Parlamentskorrespondenz Nr. 526 vom 13.06.2013

Nationalrat: König Abdullah Dialogzentrum bleibt umstritten

Entschließungen zur Situation der JournalistInnen in China, der Menschenrechtslage in Bahrain und den Benes-Dekreten

Wien (PK) – Das Plenum des Nationalrats wandte sich dann recht unterschiedlichen außenpolitischen Themen zu. Zum einen legt das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog den Status des Zentrums fest. Seitens der Republik Österreich wird dem Dialogzentrum damit derselbe Status eingeräumt wie anderen in Österreich angesiedelten internationalen Organisationen. Das Abkommen wurde mehrheitlich vom Nationalrat gebilligt. Ein von den Entwicklungen bereits überholter Entschließungsantrag der Grünen, von der Gründung des Dialogzentrums überhaupt Abstand zu nehmen, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Einstimmig angenommen wurde hingegen der Entschließungsantrag des Außenpolitischen Ausschusses, worin die Bundesregierung und insbesondere der Außenminister aufgefordert wird, in der EU und im UN-Menschenrechtsausschuss die Menschenrechtslage in Bahrain zu thematisieren. Die Abgeordneten fordern des Weiteren, einen bilateralen Dialog mit Bahrain über das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und Bekämpfung der Folter zu führen und sich für die Verteidiger der Menschenrechte in diesem Land einzusetzen. Diese Entschließung basiert auf einem Antrag der Grünen zur Lage der Menschenrechte in Bahrain, der damit als erledigt gilt.

Ebenfalls ausgehend von einem Antrag der Grünen passierte ein weiterer Antrag des Außenpolitische Ausschuss das Plenum, der den Außenminister ersucht, im Rahmen der UNO, der EU, aber auch auf bilateraler Ebene für die Einhaltung der Meinungs- und Pressefreiheit und den Schutz der JournalistInnen in China einzutreten.

Angenommen wurde hingegen ein in der Debatte eingebrachter Vier-Parteien-Antrag, in dem der Außenminister ersucht wird, einen Bericht über die Bemühungen der vergangen zehn Jahre in den bilateralen Beziehungen zu Tschechien und Slowakei in der Frage der Aufarbeitung der Benes-Dekrete und über die Entwicklung der dazu eingesetzten tschechisch-österreichischen Historiker Konferenz vorzulegen.

Internationales König Abdullah-Zentrum – zwischen Zuversicht und Zweifel

Beim Internationalen König Abdullah-Zentrum handle es sich um eine sehr umstrittene Einrichtung, die auch von seiner Fraktion abgelehnt wird, erklärte Abgeordneter Johannes HÜBNER (F). Ein Grund dafür sei schon allein die Bezeichnung, meinte der Redner, da sich der Name eines absolutistischen, autokratischen Herrschers kaum dazu eigne, ein Zentrum des interreligiösen und interkulturellen Dialogs zu benennen. Für prinzipiell problematisch hielt Hübner auch die Tatsache, dass das Zentrum nun den Status einer internationalen Organisation erhält und mit allen denkbaren Privilegien – z.B. Befreiung von Gerichtsbarkeit, Steuern und Zöllen - ausgestattet wird.

Abgeordneter Franz GLASER (V) warf seinem Vorredner vor, krampfhaft Argumente gesucht zu haben, um gegen das Zentrum zu polarisieren. Heute soll nur das Amtssitzabkommen beschlossen werden, das bei allen internationalen Organisationen so üblich sei. Glaser gab zu bedenken, dass das Zentrum für alle Religionen, NGOs und ExpertInnen offen ist und für Österreich sicherlich einen Gewinn darstellen werde. Außerdem habe die Gründungsversammlung gezeigt, dass die VertreterInnen aller Religionen und Organisationen sehr wohl zu diesem Zentrum stehen, hob der Redner hervor. Was die Finanzierung durch Saudi-Arabien angeht, so sehe er dies auch als ein Signal der Öffnung, das nicht durch billige Kritik abgetan werden sollte. Die Anträge der Grünen betreffend die Menschenrechtslage in Bahrain und die Verfolgung von JournalistInnen in China werde man gern unterstützen.

