Parlamentskorrespondenz Nr. 482 vom 04.06.2013

PädagogInnenausbildung besteht Ausschussprüfung mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit

Schmied und Töchterle stellen Unterrichtsausschuss ihren Reformplan vor - Opposition ortet weiterhin Mängel im Schulsystem

Wien (PK) – Alle LehrerInnen Österreichs sollen zukünftig nach gleichwertigen Standards ausgebildet werden, so der Plan von Unterrichtsministerium und Wissenschaftsministerium, dargestellt in der Regierungsvorlage zur PädagogInnenausbildung NEU. Die im Reformvorschlag verankerte engere Kooperation zwischen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten zielt auf eine qualitätssteigernde Verschränkung von Berufspraxis und Wissenschaft in der Lehrkräfteausbilung ab, betonten Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle dazu im heutigen Unterrichtsausschuss des Nationalrats.

Bei den Abgeordneten stieß der neue Lehrkräfte-Ausbildungsplan allerdings nicht auf einhellige Zustimmung und wurde nur mit Mehrheit der Regierungsfraktionen angenommen. Während SPÖ und ÖVP das nach jahrelanger Diskussion ausgearbeitete Reformkonzept lobten, kritisierte die Opposition, dass die LehrerInnenausbildung immer noch auf zwei unterschiedliche Institutionsformen - Pädagogischen Hochschulen und Universitäten – aufgeteilt ist. Daraus ergäben sich auch in Zukunft Doppelgleisigkeiten, ist die Befürchtung. Ein BZÖ-Entschließungsantrag zur standortbezogenen Sprachförderung an Schulen wurde in der Ausschusssitzung mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt, ein Abänderungsantrag der Grünen zum Thema Inklusionspädagogik fand keine Mehrheit.

Bei einem Ausschusshearing zur Gesetzesvorlage sprachen FachexpertInnen aus dem Bildungsbereich mehrere Aspekte des Reformprojekts an, wobei nicht alle Bewertungen positiv ausfielen. Konsens bestand aber über einen Änderungsbedarf im österreichischen Bildungswesen. Als Sachverständige zugegen waren zwei Vertreter der Vorbereitungsgruppe zum Konzept für die neue PädagogInnenbildung, Andreas Schnider (Pädagogische Hochschule Wien) und Roland Fischer (Universität Klagenfurt), sowie der Rektor des FH Campus Wien Arthur Mettinger und die Bildungspsychologin Christiane Spiel (Universität Wien). Verstärkt wurde die SpezialistInnenrunde durch Erziehungswissenschafter Erwin Niederwieser von der Arbeiterkammer Tirol, Universität Graz - Vizerektor Martin Polaschek, Walter Stadler vom Freiheitlichen Lehrerverein Oberösterreich, Peter Fischer von der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg/Feldkirch und Andrea Offner-Koller vom Sonderpädagogischen Zentrum Villach Stadt.

Allgemeine Akademisierung des Lehrberufs anvisiert

Die PädagogInnenausbildung NEU sei ein Meilenstein in der Neugestaltung der heimischen Bildungspolitik, war der Tenor seitens der Regierungsfraktionen. SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer befand, damit werde nicht nur eine Antwort auf jahrelange Fragestellungen zur verbesserten Ausbildungsart von LehrerInnen gegeben, auch das Ende der Zwei-Klassen-Gesellschaft rücke dadurch näher. Für ÖVP-Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager fußt der Gesetzesentwurf auf der erfolgreichen Kooperation der zuständigen Ressorts, einem Zusammenwirken, das nun auf Ebene der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten weitergeführt werde.

Im Sinne einer generellen Akademisierung und damit inhaltlichen Aufwertung der Lehramtsausbildung soll die Kooperation zwischen Pädagogische Hochschulen (PH) und Universitäten verstärkt werden, heißt es im Gesetzesvorschlag zur PädagogInnenausbildung NEU (2348 d.B.). Sämtliche Lehramts-Studienpläne bauen laut Regierungsvorlage auf einer gemeinsamen bildungswissenschaftlichen Grundlage auf, die je nach dem spezifischen Kompetenzbereich ausgeweitet wird. Das Bachelor-Lehramtsstudium dehnt sich allgemein von sechs auf acht Semester aus, auch für die weiterhin an PH auszubildenden VolksschullehrerInnen. Gemäß der Bologna-Studienarchitektur sind anschließend Masterstudien im Ausmaß von zumindest zwei Semestern für alle Lehrämter vorgesehen, Ausnahmeregeln gibt es hier nur für Bereiche der Berufsbildung.

