Parlamentskorrespondenz Nr. 568 vom 19.06.2013

Stiefkindadoption wird für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet

SPÖ, ÖVP und Grüne beschließen Adoptionsrechts-Änderungen im Justizausschuss, aber keine Mehrheit für Fremdkindadoption

Wien (PK) – Die Stiefkindadoption wird nun auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgeweitet. Entsprechende Änderungen im Adoptionsrecht wurden heute vom Justizausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Grünen verabschiedet, sodass einer Beschlussfassung im Plenum noch vor der Sommerpause nichts mehr im Wege steht.

Im Rahmen der umfangreichen Tagesordnung des Ausschusses regten die Abgeordneten auch Nachjustierungen beim neuen Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessreform an und verabschiedeten Änderungen im Strafprozess betreffend Dolmetscherleistungen vor Gericht.

Stiefkindadoption: Ausschuss beseitigt Hürden für gleichgeschlechtliche Paare

Gleichgeschlechtliche Paare können in Zukunft das leibliche Kind des anderen Partners adoptieren. Rechtlich möglich wird dies durch ein entsprechendes Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes (2403 d.B.) und die darin enthaltene Klarstellung, dass die familienrechtlichen Beziehungen des leiblichen Elternteils zum Kind durch die Annahme des Kindes durch den gleichgeschlechtlichen Paare dieses Elternteils nicht aufgehoben werden. Die Zulassung der sogenannten Stiefkindadoption durch homosexuelle Paare ist auch Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und passierte den Ausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Grünen. Eine generelle Öffnung des Adoptionsrechts  für gleichgeschlechtliche Paare bleibt aber weiterhin umstritten. Zwei diesbezügliche Initiativen der Grünen (1521/A(E) , 2217/A(E)) fanden bei der Abstimmung keine Mehrheit.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) erinnerte daran, dass der heutige Beschluss der Umsetzung eines Urteils des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dient, und stellte fest, man brauche darüber nicht zu jubeln. Die vorliegenden Änderungen bedeuten jedenfalls keine Öffnung für ein generelles Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare, versicherte sie und betonte ebenso wie ihre Fraktionskollegin Abgeordnete Karin Hakl, im Mittelpunkt sämtlicher Überlegungen müsste das Wohl des Kindes stehen. Hakl erhob ihrerseits schwere Bedenken gegen eine Adoption durch homosexuelle Paare und argumentierte, für Kinder sei es mitunter auch aufgrund der Reaktionen ihrer gleichaltrigen Freunde schwierig, mit der Situation von zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen umzugehen. Sie wies darüber hinaus auch auf den Umstand hin, dass in Österreich nur wenige Kinder für eine Adoption zur Verfügung stehen, und meinte, man sollte doch bei einer Fremdkindadoption eher darauf achten, dass eine Mutter und ein Vater das Kind annehmen.

Für die SPÖ traten die Abgeordneten Sonja Steßl-Mühlbacher und Elisabeth Grossmann hingegen für eine volle Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen Paaren im Adoptionsrecht ein und meinten, man dürfe keine Scheuklappen vor der Realität aufsetzen. Grossmann bemerkte in diesem Zusammenhang, man sollte allein das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen und sich nicht von ideologischen Überlegungen leiten lassen. Beide Mandatarinnen bedauerten, der heutige Beschluss sei bloß eine Minimalvariante, aus koalitionären Gründen könne man nicht den Anträgen der Grünen auf ein generelles Adoptionsrecht für homosexuelle Paare zustimmen.

Ihre Forderung nach einer generellen Öffnung des Adoptionsrechtes für gleichgeschlechtliche Paare bekräftigten die Abgeordneten Albert Steinhauser und Wolfgang Zinggl (beide G), die die ÖVP unter Hinweis auf weitere drohende Verurteilungen durch Höchstgerichte zu einem Umdenken aufriefen. Steinhauser führte in seinem Diskussionsbeitrag die Rolle von Vater und Mutter grundsätzlich auf gesellschaftliche Konventionen zurück und stellte pointiert fest, das Wohl des Kindes hänge nicht davon ab, was die Eltern im Schlafzimmer machen.

Abgeordneter Johannes Hübner (F) erteilte namens seiner Fraktion der Adoption durch homosexuelle Paare eine klare Absage und betonte, die derzeitige Feststellung des Gesetzgebers, dass es zwei Geschlechter in der Familie gibt, habe mit sexueller Diskriminierung überhaupt nichts zu tun. Er kritisierte, das Parlament lasse sich mit dem heutigen Beschluss seine Gesetzgebung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufzwingen, und sprach in diesem Zusammenhang von einer politisierenden Willkürentscheidung der Höchstrichter. Österreich wäre besser beraten, seine Beziehungen zum Europäischen Gerichtshof zu überdenken, meinte Hübner. Für die Entwicklung des Kindes könnten zwei gleichgeschlechtliche Elternteile jedenfalls nachteilige Folgen haben, war der FPÖ-Mandatar überzeugt und wies gegenteilige Studien als "Szenegutachten" zurück.

