Parlamentskorrespondenz Nr. 721 vom 18.09.2013

Heftige Diskussion um Bildungsniveau und Parteipolitik in der Schule

Dringliche Anfrage des Team Stronach an Ministerin Schmied in Sondersitzung des Nationalrats

Wien (PK) – Nachdem gestern das Thema Korruption die Nationalratssitzung beherrscht hat, stand heute die Bildungspolitik im Mittelpunkt der Sondersitzung. Das Team Stronach hat dazu in Form einer Dringlichen Anfrage an Bildungsministerin Claudia Schmied 27 Punkte aufgelistet, zu denen es Auskunft verlangt. Generell werfen Klubobmann Robert Lugar und seine KollegInnen der Regierung Leistungsfeindlichkeit, Nivellierung und Parteipolitik im Schulbereich vor. Bildungsministerin Schmied verwies in ihrer Antwort auf zahlreiche Reformschritte in dieser Legislaturperiode, räumte aber ein, dass noch vieles zu tun sei. Der parteipolitische Proporz bei der Besetzung der Schulbehörden ist auch Schmied ein Dorn im Auge.

Im Anschluss an die Bildungsdiskussion fand eine Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag des BZÖ statt. Abgeordneter Herbert Scheibner verlangte darin, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über das von den beiden Regierungsfraktionen vorgelegte so genannte Demokratiepaket eine Frist bis zum 24. September 2013 zu setzen. Ein gleichlautendes Verlangen hat auch Abgeordnete Daniela Musiol seitens der Grünen, jedoch ohne Debatte, gestellt. Beide Initiativen wurden nicht ausreichend unterstützt.

Ebenso mehrheitlich abgelehnt wurde der Fristsetzungsantrag von BZÖ-Klubobmann Josef Bucher, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag zu einem neuen LehrerInnendienstrecht eine Frist bis zum 24. September 2013 zu setzen. Das BZÖ hat den diesbezüglichen Ministerialentwurf der Bundesregierung als eigenen Antrag eingebracht.

Team Stronach: Parteienmacht an Schulen verhindert erfolgreiche Reform

"Politik raus aus der Schule – Nicht genügend für Rot-Schwarz" titelt das Team Stronach seine Dringliche Anfrage an Bildungsministerin Claudia Schmied. Sie werfen darin der Bundesregierung vor, "Leistungsfeindlichkeit und Nivellierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zum bildungspolitischen Credo erhoben" zu haben. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen die SPÖ, zumal laut Begründung der Anfrage die "Post-68er Generation der SPÖ ein bildungs- und elitenfeindliches Klima geschaffen" habe. Das österreichische Schulsystem sei auf den Machterhalt der Parteien ausgerichtet, heißt es darin weiter, die tatsächliche Notwendigkeit, um das österreichische Schulsystem erfolgreich zu reformieren, nämlich die Befreiung der Schulen von den politischen Parteien, werde in der Diskussion um das LehrerInnendienstrecht von SPÖ und ÖVP nicht einmal erwähnt.

Konkret kritisiert das Team Stronach, Österreich leiste sich zwar das teuerste Bildungssystem Europas, ohne jedoch entsprechende Resultate zu erzielen. Im OECD-Vergleich schnitten von 29 Ländern nur 6 Staaten signifikant schlechter ab als Österreich, 15 Staaten aber signifikant besser. Katastrophal schlecht sei es vor allem um die Bildungskompetenz der 15- bis 16jährigen SchülerInnen bestellt, 20% der VolksschülerInnen besäßen im Lesen bestenfalls Basiskompetenzen.

Deshalb wollen die Abgeordneten unter anderem von Bildungsministerin Schmied wissen, ob die im nationalen Bildungsbericht 2012 negativen Befunde hinsichtlich des Bildungsstands der österreichischen SchülerInnen ein Abbild der realen österreichischen Situation darstellen und ob die Ministerin die bis dato gesetzten Maßnahmen für ausreichend hält, den negativen Trend der Bildungsentwicklung zu stoppen. Die FragestellerInnen bringen in diesem Zusammenhang auch den hohen Anteil an SchülerInnen mit Migrationshintergrund ins Spiel. Einige Fragen sprechen die seitens des Team Stronach nicht gerechtfertigte und auch nicht zeitgemäße verfassungsrechtliche Festschreibung des politischen Proporzes in der Besetzung der Schulbehörden an. Schließlich setzen sich weitere Punkte der Anfrage mit den Verhandlungen zum neuen LehrerInnendienstrecht kritisch auseinander.

