Parlamentskorrespondenz Nr. 576 vom 20.06.2013

Innenausschuss: Hearing zur Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes

Gut integrierte Fremde sollen rascher die Staatsbürgerschaft erhalten

Wien (PK) – Mit einem öffentlichen Hearing starteten heute die Beratungen im Innenausschuss des Nationalrats über die von der Regierung vorgeschlagene Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Unter anderem ist geplant, gut integrierten Fremden einen rascheren Zugang zur Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, eheliche und uneheliche Kinder im Staatsbürgerschaftsrecht gleichzustellen und die Einbürgerung von Adoptivkindern zu erleichtern. Zudem werden die Bestimmungen über den nachzuweisenden gesicherten Lebensunterhalt adaptiert und verschiedene Härtefallregelungen verankert.

Der Entwurf stieß bei den geladenen Experten auf durchaus unterschiedliche Reaktionen. Während der Leiter der Abteilung für Aufenthalt und Staatsbürgerschaftswesen im Innenministerium Dietmar Hudsky von einer gelungenen Lösung sprach, kritisierten der Politologe Univ. Prof. Rainer Bauböck vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und der Wiener Rechtsanwalt Thomas Neugschwendtner die Novelle als restriktiv und orteten teils erhebliche Defizite zulasten von EinbürgerungswerberInnen.

Regierungsvorlage sieht Möglichkeit der Einbürgerung bereits nach sechs Jahren vor

Konkret sollen Fremde laut Gesetzesnovelle (2303 d.B.) künftig bereits nach sechs Jahren Aufenthalt die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen können, wenn sie ausgezeichnet deutsch sprechen – B2-Niveau – oder alternativ in anderer Form eine nachhaltige persönliche Integration nachweisen, die auch dem Allgemeinwohl dient. Dazu zählt etwa ein mindestens dreijähriges freiwilliges ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation, eine mindestens dreijährige berufliche Tätigkeit im Gesundheits-, Sozial- oder Bildungsbereich oder eine mindestens dreijährige Funktionsausübung in einer Interessenvertretung oder einem Interessenverband. Dazu zählt etwa auch eine Tätigkeit als Betriebsrat oder als Elternvereinssprecher. Wird keines dieser Kriterien erfüllt, bleibt es bei der geltenden mindestens zehnjährigen Wartefrist.

Was die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der Staatsbürgerschaft anbelangt, sieht die Novelle eine gewisse Lockerung der Bestimmungen über den Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts vor. Demnach soll künftig ein sechsjähriger Rahmen gelten, wobei in zumindest 36 Monaten, darunter die letzten sechs Monate vor Antragstellung, ein ausreichendes Einkommen nachgewiesen werden muss. Ein vorübergehender Sozialhilfebezug während der letzten drei Jahre wäre damit kein Hindernis für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft mehr. Außerdem ist eine Härtefallregelung für seit Jahren in Österreich lebende Fremde geplant, die wegen einer Behinderung oder einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend selbst finanzieren können.

Keine Unterschiede macht das neue Staatsbürgerschaftsgesetz zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Demnach werden auch uneheliche Kinder, die eine ausländische Mutter und einen österreichischen Vater haben, in Hinkunft automatisch Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Vaterschaft innerhalb von acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkannt bzw. gerichtlich festgestellt wurde. Wird diese Frist versäumt, greifen neue Bestimmungen, die für unmündige Minderjährige mit österreichischem Vater einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft vorsehen. Ähnliche Bestimmungen sollen auch für Adoptivkinder gelten.

Abhilfe wird darüber hinaus für jene wenigen Einzelfälle geschaffen, in denen ein Fremder / eine Fremde über Jahre hinweg im Glauben gelebt hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen und auch von den Behörden als ÖsterreicherIn behandelt wurde. Diese so genannten "PutativösterreicherInnen", die teilweise sogar den Wehr- bzw. Zivildienst abgeleistet haben, können künftig die österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben, wobei lediglich die bisherige Unbescholtenheit nachzuweisen ist. Die Anzeige muss innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis der tatsächlichen Sachlage erfolgen.

