Parlamentskorrespondenz Nr. 607 vom 26.06.2013

Sportausschuss: Massive Kritik an Nationaler Anti-Doping-Agentur

NADA will Präventionskampagne starten, "Fall Pumper" sorgt für Aufregung

Wien (PK) – Ist die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA im Fall Susanne Pumper korrekt vorgegangen oder hat sie massiv über das Ziel hinausgeschossen? Diese Frage stand heute im Mittelpunkt einer Sitzung des Sportausschusses des Nationalrats. Vor allem Ausschussvorsitzender Peter Westenthaler (B) und Abgeordneter Peter Wittmann (S) stellten die Rechtmäßigkeit der achtjährigen Sperre der österreichischen Leichtathletin in Frage. Westenthaler sprach von einem Skandalurteil, Wittmann bezweifelt, dass das Verfahren der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprochen hat. Aber auch die anderen Fraktionen sehen Aufklärungsbedarf.

Michael Cepic, seit August 2012 Geschäftsführer der NADA, verteidigte das Vorgehen der Agentur und machte geltend, dass das Urteil nicht von der NADA, sondern von der unabhängigen Rechtskommission gefällt wurde. Die NADA sei nur Anklägerin gewesen. Der Empfehlung der Abgeordneten Wittmann und Westenthaler, selbst Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen, um drohende Schadenersatzforderungen zu vermeiden, wollte er nicht nahe treten. Im Übrigen bedauerte Cepic, dass mehr als 95 % der Diskussionszeit im Sportausschuss einem Einzelfall gewidmet würde, anstatt im Interesse des Sports allgemein das Dopingproblem zu diskutieren.

Die NADA will im Kampf gegen Doping laut Cepic neben Kontrollen künftig auch stark auf Prävention setzen. Geplant ist eine Kampagne im Bereich Breitensport, um, anlehnend an die seinerzeitige Kampagne gegen Alkohol am Steuer, eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung zu bewirken. Zudem ist daran gedacht, einen "Blutpass" zu implementieren.

Fall Pumper eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit"?

Ausschussvorsitzender Peter Westenthaler (B) brachte den Fall Pumper gleich zu Beginn der Diskussion im Sportausschuss zur Sprache. Er kritisierte, dass die zweifache Marathon-Staatsmeisterin einzig und allein aufgrund einer Aussage, die Lisa Hütthaler vor einem Bezirksgericht gemacht hat, zu einer achtjährigen Sperre verurteilt wurde. Für ihn ist das Urteil gegen Pumper schon allein deshalb nichtig, weil Hütthaler, "eine mittlerweile vorbestrafte Dopingsünderin", angegeben hat, Pumper eine abgelaufene Charge Blutdoping übergeben zu haben. Noch dazu konnte sich diese weder an den genauen Zeitpunkt noch an den Ort der Übergabe erinnern. Ein abgelaufenes Mittel sei nach internationalen Kriterien jedoch kein Dopingmittel, bekräftigte Westenthaler und sprach mit Hinweis auf zahlreiche weitere Ungereimtheiten von einem Skandalurteil und einer himmelschreienden Ungerechtigkeit.

Wenn das Urteil in zweiter Instanz bestätigt werde und Pumper gezwungen sei, zum Internationalen Sportgerichtshof zu gehen, werde das nach dem NADA-Skandal im vergangenen Jahr die nächste "Megablamage" für Österreich, ist Westenthaler überzeugt. Die NADA hat seiner Meinung nach zudem gegen die Menschenrechte verstoßen und ihre Kompetenz überzogen, weil die Leichtathletin nicht nur acht Jahre für professionelle Wettkämpfe gesperrt wurde, sondern ein generelles Berufsverbot über sie verhängt worden sei. Sie dürfe auch nicht als Betreuerin, Trainerin oder Funktionärin arbeiten. Das komme, so Westenthaler, einer Existenzvernichtung gleich. Dazu drohten enorm hohe Anwaltskosten.