Praxisbezug in der Ausbildung soll gewährleistet sein

Unterrichtsministerin Claudia Schmied unterstrich, die neue Form der PädagogInnenausbildung sei ein großer Schritt bei der Weiterentwicklung des Bildungswesens. Durch die kompetenzorientierte Kombination von Praxis und Wissenschaft werde die Qualität der Ausbildung angehender Lehrkräfte gehoben. Ein eigens installierter Qualitätssicherungsrat prüfe die an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten angebotenen Lehramts-Curricula auf ihre wissenschaftliche und praxisnahe Fundierung.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sah ebenfalls einen Qualitätssprung in der PädagogInnenbildung durch ihre akademische Aufwertung, wobei er festhielt, gerade an den Universitäten sei der Bildungsauftrag bei Lehramtsstudien noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Er begrüßte, dass mit der Gesetzesvorlage die Weichen für eine vermehrte Kooperation zwischen wissenschaftsorientierten Universitäten und praxiszentrierten Pädagogischen Hochschulen gestellt würden. Die weitere Trennung dieser Institutionen ergebe sich schon aus Ressourcengründen, erwiderte Töchterle die oppositionelle Kritik an dieser Zweiteilung in der PädagogInnenausbildung. Bieten Pädagogische Hochschulen Masterstudien im Bereich der Sekundarstufe I (Allgemeinbildung) an, sieht die Regierungsvorlage für sie eine Kooperation mit Universitäten vor. Ab dem Studienjahr 2013/14 sind zusätzlich PH-Masterlehrgänge zur Weiterbildung geplant.

FH-Rektor Mettinger wertete insbesondere die Möglichkeit des berufsbegleitenden Absolvierens von Lehramts-Masterstudien als maßgeblich für den Praxiserwerb der Studierenden und verwies dabei auf entsprechende Erfahrungen aus dem Fachhochschulbereich. Mit der neuen LehrerInnenausbildung solle eine handlungsorientierte Wissenschaftlichkeit in den Pädagogik-Studienplänen Einzug halten, fasste Universitätsprofessor Roland Fischer die grundsätzlichen Überlegungen zur Gesetzesvorlage zusammen. Dem hielt Ausschussobmann Walter Rosenkranz (F) entgegen, aus seiner Sicht fehle es an begleitender Berufspraxis im Regierungsvorschlag zur LehrerInnenausbildung. Rückhalt erhielt der Mandatar dabei vom oberösterreichischen Landesobmann des freiheitlichen Lehrervereins Walter Stadler, der auch einen klaren Praxisbezug im Ausbildungskonzept vermisste und generelle Strukturänderungen im Schulwesen einforderte. Gerade an Volksschulen wäre es angeraten, FachlehrerInnen anstatt der jeweiligen Klassenlehrkräfte, die umfassende Kenntnisse in sämtlichen Fächern benötigten, einzusetzen, schlug er vor.

Ein Chance zur Verbesserung der PädagogInnenausbildung sei verpasst worden, brachte Grünen-Bildungssprecher Harald Walser seine Ablehnung der Regierungsvorlage auf den Punkt. Anstatt eine zentrale Ausbildungsstätte für alle Lehrkräfte zu schaffen, setze die Regierung weiterhin auf das teure Weiterführen verschiedener Bildungsinstitutionen, nämlich der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten, die doch den gleichen Auftrag hätten. BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner interpretierte die angedachte PädagogInnenausbildung NEU als Kompromissprojekt, das etwa die Felder Sonder-, Inklusions- und Hortpädagogik nicht ausreichend berücksichtige und die Kooperation zwischen PH und Uni unzureichend definiere. Wie auch ihr Vorredner Walser meinte sie weiters, für einen wirklichen Systemwechsel sei es entscheidend, die Reform an ein zeitgerechtes Dienst- und Besoldungsrecht für LehrerInnen zu koppeln.

Elementapädagogik: tertiäre Ausbildung lässt noch auf sich warten

Die Aufwertung der Kindergärten als erste Bildungseinrichtung durch eine Inkludierung der ElementarpädagogInnen in den Reformplan sei in dem Gesetzeentwurf nicht vorhanden, beanstandete Abgeordnete Daniela Musiol (G). Ihre Fraktion gebe schon seit langem Anregungen, wie eine tertiäre Ausbildung auch für KindergärtnerInnen umgesetzt werden könnte, erinnerte sie, der Bund müsse endlich eine gesetzliche Grundlage dafür bieten. Auch im Bereich der inklusiven Pädagogik sei eine rasche Behebung der gegenwärtigen Defizite nötig. Einen von Musiol eingebrachten Abänderungsantrag der Grünen zur Thematik Sonderpädagogik lehnte der Ausschuss jedoch ab.

Bundesminister Karlheinz Töchterle hielt ebenso wie Erziehungswissenschafter Erwin Niederwieser fest, unfraglich sei die Elementarpädagogik Teil der Reformüberlegungen, jedoch müssten dafür noch die nötigen Lehrstellen geschaffen werden. In der Elementarpädagogik würden derzeit bereits die Voraussetzungen für eine tertiäre Ausbildung etabliert, hoben Töchterle und Schmied zudem hervor, die Hochschulen könnten jederzeit eine Masterausbildung dafür anbieten. Nur mit ausreichenden Lehrkapazitäten sei eine gute Basis für die akademische Ausbildung von KindergärtnerInnen zu gewährleisten.