Schließlich sind erleichterte Einbürgerungsregelungen für seit Jahren in Österreich lebende Fremde in Aussicht genommen, die schon als Kind nach Österreich gekommen sind, deren Eltern es aber verabsäumt haben, die erworbene Staatsbürgerschaft auf sie zu erstrecken.

Bauböck: Staatsbürgerschaftsgesetz im internationalen Vergleich äußerst restriktiv

Rainer Bauböck (Europäisches Hochschulinstitut Florenz) beleuchtete das heimische Staatsbürgerschaftsrecht im europäischen Vergleich und kam zu dem Schluss, Österreich zähle mit der vorliegenden Novelle zu jener Gruppe von Staaten, die die Frage der Verleihung der Staatsbürgerschaft am restriktivsten behandeln. Kritik übte Bauböck zunächst an der grundsätzlichen Voraussetzung des zehnjährigen ununterbrochenen legalen Aufenthalts in Österreich. Dies könne zu extremen Härtefällen führen, zumal eine auch nur kurze Unterbrechung des legalen Aufenthaltes mangels rechtzeitiger Verlängerung des Aufenthaltstitels zur Folge habe, dass die Frist wieder gänzlich von vorne zu laufen beginnt. Problematisch  war in der Einschätzung Bauböcks auch die Regelung des Nachweises eines gesicherten Lebensunterhaltes, wobei der Universitätsprofessor von "Einkommenshürden" sprach. Das Abstellen der Novelle auf die drei besten Jahre innerhalb der letzten sechs Jahre sei zwar eine gewisse Erleichterung, die Bemessungsgrundlage in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes erscheine im europäischen Vergleich allerdings äußerst hoch. Dazu würden noch hohe Gebühren sowie hohe Kosten, etwa für Sprachkurse oder Übersetzungen kommen, was, wie Bauböck zu bedenken gab, auch qualifizierte Ausländer abschrecke. Zu der vom Gesetz verlangten Unbescholtenheit wandte Bauböck ein, die Schwelle sei extrem niedrig und stelle schon bei relativ geringen Vergehen einen Hinderungsgrund für die Einbürgerung dar. Als zentralen Mangel beanstandete er darüber hinaus, dass das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht nach wie vor nur in extremen Ausnahmefällen ein ius soli kenne und damit die zweite Generation der Zuwanderer von der Staatsbürgerschaft, aber auch von der politischen Vertretung ausschließe. Insgesamt erzeuge die Novelle dadurch letztlich auch ein demokratisches Defizit, befand Bauböck.

Hudsky: Novelle ist gelungene Lösung

Dietmar Hudsky (BMI, Abteilung für Aufenthalt und Staatsbürgerschaftswesen) schätzte die Novelle hingegen überwiegend positiv ein. Beim Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung habe man eine gelungene Lösung gefunden, die für uneheliche Kinder österreichischer Väter ex lege den Erwerb der Staatsbürgerschaft ermögliche. Einen rechtspolitisch richtigen Weg beschreite der Entwurf auch beim Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes durch die Schaffung einer Ausnahmeregelung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, hob Hudsky hervor. Positiv bewertete er darüber hinaus die Flexibilität bei der Berechnung des Lebensunterhaltes, zumal nun auf die besten drei Jahre innerhalb der letzten sechs Jahre abgestellt wird. Ausdrücklich begrüßte Hudsky ferner die verkürzte Aufenthaltsdauer von sechs Jahren bei Vorliegen besonders guter Sprachkenntnisse oder sozialen Engagements und argumentierte, diese Bestimmung mache es möglich, auf unterschiedliche Lebenssituationen Bedacht zu nehmen, und motiviere darüber hinaus Menschen, durch besondere Leistungen bereits früher die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Zu den sogenannten "Putativösterreichern" stellte er klar, die bloße Anzeige bei der Behörde werde in Hinkunft ausreichen, um die Staatsbürgerschaft zu erwerben, wenn die fälschliche Behandlung mindestens 15 Jahre lang ohne Schuld des Betroffenen stattgefunden hat.

