Parlamentskorrespondenz Nr. 530 vom 13.06.2013

Wirtschaftskammergesetz und Gewerbeordnung am Ende des NR-Plenums

Diskussion über bürokratischen Aufwand der Betriebe

Wien (PK) – Wirtschaftsthemen bildeten heute den Abschluss des Nationalratsplenums. Seitens der Opposition wurde immer wieder der Vorwurf laut, den Betrieben würde schon wieder mehr Bürokratie aufgelastet. Dem widersprach Bundesminister Mitterlehner heftig.

Mehrheitlich beschloss das Plenum zunächst Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die auf einen Antrag von SPÖ und ÖVP zurückgehen und im Wesentlichen auf die neu geschaffene Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz reagieren. Demnach sollen nun sämtliche innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation bestehenden oder direkt zum Bundesminister führenden Instanzenzüge entfallen. Gegen Bescheide der jeweiligen Verwaltungsbehörde erster Instanz wird nunmehr nur noch das zuständige Verwaltungsgericht angerufen werden können. Gemeinnützige Pflegeheime sind künftig Mitglieder der Wirtschaftskammer

Einstimmig verabschiedet wurde ein Antrag von SPÖ und ÖVP, der Änderungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und im Ziviltechnikerkammergesetz zum Inhalt hat, die dem Systemwechsel im administrativen Instanzenzug Rechnung tragen. Ein Bilanzbuchhaltungsgesetz, das mehrheitlich beschlossen wurde, bringt eine Überarbeitung der Behördenstruktur und Anpassungen im Sinne der Verwaltungsökonomie. Neu ist die Auflösung der Paritätischen Kommission und die Übertragung ihrer Aufgaben an die Wirtschaftskammer. Für Fachprüfungen wiederum sind nunmehr die Meisterprüfungsstellen verantwortlich. Auch besteht die Möglichkeit einer ex ante-Anrechnung von Prüfungen externer Lehrgangsanbieter.

Skepsis wegen Mitgliedschaft der Pflegeheime in der Wirtschaftskammer

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) lehnte das Wirtschaftskammergesetz namens seiner Fraktion ab und kritisierte vor allem die Ausweitung der Rechte des Wirtschaftskammer-Präsidiums, insbesondere die rückwirkenden Eingriffe in die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Beiträge.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) begrüßte die Novelle zum Bilanzbuchhaltungsgesetz und erwartete sich von den Änderungen unter anderem eine effizientere Kostengestaltung bei den Fachprüfungen unter gleichzeitiger Beibehaltung der bisherigen Standards und der hohen Qualität.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) forderte in ihrer Wortmeldung eine Befreiung von den Beiträgen zur Wirtschaftskammer für gemeinnützige Organisationen, die Pflege- oder Altenheime betreiben.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) erwiderte, die Novelle sei notwendig, um die Senkung der Beitragsgrundlage für die Pflegeheime zu ermöglichen. Wer heute gegen die Vorlage stimmt, der stimme für das Risiko, dass Pflegeheime die vollen Beiträge für fünf Jahre im Nachhinein zahlen müssen, warnte er im Hinblick auf ein laufendes Höchstgerichtsverfahren.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) bekräftigte die volle Zustimmung seiner Fraktion zu den Änderungen von Wirtschaftstreuhandberufs- und Ziviltechnikerkammergesetz wie auch zum Bilanzbuchhaltungsgesetz. Was die Mehrfachmitgliedschaften bei der Wirtschaftskammer betreffe, so sei schon vor Jahren eine maßgebliche Reduktion versprochen worden. Die Zahlen bestätigten aber nicht, dass diese stattgefunden habe. Windholz brachte daher einen Antrag auf Abschaffung der Mehrfachzwangsmitgliedschaften in den Fachgruppen (Fachverbänden) der Wirtschaftskammern ein. An ihre Stelle sollten freiwillige Mitgliedschaften treten.

Dem gegenüber verwies Abgeordneter Peter HAUBNER (V) auf die Verwaltungsvereinfachung, die die Änderung des Wirtschaftskammergesetzes bringe. An einem Paket zur Wahlrechtsreform müsse aber noch ernsthafter arbeiten, hielt er Abgeordneter Lichtenecker entgegen. Für die Bilanzbuchhalter sei insgesamt ein gutes Paket geschaffen worden.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER hielt zu den Ausführungen von Abgeordnetem Themessl fest, man habe im Wirtschaftskammergesetz mit der Kulanzfrist von 31 Tagen für die Beitragspflicht eine praktikable Regelung gefunden. Auch die Ausnahmeregelungen für Pflegeheime seien gut begründet, man erspare ihnen damit hohe Kosten.

Abgeordneten Franz KIRCHGATTERER (S) beurteilte die gute und sachliche Atmosphäre der Arbeit im Wirtschaftsausschuss positiv. Beim Wirtschaftskammerwahlgesetz hätte er sich allerdings mehr gewünscht.