Pumper ist für Westenthaler aber kein Einzelfall, es habe schon in der Vergangenheit immer wieder hinterfragungswerte Urteile gegeben, sagte er.

Auch für Abgeordneten Peter Wittmann (S) ist das Urteil gegen Pumper "schwerst überzogen". Er kritisierte vor allem das durchgeführte Verfahren, das seiner Meinung nach nicht fair war und damit dem Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprochen hat. Es könne nicht sein, dass die Aussage einer Beschuldigten in einem Gerichtsverfahren, für die keine Wahrheitspflicht bestehe, für ein Doping-Verfahren Bindungswirkung hat, meinte er. Zudem beklagte er, dass Pumper entgegen der Bestimmungen des Anti-Doping-Gesetzes im Verfahren nicht persönlich angehört wurde. Wittmann empfahl der NADA dringend, selbst ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil zu ergreifen, um nicht in die Gefahr von Schadenersatzverpflichtungen zu kommen.

Kritisch zum Verfahren äußerten sich auch die Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager (V), Dieter Brosz (G) und Andreas Karlsböck (F).

NADA-Geschäftsführer Michael Cepic verteidigte hingegen das Vorgehen der NADA. Er betonte, dass es eine seiner ersten Aktivitäten als NADA-Geschäftsführer gewesen sei, die NADA und die unabhängige Rechtskommission in allen Belangen zu trennen. Im Fall Pumper sei die NADA nur die Anklägerin, sagte Cepic, sie habe keinen Einfluss auf die Beweiswürdigung der Rechtskommission gehabt. "Es ist nicht unser Urteil." Die Rechtskommission habe der Aussage von Lisa Hütthaler vor dem Bezirksgericht Fünfhaus offenbar Glauben geschenkt.

Cepic erinnerte außerdem daran, dass Pumper bereits einmal wegen eines Dopingvergehens verurteilt wurde. Da die Rechtskommission zum Schluss gekommen sei, dass nun ein zweites Vergehen vorliege, habe sie bei der Strafhöhe wenig Spielraum gehabt. Das Anti-Doping-Gesetz sehe in solchen Fällen eine Sperre zwischen acht Jahren und lebenslänglich vor, die Kommission habe die unterste Grenze gewählt.

Dass die Sperre auch Betreuungs- und Trainertätigkeiten umfasst, begründete Cepic damit, dass das nach den Statuten des Internationalen Leichtathletikverbandes so vorgesehen sei. Diese würden nicht nur für den Österreichischen Leichtathletikverband sondern auch für die Mitgliedervereine gelten. Eine mündliche Anhörung von Pumper hat ihm zufolge deshalb nicht stattgefunden, weil Pumper selbst ein schriftliches Verfahren beantragt hat. Für einen Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz reiche im Übrigen die Absicht, eine verbotene Substanz zu nehmen, bekräftigte Cepic.

Der Empfehlung der Abgeordneten Wittmann und Westenthaler, selbst ein Rechtsmittel gegen das Urteil zu ergreifen, wollte Cepic nicht nachkommen. Abgesehen davon, dass die Berufungsfrist bereits abgelaufen sei, werde sich die unabhängige Schiedskommission als nächste Instanz ohnehin mit dem Fall befassen, weil Pumper selbst gegen das Urteil berufen habe, skizzierte er. Den Verdacht von Abgeordnetem Westenthaler, wonach die Schiedskommission das erstinstanzliche Urteil nicht aufheben werde, weil dort ohnehin die gleichen Personen sitzen würden wie in der Rechtskommission, wies Cepic zurück, deren Mitglieder würden vom Ministerium und nicht von der NADA bestellt. Die Berufungsverhandlung ist laut Ausschussvorsitzendem Westenthaler für 9. September geplant.