Im Zuge der Debatte legte das Team Stronach auch einen Entschließungsantrag vor, in dem es die Bundesregierung auffordert, den Entwurf zum neuen LehrerInnendienstrecht noch vor den Nationalratswahlen als Regierungsvorlage einzubringen, um eine Beschlussfassung zu ermöglichen. Diese Initiative wurde mehrheitlich abgelehnt.

Lugar beklagt "politischen Proporzstadel" in den Schulen

Aus aktuellem Anlass ging Klubobmann Robert LUGAR (T) zunächst auf die Tat des Amokschützen in Niederösterreich ein, die ihn zutiefst erschüttert habe. "Wie ist das möglich, dass unsere Gesellschaft solche Kreaturen hervorbringt", fragte er sich. Auch wenn vieles heute nicht geklärt werden könne, so halte er es für umso wichtiger, wieder einmal über das Thema Schule zu reden, weil gerade dort der Grundstein für Verantwortungsbewusstsein, Mitmenschlichkeit und Respekt vor dem Leben gelegt wird. Darüber hinaus gehe es auch darum, den Kindern eine ordentliche Bildung zu vermitteln, damit sie überhaupt die Chance haben, sich in die Gesellschaft ordentlich zu integrieren und eine wertvolle Rolle spielen zu können, so Lugar.

Das Team Stronach vertrete die Auffassung, dass im Schulbereich sehr viel verbessert werden müsse, da seit 26 Jahren vieles im Argen liege. Beweis dafür sei allein die Tatsache, dass Österreich jedes Jahr schlechter abschneide, was das Erreichen der Bildungsziele betrifft. Außerdem produziere das System, in das enorm viel Geld fließe, jährlich 16.000 PflichtschulabgängerInnen, die weder ordentlich lesen noch schreiben können und damit keine Chancen am Arbeitsmarkt haben. Das Hauptproblem sah Lugar darin, dass die Schulen einem massiven politischen Einfluss ausgesetzt sind und von Parteigünstlingen geleitet werden. Die DirektorInnen sollten seiner Ansicht nach vielmehr als ManagerInnen agieren und sich aussuchen können, welche LehrerInnen an ihren Schulen arbeiten. Die meisten der 120.000 LehrerInnen leisteten einen großartigen Job, war Lugar überzeugt, aber man müsse auch gegen jene vorgehen können, die für ihren Beruf nicht geeignet sind.

Auch wenn die vorgeschlagene Novelle des LehrerInnendienstrechts, auf die nun schon seit zwölf Jahren gewartet werde, nur ein erster wichtiger Schritt sei, so könnte man zumindest damit den Beweis erbringen, dass man in dieser Republik auch gegen die Gewerkschaft regieren kann, argumentierte Lugar. Um die Regierungsparteien darin zu unterstützen, das neue LehrerInnendienstrecht noch vor den Wahlen zu beschließen, habe seine Partei daher die heutige Sondersitzung beantragt. Die BürgerInnen könnten sich daher heute ein Bild darüber machen, wer in diesem Land wirklich regiert und wie es nach den Wahlen wohl weitergehen wird, wenn dieselben Parteien wieder eine Koalition bilden, schloss er.

Schmied legt umfangreiche Leistungsbilanz vor und kündigt weitere Reformen an

Nicht für alles, was in der Welt passiert, sollten wir immer gleich die Schule verantwortlich machen, stellte Bundesministerin Claudia SCHMIED einleitend fest. Was die Wortwahl des Abgeordneten Lugar betrifft, so sei es für sie sehr irritierend, wenn im Zusammenhang mit dem Thema Schule von der Produktion von Menschen gesprochen wird.

