Parlamentskorrespondenz Nr. 638 vom 03.07.2013

Probleme nach der Scheidung - was kann die Politik tun?

Aktuelle Stunde des BZÖ zum Unterhaltsrecht im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einer Aktuellen Stunde unter dem Titel "Väter sind kein Bankomat" thematisierte das BZÖ in der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats das Unterhaltsrecht. Das brachte der Fraktion den Vorwurf ein, mit so einem sensiblen Thema Populismus zu betreiben. Die RednerInnen der Klubs nützten die Debatte aber auch dazu, ihre grundsätzlichen Positionen zum Familienrecht zu erläutern.

Zu Beginn der Sitzung wurden Karin GREINER (S) und Hans-Jörg JENEWEIN (F) als neue Abgeordnete angelobt. Sie folgen den Abgeordneten Günther Kräuter (S) und Peter Fichtenbauer (F), die am 1. Juli ihr Amt als Volksanwalt angetreten haben.

Klubobmann Josef BUCHER (B) wollte einmal mehr das Spekulationsverbot im Plenum diskutieren und erhob deshalb Einwendungen gegen die Tagesordnung. Seit einem halben Jahr gelinge es nicht, einen Gesetzentwurf zur verfassungsmäßigen Verankerung des Spekulationsverbots auf die Agenda zu setzen, kritisierte er. Sein Anliegen wurde jedoch ohne Debatte mehrheitlich abgelehnt.

Bucher: Bekämpfung der Väterarmut durch Änderungen im Unterhaltsrecht

Angesichts der hohen Betroffenheit hielt es Abgeordneter Josef BUCHER (B) für dringend notwendig, heute im Nationalrat über die Situation der geschiedenen Väter zu sprechen. Aufgrund zahlreicher Ungerechtigkeiten im Unterhalts- und Familienrecht komme es nämlich nach Trennungen oft dazu, dass den Vätern ihre Existenzgrundlage entzogen wird und sie somit kein neues Leben mehr aufbauen können. Aus diesem Grund sollten die Unterhaltsleistungen, die zumindest zur Hälfte steuerabzugsfähig sein sollten, auf maximal 50 % des Einkommens begrenzt werden, argumentierte der BZÖ-Klubobmann. Gleichzeitig machte der BZÖ-Klubobmann klar, dass auch den allein lebenden Müttern, die oft armutsgefährdet sind, nichts weggenommen werden dürfe. Er wolle bloß eine gleichberechtigte Situation herstellen. Wenn etwa die Väter keine Zahlungen leisten, dann müsse es natürlich eine Unterhaltsbevorschussung durch den Staat geben, betonte er.

Kinder haben ein Anrecht auf Mutter und Vater, weshalb auch die gemeinsame Obsorge unbedingt umgesetzt werden muss, forderte Bucher weiters. Wenn man wirklich das Kindeswohl im Auge hat, dann sollte man gewährleisten, dass die jungen Menschen einen regelmäßigen Zugang zu ihren Vätern haben. Über 1,1 Millionen Menschen leben z.B. in Patchworkfamilien, zeigte er auf, und die Politik  müsse endlich auf die geänderten gesellschaftlichen Bedingungen adäquat reagieren. 

Karl: Politik hat auf geänderte familiäre Strukturen reagiert

Es sei vollkommen richtig, dass sich die familiären Strukturen in den letzten Jahren verändert haben, räumte Justizministerin Beatrix KARL ein. Die Politik habe aber sehr wohl darauf reagiert und u.a. ein modernes Familienrechtspaket geschnürt, das die Eltern-Kind-Beziehung umfassend sehe und nicht bloß auf den Unterhalt reduziere. Seit Anfang des Jahres gelte daher die gesetzliche Bestimmung, wonach verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen sowie sichere Bindungen von ganz zentraler Bedeutung sind. Dem Umstand, dass Väter und Mütter bloß Geldmaschinen sind, die auf Abruf für ihre Kinder zahlen müssen, ohne irgendwelche Rechte zu haben, hat der österreichische Gesetzgeber ganz klar eine Absage erteilt, hob die Justizministerin in Richtung ihres Vorredners hervor. Außerdem sei das Kindeswohl, das als Maßstab für alle Entscheidungen beim Familiengericht gilt, erstmals gesetzlich definiert worden. Nicht richtig sei zudem, dass Mütter automatisch mehr Rechte und Väter automatisch mehr Pflichten gegenüber Kindern haben, betonte Karl. Die Ministerin stellte ferner fest, dass das Obsorge- und Kontaktrecht einerseits und der Unterhalt für die Kinder andererseits "ganz unterschiedliche Paar Schuhe sind". Das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren der Kontakte oder der Informationsrechte könne nicht entscheidend für die Unterhaltsleistung sein.