Erfreut zeigte sich Abgeordnete Alev KORUN (G) darüber, dass die Anträge ihrer Fraktion zum Schutz der Menschenrechte in Bahrain und in China breite Unterstützung im Ausschuss gefunden haben. Was das Amtssitzabkommen betreffend das Internationale König Abdullah-Zentrum betrifft, so sei ihr aufgefallen, dass – im Gegensatz zu anderen Abkommen dieser Art – die Organisation sich nicht dazu verpflichtet hat, sondern es nur in Aussicht stellt, dass die Mitarbeiter angehalten werden, ihre Privilegien nicht zu missbrauchen. Sie wäre vielleicht nicht so kritisch, räumte Korun ein, wenn es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Land handeln würde, in dem der wahabitische Islam vorherrscht. Deshalb haben die Grünen, der Errichtung dieses Zentrums auch nicht zugestimmt, erinnerte sie.

Der Wortmeldung ihres Kollegen Glaser schloss sich Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) an. Auch sie glaube, dass die Eröffnung dieses Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog eine große Chance für Österreich und für die Stadt Wien darstellt, um auf breiter Basis über den Frieden, die Religionsfreiheit und die Weiterentwicklung der Menschen- und Frauenrechte zu reden. Das nun vorliegende Amtssitzabkommen unterscheide sich auch nicht von anderen mit internationalen Organisationen geschlossenen Verträgen, fügte sie hinzu.  

Auch Abgeordneter Christoph HAGEN (T) vertrat ebenso wie FPÖ-Mandatar Hübner die Auffassung, dass es sich beim vorliegenden Amtssitzabkommen nicht um eine Gleichstellung, sondern um eine Besserstellung gegenüber anderen internationalen Organisationen handelt. Er könne nicht nachvollziehen, wie ein absolutistischer Monarch aus dem arabischen Raum, der die Menschenrechte und die Religionsfreiheit grob verletze (z.B. Todesstrafe für Lappalien und Verfolgung der Christen und Christinnen), als großer Stifter gefeiert wird. Weiters kündigte er die Unterstützung seiner Fraktion für die Anträge der Grünen an.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) wiederum sprach von einer sehr positiven Einrichtung, wo das Geld aus Saudi-Arabien sehr sinnvoll eingesetzt wird. Man sollte dieser Initiative zumindest einmal eine Chance geben und nicht von vornherein alles schlecht machen, forderte er. Außerdem habe die Gründungsversammlung schon bewiesen, dass dadurch VertreterInnen aller Religionen an einem Tisch geholt werden und miteinander in einen Dialog eintreten.

Abgeordneter Anton HEINZL (S) thematisierte insbesondere die Menschenrechtssituation in Bahrain, die sehr prekär sei und sich zudem zunehmend verschlechtere. Die Bevölkerung gehe seit über einem Jahr ständig auf die Straße, um ihren Unmut über das absolutistische Regime kundzutun. Die hauptsächlich von Schiiten getragenen Proteste würden jedoch vom sunnitischen Herrscherhaus gewaltsam unterdrückt. Zahlreiche Demonstranten würden inhaftiert und gefoltert, über 80 Menschen seien bereits gestorben, berichtete Heinzl. Solche Missstände dürften nicht hingenommen werden und es müsse alles getan werden, damit diese Menschenrechtsverletzungen ein Ende haben, forderte Heinzl.