Schmied legte zunächst ein grundsätzliches Bekenntnis für eine offensive Bildungspolitik ab, die einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass allen Kindern ihr Leben möglichst gut gelingt. Aufs Schärfste wies die Ministerin den Vorwurf ihres Vorredners zurück, dass in den letzten Jahren nichts getan worden sei. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner habe ihr Ressort 62 Regierungsprojekte eingebracht, die vom Parlament auch beschlossen worden seien. Auch die OECD habe konstatiert, dass es wenige Länder in Europa gibt, in denen sich – bezogen auf die Bildungspolitik – in der letzten Zeit so viel verändert habe wie in Österreich. Es sei aber klar, dass viele Maßnahmen erst mittel- oder langfristig greifen und sich erst in einigen Jahren im Rahmen der PISA-Ergebnisse auswirken werden, betonte Schmied. Als Beispiel führte sie beispielsweise die kürzlich beschlossene PädagogInnenbildung-Neu, das verpflichtende Kindergartenjahr mit Sprachförderung, die Reduktion der Klassenschülerhöchstzahlen, die Einführung der Bildungsstandards im Sinne der Qualitätssicherung, die flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule, die Umsetzung der Maturareform oder den Ausbau der Ganztagsschulen an. Diese Leistungsbilanz müsse aber auch unter dem Blickwinkel gesehen werden, dass es sich dabei "um das Machbare in einer Koalitionsregierung" handelt. Es sei wohl bekannt, dass sie oft mehr tun wollte, fügte Schmied hinzu.

In Beantwortung der einzelnen konkreten Fragen hob die Unterrichtsministerin unter anderem hervor, dass der Nationale Bildungsbericht 2012 sehr wohl auch zahlreiche positive Resultate enthalte, wie etwa die Erfolge in der Berufsbildung oder die Auswirkungen der ganztägigen Schulformen. Dennoch stehe sie nicht an zu sagen, dass noch vieles getan werden müsse, da etwa die Ergebnisse der PISA-Tests 2009 alles andere als positiv ausfielen.

Besondere Priorität haben ihrer Meinung nach die Verankerung der Elementarpädagogik im Tertiärbereich, der Ausbau der Sprachförderung vor allem in den Volksschulen, der weitere Ausbau der Ganztagsschulen sowie die individuelle Förderung der Begabungen und Talente. Erhöhten Handlungsbedarf gebe es auch bei SchülerInnen mit Migrationshintergrund, räumte die Ressortchefin ein, vor allem dann, wenn sie aus armen Familien kommen. Deshalb sollen gerade die betroffenen Schwerpunktschulen unterstützt und mit mehr Personal ausgestattet werden. Außerdem müsse etwas an der Tatsache geändert werden, dass – wie alle Studien bestätigen – Bildung in Österreich nach wie vor vererbt wird.

Sie stimme mit dem Fragesteller auch darin überein, dass die "Befreiung der österreichischen Schulverwaltung von der Parteipolitik unbedingt notwendig ist". Nicht gerechtfertigt sei ihrer Meinung nach auch die von Lugar angesprochene "verfassungsrechtliche Festschreibung des politischen Proporzes in der Besetzung der Schulbehörden", bekräftigte Schmied. Sie habe auch mehrmals versucht, das zu ändern. Dennoch habe man in der Schulverwaltung das Durchsetzbare verwirklicht, wie etwa die Abschaffung der Bezirksschulräte und die Stärkung der Schulstandorte. Für eine "gute regionale Planung" brauche es eine Bundesverwaltungsbehörde im Bundesland als "Kompetenz- und Servicezentrum", führte sie aus.

Was den Entwurf zur Lehrerdienstrechts-Novelle 2013 betrifft, so informierte die Ministerin abschließend darüber, dass die Begutachtungsfrist noch bis zum 25. September läuft und erst danach die Stellungnahmen ausgewertet werden können.

Markowitz: Bildungspolitik der letzten 30 Jahre war unzureichend

Der Unterrichtssprecher des Team Stronach, Stefan MARKOWITZ, dankte Bundesministerin Schmied zwar für deren ausführliche Beantwortung der Anfrage. Er erinnerte jedoch daran, dass schon vor 30 Jahren unter einer sozialdemokratischen Bildungsministerin die gleichen schulischen Problemfelder wie heute thematisiert wurden und schloss daraus, dass seit den 1980er Jahren die Bildungspolitik der jeweiligen Regierungen unzureichend gewesen sei. Fest machte Markowitz diese Kritik unter anderem an den weiterhin bestehenden Ferienregelungen an Schulen, die vielen Familien Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung bereiteten, und an ungenügender Sprachförderung von Kindergartenkindern, die wegen sprachlicher Defizite häufig in Sonderschulen unterkämen. Im Sinne einer optimalen Ausbildung der jungen Generationen Österreichs, appellierte der BZÖ-Mandatar, müsse jede parteipolitisch motivierte Blockade einer umfassenden Schulreform aufgehoben werden.

