wie Töchterle zu bedenken gab, ein weiterer deutlicher Anstieg notwendig. Dazu müsse es vor allem auch gelingen, mehr private Gelder in die Forschungsfinanzierung zu bringen. Im Rahmen der Hochschulmilliarde sei jedenfalls vorgesehen, Mittel für Kooperationen mit der Wirtschaft zu verwenden. Dem Abgeordnetem Harry BUCHMAYR (S) teilte Töchterle mit, dass die Forschungsquote Österreichs derzeit 2,81% des BIP betrage.

Mit Nachdruck erinnerte Töchterle daran, dass die Gelder für die Leistungsvereinbarung sowie der Ersatz für die Studiengebühren nun jährlich automatisch ins Budget gestellt werden. Der Minister widersprach damit der Abgeordneten Ruperta LICHTENECKER (G), die eine Rücknahme der Budgetmittel für den Wissenschaftsbereich kritisiert hatte. Nicht anfreunden konnte sich Töchterle mit dem Vorschlag des Abgeordneten Gerhard DEIMEK (F), die Universitäten alleine nach deren möglichen volkswirtschaftlichen Erfolgen zu finanzieren. Gegenüber der Abgeordneten Eva Maria HIMMELBAUER (V) zeigte sich der Ressortleiter zufrieden über das hohe Ausmaß der internationalen Investitionen in die österreichische Forschung und sah dadurch vor allem die internationale Attraktivität des heimischen Forschungsstandorts bestätigt. 

Anfrage des Abgeordneten Stefan MARKOWITZ (T):

Ein unerfreuliches Bild zeigt das Uni-Forschungsranking 2013 auf: Während amerikanische Hochschulen die Spitzenplätze belegen, liegt die beste österreichische Universität, nämlich die Medizin-Uni Innsbruck, erst auf Platz 170, die Universität Wien auf Platz 249 und die technische Universität Wien auf Platz 291. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Forschungs- und Lehrtätigkeit an den österreichischen Universitäten so voranzutreiben, dass Österreich wieder erfolgreicher wird?

Antwort:

Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE gab zu bedenken, dass diese Platzierungen nur einen Teilaspekt des so genannten "Leiden-Rankings" widerspiegeln. In anderen Bewertungssystemen schneiden österreichische Unis hingegen oft sehr gut ab und würden zu den besten 50 in Europa gezählt. Außerdem müsse man beachten, dass die naturwissenschaftlichen Fächer, die man besser messen kann, oft dominieren. Ein weiteres Faktum sei, dass die einzelnen Hochschulen in den Rankings sehr knapp hintereinander liegen und oft nur eine einzelne Publikation zu einer Verschiebung von mehreren Plätzen führen (Zusatzfrage von Stefan PETZNER, B). Wie problematisch solche Bewertungen sind, sehe man allein am Beispiel der Montan-Universität, die sich bei den allgemeinen Rankings auch nicht auf den vorderen Plätzen befindet, aber zweifellos eine hervorragende und anerkannte Spezialausbildungsstätte ist (Zusatzfrage des Abgeordneten Gerhard Deimek, F). Generell fand es Töchterle aber interessant, dass oft nur über die negativen Ergebnisse ausführlich in den Medien berichtet werde.

Auf mehrere Zusatzfragen hin stellte der Bundesminister mit Nachdruck fest, dass ihm die Nachwuchsförderung in der Wissenschaft ein sehr großes Anliegen sei. So bemühe man sich zum Beispiel, möglichst viele Stellen zu "entfristen", damit die jungen Forscher, die eine sehr gute Leistung erbringen, länger an den Unis bleiben können. Das geeignete Instrument dafür sei die Schaffung von so genannten Qualifizierungsstellen, die seiner Meinung nach extensiv genutzt werden sollen. Eine weitere Maßnahme sei die Einrichtung von Doktoratskollegs, also Ausbildungszentren für den hochqualifizierten akademischen Nachwuchs, für die im letzten Jahr vom Ministerium 18 Mio. € zur Verfügung gestellt wurden (Zusatzfrage von Abgeordneter Silvia FUHRMANN, V). Was das Mitwirkungsrecht von jungen Forschern und Forscherinnen an den Unis angeht (Zusatzfrage der Abgeordneten Elisabeth Hakl, S), so können die Hochschulen seit dem UOG 2002 autonom darüber entscheiden, informierte Töchterle; er als Minister könne und wolle sich da gar nicht einmischen.

Anfrage der Abgeordneten Sabine OBERHAUSER (S):

Wie ist der Stand Ihrer Verhandlungen mit den europäischen Gremien zur Klärung der österreichischen Probleme mit der sogenannten "asymmetrischen Mobilität", d.h. wird es weiterhin eine quantitative Begrenzung von deutschen Studierenden im Bereich der Medizin geben?

Antwort:

Bundesminister TÖCHTERLE wies einleitend darauf hin, dass Österreich dieses Thema auf die europäische Agenda gebracht habe; darauf sei er auch stolz. Bei seinen Gesprächen in Brüssel werde er  oft auf diese Problematik angesprochen, wobei von vielen Seiten Unterstützung signalisiert wurde. Auch wenn die "asymmetrische Mobilität" derzeit vor allem das Medizinstudium betrifft, strebe er gemeinsam mit den Bündnispartnern in der EU eine generellere Regelung an. Schwierigkeiten gebe es etwa auch am Standort Salzburg, wo 80 % deutsche Studenten im Fach Psychologie inskribiert sind. Da es nach 2016 sicher keine Quote mehr für Österreich geben wird, müsse eine neue Politik im Hinblick auf den Hochschulzugang in Europa entwickelt werden, unterstrich Töchterle. Er habe jedenfalls den Eindruck, dass auch die Kommission sehr an einer Lösung interessiert ist.

Was die angesprochene Medizin-Universität in Linz angeht, so müssen zunächst die dafür notwendige gesetzliche Grundlage, die Finanzierungsfrage sowie die Einpassung in den Hochschulplan geklärt werden, informierte Töchterle die Fragestellerin. Gleichzeitig müsse von Seiten des Gesundheitssystem gewährleistet werden, dass die Abgänge von heimischen Absolventen gestoppt werden. Erst dann könne man über diese Frage entscheiden, betonte der Minister.

Anfrage der Abgeordneten Karin HAKL (V):

Was konnten Sie in den letzten beiden Jahren in Bezug auf die von der Bundesregierung beschlossene FTI Strategie bis 2020 umsetzen?

Antwort:

Die FTI-Strategie umfasse eine Fülle von Maßnahmen, die verschiedene Ressorts betreffen, erläuterte der Wissenschaftsminister. In seinem Ministerium werde der Fokus primär auf die Grundlagenforschung und die Universitäten gelegt. Als Beispiele führte TÖCHTERLE u.a. Investitionen in den akademischen Nachwuchs, die Förderung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) oder den Ausbau der Internationalisierung an. Auch um die Akquirierung privater Mittel für die Grundlagenforschung zu forcieren habe er bereits ein Bündel an Maßnahmen vorgelegt, die bereits greifen. Dem Abgeordneten Gerhard HUBER (B) gegenüber versicherte der Wissenschaftsminister, dass bei all diesen Programmen und den Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft die kleinen und mittleren Betriebe ausreichend berücksichtigt werden. So habe man etwas dafür gesorgt, dass die KMUs im Rahmen von "Horizon 2020" besonders gefördert werden. (Schluss Fragestunde/Fortsetzung Nationalrat) hlf/hof/sue