Parlamentskorrespondenz Nr. 611 vom 27.06.2013

Innenausschuss billigt Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz

Einbürgerung von gut integrierten Fremden bereits nach sechs Jahren möglich

Wien (PK) – Die Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetzes hat eine wichtige parlamentarische Hürde genommen. Der Innenausschuss des Nationalrats gab heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien und des Team Stronach grünes Licht für die von der Regierung vorgeschlagene Reform. Änderungen am Gesetzentwurf wurden trotz Kritik von Oppositionsseite nicht mehr vorgenommen.

Mit der Gesetzesnovelle wird gut integrierten Fremde ein rascherer Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft eröffnet: Bei hervorragenden Deutschkenntnissen bzw. bei besonderem zivilgesellschaftlichem Engagement ist eine Einbürgerung künftig bereits nach sechs Jahren möglich. Zudem werden eheliche und uneheliche Kinder im Staatsbürgerschaftsrecht gleichgestellt, die Einbürgerung von Adoptivkindern erleichtert, die Bestimmungen über den nachzuweisenden gesicherten Lebensunterhalt adaptiert und verschiedene Härtefallregelungen verankert.

Die Grünen sind mit den Verbesserungen im Gesetz allerdings nicht zufrieden. Auch nach der Novellierung entspreche das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz vielen internationalen Kriterien nicht, ist Abgeordnete Alev Korun überzeugt. Ihrer Meinung nach werden viele bestehenden Baustellen nicht beseitigt, sondern neue Problemfälle produziert.

Demgegenüber kritisiert die FPÖ die ihrer Ansicht nach generell zu lockere Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft. Abgeordneter Harald Vilimsky sprach von einem Totalversagen der österreichischen Integrations- und Einbürgerungspolitik. Seitens des BZÖ sieht Abgeordneter Peter Westenthaler keine Notwendigkeit, die bestehende 10-jährige Mindestwartefrist auf die Staatsbürgerschaft zu verkürzen, auch wenn er den guten Willen von Staatssekretär Sebastian Kurz anerkenne.

Kurz selbst bekannte sich dazu, dass Österreich im internationalen Vergleich bei der Vergabe von Staatsbürgerschaften restriktiv vorgeht, und begründete dies unter anderem mit der relativ hohen Zuwanderung. Österreich gehöre zu jenen Länder, die sagten, die Verleihung der Staatsbürgerschaft solle am Ende des Integrationsprozesses stehen, bekräftigte er. Kurz sprach sich auch dezidiert dagegen aus, den Erwerb der Staatsbürgerschaft vom Einkommen zu entkoppeln.

Mit der Regierungsvorlage in Verhandlung standen eine Reihe von Anträgen der Opposition, die alle abgelehnt wurden. So forderten die Grünen unter anderem eine Verankerung des Geburtslandsprinzips im Staatsbürgerschaftsgesetz (468/A[E]), eine Einzelfallprüfung bei unverschuldeter Notlage des Staatsbürgerschaftswerbers, was den Nachweis des gesicherten Unterhalts betrifft (738/A), einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Hinterbliebene österreichischer NS-Flüchtlinge (150/A, 786/A) und eine gesetzliche Lösung für jene kleine Zahl von Personen, die fälschlicher Weise im guten Glauben aufwuchsen, ÖsterreicherInnen zu sein (1960/A[E]). Zudem sprechen sie sich dafür aus, Menschen, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben und ohne eigenes Verschulden staatenlos geworden sind, die österreichische Staatsbürgerschaft zu gewähren (1199/A).

Die FPÖ tritt dafür ein, Südtirolern und Südtirolerinnen mit österreichischen Vorfahren den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch einfache Anzeige zu ermöglichen (2335/A).

FPÖ, Grüne und BZÖ lehnen Gesetzesnovelle ab

In der Debatte brachte Abgeordnete Alev Korun (G) verschiedene Einzelfälle zur Sprache, um zu demonstrieren, dass die vorgesehenen Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz bestehende Probleme nicht lösen. So schilderte sie den Fall eines brasilianischen Musikers, der seit 23 Jahren in Österreich lebt, hier maturiert und studiert hat, als Künstler aber – nach einem dreijährigen Intermezzo im Burgtheater – nunmehr keine fixe Anstellung findet und daher den gesicherten Lebensunterhalt nicht im erforderlichen Ausmaß nachweisen kann. Auf Sozialleistungen habe er mit einer unbefristeten Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zwar Anspruch, die Staatsbürgerschaft könne er aber ebenso wenig erwerben wie sein einjähriger Sohn, der im vergangenen Jahr in Wien geboren wurde.

Korun fragte sich, was solche Regelungen für einen Sinn machten, und plädierte dafür, zur alten Gesetzesbestimmung zurückzukehren, Einzelfallprüfungen vorzunehmen und bei unverschuldeter Notlage Einbürgerungen zu ermöglichen. Im Übrigen würden auch 17 % der ÖsterreicherInnen die derzeitige Einkommenshürde für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht bewältigen, skizzierte sie. Kritisch sieht Korun auch, dass in Österreich geborene Kinder mit ausländischen Eltern keine Staatsbürgerschaft erhalten, auch wenn die Eltern bereits seit Jahren legal in Österreich niedergelassen sind.

