Parlamentskorrespondenz Nr. 633 vom 02.07.2013

Bundesrat: Keine Blankoschecks für die Kommission

EU-Ausschuss beschließt zwei Subsidiaritätsrügen zu Schädlingsbekämpfung und Tiergesundheit

Wien (PK) – Gleich zwei Subsidiaritätsrügen schickten die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats heute nach Brüssel ab, weil unter anderem ihrer Meinung nach der EU-Kommission mittels so genannter delegierter Rechtsakte zu weitreichende inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden sollen. Die Kritik der Länderkammer entzündete sich an den Verordnungsentwürfen zur Tiergesundheit sowie zu Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen, wobei eine einheitlich europäische Bekämpfung von gefährlichen Schädlingen grundsätzlich infrage gestellt wurde. Die Materien standen bereits in den Sitzungen vom 5. Juni dieses Jahres auf der Tagesordnung des Bundesrats-Ausschusses.

Delegierte Rechtsakte sind erst seit dem Vertrag von Lissabon möglich und dienen der "Entrümpelung" von EU-Verordnungen und Richtlinien, damit sich diese auf die politische Ausrichtung und die Ziele konzentrieren können, ohne näher auf technischen Aspekte eingehen zu müssen. Deren nähere Ausgestaltung überträgt der EU-Gesetzgeber der Kommission, die dann ohne Befassung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments die entsprechenden delegierten Rechtsakte erlassen kann. Auch wenn der Lissabon-Vertrag in diesem Zusammenhang von "nicht wesentlichen Vorschriften eines Gesetzgebungsakts" spricht und die Übertragung nur in engen Grenzen erfolgen soll, interpretiert die Kommission ihre diesbezüglichen Befugnisse in den Augen der Bundesrätinnen und Bundesräte allzu großzügig. In einem derartigen "Wildwuchs" von delegierten Rechtsakten sehen die Ausschussmitglieder daher eine Missachtung des Subsidiaritätsprinzips.

Bekämpfung von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten soll nationale Aufgabe bleiben

In der Diskussion zum Verordnungsvorschlag im Hinblick auf Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen stellten Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) und Bundesrat Stefan Schennach (S/W) grundsätzlich die Notwendigkeit einer EU-weiten Regelung in Frage, zumal der Schädlingsbefall regional sehr unterschiedlich ist. Der Experte der Landwirtschaftskammer hielt eine Harmonisierungstendenz zwar nicht unbedingt für einen Nachteil, eine Zentralisierung sei aber äußerst kritisch zu bewerten, sagte er. Auch seitens des Landwirtschaftsministeriums kamen schwere Bedenken, zumal der Verordnungsentwurf über den bisherigen Geltungsbereich hinausgeht.

Nicht abfinden wollte man sich mit der großen Zahl an Möglichkeiten für die Kommission, delegierte Rechtsakte zu erlassen, da man damit den Geltungsbereich der Verordnung überhaupt nicht mehr abschätzen könne. Mit einem derartigen Wildwuchs würde man hier ständig Blankoschecks ausstellen, meinte dazu Bundesrat Stefan Schennach (S/W) und unterstrich die Notwendigkeit, dass sich die nationalen EU-Ausschüsse dazu klar und deutlich zu Wort melden.

Im Antrag auf begründete Stellungnahme (Subsidiaritätsrüge) stellen die Mitglieder des Ausschusses unmissverständlich klar, dass die Ausweitung des Anwendungsbereichs der gegenständlichen Verordnung im Hinblick auf Überwachungen des Auftretens von Pflanzenschädlingen auf das absolute Mindestmaß reduziert werden sollte und die Pflanzenschutzmaßnahmen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten zu verbleiben hätten. Die LändervertreterInnen wollen auch die Registrierung der Betriebe auf ein fachlich gerechtfertigtes Ausmaß beschränken.

Grundsätzlich stellen die Ausschussmitglieder fest, das Ziel der Verordnung sei zwar zu begrüßen, aus prinzipiellen, gesetzlichen und zweckmäßigen Gründen werde eine Regelung zur einheitlichen Bekämpfung von gefährlichen Schädlingen und Krankheiten von Pflanzen auf EU-Ebene aber abgelehnt, da die meisten Pflanzenarten lokal angepasst sind. Schädlingsbefall und Krankheitsausbrüche seien daher bis auf wenige Ausnahmen oft durch lokale Gegebenheiten verursachte Schädigungs- und Krankheitsereignisse bei Nutzpflanzen, geben die BundesrätInnen zu bedenken. Eine national gesteuerte Bekämpfung der Schädlinge und Pflanzenkrankheiten halten sie daher für eine effizientere Vorgangsweise.