BZÖ und FPÖ thematisieren einmal mehr Benes-Dekrete

Nicht durchsetzen konnte sich das BZÖ mit einem Entschließungsantrag nach Vorlage eines Berichts über den seit 2009 erreichten Stand in den bilateralen Beziehungen mit der Slowakei betreffend die Frage der Aufarbeitung der Benes-Dekrete sowie über die Ergebnisse der in dieser Angelegenheit eingesetzten Historikerkommission. Die Benes-Dekrete waren auch der Hintergrund eines Entschließungsantrags der FPÖ, der ebenfalls mehrheitlich abgelehnt wurde. Dennoch wurde schließlich ein Antrag hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise in den bilateralen Beziehungen angenommen.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) kritisierte mit Nachdruck, dass Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Aufnahme der Tschechischen Republik in die EU die menschenverachtenden Benes-Dekrete noch immer existieren. Sie befürchtete, dass sich daran auch wenig ändern wird, zumal Präsident Zeman seine bekannten Äußerungen zu diesem Thema beim Staatsbesuch 2013 wieder bestätigt habe. Kitzmüller warf der Bundesregierung vor, nichts in dieser Frage zu unternehmen und damit auch die Vertriebenenorganisationen im Stich zu lassen. Diese Behandlung sei ihrer Ansicht nach schäbig und das hätten sich die nach dem Zweiten Weltkrieg eingebürgerten AltösterreicherInnen, die aus Böhmen, Mähren und Österreich-Schlesien vertrieben wurden und dann zum Aufbau des Landes beigetragen haben, sicher nicht verdient. Die Zeit dränge und es müsse daher schleunigst etwas unternommen werden, forderte die FPÖ-Mandatarin. Sodann brachte sie einen umfassenden Entschließungsantrag zu diesem Thema ein.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) bezweifelte, dass seine Vorrednerin mit ihren Anträgen zu den Benes-Dekreten irgendetwas in Tschechien oder der Slowakei bewirken könne. Auch wenn sich alle darüber einig seien, dass diese Unrechtsdekrete weg müssen, so sollte man sich doch überlegen, wie dies am besten und vernünftigsten erreicht werden kann. Großruck lehnte den populistischen Weg der Freiheitlichen ab, bei dem es darum gehe, Wählerstimmen zu gewinnen. Vielmehr sollte man seine Kräfte dafür einsetzen, um auf dem Verhandlungsweg Lösungen zu finden. Er wisse etwa, dass Außenminister Spindelegger bei jedem Gespräch mit unseren Nachbarn dieses Thema aufgreift und vermittelnd tätig ist.

Es sei klar, dass auf bilateraler Ebene verhandelt werden müsse, räumte Abgeordneter Christoph HAGEN (T) ein, aber die Gespräche mit Tschechien gebe es schon seit ziemlich langer Zeit. In Ungarn zum Beispiel seien die Minderheiten- und Vertriebenenrechte relativ schnell angegangen worden, gab er zu bedenken. Außerdem lassen einem die Aussagen des Präsidenten Zeman, der weiter an diesen Unrechts-Dekreten festhält, stark daran zweifeln, ob es von tschechischer Seite überhaupt einen Willen zu Verhandlungen gibt.

Abgeordneter Franz KIRCHGATTERER (S) hielt fest, die SPÖ habe sich seit 1945 im Rahmen ihrer Menschenrechtspolitik immer für berechtigte Anliegen der Vertriebenen eingesetzt. Er würdigte die Leistungen der Heimatvertriebenen in Österreich und erinnerte an die starken historischen Wurzeln der österreichischen Sozialdemokratie in den deutschsprachigen Gebieten Böhmens und Mährens. Die SPÖ habe die Vertreibung deutschsprachiger Volksgruppen nach 1945 immer als schweres Unrecht betrachtet, hielt er zu den Benes-Dekreten fest. In der Tschechischen Republik gebe es dazu in Politik und Gesellschaft allmählich ein Umdenken. Seine Fraktion und insbesondere die Organisation sudetendeutscher SozialdemokratInnen in Österreich träten stets gegen die Entkriminalisierung der Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Vertreibungen auf.

Scharfe Kritik an Präsident Zeman

Aus Sicht von Abgeordnetem Johannes HÜBNER (F) war es unverständlich, dass man im Plenum des Nationalrats zwar gegen die Benes-Dekrete auftrete, sich aber weigere, ein Zeichen nach außen zu setzen. Nichts anderes wolle der zur Diskussion stehende Antrag der FPÖ, nämlich ein klares Auftreten gegen bedenkliche Äußerungen des tschechischen Präsidenten Zeman. Die Bundesregierung solle sich für die Verurteilung dieser Aussagen auf europäischer Ebene einsetzen. Das sei keine Einmischung in tschechische Angelegenheiten, stellte er fest.

Bei den Benes-Dekreten gehe es um insgesamt 3 Millionen rein aufgrund eines Bekenntnisses zur deutschen Sprache ausgebürgerten und vertriebenen Menschen, wobei 250.000 im Zuge der Vertreibung ermordet worden seien, sagte Hübner. Er verstehe nicht, wieso gerade Österreich mit seiner entwickelten Gedenkkultur nicht bereit sei, gegen die Verharmlosung der Verbrechen, die nach Kriegsende passierten, aufzutreten. Immerhin gebe es eine siebzigjährige Tradition der Aufarbeitung und Entschädigung bei den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Vertriebenen hätten hingegen nie etwas erhalten. Staatspräsident Zeman habe bei einem Staatsbesuch in Österreich seine untragbaren Äußerungen aus dem Jahr 2002 über die Vertreibungen bestätigt. Hübner nannte es eine "schändliche Haltung" der Regierungsparteien, dass sie keinen Protest dagegen formulieren wolle.

