Parlamentskorrespondenz Nr. 739 vom 01.10.2013

Die Würde des Alterns - ein neuer Zugang ist gefragt

Enquete des Bundesrats beleuchtet Vielfalt der politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen

Wien (PK) – Bei der heutigen Enquete des Bundesrats wurde seitens der eingeladenen Referentinnen und Referenten das ganze Spektrum an Herausforderungen abgebildet, das sich aus der zunehmenden Zahl an älteren Menschen in unserer Gesellschaft stellt. Dabei ging es nicht nur um eine menschenwürdige Pflege gebrechlicher Menschen und um die Sicherung des Pensionssystems. Viele der RednerInnen stellten auch die "jungen Alten" in den Vordergrund, deren Bedürfnisse und deren Beitrag, den sie für die Gesellschaft leisten können.

Pesendorfer: ÖsterreicherInnen leben länger und sind länger aktiv

Zunächst ergriff aber der Statistiker das Wort. Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria, illustrierte mit statistischem Material die österreichische Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum 2000 bis 2025. Die Einwohnerzahl Österreichs werde bis 2060 vermutlich um eine Million ansteigen, berichtete er, gleichzeitig steige der Altersdurchschnitt und der prozentuelle Anteil der über Fünfundsechzigjährigen. Bis 2025 ist ein Anstieg der ÖsterreicherInnen über 65 Jahren von derzeit 1,55 Mio. bzw. 18 % der Bevölkerung, auf 1,91 Mio. (22 % der Bevölkerung) zu erwarten. Pesendorfer wies darauf hin, dass aufgrund der Abwanderung der Altersdurchschnitt in strukturschwachen Regionen stärker ansteigen werde.

Klar war für den Experten, dass der wachsende Anteil älterer Menschen Fragen der nachhaltigen Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems und der Pflege aufwirft. Pesendorfer unterstrich, dass man dabei die positiven Aspekte dieser Entwicklung nicht vergessen sollte. Das "subjektive" Alter verändere sich, da mit der Lebenserwartung unter den älteren Menschen auch der Anteil derer, die sich weiterhin gesund fühlen, ansteige. Ältere Menschen stehen in ihrer Aktivität in der Freizeit jüngeren kaum nach und werden zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor, so Pesendorfer. Die Nachfrage nach Pflegeunterstützung und intensivmedizinischen Kosten vor allem in den letzten Lebensjahren werden zunehmen. Allerdings müssten die Kosten für Gesundheit und Pflege nicht unbedingt im gleichen Ausmaß steigen, wie die Zahl der älteren Bevölkerung, bemerkte er, sondern könnten zum Teil durch richtigen Einsatz von Innovation und Technologie kompensiert werden.

Thum: Altersgerechte Arbeitsplätze sind notwendig

Über die Herausforderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes machte sich Werner Thum (Vorsitzender der ÖGB-PensionistInnen) Gedanken. Ein umfassendes Umdenken sei gefordert, meinte er, da das Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung ansteigt. Daher müssten auch die österreichischen Betriebe ihre Innovationsfähigkeit mit älteren Belegschaften sicherstellen und vermehrt alters- und alternsgerechte Arbeitsplätzen bereitstellen, konstatierte Thum. Die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse älterer ArbeitnehmerInnen bei Arbeitsumgebung, Arbeitszeitgestaltung oder Leistungsanforderungen seien dabei zu berücksichtigen.

Als wichtige Investitionen in die Zukunft müssen laut Thum Gesundheitsförderung und Prävention begriffen werden. Derzeit seien aber noch zu wenige Betriebe auf ältere ArbeitnehmerInnen eingestellt, weshalb auch zu wenig Erfahrungen mit der Förderung von Arbeitsfähigkeit bis ins höhere Erwerbsalter gesammelt wurden, merkte er kritisch an.