Mayer: Nur die Besten sollen Lehrberuf ergreifen

Genau diese Reformpolitik im Bildungswesen sei in den letzten fünf Jahren vorangetrieben worden, replizierte SPÖ-Bildungssprecher Elmar MAYER. Mit dem Ziel, in Österreich die beste Schule für alle Kinder zu verwirklichen, habe man zahlreiche Maßnahmen mit nachhaltiger Wirkung an den Schulen gesetzt, sagte er und nannte die intensivierte Sprachförderung, das verpflichtende Kindergartenjahr oder die modulare Oberstufe als Beispiele. Außerdem seien zusätzlich 1 Mrd. € in das Unterrichtsbudget geflossen. Da gute Schulen immer von der Qualität ihres Lehrpersonals abhingen, führte der SPÖ-Abgeordnete weiter aus, sei unter der jetzigen Regierung zudem die neue, einheitliche PädagogInnenausbildung umgesetzt worden. Und letztlich hätten sich beide Koalitionsparteien dazu bekannt, auch das neue LehrerInnendienstrecht zu realisieren, unterstrich Mayer, denn damit würden nur die Besten den Lehrberuf ergreifen.

Marek: Differenzierung, Vielfalt, Wahlfreiheit und Leistung als Prinzipien

Für die Bildungssprecherin der ÖVP, Christine MAREK, ergab sich aus den vielen fraktionsübergreifend beschlossenen Bildungsreformprojekte der vergangenen Legislaturperiode ebenfalls eine gute Bilanz. Gerade im Bereich der Sprachförderung seien aber noch weitere Schritte nötig, war sie überzeugt, etwa durch ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr im Falle sprachlicher Mängel bei Kindern. Die ÖVP baue bei bildungspolitischen Themen generell auf den Prinzipien Differenzierung, Vielfalt, Wahlfreiheit und Leistung auf, verdeutlichte die Mandatarin die Haltung ihrer Fraktion. Nur ein differenziertes Schulsystem biete die optimale Förderung von SchülerInnen, und auch wenn sich die Volkspartei zu einem ausreichenden Angebot an ganztägigen Schulformen bekenne, müsse hier die Entscheidung über eine Inanspruchnahme den Eltern überlassen bleiben, so Marek. Beim LehrerInnendienstrecht Neu vertraue sie auf eine sozialpartnerschaftliche Einigung über offene Fragen.

Rosenkranz: Zu viele Schwachstellen im Entwurf für neues LehrerInnendienstrecht

FPÖ-Bildungssprecher Walter ROSENKRANZ machte ungeachtet aller Reformprojekte immer noch "große Baustellen" im Bildungsbereich aus. Das Ringen um ein neues LehrerInnendienstrecht sei das beste Beispiel dafür. Auch wenn die Regierung den diesbezüglichen Entwurf nun in Begutachtung geschickt habe – wohl aus wahltaktischen Gründen, wie Rosenkranz vermutete – würden auch nach der Wahl noch weitere Verhandlungen zur Fertigstellung des neuen Dienstrechts für PädagogInnen nötig sein. Als Erklärung dafür meinte der freiheitliche Abgeordnete, es gebe schlicht zu viele Schwachstellen darin. Einen großen Makel sah er etwa bei der Zahl an Verordnungsermächtigungen im neuen LehrerInnendienstrecht, wodurch dem Ministerium Entscheidungen ohne Bezugnahme auf die konkret davon Betroffenen ermöglicht würden, so seine Befürchtung.