Was das Besuchsrecht generell angeht, so sei ihr natürlich bewusst, dass es in der Praxis mitunter massive Probleme gegeben hat, führte die Ressortchefin weiter aus. Deshalb seien gerade Verbesserungen in diesem Bereich ein wichtiger Fokus bei der Familienreform gewesen, unterstrich sie, aus dem Besuchsrecht sei daher ein Kontaktrecht geworden. Karl ging schließlich noch näher auf drei zentrale Eckpunkte des neuen Familienrechts ein, und zwar auf die Schaffung der Familiengerichtshilfe, die gemeinsame Obsorge als Regelfall sowie das uneingeschränkte Antragsrecht der ledigen Väter auf Obsorge. Es sei klar, dass all diese Maßnahmen nicht von heute auf morgen alle Probleme in diesem Bereich lösen können, gab sie zu bedenken. Aber sie werden ganz sicher wesentlich zur Verbesserung der Situation aller Beteiligten beitragen, war Karl überzeugt, und dies zeigten auch schon die ersten Rückmeldungen aus der Praxis. Was das Thema Unterhalt betrifft, so müsse es das primäre Ziel sein, Kinder aus gescheiterten Beziehungen gegenüber Kindern aus funktionierenden Beziehungen nicht zu benachteiligen und zu gewährleisten, dass auch ihre materielle Existenz abgesichert ist.

Unterhaltsrecht: Abgeordnete sehen durchaus weiteren Handlungsbedarf

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) wunderte sich etwas über den Titel der Aktuellen Stunde und warnte davor, mit solch einem wichtigen Thema Populismus zu betreiben. Sie war jedoch auch überzeugt davon, dass bestehende Lücken im Unterhaltsrecht geschlossen und Ungerechtigkeiten beseitigt werden müssen. So sollte etwa der Unterhaltsvorschuss nicht nur bis zum Ende der Ausbildung gewährt werden, sondern auch dann, wenn sich der Vater in Haft befindet, wünschte sich Binder-Maier. Natürlich hätten Väter und Mütter ein Recht darauf, ein neues Leben nach der Trennung zu beginnen, räumte sie gegenüber Bucher ein. Allerdings könne auch die Verantwortung für das Leben, das bis dahin geführt wurde, nicht einfach abgegeben werden. Das Modell, eine Unterhaltsbevorschussung in allen Fällen vorzusehen, halte sie für diskussionswürdig.

Alle Familien, in welchen Formen auch immer, haben das Recht, ihr Leben gemäß ihren Umständen und Möglichkeiten so zu führen, wie sie das wollen, meinte einleitend Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V). Auch wenn dabei das Kindeswohl immer im Zentrum stehen sollte, sehe die Realität leider oft anders aus, weshalb ihrer Ansicht nach der Elternbildung stärkere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Ein großer Dank gelte daher den bestehenden Beratungsstellen in Österreich, die eine sehr gute Arbeit leisten. Es sei richtig, dass die Unterhaltszahlungen oft einen Zankapfel darstellen, hielt Steibl fest, weshalb das Familienrecht entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen hat, die einen guten Mix aus Geld- und Sachleistungen vorsehen. Handlungsbedarf gebe es ihrer Ansicht nach aber noch in Bezug auf das System der Unterhaltsberechnung sowie im Bereich des Steuerrechts, weshalb die ÖVP einen Kinder- und Jugendfreibetrag in der Höhe von 7.000 € fordert.

Auch Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) gab zu bedenken, dass im Falle von Trennungen oftmals auf dem Rücken der Kinder die Probleme zwischen den Ex-Partnern ausgetragen werden. Genau für solche Fälle sollten Lösungen gefunden werden, verlangte der FPÖ-Klubobmann, man werde daher genau beobachten, ob die Änderungen im Familienrecht in der Praxis auch greifen. Es sei leider eine Tatsache, dass derzeit viele geschiedene Väter oftmals darauf reduziert werden, nur Unterhalt zu bezahlen, ohne jedoch ihre Rechte ausüben zu können. Sie würden manchmal dazu gezwungen, lange Gerichtsprozesse, die zur weiteren Entfremdung von den Kindern beitragen, auf sich zu nehmen, da ihnen der Kontakt zu den Kindern vorenthalten wird, beklagte er. Wenn man das Recht des Kindes auf beide Elternteile wirklich ernst meint, dann müsste man auch Änderungen bei der gemeinsamen Obsorge andenken, die – ähnlich wie in Deutschland - automatisch verfügt werden sollte, forderte Strache. Ein wichtiges Anliegen waren ihm auch die alleinerziehenden Mütter und Väter, die oft von Armut bedroht sind. 