Cepic: NADA soll für Sauberkeit im Sport sorgen

Generell bekräftigte Cepic, dass die NADA eingerichtet wurde, um für Sauberkeit im Sport zu sorgen. Eine drohende finanzielle Belastung eines Sportlers könne kein Grund sein, von einem ordentlichen Verfahren abzusehen, betonte er.

Wie Cepic gegenüber den Abgeordneten Schmuckenschlager und Christian Höbart (F) erklärte, will die NADA, abgesehen von strengen Kontrollen, auch einen Präventionsschwerpunkt setzen und sich dabei zielgerichtet an NachwuchssportlerInnen wenden, um diese zu bewegen, sich entschieden gegen Anwendung von Doping in ihrer Sportart zu stellen. Zusätzlich ist eine Präventionskampagne im Breitensport geplant.

Den von Abgeordnetem Stefan Markowitz (T) angesprochenen Bilanzverlust 2012 in der Höhe von 141.891 € begründete Cepic mit der Neubesetzung der Geschäftsführerposition der NADA im vergangenen Jahr und der gleichzeitigen Weiterzahlung des Gehalts des alten Geschäftsführers. Was die künftige finanzielle Dotierung der NADA betrifft, rechnet Cepic mit ähnlichen Mitteln wie bisher, machte aber geltend, dass man mehr Geld bräuchte, wenn man im Bereich der Prävention verstärkt tätig werden wolle, wobei er konkret etwa das Blutpass-Programm ansprach.

Zum Doping-Kontrollplan merkte Cepic an, die Sportarten würden in drei Risikogruppen geteilt. Zudem nehme man auf Jahreshighlights wie Europa- oder Weltmeisterschaften besonderen Bedacht.

Zur Frage von Abgeordnetem Hermann Krist (S), inwieweit er gesetzlichen Änderungsbedarf sehe, sagte der NADA-Geschäftsführer, es wäre sinnvoll, den neuen internationalen WADA-Code abzuwarten, der im November beschlossen werden soll. Er persönlich wünsche sich eine Stärkung der unabhängigen Rechtskommission, etwa was die Wahrheitspflicht von Zeugenaussagen betrifft.

Für die Abgeordneten selbst ist klar, dass die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen vor dem Hintergrund des Falls Pumper überdacht werden müssen. Es sei notwendig, gegen unlauteren Wettbewerb durch Doping vorzugehen, man müsse aber auch im Doping-Bereich faire Verfahren garantieren und die Verhältnismäßigkeit wahren, so der allgemeine Tenor. FPÖ-Abgeordneter Karlsböck gab zu bedenken, dass der Kampf gegen Doping nur dann erfolgreich sein könne, wenn die NADA über eine gute Reputation verfüge und nicht das Gefühl von Willkürlichkeit vorherrsche.

Der Argumentationslinie von Cepic im Fall Pumper konnten Westenthaler und Wittmann nichts abgewinnen, sie blieben mit Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen und eindeutige Verfahrensfehler bei ihrer harschen Kritik.

Grundlage für die Diskussion im Ausschuss bildeten die Berichte der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) 2012 (III-424 d.B.) und 2011 (III-359 d.B.). Laut Bericht 2012 wurden im Vorjahr fünf Sportler wegen Doping-Verstößen gesperrt, das Ausmaß der Sperre reichte von zehn Monaten bis 2 Jahre.

Im Ausschuss herrschte vorrübergehend Aufregung, weil im schriftlich übermittelten Bericht 2012 im Gegensatz zur elektronischen Version einige Bilanzdaten fehlen. Die Abgeordneten einigten sich auf Antrag der Grünen schließlich darauf, den Bericht zu vertagen. Der Bericht 2011 wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien, der Grünen und des BZÖ zur Kenntnis genommen.

Für Ausschussvorsitzenden Westenthaler war es die letzte Sitzung des Sportausschusses, er will nicht mehr für den Nationalrat kandidieren. Ausdrückliches Lob für seine Vorsitzführung bekam er von Team-Stronach-Mandatar Stefan Markowitz. (Schluss) gs


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