Um hier Abhilfe zu schaffen, fordere der ÖGB etwa ein Bonus-Malus-System in Form eines Quotenmodells, wonach ein bestimmter Prozentsatz der Beschäftigten in einem Betrieb der Altersgruppe 55+ entsprechen muss. Unternehmen sollten dadurch zumindest einen kleinen Betrag an die Gesellschaft leisten, wenn sie ArbeitnehmerInnen vor dem Regelpensionsalter kündigen. Die Schritte, über die man mit dem Sozialpartner bereits diskutiert habe, müssten auch umgesetzt werden, monierte Thum.

Schenz: Betriebe brauchen Unterstützung zur Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze

Der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Richard Schenz, stellte die demografische Entwicklung der EU 27 an den Beginn seiner Überlegungen. Die Alterung der Bevölkerung sei ein Faktum. Habe 2012 das Verhältnis von Erwerbstätigen gegenüber Menschen im Alter 65+ noch 4:1 betragen, werde es 2060 nur mehr 2:1 sein. Österreich erwarte ein Rückgang der Erwerbstätigen bis 2030 um etwa 100.000 Personen, ab 2017 werden mehr Personen aus dem Beruf ausscheiden, als ins Berufsleben eintreten, prognostizierte Schenz.

Die Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters und der Erwerbsquote der ArbeitnehmerInnen zwischen 50 und 65 Jahren ist für ihn daher unumgänglich, um die Sozialsysteme tragfähig zu erhalten, das vorhandene Arbeitskräftepotenzial zu nützen und die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Ein längerer Verbleib Älterer im Arbeitsleben schmälere die Chancen der Jugend auf einen Eintritt ins Arbeitsleben entgegen diesbezüglich verbreiteter Auffassungen nicht. Betriebe hätten allerdings mehrere Handlungsfelder zu bearbeiten, erläuterte Schenz. Die Führungs- und Unternehmenskultur müsse sich ändern. Es sei auf altersgerechte Arbeitsorganisation und betriebliche Gesundheitsförderung zu achten. Qualifikation und Weiterbildung auch älterer ArbeitnehmerInnen seien zu fördern, und es müsse Unternehmensziel sein, den Erhalt der Arbeitsfähigkeit zu unterstützen.

Unterstützung brauchten dabei vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, sagte Schenz. Die geförderte Betriebsberatung für KMU sollte daher auf jeden Fall weitergeführt werden, wie auch die Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten für über Fünfzigjährige. Verlängert werden müsse auch die erfolgreiche Eingliederungsbeihilfe des AMS für ältere ArbeitnehmerInnen. Schenz nannte als weitere Forderungen der Wirtschaft die Abflachung der Einkommenskurve zugunsten jüngerer ArbeitnehmerInnen und die Entwicklung von Altersteilzeitmodellen.

Wehsely gegen Horrormeldungen über Aussichten junger Menschen

Die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, bekannte sich vorweg zum Grundsatz der Diversität in allen gesundheits- und pflegepolitischen Fragen. Ältere Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und brauchen unterschiedliche Problemlösungen, stellte sie fest. Gesundes Altern sei eine soziale Frage, weil sozial schwache Menschen bekanntlich einen schlechteren Gesundheitszustand haben. So wiesen beispielsweise die BewohnerInnen des wohlhabenden 19. Wiener Gemeindebezirks eine wesentlich höhere Lebenserwartung auf als etwa die BewohnerInnen des sozial schwächeren 20. Gemeindebezirks, obwohl sie nur durch den Donaukanal voneinander getrennt lebten. 

Beim Thema Pflege betonte Wehsely die Qualitätssicherung und die Notwendigkeit individueller Betreuungsangebote, denn "Wahlfreiheit" bedeute, zwischen mobilen und stationären Angeboten wählen zu können. Daher habe Wien sein Pflegeangebot wesentlich ausgebaut: Insgesamt stehen für 60.000 Menschen Pflege- und Betreuungsleistungen zur Verfügung, 2013 werden dafür 742 Mio. € aufwendet. Umfang und Qualität der Leistungen werde aber nur aufrecht erhalten werden können, wenn die finanziellen Mittel den Anforderungen entsprechend steigen, fügte Wehsely hinzu und gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass die Betreuung und Pflege älterer Menschen eine Kernaufgabe des Staates darstelle.