Walser: Regierung hat keine klare Zielrichtung in Bildungspolitik

Die zentrale Frage der Bildungspolitik sei, setzte Grünen-Bildungssprecher Harald WALSER an, was SchülerInnen und Eltern von der Schule benötigen. Das lasse sich nicht in einer nur zum LehrerInnendienstrecht geführten Debatte beantworten. Denn tatsächlich gehe es um ein gleichwertiges bildungspolitisches Angebot in Österreich, unabhängig von sozialen und regionalen Unterschieden, befand Walser. Auch wenn viele Reformprojekte in den letzten Jahren umgesetzt worden seien, fehle es ihm an einer klaren Zielrichtung in der Bildungspolitik der Regierung, kritisierte er und zog dafür vor allem die ÖVP zur Verantwortung. Diese sträube sich nämlich, anders als viele konservative Regierungen Europas, soziale Notwendigkeiten wie eine gemeinsame Schule zuzulassen, bemerkte er, obwohl diese selbst aus ÖVP-Wirtschaftskreisen befürwortet werde.

Bucher: Generelle Bundeskompetenz im Schulbereich notwendig

Dass in Österreich die Gewerkschaft der LehrerInnen eine zentrale Rolle in der heimischen Bildungspolitik spiele, sei unverständlich, zeigte sich BZÖ-Klubobmann Josef BUCHER entrüstet. Dabei sehe er keineswegs das Problem bei den LehrerInnen, gab er zu verstehen, problematisch sei vielmehr die Regierungspolitik in Bildungsfragen. So werde etwa eine um zwei Stunden verlängerte Anwesenheitspflicht der Lehrkräfte an Schulen, wie sie das neue LehrerInnendienstrecht vorschreibt, nicht den grundlegenden Mangel einer umfassenden Schulreform beheben. Eine solche Reform sei allerdings nur möglich, machte Bucher klar, wenn die Parteipolitik keinen Platz mehr an den Schulen hat und die föderale Kompetenzaufteilung im Schulbereich  durch eine einheitliche Bundeskompetenz ersetzt wird. Außerdem müsse das bildungspolitische Ziel der Bundesregierung sein, sicherzustellen, dass Jugendliche mit Beendigung der Schulpflicht die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen anstandslos beherrschen, betonte Bucher.

SPÖ und ÖVP: Was bedeutet Wahlfreiheit?

Abgeordneter Robert LUGAR (T) gestand Unterrichtsministerin Schmied in einer zweiten Wortmeldung zu, die wichtigsten Probleme im Bildungsbereich zu erkennen und für eine Entpolitisierung der Schulen einzutreten. Seiner Meinung nach ist die Ministerin aber hilflos, weil sie durch die gegenseitige Blockade von Rot und Schwarz behindert werde. Besondere Kritik übte Lugar in diesem Zusammenhang am Zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer, der seiner Meinung nach dem Verhindern und Blockieren in Österreich ein Gesicht gegeben hat. Lugar appellierte an die WählerInnen, für neue Mehrheiten im Nationalrat zu sorgen, um die Blockadepolitik zu beenden.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) hielt den Kritikern entgegen, es sei ihnen offenbar entgangen, was in den letzten Jahren in der Bildungspolitik weitergegangen sei. Sie verwies unter anderem auf kleinere Schulklassen, den Ausbau der Ganztagsbetreuung, das verpflichtende Gratiskindergartenjahr und die Einführung der Neuen Mittelschule, wo Kinder leistungsorientiert unterrichtet würden. Zudem gebe es trotz der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise mehr Budget für die Bildung und mehr LehrerInnen als zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition, machte sie geltend. In Richtung ÖVP hielt Kuntzl fest, es müsse in den nächsten Jahren weitere Fortschritte bei der gemeinsamen Schule und bei ganztägigen Schulformen geben.

Das Schul- und Ausbildungssystem in Österreich könne nicht so schlecht sein, sonst wäre die Jugendarbeitslosigkeit nicht so niedrig, hielt Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) fest. Was das LehrerInnendienstrecht betrifft, bekräftigte er, dass im Begutachtungsverfahren einlangende Stellungnahmen ernst zu nehmen seien. Voraussetzung für eine gute Ausbildung seien nicht zuletzt motivierte LehrerInnen, erklärte er. Prinz bekannte sich auch zur Beibehaltung eines differenzierten Schulsystems und lehnte namens seiner Partei einen "Einheitsbrei" ab. Die ÖVP sei gegen Zwangsverpflichtung und gegen Bevormundung.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED replizierte umgehend auf die Wortmeldung von Abgeordnetem Prinz und betonte, die SPÖ verstehe unter Wahlfreiheit für Eltern, dass diese zwischen der Variante Halbtagsschule und der Variante Ganztagsschule frei wählen könnten, und zwar unabhängig davon, wie Abstimmungsergebnisse an Schulen ausfallen.