Seitens des BZÖ unterstrich Abgeordneter Gerald Grosz, das Optimum für das Kind sollten Vater und Mutter sein. Die Realität sehe aber anders aus, gebe es doch immer mehr alleinerziehende Elternteile und Patchworkfamilien. Klar war für Grosz, dass das Wohl des Kindes nicht gefährdet sei, wenn zwei gleichgeschlechtliche Partner die Elternrolle übernehmen. Der BZÖ-Sprecher kündigte seine Zustimmung im Plenum an, teilte aber mit, er werde heute im Ausschuss der Abstimmung fernbleiben, um das Stimmverhalten seiner Fraktion nicht zu präjudizieren.

Abgeordneter Christoph Hagen (T), der an der Sitzung mit beratender Stimme teilnahm, bezeichnete die vorliegende Regelung bezüglich Stiefkindadoption als nachvollziehbar und signalisierte die Zustimmung seines Klubs für das Plenum. Einer generellen Ausweitung des Adoptionsrechts von gleichgeschlechtlichen Paaren stand er allerdings ablehnend gegenüber.

Bundesministerin Beatrix Karl sah den heutigen Beschluss vor allem unter dem Aspekt der notwendigen Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und gab zu bedenken, Österreich müsse reagieren, wenn ein Verstoß gegen sein Verfassungsrecht festgestellt wird. Was die Adoption betrifft, betonte die Ministerin, dem Kindeswohl entspreche es am besten, wenn es sowohl eine männliche als auch eine weibliche Bezugsperson als Eltern gibt. In Österreich habe man mehr adoptionswillige Ehepaare als Kinder, die für eine Adoption zur Verfügung stehen, man sollte daher diesen Paaren bei der Adoption den Vorzug geben, meinte Karl.

Strafprozessreform: Ausschuss will noch nachjustieren

Einstimmig nahmen die Abgeordneten den Bericht eines Unterausschusses über die Evaluierung der Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform zur Kenntnis (III-272 d.B.), der, wie Abgeordneter Johannes Jarolim (S) mitteilte, einen gewissen Präzisierungs- und Nachschärfungsbedarf aufzeigte.

Aufgrund dieser Schlussfolgerungen verabschiedeten die Abgeordneten mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen einen Entschließungsantrag, der darauf abzielt, die erkannten Defizite zu beseitigen und die Reform abzurunden. Gefordert werden darin u.a. eine eindeutige Abgrenzung des Begriffs des Beschuldigten von Personen, die ohne hinreichendes Substrat angezeigt werden, die Gewährleistung eines effizienten Rechtsschutzes durch Ausbau der Instrumente des Einspruchs wegen Rechtsverletzung und des Antrags auf Einstellung sowie effektiver höchstgerichtlicher Grundrechtskontrolle, die Verstärkung gerichtlicher Kontrolle gegenüber unangemessener Verfahrensdauer, der Ausbau des Instituts des Rechtsschutzbeauftragten gegenüber Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaft zur Lösung von Konflikten zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sowie die Klarstellung der Objektivität und Unabhängigkeit von Sachverständigen.

Strafprozessrechtsänderungsgesetz setzt Dolmetsch-Richtlinie um

Einstimmig beschloss der Ausschuss ein Strafrechtsänderungsgesetz (2204 d.B.), das die Richtlinien der EU betreffend Dolmetsch und Rechtsbelehrung umsetzt und damit klarstellt, dass Beschuldigten, die die Sprache des betreffenden Verfahrens nicht sprechen oder verstehen, während des Strafverfahrens ohne Verzögerung Dolmetscherleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Novelle ist darüber hinaus auch Anlass für Änderungen, die auf die Schaffung eines einheitlichen Rechtsschutzes im Rahmen des Ermittlungsverfahrens abzielen. Demnach sind nun sämtliche Eingriffe der Kriminalpolizei in subjektive Rechte einer Kontrolle durch die ordentliche Gerichtsbarkeit zu unterziehen. Ein von den Regierungsparteien eingebrachter Abänderungsantrag wiederum sieht eine diversionelle Erledigung für sogenannte leichte Fälle des Amtsmissbrauchs vor. (Fortsetzung Justizausschuss) hof