Abgeordnete Alev KORUN (G) hielt fest, im Außenpolitischen Ausschuss sei man sich einig gewesen, dass die Aussagen Zemans klar abzulehnen seien. Würde der Ausschuss aber alle Aussagen von Staatsgästen kommentieren, könne er jede andere Arbeit einstellen, er sei auch keine Pressestelle das Außenministeriums. Die Grünen unterstützen den zur Debatte stehenden Antrag daher nicht, treten aber dafür ein, dass die Bundesregierung solche Äußerungen in bilateralen Gesprächen selbstverständlich thematisiert und gegenüber Präsident Zeman und der tschechischen Regierung ihre Ablehnung zum Ausdruck bringt. Zeman sei auch in Tschechien kritisiert worden, das gebe Hoffnung, dass eine Geschichtsaufarbeitung im Gange sei. Die Freiheitlichen seien für sie, Korun, in Minderheitenfragen nicht sehr glaubwürdig. Sie sollten auch für die Flüchtlinge, die heute nach Österreich kommen, den selben Einsatz zeigen, rief sie die FPÖ auf. Den Antrag, die Ergebnisse der Historikerkommission zu den Benes-Dekreten in einem Bericht zu präsentieren, unterstützen die Grünen Korun zufolge jedoch.

Abgeordneter Josef A. RIEMER (F) bezeichnete die Aussagen Zemans als unfassbar, menschenrechtswidrig und Verhöhnung der Opfer. Statt der verdienten Empörung fordere man aber offenbar nur Sensibilität ein, wenn Zeman nicht zur Kenntnis nehme, dass es um 3 Millionen Vertriebene und zirka 250.000 Ermordete gehe. Die Sudetendeutschen seien historisch eigentlich ÖsterreicherInnen, denen man das Selbstbestimmungsrecht verweigert habe, und die Erste Republik habe sich als Schutzmacht für die Sudetendeutschen gesehen. Die Vertreibung von Deutschen und Ungarn sei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu qualifizieren und daher nicht verjährt. Die Vertreibung von AltösterreicherInnen sei eine schwärende historische Wunde, jede österreichische Bundesregierung trage angesichts dieses Geschehens eine historische wie menschenrechtliche Verantwortung. Riemer brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bei den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Tschechoslowakei für die Entschädigung der Vertriebenen und die Aufhebung der jeweiligen Vertreibungs- und Enteignungsgesetze einzutreten.

Als Vertriebenensprecher der ÖVP meinte Abgeordneter Michael HAMMER, Österreich spreche bei bilateralen Kontakten mit Tschechien und der Slowakei das Thema regelmäßig an, auch wenn das nicht immer nach außen dringe. Es werde konsequent daran gearbeitet und die Vertriebenenverbände bestätigten die gute Zusammenarbeit mit dem Außenministerium. Die Benes-Dekrete sind für Hammer mit den Werten der Europäischen Union nicht vereinbar. Es brauche ein Eingeständnis des Unrechts, die Beseitigung der Dekrete und eine Entschuldigung sowie eine angemessene Form der Entschädigung, forderte er und meinte gleichzeitig, Bewegung in der tschechischen Gesellschaft zu orten. Das zeigten auch Äußerungen tschechischer PolitikerInnen. Der Vier-Parteien-Antrag, den Abgeordneter Huber einbringen werde, verdiene Unterstützung. Hier biete sich eine Gelegenheit, darzustellen, was in den letzten Jahren in der Frage der Vertriebenen erreicht wurde.

Vier-Parteien-Antrag zu den Benes-Dekreten

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) hielt fest, Unrecht - und dabei gehe es um Mord, Totschlag und Vertreibung - dürfe nie zu Recht werden. Daher sei es ihm seit 2008 ein Anliegen, dass diese Geschichte endlich auch von Tschechien und der Slowakei aufgearbeitet werde. Für die Vertriebenen stehe die Anerkennung des Unrechts im Vordergrund, nicht materielle Entschädigung. Die Slowakei habe nach dem EU-Beitritt sofort beschlossen, dass die Benes-Dekrete ihre Gültigkeit behalten sollen, ohne dass es dazu einen Aufschrei der EU oder Österreichs gegeben habe.