Neugschwendtner: Defizite bei unehelichen Kindern, Lebensunterhalt und Aufenthaltsfrist

Thomas Neugschwendtner (Rechtsanwalt) sah die Gleichstellung von unehelichen mit ehelichen Kindern beim Erwerb der Staatsbürgerschaft nach wie vor als nicht gegeben. Die von der Novelle geforderte Frist von acht Wochen für die Anerkennung durch den österreichischen Vater sei willkürlich festgesetzt und sachlich nicht nachvollziehbar, kritisierte er und vermisste zudem eine Übergangsfrist für Altfälle. Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts wiederum stellt nach Meinung Neugschwendtners in der Praxis die größte Hürde dar. Er beanstandete in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der nunmehr verlangte Unterhalt über der bedarfsgerechten Mindestsicherung liegt. Die demonstrative Aufzählung der Ausnahmefälle, so etwa Behinderung oder schwere Krankheit, werde in der Praxis taxativ wirken und Menschen mit geringfügigen Einkommen von der Einbürgerung ausschließen, warnte er. Irritiert zeigte sich Neugschwendtner auch über das Erfordernis des zehnjährigen ununterbrochenen legalen Aufenthalts in Österreich. Wenn man innerhalb dieser Frist vergisst, rechtszeitig den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels zu stellen, dann fängt die Frist wieder von vorne zu laufen an, gab er zu bedenken und schlug eine Abfederung vor, sodass kurze Zeiten des illegalen Aufenthalts innerhalb der Zehnjahresfrist nicht als Hindernis gewertet werden. Bei Putativösterreichern hielt Neugschwendtner eine großzügigere Regelung für angebracht, zumal es sich, wie er betonte, lediglich um eine kleine Gruppe handelt.

Die Reaktionen der Abgeordneten

In der Debatte nahmen die Abgeordneten zu den Statements der Experten Stellung, wobei die Grün-Mandatare Alev Korun und Peter Pilz vor allem die Kritik Bauböcks und Neugschwendtners aufgriffen. Die Acht-Wochen-Frist für die Anerkennung der Vaterschaft bei unehelichen Kindern sei sachlich nicht zu rechtfertigen, meinte Korun. Der Einkommensnachweis wiederum werde dazu führen, dass GeringverdienerInnen weiterhin kategorisch von der Einbürgerung ausgeschlossen bleiben, warnte sie ebenso wie die SP-Abgeordnete Sonja Ablinger. Bei den "Putativösterreichern" schließlich ortete Korun durch die Erleichterungen für Zivildiener und Grundwehrdiener eine sachliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.

Die Abgeordneten Franz Josef Huanigg (V) und Ulrike Königsberger-Ludwig (S) begrüßten ihrerseits die Ausnahmen für behinderte Menschen vom Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes, während Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) die Bedachtnahme der Novelle auf die Abstammung verteidigte. Das jus soli sei typisch für traditionelle Einwanderungsländer, in Europa hingegen nehme man eher auf die Abstammung Bedacht, um eine einheitliche Staatsbürgerschaft innerhalb der Familie sicherzustellen, lautete sein Argument.

Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) unterstütze grundsätzlich die von der Novelle vorgenommenen Reparaturen aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidungen, meinte im Übrigen aber auch, die Regelung der Verleihung einer Staatsbürgerschaft sei letztlich eine rein politische Frage und nicht Gegenstand einer juristischen Expertise.

Die Beratungen wurden im Anschluss an das Hearing einstimmig vertagt. In seiner nächsten Sitzung am 27. Juni wird sich der Innenausschuss in einer Generaldebatte abermals mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz befassen. (Schluss) hof