Die Bedeutung des LehrerInnendienstrechts

Scharfe Kritik an der Bildungspolitik der Regierung übte dann Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F). Sie ist überzeugt, dass hinter den Kulissen schon längst eine Gesamtschule auspaktiert wurde, die FPÖ ist ihr zufolge die einzige Partei, die weiter klar für ein differenziertes Schulsystem steht. Ein wesentlicher Schritt in Richtung Gesamtschule ist für sie die gleiche Ausbildung für alle LehrerInnen gewesen. Dass in Wien alle SchülerInnen ins Gymnasium drängen, führt Belakowitsch-Jenewein auf den hohen Ausländeranteil in Hauptschulen zurück, diese hätten sich an vielen Standorten längst zu "Gettoschulen" entwickelt.

Ein Drittel aller Kinder, bei denen Sprachmängel festgestellt wurden, haben keinen Migrationshintergrund gab Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) zu bedenken. Erfreut äußerte sie sich darüber, dass, anders als noch vor fünf Jahren, alle erkannt hätten, dass Bildung schon im Kindergarten beginne. In diesem Sinn bedauerte sie, dass die KindergartenpädagogInnen nicht in die gemeinsame Lehrerausbildung einbezogen wurden. Musiol forderte weiters einheitliche Qualitätsstandards für Kindergärten.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) räumte ein, dass Unterrichtsministerin Schmied in der Schul- und Bildungspolitik einiges umgesetzt habe. Die großen Brocken seien aber nicht in Angriff genommen worden, kritisierte sie und machte dafür parteipolitische und ideologische Fesseln sowohl bei der ÖVP als auch bei der SPÖ verantwortlich. Unter anderem vermisst Haubner eine umfassende Reform der Schulverwaltung, die ihrer Ansicht nach dringend notwendig ist, um vom Parteienproporz wegzukommen. Zur Diskussion über das neue Lehrerdienstrecht hielt sie fest, es sei "ein guter Gag" gewesen, den Gesetzentwurf ohne Zustimmung der Lehrergewerkschaft auf die Reise zu schicken. Haubner ist allerdings überzeugt, dass die Verhandlungen in der nächsten Legislaturperiode von vorne beginnen werden. 

Auch Abgeordnete Martina SCHENK (T) ortet einige Verbesserungen im Bildungsbereich, sieht aber nach wie vor großen Handlungsbedarf. So ist es für sie etwa ein Alarmzeichen, dass ein Viertel der PflichtschulabgängerInnen nicht sinnerfassend lesen könne. Das seien die Arbeitslosen von morgen, warnte sie. Als wesentlichen noch offenen Punkt sieht Schenk außerdem die Entpolitisierung der Schulen. In einem Entschließungsantrag forderte Schenk die Regierung namens des Team Stronach auf, dem Nationalrat noch vor den Nationalratswahlen den aktuellen Gesetzentwurf zum Lehrerdienstrecht zur Verhandlung und Beschlussfassung zuzuleiten.

Bildungspolitik – ein vielschichtiges Terrain

Abgeordnete Elisabeth GROSSMANN (S) zeigte kein Verständnis für die Haltung des Koalitionspartners und meinte, die ÖVP betreibe Bildungspolitik nach dem Motto: "Wir sind für den Fortschritt, solange alles beim Alten bleibt". Trotzdem sei es in den letzten Jahren "in zähem Ringen" gelungen, einige bildungspolitische Maßstäbe zu setzen. Grossmann verwies insbesondere auf die Einführung der Neuen Mittelschule, die sie nur als Zwischenschritt zur gemeinsamen Schule sieht. Die Wahlmöglichkeit der Eltern zwischen Halbtags- und Ganztagsschule bleibt ihr zufolge allerdings eine Farce, wenn man der Lehrerschaft weiter ein Vetorecht einräumt. In Richtung Team Stronach merkte Grossmann an, auch Unternehmen wie Magna hätten erkannt, dass die Qualifikation der Beschäftigten ein wichtiger Standortvorteil für Österreich sei.