Da alle Menschen möglichst lange zu Hause bleiben wollen, werden 40.000 Menschen in Wien vom "Fonds soziales Wien" zu Hause betreut, durch Heimhilfe und Hauskrankenpflege, informierte Wehsely. Zugleich werden Tageszentren, wo derzeit 2.000 Menschen betreut werden, massiv ausgebaut. Sie befinden sich in der Nähe von Pflegeeinrichtungen und Kindergärten, weil es darum gehe, die Menschen nicht irgendwohin an den Stadtrand abzuschieben, sondern mitten im Leben zu halten.

Für 22.500 WienerInnen stehen stationäre Betreuungseinrichtungen zur Verfügung, in die das Land 500 Mio. € investiert. Auch künftig soll Pflege nicht von der Geldbörse der Kinder abhängen, hielt die Stadträtin fest. Alte Pflegeheime würden nicht weiterbetrieben, berichtete Wehsely, elf neue Heime seien in Planung und vier bereits errichtet.

Große Veränderungen registrierte die Stadträtin im Bereich der 31 Pensionistenwohnheime, in denen derzeit 8.800 Menschen wohnen. Ursprünglich für Menschen gedacht, die mit 60 Jahren aus ihren Substandardwohnungen in für das Alter geeignetere Wohnungen übersiedeln, beträgt das Eintrittsalter in diesen Häusern derzeit 86 Jahre. Dies deshalb, weil die Wohnungssituation der älteren WienerInnen während der letzten Jahrzehnte wesentlich verbessert wurde. 

Abschließend reagierte Sonja Wehsely auf vielfach verbreitete Horrormeldungen über angeblich schlechte Aussichten junger Menschen für deren Alter. Sie hielt Pessimismus nicht für angebracht, sondern plädierte dafür, das Pensionssystem durch Steigerung der Erwerbsquote zu sichern. Eine hohe Erwerbsquote hänge auch mit der Professionalisierung von Pflege und Kinderbetreuung und mit dem Ausbau der ganztätigen Betreuung in der Schule zusammen, weil dies die Voraussetzungen für eine höhere Erwerbsquote der Frauen seien.

Schließlich unterstrich Sonja Wehsely die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung bei den älteren Menschen und erinnerte an die Gesundheitsreform der letzten Gesetzgebungsperiode, mit der das österreichische Gesundheitssystem, insbesondere auch im Interesse der älteren Menschen, finanziell abgesichert worden sei.

Schmid: Menschen wollen in ihren eigenen vier Wänden alt werden

Die Vorarlberger Landesrätin Greti Schmid erläuterte die Pflegevorsorgestrategie ihres Bundeslandes, die ebenfalls von der Tatsache ausgehe, dass die Menschen in Selbstständigkeit zu Hause alt werden wollen. Aktuell können in Vorarlberg mehr als 80 % der älteren Menschen ambulant betreut werden, berichtete sie, knapp 20% werden in stationären Einrichtungen gepflegt. Ziel ihres Landes sei es, diese Relation zu halten oder möglichst zu verbessern.

Nach dem Motto "aktivierend und selbstbestimmt" fördert Vorarlberg laut Schmid die Eigeninitiative der Menschen in der Pflegevorsorge, erhält vorhandene Fähigkeiten und unterstützt die Menschen in ihrem Bestreben, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können. Dazu gehören regional verfügbare ambulante, teilstationäre und stationäre Dienste, die Unterstützung pflegender Angehöriger und der Ausbau ehrenamtlicher Dienste. Die Vorarlberger Landesrätin erläuterte die Besonderheit des 2001 gegründeten Betreuungs- und Pflegenetzes in ihrem Land, an dem alle Anbieter von Pflegeleistungen teilnehmen und sich um bestmögliche Information, Kooperation sowie um Weiterentwicklung von Pflege und Betreuung widmen. Im Unterschied zu ihrer Vorrednerin setze sie dabei schwerpunktmäßig auf pflegende Angehörige, die durch ambulante Dienste, Urlaubs- und Nachtbetreuung, Urlaub von der Pflege und durch einen besonderen Pflegezuschuss des Landes ab der Pflegestufe 5 unterstützt werden.