Nicht gelöst ist laut Korun weiter das Problem, dass viele Personen, die schon länger als zehn Jahre in Österreich leben, deshalb die Staatsbürgerschaft nicht erwerben können, weil sie irgendwann einmal vergessen haben, den Aufenthaltstitel rechtzeitig zu verlängern und damit eine Lücke in der legalen Niederlassung von wenigen Tagen haben. Für sie beginnt die Wartefrist erneut zu laufen. Ebenso würden die verbessernden Bestimmungen für uneheliche Kinder nicht rückwirkend angewandt. Auch bei den so genannten PutativösterreicherInnen sind die Bestimmungen laut Korun nach wie vor zu restriktiv. Das Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft geht ihrer Auffassung nach an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei. Mehr Transparenz urgierte sie bei Promi-Einbürgerungen.

Zum aktuellen Thema Einbürgerung und Demokratiebekenntnis merkte Korun an, schon bisher sei die Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft eine bejahende Einstellung zur Republik und ein Verhalten, das keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erwarten lässt, gewesen. Wer demokratiefeindliche Aktivitäten setze, könne nach geltendem Recht nicht eingebürgert werden.

Einen völlig anderen Zugang zur Gesetzesvorlage hatte Abgeordneter Harald Vilimsky (F). Er sprach angesichts von bis zu 20 getöteten "Austro-Taliban" tschetschenischer Herkunft in Syrien von einem Totalversagen der österreichischen Integrations- und Einbürgerungspolitik. Man gehe mehr und mehr in Richtung Expressvergabe der Staatsbürgerschaft, ohne zu prüfen, ob jemand wirklich im Herzen in Österreich angekommen sei, bemängelte er. Die Staatsbürgerschaft sei schließlich nicht nur ein Papier, wer diese erwerbe, müsse sich auch als Teil der Wertegemeinschaft sehen.

Vilimsky beurteilte unter diesem Gesichtspunkt auch die Demonstrationen in Österreich für den türkischen Regierungschef Erdogan als fragwürdig. Dessen Weltbild sei weit vom österreichischen Gesellschafts- und Demokratiemodell weg, unterstrich er.

Seitens des BZÖ hielt Abgeordneter Peter Westenthaler fest, er anerkenne die Bemühungen von Staatssekretär Kurz im Bereich der Integrationspolitik. Auch die vorliegende Novelle sei wohl von gutem Willen getragen, er selbst sieht allerdings keine Notwendigkeit, die Wartefrist für die Staatsbürgerschaft von zehn auf sechs Jahre zu verkürzen. Man hätte zumindest eine Probezeit von vier Jahren einbauen sollen, meinte er, im vorliegenden Gesetz fehle aber "der Sicherheitsgurt". Ausdrücklich begrüßt wurde von Westenthaler, dass die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft – etwa Unbescholtenheit und ein hinreichend gesicherter Lebensunterhalt – grundsätzlich unangetastet bleiben.

Lob für Reform von SPÖ, ÖVP und Team Stronach

Zustimmend zur Gesetzesnovelle äußerte sich neben ÖVP-Sicherheitssprecher Günter Kößl und SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger auch Team-Stronach-Abgeordnete Martina Schenk. Ihrer Ansicht nach überwiegen die positiven Aspekte der Reform. Nachdenken sollte man Schenk zufolge aber über Aussagen österreichischer StaatsbürgerInnen, im Herzen Türken geblieben zu sein.

Abgeordneter Kößl sprach von einer sehr zeitgemäßen und modern ausgerichteten Novelle, die unter anderem wesentliche Erleichterungen für jene bringe, die Schwierigkeiten gehabt hätten, den gesicherten Lebensunterhalt nachzuweisen. Abgeordnete Lueger hielt in Richtung von Abgeordneter Korun fest, es gebe kein Gesetz, das für alle Einzelfälle eine Lösung vorsehen könne. Sie appellierte an die Grünen, die positiven Punkte der Novelle zu sehen und verwies etwa auf die Besserstellung unehelicher Kinder, behinderter Menschen und von PutativösterreicherInnen.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) schnitt die Frage des Zugangs von vertriebenen ÖsterreicherInnen und ihrer Nachkommen zur österreichischen Staatsbürgerschaft an – er sieht in diesem Bereich immer noch Lücken.