Grundkenntnisse der Elementarpädagogik und der inklusiven Pädagogik seien überdies durch die verpflichtenden Schwerpunktsetzungen dazu in den derzeit vorliegenden Plan zur Lehrkräfteausbildung aufgenommen worden, ergänzten ÖVP-Bildungssprecherin Christine Marek und Bildungsexperte Andreas Schnider.

Studienbeginn und Berufseintritt für LehrerInnen neu geregelt

Damit angehende LehrerInnen tatsächlich den modernen Anforderungen des Lehrberufs gewachsen sind, sieht die Novelle eine Neugestaltung der Studieneingangs- und Orientierungsphase für das entsprechende Bachelorstudium vor. Die Eignung der Studierenden für den Lehrberuf ist dabei im ersten Semester festzustellen, wobei die Prüfungen dieser Eingangsphase jeweils zweimal wiederholt werden dürfen. Außerdem würden Studierende in ihrem ersten Jahr von MentorInnen unterstützt, erläuterte Bildungsfachmann Schnider.

Mit Induktionslehrveranstaltungen als wissenschaftliche Begleitung zum Beginn der Tätigkeit im pädagogisch-praktischen Berufsfeld will man den Berufseinstieg für AbsolventInnen von Lehramtsstudien erleichtern. Zu den Aufnahmeverfahren für Lehramtsstudien an Pädagogischen Hoschulen und Universitäten merkten Uni-Vizerektor Martin Polaschek und PH-LehrerInnenausbildner Peter Fischer an, hier wäre eine stärkere Vereinheitlichung der Aufnahmeprüfungen zielführend. Darüber hinaus plädierte Fischer für eine tatsächliche Gleichstellung der Primar- und Sekundarausbildung, denn diese gehe aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht hervor. Das Problem ungleicher Bildungsmöglichkeiten, das er im österreichischen Schulwesen ausmachte, ließe sich ihm zufolge nur durch einen systematischen Wechsel hin zu einer Gemeinsamen Schule beheben.

Aktuellen Anforderungen im Schulwesen gerecht werden

Insgesamt sollen die neuen Bestimmungen dazu dienen, die Durchlässigkeit der Lehramtsausbildung zu anderen facheinschlägigen Studien zu erhöhen. So werden an den Pädagogischen Hochschulen Ergänzungsstudien eingeführt, die auch QuereinsteigerInnen die systematische Anerkennung der vorherigen facheinschlägigen Studien und ein verkürztes Bachelor-Lehramtsstudium bieten. Nicht zuletzt wolle man mit der gleichwertigen Ausgestaltung der LehrerInnenausbildung eine Flexibilität von PädagogInnen zwischen Schularten und Schulstufen erreichen, so Bildungspsychologien Christiane Spiel. Auch gelte es in ihren Augen, mit wissenschaftlich fundiert ausgebildeten und nach ihrer Eignung ausgewählten PädagogInnen bestehenden Kompetenzmängeln vieler SchülerInnen, wie den Problemen beim sinnerfassenden Lesen, beizukommen.

Auf die gesteigerten sozio-emotionalen Anforderungen an LehrerInnen, die diese neben ihrem Auftrag der Wissensvermittlung im heutigen Klassenkontext zu erfüllen hätten, wies Sonderpädagogikexpertin Andrea Offner-Koller hin und appellierte, diese Aspekte bei der Ausbildung von PädagogInnen zu beachten. Vor dem Hintergrund vermehrt heterogen zusammengesetzter Schulklassen werden die Zulassungsvoraussetzungen für Lehramtsstudien in der Regierungsvorlage dahingehend geändert, dass insbesondere behinderte Studierende und Studierende mit anderen Erstsprachen als Deutsch zur Lehramtsausbildung motiviert werden. Im Zusammenhang mit mehrsprachigen SchülerInnen und deren Konzentration in Österreichs Städten forderte das BZÖ von Unterrichtsministerin Claudia Schmied, ein standortbezogenes Sprachförderkonzept für Schulen vorzulegen (2295/A[E]).

BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner wies dabei auf die im Nationalen Bildungsbericht 2012 aufgezeigte regional ungleiche Verteilung von SchülerInnen mit nicht-deutscher Muttersprache in Österreich hin. Bundesministerin Claudia Schmied erklärte daraufhin, es gebe ein sehr großes Problembewusstsein in dieser Frage, daher sei von ihrem Haus Ende Mai ein entsprechendes Maßnahmenpaket präsentiert worden. Basierend auf den ersten Erfahrungen in den Schulen, die entsprechend ihrem sozio-ökonomischen Hintergrund eigenverantwortlich Projekte durchführen, solle dann ein umfassendes Konzept entwickelt werden, für das natürlich auch Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Die Regierungsfraktionen vertagten den Antrag mit dem Hinweis auf bereits in Angriff genommene Umsetzungsschritte zur gezielten Sprachförderung. (Schluss Unterrichtsausschuss) rei/sue


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