Parlamentskorrespondenz Nr. 647 vom 04.07.2013

Arbeitslosigkeit und Pflege - zentrale Fragen der Sozialpolitik

Sozialminister Hundstorfer in der Fragestunde des Nationalrats

Wien (PK) – Im Mittelpunkt der Fragestunde mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer in der heutigen Sitzung des Nationalrats standen die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt und das Thema Pflege.

Österreich sei keine Insel der Seligen, sagte er, und leide unter der generellen Krise. Man setze aber massiv auf die Qualifizierung und werde auch weiterhin aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben, um Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Der Ressortchef erinnerte aber auch an die Konjunkturpakete, die zur relativ günstigen Arbeitslosenquote in Österreich beigetragen haben.

Was das Ziel eines einheitlichen Arbeits- und Sozialrechts betrifft, so verwies Hundstorfer auf bereits gesetzte Schritte bei der Pflegefreistellung und im Pensionsrecht. Die Bemühungen würden aber fortgesetzt, versicherte er.

Hundstorfer nahm auch ausführlich rund um den Themenbereich Pflege Stellung und erinnerte an die jüngsten Beschlüsse zur Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Er zeigte sich überzeugt davon, dass mit der Novelle zum Pflegefondsgesetz die mobile Pflege und die Pflege zu Hause gestärkt würden und damit der stationären Bereich entlastet werde.

Frage der Abgeordneten Renate CSÖRGITS (S):

Wie hat die Bundesregierung auf die generellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes - insbesondere angesichts der auch gesamt-europäisch schwachen Konjunkturlage - reagiert?

Antwort:

Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER verwies auf das vor zwei Wochen beschlossene Konjunkturpaket im Ausmaß von 1,6 Mrd. €. Neben der Stärkung des Bausektors (inklusive thermische Sanierung) und der kleinen und mittleren Betriebe steht dabei u.a. der weitere Ausbau an Kinderbetreuungsplätzen im Mittelpunkt, informierte er. Die Zahlen belegen, dass Österreich auf einem guten Weg sei. So konnten etwa in den ersten sechs Monaten 326.000 Personen über Vermittlung des AMS eine neue Beschäftigung finden (Zusatzfrage von Abgeordnetem Josef BUCHER, B). Dennoch sei Österreich natürlich keine Insel und gerade die exportorientierte Wirtschaft leide unter der generellen Krise, gab Hundstorfer zu bedenken. Um aber so viel wie möglich Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, setze man ganz massiv auf Qualifikation in den verschiedenen Bereichen (z.B. Pflegesektor, Frauen in Technik und Handwerk, Fachkräftestipendium). Allein im Vorjahr wurden über 330.000 Menschen im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen des AMS ausgebildet. Heuer werden insgesamt 2 Mrd. € "an aktivierenden Arbeitsmarktmitteln" bereit gestellt.

Auf eine Zusatzfrage der Abgeordneten Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F), die den mehr als doppelt so hohen Anstieg der Arbeitslosenrate bei ausländischen Arbeitskräften ansprach, merkte Hundstorfer an, dass derzeit teilweise ein Austausch zwischen jungen und älteren Ausländern stattfinde. Außerdem stünden allen Personen, die einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich haben, die Qualifizierungsmaßnahmen des AMS zur Verfügung.

Frage des Abgeordneten Oswald KLIKOVITS (V):

Wie hat sich die Zahl der Arbeitssuchenden seit Juli 2012 in den einzelnen Bundesländern, insbesondere in Wien und Niederösterreich im Vergleich entwickelt, einerseits nach ihrem Wohnort, andererseits nach ihrem letzten Arbeitsort?

Antwort:

Die Arbeitslosenquote ist in Niederösterreich um 9,3 % gestiegen und in Wien um 6,8 %, informierte Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER. Wenn man vom Wohnort ausgeht, dann stellt sich die Lage etwas anders dar: plus 8 % in Niederösterreich und plus 11,3 % in Wien. Zwischen den beiden Bundesländern gibt es eine ganz enge arbeitsmarkttechnische Verschränkung, da ein Fünftel der als arbeitsfähig eingestuften NiederösterreicherInnen ihren Arbeitsplatz in Wien haben. Was die Pleite der Firma Alpine betrifft (Zusatzfrage des Abgeordneten Sigisbert DOLINSCHEK, B), so gehe er davon aus, dass nach Abklärung der offenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Übergabe von Baustellen fast kein Bauarbeiter arbeitslos sein wird. Ein gewisses Problem gebe es jedoch im Bereich der Angestellten und des mittleren Managements der Firma Alpine; daran werde aber gearbeitet. Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Karl ÖLLINGER (G), der sich eine Neuauflage der Aktion 8000 wünschte, führte der Minister aus, dass derzeit zehn Modelle auf Basis von sozialökonomischen Betrieben in ganz Österreich laufen.