Landesrätin Schmid informierte auch über die Arbeit der "23 Aktion-Demenz"-Modellgemeinden in Vorarlberg und über das flächendeckend ausgebaute Hauskrankenpflegemodell, das quasi genossenschaftlich organisiert sei und bereits 61.000 Mitglieder sowie einen Eigenfinanzierungsbedarf von 40 % aufweise.

Schwierig zu prognostizieren sei der künftige Bedarf an stationären Einrichtungen, merkte sie an, weil die Menschen im Alter länger gesund bleiben und kürzer gepflegt werden müssen. Für den künftigen Ausbau des Pflegeangebots nach dem Motto "ambulant vor stationär" habe das Care-Management große Bedeutung. Mit einer Angebotssteuerung stelle es sicher, dass die Menschen bekommen, was sie tatsächlich brauchen. Das Case-Management gewährleiste, dass in jedem individuellen Fall geprüft werde, mit welchen Ressourcen die Menschen optimal unterstützt werden können. 

Als die großen Herausforderungen im Pflegebereich identifizierte Landesrätin Schmid Ausbildung und Rekrutierung von Personal, die Entwicklung eines durchlässigen Systems, die Sicherung der Finanzierung und die Valorisierung des Pflegegelds. Wichtig ist ihr auch der Ausbau barrierefreien Wohnens, ambulant betreute Wohnungen und die Errichtung von Mehrgenerationen-Wohnanlagen. 

Blecha: Kultur des aktiven Alterns schaffen

Karl Blecha, Präsident des Seniorenrats, setzte sich mit der Rolle der älteren Menschen in der Gesellschaft auseinander und rechnete angesichts der stark steigenden Lebenserwartung mit erheblichen Auswirkungen auf alle Bereiche des täglichen Lebens. Er sah darin eine Herausforderung vor allem für die Arbeitswelt, die Teilhabe der SeniorInnen am sozialen Leben, die Sicherung der Pensionen und die Generationensolidarität. Das Image der älteren Menschen werde mangels eigener Erfahrungen immer mehr von den Medien bestimmt, bedauerte er und sprach von falschen Altenbildern, die zu Altersdiskriminierung führen – dies insbesondere in der Arbeitswelt, im Gesundheitsbereich und in der Demokratie.

Es gelte vielmehr, das große Potenzial der Alten in den Vordergrund zu stellen und eine Kultur des aktiven Alterns zu schaffen. Blecha brach in diesem Sinn eine Lanze für eine flexiblere Pensionierung, für Altersberufe und ehrenamtliche Tätigkeiten als Ausdruck des radikalen Wandels in der Lebenssituation der älteren Generation. Klar war für ihn dabei, dass durch die neuen agilen, "jungen" Alten die ganze Gesellschaft jünger werde. Mit Nachdruck hob Blecha überdies die Bedeutung einer von Gegenseitigkeit, verstärkter Verantwortung und Zuwendungsbereitschaft getragenen Generationengerechtigkeit hervor, wobei er betonte, der Generationenvertrag habe immer wieder seine ökonomische und politische Stabilität bewiesen.

Was die Pensionen betrifft, äußerte er die Überzeugung, das umlagefinanzierte gesetzliche Pensionssystem habe gerade in der Zeit der Krise seine Stärke bewiesen. Österreich brauche keine Pensionsreform, sondern eine Reform der Arbeitswelt, die es den Menschen erlaubt, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Die SeniorInnen haben jedenfalls ihren Beitrag zur Budgetkonsolidierung geleistet, sie seien pakttreu gewesen und würden dies nun auch von der kommenden Regierung erwarten, unterstrich Blecha.