Huber brachte in diesem Zusammenhang einen Vier-Parteien-Antrag von BZÖ, SPÖ, ÖVP und Grünen ein, in dem der Außenminister ersucht wird, einen Bericht über die Bemühungen der vergangen zehn Jahre in den bilateralen Beziehungen zu Tschechien und Slowakei in der Frage der Aufarbeitung der Benes-Dekrete und über die Entwicklung der dazu eingesetzten tschechisch-österreichischen Historiker Konferenz vorzulegen. Das BZÖ werde weiter für die Abschaffung der Benes-Dekrete eintreten, konstatierte Huber.

In Richtung von Abgeordneter Korun bemerkte Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B), es gehe nicht um die Kritik an der Aussage eines tschechischen Staatsmanns, sondern um eine Grundsatzfrage. Noch verwerflicher als die Benes-Dekrete seien die Amnestiegesetze, mit denen die nach 1945 verübten Gräueltaten gerechtfertigt wurden und die bis heute Rechtsbestandteil der Verfassungen von Mitgliedstaaten der EU seien. Man könne eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte auch von Tschechien und der Slowakei einfordern, so Scheibner, das offizielle Österreich trage eine Verantwortung gegenüber den Vertriebenen. Beim EU-Beitritt der beiden Länder sei versprochen worden, dass Österreich sich beim Europäischen Gerichtshof um die Beseitigung dieser Gesetze bemühen werde. Er wolle daher wissen, was in dieser Frage passiert sei. Menschenrechte könnten nicht teilbar sein und die EU könne eine Rechtfertigung für die Ermordung von 300.000 Menschen und die Vertreibung von 3 Millionen Menschen niemals akzeptieren.

Lopatka: Gemeinsames Geschichtsbuch als Grundlage für weitere Arbeit

Staatssekretär Reinhold LOPATKA äußerte Verständnis für die Emotionen, welche das Thema auslöst. Zur Frage, was erreicht worden sei, könne er berichten, dass durch die eingesetzte Historikerkommission ein gemeinsames Geschichtsbuch erarbeitet wurde, das eine wichtige Grundlage für die weitere Arbeit sein werde. Er sehe Fortschritte in den Beziehungen zu Tschechien, statt des Trennenden betone man nun das Gemeinsame. Die Geschichtsaufarbeitung verliere man dabei aber nicht aus dem Auge. Der Vier-Parteien-Entschließungsantrag sei ein klarer Auftrag an die Regierung, hier konsequent weiterzuarbeiten.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) konnte nicht verstehen, warum man bei diesem Thema, wo es um Aufarbeitung von Mord und Vertreibung geht, stets auf die erforderliche Sensibilität verweist. Früher hätten Politiker der ÖVP das Thema der Vertreibungen viel konsequenter angesprochen. Fichtenbauer wertete die Reaktion von Präsident Zeman, als er auf die Benes-Dekrete angesprochen wurde, als reinen Zynismus. Er habe sie als Verfassungsgesetze der Tschechischen Republik bezeichnet und sich auf ein Gerichtsurteil des tschechischen Verfassungsgerichts berufen, das zu akzeptieren sei. Das sei alles andere als sensibel. Die FPÖ hätte einem Beitritt Tschechiens niemals vor Aufhebung der Benes-Dekrete und der Rechtfertigungsgesetze zustimmen dürfen. Die Freiheitliche würden das Thema sicher niemals auf sich beruhen lassen.

Der Antrag von Abgeordnetem Gerhard Huber betreffend Entschließung 1487/2007 des slowakischen Nationalrats über die Unangreifbarkeit der Beneš-Dekrete wurde ebenso mehrheitlich abgelehnt, wie auch Antrag der FPÖ betreffend bedenkliche Aussagen des tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman über die Vertreibung der Sudetendeutschen.

Der in der Debatte eingebrachte Vier-Parteien-Entschließungsantrag wurde jedoch einstimmig angenommen. Keine Mehrheit fanden die Entschließungsanträge von den FPÖ- Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und Josef A. Riemer, die abgelehnt wurden.

(Fortsetzung Nationalrat) jan/sue/sox