Frage der Abgeordneten Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F):

Warum setzen Sie sich vor dem Hintergrund der negativen Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt nicht auf europäischer Ebene für eine Verlängerung der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Rumänien und Bulgarien ein?

Antwort:

Er stehe zur Einhaltung von europäischen Verträgen, erklärte einleitend der Sozialminister. Außerdem habe man die maximale Übergangsfrist ausgenützt, wofür Österreich auch von vielen gescholten wurde. Was die Situation im Burgendland angeht, so sei es nicht richtig, dass alle neu geschaffenen Arbeitsplätze nur mit Ungarn besetzt wurden, teilte er der Fragestellerin mit. Außerdem würden die Vorschriften des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes sehr restriktiv kontrolliert. Auf eine Frage bezüglich der Umsetzung des Übergangsregimes zur Arbeitnehmerfreizügigkeit im Hinblick auf Kroatien (Zusatzfrage des Abgeordneten Dietmar KECK, S) hob Hundstorfer hervor, dass auch in diesem Fall die sieben Jahre ausgeschöpft werden. Auf Basis der Mangelberufsliste und durch die Saisonbeschäftigungsmöglichkeiten gebe es derzeit bereits 18.629 kroatische StaatsbürgerInnen, die in Österreich arbeiten, teilte Minister Hundstorfer Abgeordneter Adelheid FÜRNTRATH-MORETTI (V) mit.

Bei den von Abgeordnetem Karl ÖLLINGER (G) angesprochenen Asylwerbern konzentriere man sich zunächst einmal auf die Beschleunigung der Verfahren. Bezüglich der Frage des Zugangs zum Arbeitsmarkts stehe man vor dem Problem, dass die Qualifizierung oft sehr schwer nachgewiesen werden kann.

Frage des Abgeordneten Karl ÖLLINGER (G):

Einige Bundesländer - wie etwa Niederösterreich - werten bei der Mindestsicherung vertragswidrig die Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung als Einkommen. Was werden Sie unternehmen, um diese Vertragsverletzungen abzustellen?

Antwort:

Der von Öllinger angesprochene Umstand sei sehr bedauerlich, räumte der der Sozialminister ein. Da sein Handlungsspielraum aufgrund der Rechtslage eingeschränkt sei, bemühe er sich im Rahmen von bilateralen Gesprächen, dass die Vereinbarungen in Zukunft eingehalten werden. Bei der Verlängerung der Mindestsicherung werde dies sicherlich ein ganz wichtiger Verhandlungspunkt sein. Abgeordnetem Josef JURY (F) gegenüber merkte der Ressortchef an, dass die Zahl jener, die nur von der Mindestsicherung als alleinige Einnahmenquelle leben, gesunken ist. Gestiegen seien nur die sogenannten Aufstockungsleistungen. Seitdem die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt wurde, hätten übrigens 49.000 BMS-Bezieher eine Arbeit aufgenommen, hob der Minister hervor.

Gegenüber ÖVP-Abgeordneter Ridi STEIBL erinnerte der Sozialminister daran, dass ein sehr umfangreiches Familienpaket beschlossen wurde; darunter falle auch die angesprochene Einschleifregelung bei der Zuverdienstgrenze für die Familienbeihilfe für junge Erwachsene.

Frage des Abgeordneten Sigisbert DOLINSCHEK (B):

Wann wird endlich für alle Österreicherinnen und Österreicher ein einheitliches Arbeitsrecht und Sozialrecht ohne Privilegien und Benachteiligungen gelten?

Antwort:

Die Regierung habe bereits einige wichtige Schritte in Richtung eines einheitlichen Arbeits- und Sozialrechts für alle in Österreich lebenden Personen gesetzt, wie z.B. in der Frage der Pflegefreistellung oder der Harmonisierung im Pensionsrecht für BeamtInnen, erwiderte Hundstorfer. Die Bemühungen in diesem Bereich sollen jedenfalls fortgesetzt werden. Auch die Diskussionen über die sechste Urlaubswoche würden weitergeführt, kündigte der Minister gegenüber Abgeordnetem Albert STEINHAUSER (G) an. Primäres Ziel sei jedenfalls, dass die Menschen länger gesund im Erwerbsprozess verbleiben können.