Im gegenständlichen Verordnungsentwurf geht es darum, Regelungen zur EU-weiten einheitlichen Bekämpfung von gefährlichen Schädlingen und Krankheiten von Pflanzen (Quarantäneschadorganismen) zu erlassen. So sollen Schädlinge in Zukunft in drei Arten unterteilt werden: sogenannte Qualitätsschädlinge, normale Quarantäneschädlinge und prioritäre Quarantäneschädlinge, für letztere soll es verstärkte Ausrottungspflichten geben. Trotz der zunehmend importierten Schädlinge durch den internationalen Verkehr plant die Kommission Erleichterungen für die Einfuhr, was sich als kontraproduktiv herausstellen könnte. Unternehmen, deren Tätigkeit Auswirkungen auf den Schutz von Pflanzen hat, werden sich in Hinkunft registrieren lassen müssen. Zu diesem Zweck soll auch ein zentrales elektronisches Meldesystem eingerichtet werden. Ferner sind verpflichtende Krisen- und Notfallpläne sowie jährliche Übungen vorgesehen. Bei den Bekämpfungsmaßnahmen sind viele nationale Kompetenzen betroffen, die Kommission möchte daher eine Harmonisierung mittels zahlreicher delegierter Rechtsakte herbeiführen, womit auch das Subsidiaritätsprinzip betroffen ist.

Bundesrat läuft Sturm gegen übermäßige Zahl delegierter Rechtsakte

Rund 130 delegierte Rechtsakte sieht der Verordnungsentwurf zur Tiergesundheit vor, mit dem die EU die Basis für langfristige Präventionsmaßnahmen schaffen will. Ziel ist es, rasch auf neu auftretende Seuchen reagieren zu können, um übertragbare Krankheiten in den Griff zu bekommen, gleichzeitig aber die Qualität der betreffenden Maßnahmen zu garantieren. Zu diesem Zweck beabsichtigt die Kommission unter anderem ein präventionsbasiertes und anreizorientiertes Konzept in die Tiergesundheitspolitik einzubeziehen, die Zuständigkeiten klar zu regeln und die Verfahren zu vereinfachen, wo immer dies machbar ist. Außerdem ist die Einführung einer Liste von Seuchen geplant, die in verschiedene Kategorien unterteilt werden, sowie die Schaffung eines wirksamen Mechanismus und einer Notfallbereitschaft für schnelle Reaktionen im Falle einer Seuche.

Dieser Vorschlag sei der Gipfel, formulierte dazu Bundesrat Stefan Schennach (S/W) im Hinblick auf die große Zahl delegierter Rechtsakte. Die gewählte Vorgangsweise könne man nicht einfach hinnehmen, stellte er fest und beschwor einmal mehr die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Parlamentsausschüssen der EU-Länder. Die delegierten Rechtsakte seien weder durchschaubar noch erklärbar noch nachvollziehbar, ergänzte dazu Bundesrat Martin Preineder (V/N). Die EU würde mit diesen Bestimmungen den Betroffenen noch mehr Bürokratie bescheren, so Preineder, der gleichzeitig die Bedeutung des Themas Tiergesundheit unterstrich. Es sei notwendig, dass man Seuchen rasch lokalisiere, was in Österreich ohnehin gut funktioniere.

Seitens des Gesundheitsministeriums und der Landwirtschaftskammer schloss man sich der Kritik an, wobei der Gesundheitsexperte einräumte, es sei nicht leicht, gegen die steigende Zahl an beabsichtigten delegierten Rechtsakte anzukämpfen. Man müsse alles daran setzen, dass die Kommission auch in diesen Fällen die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sucht.

In ihrer Subsidiaritätsrüge stellen die Ausschussmitglieder den Mehrwert von harmonisierten Vorschriften für die Prävention, Meldung, Bekämpfung und Tilgung von Tierseuchen auf EU-Ebene grundsätzlich nicht in Frage. Durch die gewaltige Zahl von delegierten Rechtsakten sei der Vorschlag in seiner tatsächlichen Wirkung jedoch sehr unbestimmt und weder qualitativ noch quantitativ in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu bewerten. Die Vorgangsweise sei daher überzogen und mit dem Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit derzeit nicht vereinbar, halten sie fest. Delegierte Rechtsakte seien daher auf ein absolutes Minimum zu beschränken, so die Forderung der Länderkammer, überdies seien Ziel, Inhalt und Geltungsbereich der dann noch verbleibenden Durchführungsermächtigungen ausdrücklich und eindeutig festzulegen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


Format