Die Zustimmung zur Novelle des Wirtschaftskammergesetzes erfolgte mit Mehrheit. Der Entschließungsantrag von Abgeordnetem Windholz zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes und Ziviltechnikerkammergesetzes blieb in der Minderheit. Die Novelle selbst wurde einstimmig angenommen. Mehrheitlich wiederum passierte das Bilanzbuchhaltungsgesetz den Nationalrat.

Neuerungen in der Gewerbeordnung stoßen auf unterschiedliche Reaktionen

Eine mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossene Änderung der Gewerbeordnung sieht als Folge der Umgestaltung der Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe eine Anpassung des Entziehungstatbestands an die neue Rechtslage vor. Darüber setzt die Novelle die EU-Richtlinie über Industrieemissionen für den Bereich des gewerblichen Betriebsanlagenrechts um, die u.a. Vorkehrungen zum Boden- und Grundwasserschutz ausbaut und eine ausdrückliche Verpflichtung zur Durchführung von Umweltinspektionen enthält.  Der Umsetzung der EU-Richtlinie für Industrieemissionen dient auch ein Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen, das der Nationalrat mit den ebenfalls mehrheitlich annahm. Bestehende Regelungen und Verordnungen, die schon bisher zu strengeren Auflagen führten, werden dabei übernommen, sodass die erreichten hohen Umweltstandards beibehalten werden können.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) kündigte die Zustimmung zum Emissionsschutzgesetz an. Zur Änderung der Gewerbeordnung in Umsetzung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen für den Bereich des gewerblichen Betriebsanlagenrechts meinte er, obwohl der Minister stets auf den notwendigen Bürokratieabbau hinweise, setze man wieder eine EU-Richtlinie um, die zu unzumutbaren bürokratischen Auflagen für heimische Betriebe führen werde. Weder die versprochene Steuerreform noch die Erneuerung der Gewerbeordnung werde angegangen, sondern immer neue Auflagen für die Unternehmen geschaffen, was die FPÖ ablehne.

Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) hielt seinem Vorredner entgegen, er argumentiere inkonsistent. Die Anpassung der EU-Richtlinien bedeute in einzelnen Bereichen auch Entlastungen für die Betriebe, es gebe keine Mehrauflagen, er verstehe daher die Aufregung der FPÖ nicht.

Die Grünen würden beiden Regierungsvorlagen nicht zustimmen, hielt Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) fest, wenn auch aus anderen Gründen als die FPÖ. Die Abgeordnete führte umweltpolitische Bedenken an. Es seien weder die Parteistellung von Umweltorganisationen gemäß Arhus-Konvention noch das Kriterium Energieeffizienz berücksichtigt worden.

Abgeordneter Wolfgang KATZIAN (S) ging in Zusammenhang mit der Gewerbeordnung auf die Probleme der Handelskette daily ein. Sie habe mit der Sonntagsöffnung auf ein Geschäftsmodell gesetzt, das schlicht gesetzeswidrig gewesen sei. Nicht die Gewerkschaften seien daher schuld, wenn Arbeitsplätze verloren gingen. Die Gewerkschaften seien aber bereit, ein zweites Mal Gespräche zur Sicherung der Arbeitsplätze der Handelskette aufzunehmen.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) hielt fest, die Umsetzung der EU-Industrieemissionsrichtlinie betreffe nur wenige Anlagen, sie sei daher vertretbar. Das Vorgehen im Fall der Gewerbeordnung sei allerdings eigenartig gewesen, und die Novelle bedeute neue Kosten für Betriebe, wie auch der Minister bestätigt habe. Das BZÖ erwarte sich aber ein Entlastung, nicht weitere Belastungen der Wirtschaft.

Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) ging nochmals auf den Fall daily ein. Ein solcher Gesetzesbruch sei nicht hinnehmbar, sagte sie. Sonntagsöffnungen würden nicht mehr, sondern nur Verschiebungen der Kaufkraft bringen. Was die Sonntagsarbeit betreffe, so könne die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen nicht am Sonntag arbeiten, es sei ein Tag für Familie oder auch für ehrenamtliche Tätigkeit. Sicher gebe es einzelne Branchen, wo am Sonn- und Feiertag gearbeitet werden muss, das werde aber entsprechend entlohnt. Für die Masse der ArbeitnehmerInnen müsse der Sonntag aber ein freier Tag bleiben, stand für sie fest. Auch der ländliche Raum würde sicherlich unter einer Freigabe des Sonntags leiden.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER hielt die Ausführungen von Abgeordnetem Themessl für völlig überzogen. Es finde stets eine Abwägung zwischen der Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit und Umweltauflagen satt, bekräftigte er. Die Umsetzungen der EU-Richtlinie sei sehr schonend erfolgt, das Thema eigne sich daher nicht als Beispiel, um neue Belastungen anzuprangern. Den Kampf gegen die Überbürokratisierung treibe er konsequent voran, sagte Mitterlehner. 

Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) brachte einen Entschließungsantrag betreffend die Beurteilung künstlerischer Tätigkeit in der Gewerbeordnung nach nachvollziehbaren und modernen Kriterien ein. Sein ursprünglicher Antrag dazu sei im Ausschuss vertagt worden. Das richtige Gremium für solche Entscheidung sei der Künstlersozialversicherungsfonds, sagte er.