Khol für bessere Anerkennung der produktiven Leistungen der SeniorInnen

Andreas Khol, ebenfalls Präsident des Seniorenrats, wies ebenso wie sein Vorredner auf die radikale Veränderung der Lebenswelt der älteren Generation hin: 74 % würden sich heute einer aktuellen Studie zufolge als flotte Senioren bezeichnen, die das Internet nutzen, viel reisen und in der Freiwilligenarbeit aktiv sind. Dem gegenüber würden nur noch 3 % in die Gruppe der zurückgezogen lebenden und vereinsamten Alten fallen. "Warm, satt und sauber betreut" sei heute für diese Generation der älteren Menschen nicht mehr die Antwort, folgerte Khol daraus. Die 60 bis 85-Jährigen wollen heute mehr, sie wollen als eigene, selbstbestimmte Generation anerkannt werden.

Noch nie seien SeniorInnen so mobil, so gut versorgt, so gesund und so produktiv gewesen wie heute. Es gehe daher darum, diesem Umstand Rechnung zu tragen und die Mitwirkung und Mitbestimmung der "jungen" Alten in der Gesellschaft zu unterstützen. Khol forderte deshalb die volle Teilhabe der älteren Menschen im Sinne einer angemessenen Vertretung in allen Vertretungskörpern der Republik und plädierte darüber hinaus vor allem für die Anerkennung der produktiven Leistungen der über 60-jährigen, sei dies nun in ehrenamtlicher oder in einer Erwerbstätigkeit. Mit Nachdruck drängte er in diesem Sinn auf den Wegfall der Zuverdienstgrenze für PensionistInnen sowie auf eine Rückzahlung von doppelt eingehobenen Sozialversicherungsbeiträgen bei Menschen, die in ihrer Pension einer Erwerbsarbeit nachgehen. Kein Verständnis fand er vor allem auch dafür, dass erwerbstätige PensionistInnen nach der derzeitigen Rechtslage Pensionsbeiträge zahlen müssen.

Aubauer: Arbeitswilligen keine Prügel vor die Füße werfen

Im Rahmen der anschließenden Diskussion wurden verschiedene Einzelaspekte, von der Sachwalterschaft über das fiktive Ausgedinge bis hin zur Unfallgefährdung von SeniorInnen, angesprochen. So appellierte ÖVP-Abgeordnete Gertrude Aubauer an die Politik "hören wir auf, Arbeitswilligen Prügel vor die Füße zu werfen". Wer länger arbeiten wolle, solle auch länger arbeiten dürfen. Insbesondere kritisierte Aubauer die niedrige Zuverdienstgrenze für ASVG-FrühpensionistInnen, zudem soll sich längeres Arbeiten ihrer Meinung nach stärker in der Pensionshöhe niederschlagen.

SPÖ-Bundesrätin Ana Blatnik wies darauf hin, dass sie aus einem Bundesland, Kärnten, komme, in dem die Bevölkerung permanent sinkt. Täglich verlassen ihr zufolge 8 Personen das Land. Generell meinte sie, die PensionistInnen von heute seien keine Randgruppe mehr, die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese ihr Leben auch genießen können.

ÖsterreicherInnen werden alt, hinken beim gesund Altern aber nach

Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Österreich berichtete, dass sich die EU-Kommission drei Schwerpunkte im Bereich aktives und würdevolles Altern gesetzt habe. Es gehe insbesondere darum, älteren Menschen Chancen am Arbeitsmarkt zu geben, die Teilhabe älterer Menschen in der Gesellschaft sicherzustellen und ein unabhängiges Leben im Alter zu gewährleisten. Er verwies in diesem Zusammenhang auf ein europäisches Pilotprojekt zum Thema gesund alt werden. Österreich habe im europäischen Vergleich zwar ein hohes durchschnittliches Lebensalter, beim gesund Altern hinke das Land anderen Staaten aber hinterher, skizzierte er.