Staatssekretär Sebastian Kurz bekannte sich dazu, dass Österreich bei der Verleihung von Staatsbürgerschaften im internationalen Vergleich restriktiv vorgeht und begründete das mit der hohen  Zuwanderung. Österreich sei eines der Länder, das sage, die Staatsbürgerschaft solle am Ende eines Integrationsprozesses stehen, bekräftigte er. Es solle nicht nur um den Erwerb eines Papiers gehen, sondern auch um ein ausdrückliches Bekenntnis zu Österreich. Ein wesentliches Zeichen für Integration ist für Kurz ein eigenes Erwerbseinkommen, er wandte sich daher dagegen, die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft vom Nachweis eines gesicherten Einkommens zu entkoppeln.

Zum Vorschlag von Abgeordnetem Westenthaler einer Staatsbürgerschaft auf Probe merkte Kurz an, die sechs- bzw. zehnjährige Wartezeit sei ohnehin ein sehr langer Probezeitraum. Er glaubt im Übrigen nicht, dass es einen großen Andrang auf den vorzeitigen Erwerb der Staatsbürgerschaft geben wird. Die Zuwanderungsstruktur habe sich zuletzt stark verändert, zuletzt seien vor allem EU-BürgerInnen nach Österreich gekommen, die keine Notwendigkeit sehen, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben.

Zu einzelnen Härtefällen aufgrund eines kurzfristig unterbrochenen Aufenthaltstitels hielt Kurz fest, es gebe in vielen Alltagsbereichen Fristen, die einzuhalten seien. Was die Frage von Promi-Einbürgerungen betrifft, wird ihm zufolge derzeit ein Kriterienkatalog erarbeitet.

Die Eckpunkte der Gesetzesnovelle

Gemäß der vom Innenausschuss beschlossenen Gesetzesnovelle können Fremde künftig bereits nach sechs Jahren Aufenthalt die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, wenn sie ausgezeichnet deutsch sprechen – B2-Niveau – oder alternativ in anderer Form eine nachhaltige persönliche Integration nachweisen, die auch dem Allgemeinwohl dient. Gedacht ist etwa an ein mindestens dreijähriges freiwilliges ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation, eine mindestens dreijährige berufliche Tätigkeit im Gesundheits-, Sozial- oder Bildungsbereich oder eine mindestens dreijährige Funktionsausübung in einer Interessenvertretung oder einem Interessenverband. Dazu zählt etwa auch eine Tätigkeit als Betriebsrat oder als Elternvereinssprecher. Wird keines dieser Kriterien erfüllt, bleibt es bei der geltenden mindestens zehnjährigen Wartefrist.

Was die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der Staatsbürgerschaft anbelangt, sieht die Novelle eine gewisse Lockerung der Bestimmungen über den Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts vor. Demnach soll künftig ein sechsjähriger Rahmen gelten, wobei in zumindest 36 Monaten, darunter die letzten sechs Monate vor Antragstellung, ein ausreichendes Einkommen nachgewiesen werden muss. Ein vorübergehender Sozialhilfebezug während der letzten drei Jahre wäre damit kein Hindernis mehr für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Außerdem ist eine Härtefallregelung für seit Jahren in Österreich lebende Fremde geplant, die wegen einer Behinderung oder einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend selbst finanzieren können.

Keine Unterschiede macht das neue Staatsbürgerschaftsgesetz zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Demnach werden auch uneheliche Kinder, die eine ausländische Mutter und einen österreichischen Vater haben, in Hinkunft automatisch Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Vaterschaft innerhalb von acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkannt bzw. gerichtlich festgestellt wurde. Wird diese Frist versäumt, greifen neue Bestimmungen, die für unmündige Minderjährige mit österreichischem Vater einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft vorsehen. Ähnliche Bestimmungen sollen auch für Adoptivkinder gelten.

Abhilfe wird darüber hinaus für jene wenigen Einzelfälle geschaffen, in denen ein Fremder / eine Fremde über Jahre hinweg im Glauben gelebt hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen und auch von den Behörden als ÖsterreicherIn behandelt wurde. Diese so genannten "PutativösterreicherInnen", die teilweise sogar den Wehr- bzw. Zivildienst abgeleistet haben, können künftig die österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben, wobei lediglich die bisherige Unbescholtenheit nachzuweisen ist. Die Anzeige muss innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis der tatsächlichen Sachlage erfolgen.

Schließlich sind erleichterte Einbürgerungsregelungen für seit Jahren in Österreich lebende Fremde in Aussicht genommen, die schon als Kind nach Österreich gekommen sind, deren Eltern es aber verabsäumt haben, die erworbene Staatsbürgerschaft auf sie zu erstrecken.

Um die Bedeutung der Staatsbürgerschaftsverleihung zu unterstreichen, muss diese in Hinkunft verpflichtend in feierlichem Rahmen erfolgen: neben dem gemeinsamen Absingen der Bundeshymne schreibt das Gesetz auch das sichtbare Vorhandensein der österreichischen Fahne, der Fahne des jeweiligen Bundeslandes und der Fahne der Europäischen Union vor.

Vergangene Woche hatte der Innenausschuss ein Hearing zur Gesetzesnovelle abgehalten (siehe PK Nr. 576/2013). (Fortsetzung Innenausschuss) gs