Die heutige Debatte erinnere ihn an eine Debatte über Fußball: "Jeder ist Trainer und jeder weiß, wie es geht", konstatierte Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V). Bildung sei wichtig, dass sei allen klar, sagte Großruck, Bildung sei aber nicht nur eine Bring-, sondern auch eine Holschuld. Großruck verabschiedete sich schließlich "mit einem dreifachen Vierzeiler" vom Nationalrat, er scheidet nach dieser Legislaturperiode aus dem Hohen Haus aus.

Abgeordneter Gernot DARMANN (F) kritisierte den seiner Meinung nach bestehenden Stillstand in der Bildungspolitik. Dass das Team Stronach auf einen raschen Beschluss des Gesetzentwurfs zum Lehrerdienstrecht drängt, ist für ihn ein Offenbarungseid, augenscheinlich wolle das Team Stronach "ohne muh und mäh" die Regierungslinie unterstützen. Darmann selbst forderte namens der FPÖ eine steuerliche Entlastung von Familien durch ein Familiensteuermodell, die volle Wahlmöglichkeit von Eltern zwischen Beruf und Familie durch ein Elterngehalt und eine Qualitätsoffensive bei den LehrerInnen. Er sprach sich zudem dafür aus, LehrerInnen zu verpflichten, in der Ferienzeit kostenlos Nachhilfe zu geben.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) stellte mit Bezug auf Expertenaussagen mangelnde Klarheit in der Diskussion über Bildungsreformen als Hauptursache für die Probleme im österreichischen Bildungssystem fest. In der Praxis habe dies zu einem Zickzack-Kurs vieler kleiner Reformschritte geführt, bei denen die Politik zwar von den besten Motiven geleitet war, aber mangels klarer Zielsetzungen nur wenig Erfolg erzielen konnte. Daher mahnte Öllinger klare bildungspolitische Zielsetzungen für die Zukunft in der Bildungspolitik ein und trat Aussagen aus der ÖVP entgegen, die auf Vorschläge für ganztägige Schulformen oder eine gemeinsame Schule der 10-14jährigen mit dem Vorwurf kommunistischer Konzepte reagieren. 

Nochmals Kritik an Parteibuchwirtschaft im Schulbereich

Abgeordneter Gerald GROSZ((B) machte auf Berichte über 300.000 Analphabeten in Österreich aufmerksam und erklärte die rot-schwarze Bildungspolitik für gescheitert. Nicht BildungsexpertInnen, sondern ParteifunktionärInnen hätten im Bildungssystem bislang das Sagen, kritisierte Grosz und forderte die ersatzlose Abschaffung der Bezirks- und Landesschulräte. In seinen weiteren Ausführungen erinnerte der Redner an das Chaos bei der Einführung der Zentralmatura, wandte sich gegen Konzepte für einen "Bildungseinheitsbrei" und erinnerte demgegenüber an die konstruktiven Vorschläge des BZÖ für eine Bildungspolitik, die es den jungen Menschen ermöglicht, in der Wirtschaft zu reüssieren.

Als das wichtigste Schulbuch bezeichnete Abgeordneter Christoph HAGEN (T) pointiert das Parteibuch in Österreich und plädierte dafür, SchuldirektorInnen nicht von ParteifunktionärInnen, sondern von den Eltern bestellen zu lassen und den DirektorInnen die Möglichkeit zu geben, die besten LehrerInnen für die SchülerInnen auszuwählen. Hagen verwies auf das Vorbild der Schweiz, wo nicht alle AbsolventInnen einer Lehrerausbildung in den Schuldienst übernommen werden, sondern nur jene, die sich bei einer Aufnahmsprüfung und dann in einer zweijährigen Probezeit bewähren.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) warnte vor "ideologischen Killerphrasen" in der Bildungsdebatte. Niemand wolle eine Zwangstagschule, wohl aber wolle seine Fraktion, dass Frauen Familie, Beruf und Kindererziehung vereinbaren können. Für völlig unverständlich hielt es Sacher, ganztägige Schulformen als "kommunistische Konzepte" abzuqualifizieren und verwies auf erfolgreiche katholische Ganztagsschulen in Österreich und auf den starken Ausbau der Ganztagsschulen in Bayern sowie auf gemeinsame Schulen für 10-14jährige in Südtirol. Schließlich erinnerte Sacher daran, dass die zu Ende gehende Gesetzgebungsperiode die meisten Bildungsreformen seit der Kreisky-Sinowatz-Ära zustande gebracht habe und sprach der Bildungsministerin dafür ausdrücklich sein Lob aus.  