Ihre Vorredner haben zwar alle das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt, aber keine wirklichen Vorschläge dazu gemacht, wie das erreicht werden soll, merkte Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) kritisch an. Wenn man sich anschaue, dass 31 % der Allererziehenden unter der Armutsgrenze leben und 17 % der Kinder überhaupt keine Alimente bekommen, dann gehe der Titel der Aktuellen Stunde "Väter sind kein Bankomat" wohl ziemlich an der Realität vorbei. Ihrer Ansicht nach müsse es bei Trennungen vorrangig darum gehen, erst einmal die Existenzsicherung der Kinder und der Mütter bzw. Väter zu gewährleisten. Sie halte es daher für nicht legitim, wenn das BZÖ ein so wichtiges Thema dazu benützt, um daraus eine Opferdebatte für Väter zu machen. Musiol forderte schließlich noch, dass die Lücken im Unterhaltsrecht, wenn z.B. Väter unverschuldet nicht zahlen können oder verstorben sind, geschlossen und die familienrechtlichen Verfahren verkürzt werden.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) verwahrte sich dagegen, dass ihre Partei eine Opferdebatte führen will. Vielmehr handle es sich um ein offenes Problem, das im Rahmen des Familienrechtspaketes nicht gelöst wurde, stellte sie fest. Da in den letzten fünf Jahren in diesem Bereich nichts weitergegangen sei, halte sie es auch für legitim, einen provokanten Titel zu wählen. Es sei zwar zu einigen Adaptierungen im Bereich der gemeinsamen Obsorge gekommen, räumte Haubner ein, es fehle aber noch immer ein umfassendes, modernes und zeitgemäßes Unterhaltsrecht. Das Familienbild des BZÖ orientiere sich am Kindeswohl, weshalb es ein Recht auf Vater und Mutter für alle Kinder geben müsse, unterstrich Haubner. Erfreulich sei, dass sich in den letzten Jahren die Rolle der Väter verändert hat und sie auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Wenn jedoch mehr Verantwortung und Betreuungszeit von Vätern eingefordert wird, könne das Unterhaltsrecht nicht nach dem alten Schema beibehalten werden, hielt sie der Justizministerin entgegen.

Abgeordneter Christoph HAGEN (T) erinnerte an die Entscheidung zur Gemeinsamen Obsorge als Regelfall und sprach von einem richtigen Schritt in Richtung Kindeswohl. Die Probleme begännen aber meist nach der Scheidung, wenn einer der beiden Ex-Partner dem anderen das Recht auf Kontakt mit seinen Kindern vorenthält. Es zeige sich, dass dieses Recht schwer durchzusetzen sei, sagte Hagen und schilderte haarsträubende Beispiele von Vätern, die vor der Türe ihrer Ex-Partnerin stehen und keine Möglichkeit haben, Kontakt mit ihren Kindern aufzunehmen. Hagen schlug vor, JournalrichterInnen die Möglichkeit zu geben, einstweilige Verfügungen im Interesse dieser Väter und Kinder zu erlassen.

Familienrecht bleibt Zankapfel

Abgeordnete Angela LUEGER (S) bezifferte die Zahlt der Patchwork-Familien in Österreich mit 1,1 Millionen, die Zahl der Scheidungen pro Jahr mit 17.000. Davon sind 19.000 Kinder betroffen und von den 176.000 Alleinerziehenden sind 30 % von Armut bedroht und 12 % manifest arm. Die Ausführungen des BZÖ zur Berechnung des Geldunterhalts im Scheidungsfall wies Lueger zurück und erläuterte die Methode, mit der der finanzielle Kinderunterhalt berechnet werde. Dabei wies sie darauf hin, dass Väter Mieten und andere Ausgaben berücksichtigen lassen können und derartige Abzüge zu einer Reduktion der Unterhaltsleistung um bis zu 20 % führen. Außerdem machte die Rednerin darauf aufmerksam, dass gutverdienende Familienväter durch steuerliche Begünstigungen unverhältnismäßig große Vorteile zu Lasten der Kinder anderer Väter lukrieren können.

Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) präzisierte die familienpolitischen Grundsätze seiner Partei, indem er sich zu einer Gesetzgebung bekannte, in der das Kindewohl im Mittelpunkt steht, in der Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern das Recht auf Vater und Mutter haben sowie für Mütter und Väter gleiche Rechte und Pflichten bestehen. Bei der Realisierung dieser Grundsätze konnte in der zu Ende gehenden Gesetzgebungsperiode vieles erreicht werden, sagte Ikrath und hob hervor, dass konkreter denn je definiert wurde, wie die Gerichte den Begriff "Kindeswohl" zu beurteilen haben. Es sei auch gelungen, die Verfahren zu beschleunigen, mehr FamilienrichterInnen einzusetzen, die Berufsrechtshilfe zu schaffen und Besuchsmittler einzusetzen, wenn Mütter nicht bereit sind, Vätern das Recht auf Kontakt mit ihren Kindern einzuräumen. Offene Fragen sah Ikrath noch bei der Reform des Verfahrensrechts und bei der Beschleunigung der Verfahren – das seien wichtige Aufgaben der nächsten Gesetzgebungsperiode.

Von einer beschämenden Debatte sprach Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) und warf "ideologisch motivierten Männerhasserinnen in der SPÖ" vor, Bilder von "bösen Vätern" zu malen. Tatsächlich gehe es in der Frage der gemeinsamen Obsorge darum, finanzielle Fragen von Betreuungsfragen zu trennen und dafür zu sorgen, dass Kinder nicht zum Spielball im Streit zwischen geschiedenen Ehepartnern werden. Für einen Skandal hielt es die Abgeordnete, dass 19.000 Scheidungskinder in Armut leben müssen, ortete Handlungsbedarf in der Familienpolitik und erinnerte an den Widerstand von Frauenministerin Heinisch-Hosek gegen eine automatische gemeinsame Obsorge, obwohl diese in Deutschland gut funktioniere. Als abschreckendes Beispiel schilderte die Abgeordnete das Beispiel eines Vaters, der nach einem zweijährigen Gezerre um sein Kind die Obsorge für dieses verlor, weil die – gewalttägige - Mutter geltend machen konnte, dass in dieser Zeit eine Entfremdung zwischen dem Kind und seinem Vater eingetreten sei.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) erinnerte das BZÖ an homophobe Äußerungen eines BZÖ-Funktionärs in Niederösterreich und erwartete sich eine Distanzierung. Zum Thema "Väter und Kinder" unterstrich Steinhauser die Bedeutung eines möglichst frühen Miteinanders in der Familie. Väter sollen von Anfang an in die Erziehung der Kinder eingebunden sein, sie sollen waschen, kochen und zur Lösung von Schulproblemen beitragen. So entstünden dauerhafte Beziehungen innerhalb der Familien, die Kinder und Eltern so dringend brauchen. Die Haltung vieler ArbeitgeberInnen, die kein Verständnis für die Familienpflichten ihrer MitarbeiterInnen haben, stünde dem oft entgegen, klagte Steinhauser. Jedenfalls reiche es beim Thema gemeinsame Obsorge nicht aus, den Müttern die Schuld in die Schuhe zu schieben, sagte Steinhauser. Sein Vorschlag lautete, Unterhaltsschulden Vorrang vor anderen Schulden zu geben und Väter davor zu schützen, bis unter das Existenzminimum gepfändet zu werden.

Die Äußerungen des von seinem Vorredner angesprochenen BZÖ-Funktionärs seien nicht akzeptabel, dieser habe sich für seine Aussagen aber bereits entschuldigt, stellte Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) eingangs klar. Besorgt zeigte sich der Redner über Väter, die wegen ihrer Unterhaltverpflichtungen bis unter das Existenzminimum gepfändet werden, und klagte über die nur teilweise gemeinsame Obsorge für die Kinder nach Scheidungen, wobei er das Problem der Durchsetzung des Besuchsrechts unterstrich. Widmann wandte sich auch dagegen, dass durch exorbitant hohe Unterhaltsleistungen nach Scheidungen die Frauen und Kinder wiederverheirateter Männer zu "Menschen zweiter Klasse werden, weshalb er Maßnahmen gegen die "Scheidungsindustrie" sowie Überlegengen gegen den Missbrauch des Unterhaltsrechts einforderte. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat) sue/fru/jan