FPÖ-Bundesrätin Cornelia Michalke  betonte, es wäre "ein riesengroßer Schritt getan", wenn es gelinge, das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Pensionsalter anzupassen. Sie regte an, Unternehmen steuerlich zu entlasten, um sie zu motivieren, ältere ArbeitnehmerInnen länger im Arbeitsleben zu halten.

Kneifel: Nationaler Aktionsplan für SeniorInnen zur Unfallverhütung

ÖVP-Bundesrat Gottfried Kneifel forderte einen nationalen Aktionsplan für Seniorinnen und Senioren zur Unfallverhütung. Die Zahl der Arbeitsunfälle gehe permanent zurück, gleichzeitig würden aber Freizeit-, Heim- und Hausunfälle stark ansteigen, konstatierte er. Alle fünf Stunden komme in Österreich ein Senior bei einem Unfall zu Tode. Die meisten Seniorenunfälle passieren dabei im eigenen Haushalt. Ausdrücklich begrüßte Kneifel die Absicht des Seniorenrats, ein gemeinsames Forderungspaket an die neue Bundesregierung zu formulieren.

Brinek: Sachwalterschaft setzt viel zu früh ein

Volksanwältin Getrude Brinek setzte sich mit der Problematik der Sachwalterschaft auseinander und machte darauf aufmerksam, dass es derzeit rund 70.000 besachwalterte Personen in Österreich gibt, die in ihrer Entscheidungsfreiheit massiv eingeschränkt sind. Die Sachwalterschaft setze oft viel zu früh ein, kritisierte sie. Ziel muss es nach Meinung von Brinek sein, möglichst lange Selbstständigkeit und Autonomie zu wahren und maßgeschneiderte Lösungen anstelle eines Sachwalterschafts-Automatismus zu finden.

Schwarzenberger: Fiktives Ausgedinge ist nicht mehr zeitgemäß

Georg Schwarzenberger, Landwirtschaftskammer Österreich, brachte ein Problem im ländlichen Raum zur Sprache: das fiktive Ausgedinge. Als man eine Pensionsvorsorge für Bäuerinnen und Bauern geschaffen habe, habe man ein Mischsystem aus betrieblicher Vorsorge durch den Hofunternehmer, das fiktive Ausgedinge, und eine Geldleistung aus der Pensionsversicherung vorgesehen, schilderte er. In der Zwischenzeit hätte sich die Situation jedoch grundlegend gewandelt. Die meisten BauernpensionistInnen hätten einen eigenen Haushalt, oft außerhalb des Bauernhofes. Trotzdem würde bei der Berechnung der Ausgleichszulage noch ein fiktives Ausgedinge angerechnet, unabhängig davon, ob der Altbauer bzw. Altbäuerin tatsächlich noch Sachleistungen bekämen. Mit einer Lösung dieses Problems könnte man seiner Meinung nach die Altersarmut im ländlichen Raum lindern.

ÖVP-Bundesrat Walter Temmel hob die Bedeutung eines gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehrs und einer gute Breitband-Internetversorgung im ländlichen Raum für Seniorinnen und Senioren hervor.

Fetik fordert Recht auf Altersteilzeit

SPÖ-Bundesrätin Ilse Fetik sprach sich für ein Recht auf Altersteilzeit aus und mahnte generell von den Unternehmen einen anderen Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen ein. Ihrer Meinung nach wird in Betrieben viel zu wenig über die Vorteile von älteren ArbeitnehmerInnen gesprochen, Arbeitsplätze seien zudem häufig nicht altersgerecht ausgestaltet. Älteren Beschäftigten würden auch weniger Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten.

Maria Pein, Landwirtschaftskammer Österreich, hielt fest, dass auf einen aktiven Bauern bzw. eine aktive Bäuerin bereits ein Pensionist bzw. eine Pensionistin kommen. Das sei auch für die Pensionsversicherung eine Herausforderung, skizzierte sie. Für Pein ist es wesentlich, Menschen zu befähigen, länger im Berufsleben zu bleiben. Den in Österreich weit verbreiteten frühen Pensionswunsch, hält sie für irrational, das Leben fange nicht erst mit der Pension an.