In einer weiteren Wortmeldung sah Abgeordneter Robert LUGAR (T) die ÖsterreicherInnen bei der bevorstehenden Nationalratswahl vor der Entscheidung stehen, ob alles so bleiben solle wie es ist, oder ob neue Mehrheiten entstehen, die es erlauben, den Stillstand zu überwinden und Reformen herbeizuführen.

Neugebauer: Schule nicht schlechtreden

Zweiter Präsident des Nationalrats Fritz NEUGEBAUER (V) zeigte sich in seiner voraussichtlich letzten Rede im Nationalrat erfreut, zur Bildungspolitik sprechen zu können und dankte all jenen, die dafür sorgen, dass zentrale Lehrerpersönlichkeiten in den Schulklassen wirken können: Bei den Eltern als Partner der LehrerInnen, den SteuerzahlerInnen, die viel Geld ausgeben und sich eine qualitätsvolle Bildungspolitik erwarten können, bei den QualitätsjournalistInnen die sich mit der Sache befassen, und nicht zuletzt bei den PädagogInnen. Österreich sollte es vermeiden, seine Schule schlecht zu reden, es könne vielmehr stolz auf die Leistungen seiner SchülerInnen sein. Einmal mehr unterstrich Neugebauer die Bedeutung sprachlicher Bildung, weil sich immer deutlicher herausstelle, dass SchülerInnen, die die Schule mit sprachlichen Defiziten verlassen, diese Probleme oft jahrzehntelang mit sich herumschleppen müssen.

In der aktuellen Frage eines neuen Gehaltssystems für die LehrerInnen erteilte der Gewerkschafter Vorschlägen, die weniger Geld für mehr Arbeit bedeuten, eine klare Absage und erinnerte daran, dass der öffentliche Dienst und die Schule wettbewerbsfähig sein müssen und es notwendig sei, gute BeamtInnen und gute LehrerInnen zu gewinnen. In diesem Zusammenhang lehnte es Neugebauer auch ab, ein Dienstrecht für eine Schule zu verabschieden, die es noch gar nicht gibt. Die abschließende Bitte des scheidenden Abgeordneten und Zweiten Nationalratspräsidenten an die Abgeordneten des künftigen Nationalrats lautete, sich bei ihren Debattenbeiträgen ihrer Funktion im Rahmen der politischen Bildung bewusst zu sein und bei aller Härte in der Sache fair gegenüber den Menschen zu bleiben.

Abgeordneter Elmar MEYER (S) würdigte die Arbeit seines Vorredners in der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und wünschte ihm alles Gute für die bevorstehenden Verhandlungen über das neue Lehrerdienstrecht, wobei er die Bitte um ein rasches Ergebnis aussprach, weil das neue Dienstrecht ein entscheidender Faktor für die Zukunft des österreichischen Bildungssystems sei.

Auch Abgeordneter Dieter BROSZ (G) zollte dem scheidenden Zweiten Nationalratspräsidenten Respekt für seine eloquente Verhandlungsführung, mit der er dem Ansehen des Hauses entscheidend gedient habe. Zur Debatte über ganztägige Schulformen sagte Brosz, solche Schulen würden gebraucht, ohne dass irgendjemand die Absicht hätte, sie flächendeckend einzuführen. Ganztagsschule bedeute auch nicht, dass SchülerInnen den Nachmittag in der Schule verbringen müssen, nachdem sie am Vormittag Unterricht hatten und dann ein Mittagessen erhielten, sondern auch die Chance auf Überwindung 50-minütiger Unterrichtseinheiten und eine sinnvollere Abfolge von Lern- und Erholungsphasen im Schulalltag. Brosz sprach die Hoffnung auf eine Bildungsdiskussion in der nächsten Gesetzgebungsperiode aus, die zu Reformen führt, die den Notwendigkeiten der Schule im 21. Jahrhundert entsprechen.  (Fortsetzung Nationalrat) red


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