Frage der Abgeordneten Martina SCHENK (T):

Durch die Zweckbezuschussung wird der Vorrang der Förderung der mobilen Pflege und Betreuung weiter abgeschwächt. Was tun Sie, damit ein größerer Anreiz für die Menschen geschaffen wird, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen wollen, was auch insgesamt hilft, Kosten zu sparen?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer gab zu bedenken, dass mit der Novelle zum Pflegefondsgesetz gerade die mobile Pflege und die Pflege zu Hause gestärkt werden, um den stationären Bereich zu entlasten. Aus diesem Grund wurden auch Instrumentarien wie die Pflegekarenz oder die Pflegeteilzeit eingeführt. Diverse Maßnahmen, wie z.B. Beratungsangebote, Ersatzhilfe, Urlaubsaktionen, Einschulungen etc., sollen weiters dazu dienen, die pflegenden Angehörigen noch intensiver zu unterstützen (Zusatzfrage des Abgeordneten Karl DONABAUER, V). Außerdem sollen noch mehr Menschen dazu animiert werden, Gesundheitsberufe zu ergreifen (z.B. mittels Fachkräftestipendium), um für die demographischen Herausforderungen gewappnet zu sein (Zusatzfrage des Abgeordneten Kurt GRÜNEWALD, G).

Frage der Abgeordneten Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S):

Für Angehörige ist es oft belastend, neben dem Job eine optimale Versorgung eines zu pflegenden Angehörigen sicher zu stellen oder einen Heimplatz zu finden. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Situation von Familien zu verbessern, in denen ein Pflegefall auftritt?

Antwort:

2014 tritt die Erweiterung der Pflegekarenz in Kraft, mit einer sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Angehörigen, sagte der Minister und wies insbesondere auf die Einbeziehung der Hospizkarenz und Palliativmaßnahmen für Kinder in die Pflegekarenz hin. In diesem Zusammenhang sprach er von einem sozialpolitischen Meilenstein. Projekte der Alterswohlfahrt, die einem selbstbestimmten Leben älterer Menschen dienen, sah Hundstorfer positiv, er sei dafür aber politisch nicht zuständig, teilte der Minister Abgeordneter Gertrude AUBAUER (V) mit. Statistische Daten über die stundenweise Tagesbetreuung pflegebedürftiger Menschen liegen nicht vor, erfuhr Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B).

Abgeordnetem Kurt GRÜNEWALD (G), der die Armutsgefährdung pflegender Angehöriger thematisierte sowie deren psychische, physische und fachliche Unterstützung einmahnte, erfuhr vom Bundesminister von den Neuerungen bei der Pflegekarenz, der Pflegeteilzeit und sozialversicherungsrechtlichen Verbesserungen für pflegende Angehörige ab 2014. Von Abgeordneter Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) auf Probleme beim Einsatz selbständige Pflegekräfte angesprochen, informierte der Minister über verstärkte Kontrollen der Agenturen, die die 24-Stundenbetreuung organisieren, sowie über amtswegige Klagen bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen.

Frage des Abgeordneten Dr. Franz-Joseph HUAINIGG (V):

Welche Verbesserungen im Bereich Hospizversorgung sind im Pflegefondsgesetz und beim Pflegekarenzgeld für lebensbedrohlich erkrankte Kinder und für Menschen in der letzten Lebensphase vorgesehen, damit sie und ihre Angehörigen in ihrer Not nicht alleine gelassen werden?

Antwort:

Die Akutversorgung wird als eigenes Angebot eingeführt, Härteausgaben vom Bunde übernommen und betreuende Angehörige sozial abgesichert, betonte Minister Hundstorfer. Kinderreiche Familien könnten zudem mit speziellen Unterstützungen rechnen. Über den Vorschlag des Anfragestellers, neben Tierschutz, Bankgeheimnis und Sozialpartnerschaft auch die Unantastbarkeit der Menschenwürde verfassungsrechtlich zu schützen, will Bundesminister Hundstorfer in der kommenden Gesetzgebungsperiode einen ernsthaften Dialog führen.

Abgeordneter Ursula HAUBNER (B), die ein Gesamtkonzept für die Pflege in Österreich und die Integration der Pflege in das Gesundheitssystem verlangte, teilte der Sozialminister mit, ein solches "Gesamtkonzept Pflege" existiere bereits, auch bemühe er sich sehr um dessen Umsetzung und ständige Verbesserung.

Auf den Vorschlag des Abgeordneten Karl ÖLLINGER (G), die Pflegekarenz auf bis zu zwei Jahre auszudehnen, reagierte der Sozialminister mit dem Hinweis auf große Wiedereinstiegsprobleme, wenn eine Karenz lange dauere. Schließlich legte Sozialminister Hundstorfer auf diesbezügliche Fragen der Abgeordneten Dagmar BERLAKOWItSCH-JENEWEIN (F) und Johann HECHTL (S) ein klares Bekenntnis zur Unterstützung pflegender Angehöriger und zum Ausbau des Hospizwesens ab. (Schluss/Fragestunde – Fortsetzung Nationalrat) sue/fru/jan