Die Änderung der Gewerbeordnung und das Emissionsschutzgesetz wurden mit Mehrheit beschlossen. Der Entschließungsantrag der Grünen wurde mehrheitlich abgelehnt.

Vereinfachungen bei Abverkäufen

Durch ein mehrheitlich beschlossenes Bauproduktenotifizierungsgesetz wird beim Wirtschaftsministerium eine Notifikationsbehörde eingerichtet, die die von der EU geforderte Zulassung von Bauprodukten verwalten und insbesondere auch den Qualitätsnachweis einheitlich regeln soll. Eine einstimmig verabschiedete UWG-Novelle (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) bringt Vereinfachungen für Abverkäufe und reduziert vor allem die Bewilligungspflicht bei der Ankündigung von bestimmten Ausverkäufen. Im Wesentlichen ist nunmehr eine Vorabbewilligung nur noch bei Ausverkäufen wegen Geschäftsauflösung erforderlich.

Die österreichische Wirtschaft werde vom Staat mit über 8 Mrd. an Kosten für Bürokratie belastet, klagte Abgeordneter Alois GRADAUER (F). Die ÖsterreicherInnen zahlten auch hohe Steuern für die Finanzierung der Verwaltungskosten des Staates selbst. Das vorliegende Bauproduktenotifizierungsgesetz sei ein neuer Fall einer Überbürokratisierung. Pro Jahr müssen 32 Fälle Bauprodukte notifiziert werden, für diese richte man eine eigene Stelle beim Wirtschaftsministerium ein. Es sei wieder einmal Unfug der EU, der endlich abzustellen sei.

Gradauer nannte als weitere Beispiele von Belastungen der Wirtschaft aus seiner Sicht. Die Konjunkturaussichten Österreichs seien nicht sehr gut, die Arbeitslosigkeit im Steigen. Eine Maßnahme wäre ein Investitionsfreibetrag. Der Wirtschaftsminister stimme zwar für Griechenlandhilfe, aber nicht für Investitionen in Österreich. Österreich falle in internationalen Rankings immer weiter zurück, sagte Gradauer und untermauerte das mit Aussagen von Wirtschaftskammerpräsident Leitl.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) hielt fest, dass das Bauproduktenotifizierungsgesetz der Vereinheitlichung des Marktes für Bauprodukte in der EU diene. Es nicht zu beschließen, würde die Exporte österreichischer Bauprodukte gefährden. Es werde keine Bürokratie aufgebläht, sondern MitarbeiterInnen des Ministeriums übernehmen die Notifizierungen. Die Schaffung einer einheitlichen Behörde war der ausdrückliche Wunsch der Länder, hielt er fest.

Auch Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S) wies darauf hin, dass das Bauproduktenotifizierungsgesetz für die Bauwirtschaft wichtig sei, denn dadurch könne man mit Bauprodukten auf dem gesamten europäischen Markt auftreten.

Die Grünen unterstützten ebenfalls beide Vorlagen, wie Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) mitteilte.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) kündigte auch die Zustimmung seiner Fraktion für beide Gesetzesvorlagen an, da die erste der Bauwirtschaft und die zweite der vom BZÖ stets geforderten Entbürokratisierung diene.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER teilte Abgeordnetem Gradauer mit, es gehe nicht um 32 Fälle von Bauprodukten pro Jahr, sondern um die Aufsicht einer neu zu schaffenden Zentralstelle über 32 Stellen in Österreich, die für Notifizierungen zuständig sind. Davon profitierten viele Firmen im Baubereich, die ihre Produkte auf den EU-Markt bringen können. Beide Novellen seien Beispiele von Vereinfachung für Unternehmen. Was die von Gradauer angeführten Rankings betreffe, gebe es sehr wohl auch Bereiche, in denen Österreich seine Position verbessern konnte. Zweifellos müsse man Belastungen vermindern und vor allem im Bildungssystem Reformen umsetzen. Es bestehe sicher kein Grund zu Selbstgefälligkeit, meinte Mitterlehner, Wirtschaftspolitik erfordere kontinuierliche Anstrengungen.

Zu Trauerstimmung, wie Abgeordneter Gradauer sie verbreitet habe, gebe es keinen Anlass, meinte Abgeordneter Peter HAUBNER (V). Österreichs Wirtschaft stehe im europäischen Vergleich gut da. Die  beiden Novellen seien zu begrüßen, da sie Vereinfachungen bringen.

Da durch das Gesetz zu den Ausverkaufsregeln auch die Ausverkäufe nach Naturkatastrophen geregelt werden, wolle er die Gelegenheit nützen, sich nochmals bei allen Freiwilligen, die beim jüngsten Hochwasser Hilfe geleistet haben, zu bedanken, sagte Abgeordneter Hubert KUZDAS (S).

Das Bauproduktenotifizierungsgesetz wurde mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen. Die UWG-Novelle erhielt einhellige Zustimmung.

In einer weiteren Sitzung des Nationalrats wurden die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen vorgenommen. (Schluss Nationalrat) jan/hof/sox