ÖVP-Bundesrat Josef Saller drängte auf ein adäquates Bildungsangebot für SeniorInnen und verwies in diesem Zusammenhang auf die Salzburger Seniorenschule. Weiterbildung im Alltag erhalte sowohl das psychische als auch das physische Wohlbefinden, ist er überzeugt.

Karl: Barrierefreiheit ist auch für ältere Menschen wichtig

Franz Karl, Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrats, machte geltend, dass Barrierefreiheit nicht nur für behinderte Menschen, sondern auch für SeniorInnen wichtig sei. In diesem Sinn bemängelte er, dass laut Wiener Etappenplan manche Bauten erst bis zum Jahr 2042 barrierefrei gestaltet sein müssen. "Das kann nicht so sein." Karl vermisst außerdem ausreichend Behindertenparkplätze in Wien.

Elisabeth Pittermann, Österreichischer Seniorenrat, gab zu bedenken, dass ÄrztInnen eine Sachwalter-Zustimmung zu nicht lebensnotwendigen Operationen bräuchten, wenn der Patient nicht selbst in der Lage sei, eine eigene Entscheidung zu treffen. In diesem Sinn warb sie dafür, bereits in jungen Jahren eine Vorsorgevollmacht für den Bedarfsfall festzulegen. Pittermann forderte außerdem, Tariferhöhungen mit der Inflationsrate zu begrenzen und einen Rechtsanspruch für ältere Personen auf Rehabilitation zu schaffen.

Marlies Flemming, Österreichischer Seniorenrat, widersprach einer Aussage von Wirtschaftsminister Mitterlehner heftig. "Wir leben nicht in einer alternden Gesellschaft, wir leben nur länger", bekräftigte sie. Für sie ist der Begriff alternde Gesellschaft eine Diskriminierung älterer Menschen.

Moritz: Erwerbstätigkeit und Pflege müssen besser vereinbar sein

Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen-Familie in der Bundesarbeiterkammer, legte den Fokus ihrer Wortmeldung auf die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflegearbeit. Ihrer Darstellung nach pflegen 436.000 Personen im erwerbsfähigen Alter Angehörige. Mindestens 20.000 davon würden eine Arbeit aufnehmen bzw. 10.000 ihre Arbeitszeit ausweiten, wenn ein ausreichendes Pflegeangebot vorhanden wäre. Moritz erachtet es daher als wichtig, den Ausbau der Pflegeinfrastruktur zu forcieren.

Josef Wöss, Abteilungsleiter Sozialpolitik in der Bundesarbeiterkammer, kritisierte, dass in der Diskussion über den demografischen Wandel die Frage dominiere, wie sich einzelne Altersgruppen zueinander entwickeln. Dabei werde immer wieder unter den Tisch fallen gelassen, dass bei weitem nicht alle Menschen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich im Erwerbsleben stehen. Wenn es Österreich bis zu den Jahren 2040/50 gelinge, die Erwerbsbeteiligung erwerbsfähiger Menschen an jene anderer europäischer Länder, wie etwa Dänemark, anzupassen, würde der demografisch bedingte Kostenanstieg für den Staat wesentlich geringer ausfallen als prognostiziert, ist er überzeugt. Wöss forderte daher, alle Anstrengungen darauf zu richten, die Erwerbsintegration zu erhöhen und etwa ältere Menschen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Jüngere besser auszubilden.

Hörting: Auch PensionistInnen können Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren

Als letzter Diskussionsteilnehmer stellte Anton Hörting vom Sozialministerium klar, dass ältere Menschen beim Freiwilligen Sozialen Jahr nicht benachteiligt seien. Es gebe keine Altersgrenze nach oben. Das einzige, das wegfallen würde, wenn ein Pensionist ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, sei die Familienbeihilfe. (Schluss Enquete) red

HINWEIS: Fotos von dieser Enquete finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.


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