Parlamentskorrespondenz Nr. 765 vom 26.10.2013

Tag der offenen Tür im Haus der Demokratie

Barbara Prammer lädt zu einem Spaziergang durch die Gesetzgebung

Wien (PK) – "Wir müssen die Demokratie leben, um sie zu bewahren", sagt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in ihrer Botschaft zum Nationalfeiertag. Sie sei stolz auf Österreich, das nicht nur zu den wohlhabendsten Ländern zählt, sondern auch eine selbstbewusste Nation und ein anerkanntes Mitglied der Europäischen Union ist. Das Parlament begeht den heutigen Festtag der Nation wieder als Tag der offenen Tür. Barbara Prammer lädt zu einem "Spaziergang durch die Gesetzgebung", öffnet ihr Büro für die BürgerInnen und freut sich auf die Begegnung mit den Menschen. Im Hohen Haus erklären ParlamentarierInnen heute gemeinsam mit Fachleuten des Hauses den BürgerInnen, wie das Parlament wirklich funktioniert, was Abgeordnete sowie BundesrätInnen für Demokratie und Rechtsstaat leisten und warum sich das österreichische Parlament immer stärker mit anderen Parlamenten vernetzt, auf europäischer, internationaler und globaler Ebene.

Seit 9 Uhr strömen die BesucherInnen über die Parlamentsrampe durch den Haupteingang in das Haus, wo Präsidentin Barbara Prammer, Bundesratspräsident Reinhard Todt und Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer die ersten Gäste willkommen hießen. Bis 17 Uhr kann das Haus nun besichtigt werden, die letzten Besucherinnen werden um 16 Uhr eingelassen.

Mitwirkung der Bundesländer an der Gesetzgebung

Durch die Säulenhalle gelangen die BesucherInnen zunächst in den Sitzungssaal des Bundesrates. Hier beantwortet Bundesratspräsident Reinhard Todt Fragen zum Thema Föderalismus und zu den Aufgaben der 61 BundesrätInnen. Von den Landtagen nach Wien entsandt, um die Interessen der Länder in der Gesetzgebung des Bundes zu wahren, prüfen die BundesrätInnen Beschlüsse des Nationalrates, debattieren Berichte der Bundesregierung, halten Enqueten ab und greifen mit Anträgen des Bundesrates selbst in die Gesetzgebung ein. Der EU-Ausschuss des Bundesrats wacht über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in der Europäischen Union und schickt Stellungnahmen und Mitteilungen nach Brüssel, wenn Rechte der Mitgliedsländer in europäischen Vorhaben nicht ausreichend beachtet werden. Besonders deutlich wurden die BundesrätInnen zuletzt etwa beim Thema Trinkwasser, erfahren die ParlamentsbesucherInnen.

Im Sitzungssaal des Nationalrates  

Großer Andrang herrscht am Rednerpult im Sitzungssaal des Nationalrates, wo Erinnerungsfotos für die BesucherInnen angefertigt werden. Durch die Glastüren im Hintergrund des Saales führt der Weg zu jenem Vorraum, in dem die Abgeordneten ihre sprichwörtlichen "Couloirgespräche" führen. Heute stillen dort ExpertInnen der Parlamentsdirektion den Wissensdurst der BürgerInnen zum Thema Plenarsitzungen. Wenige Wochen nach den jüngsten Nationalratswahlen und kurz vor der Konstituierung des neuen Nationalrates stehen die neuen Abgeordneten und deren Angelobung im Mittelpunkt des Interesses. Auch die Sitzordnung im Saal, Gegenstände und Ablauf der Verhandlungen, Geschäftsordnung, Ordnungsrufe und Abstimmungen werden thematisiert. Beeindruckt zeigen sich viele BesucherInnen von der Transparenz in der Gesetzgebung. Sie erfahren, dass JournalistInnen aller Mediensparten mit Unterstützung des Hauses in Wort, Bild und Ton über alle öffentlichen Ereignisse im Parlament berichten. Die Parlamentshomepage (www.parlament.gv.at) macht alle Verhandlungsgegenstände barrierefrei zugänglich und bietet ebenso umfassend wie objektiv Informationen über Debatten, Beschlüsse und alle Aspekte des Parlamentarismus in Österreich.

Wie arbeiten die Ausschüsse?  

Hinter die Kulissen der Ausschussarbeit blicken die BesucherInnen im Budgetsaal. Schon zur Zeit der Doppelmonarchie beherbergte der Saal mit den Wappen der habsburgischen Kronländer an der prächtigen Kassettendecke gemeinsame Ausschüsse des ungarischen und des österreichischen Parlaments, die "Delegationen". Heutzutage geht es im Licht der enormen Kronleuchter meist um viel Geld: Hier beraten Budgetausschuss und Finanzausschuss über Bundesbudgets, Finanzausgleichsgesetze und Steuerreformen. Auch die parlamentarische Haushaltskontrolle hat hier ihren Ort - die Abgeordneten lassen sich vom Finanzressort laufend über die Budgetentwicklung und vom Rechnungshofpräsidenten über die korrekte und effiziente Verwendung öffentlicher Gelder berichten. Im Budgetsaal tagen auch die Untersuchungsausschüsse, das schärfste Mittel parlamentarischer Kontrolle, das zum Einsatz kommt, wenn die Abgeordneten die Verantwortung für politisches Fehlverhalten aufzuklären haben.

Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wird im Budgetsaal über europäische Entscheidungen debattiert. Hauptausschuss und EU-Unterausschuss beraten regelmäßig und stets öffentlich mit den österreichischen Mitgliedern der europäischen Räte über EU-Vorhaben. Im Kampf gegen die Krise haben die ParlamentarierInnen hier nicht nur die nationalen Hilfs-, Konjunktur- und Konsolidierungspakete vorbereitet, sondern auch an den epochalen europäischen Beschlüssen in Richtung Fiskal-, Wirtschafts- und Bankenunion mitgewirkt.

Parlament international   

An dieser Stelle wird der jüngste Aspekt in der Entwicklung des Parlamentarismus deutlich: die Internationalisierung von Gesetzgebung und parlamentarischer Kontrolle. Europäische Integration, Weltfriede, internationale Finanzprobleme, Klimaschutz, Hunger, Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit sind nur einige der grenzüberscheitenden Themen, mit denen sich die ParlamentarierInnen in den Ausschüssen, im Gespräch mit KollegInnen aus aller Welt, bei internationalen Konferenzen und auf allen Ebenen europäischer, internationaler und globaler Entscheidungen befassen.

Auch im Empfangssalon stehen diese internationalen Aspekte des Parlamentarismus im Mittelpunkt. Hier empfängt Präsidentin Prammer Staatsgäste aus aller Welt und konferiert mit AmtskollegInnen, RegierungschefInnen, MinisterInnen und VertreterInnen internationaler Organisationen. Die Marmorwände des "Blauen Salons", wie der Empfangssalon auch genannt wird, zieren die Porträts der Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik.

WählerInnen im Gespräch mit ihren politischen VertreterInnen

Politik und Parlamentarismus leben vom ständigen Kontakt mit den BürgerInnen. Die "Öffnung des Hohen Hauses" steht in der Arbeit der ParlamentarierInnen und der Parlamentsdirektion weit oben auf der Prioritätenliste, nicht nur am "Tag der offenen Tür". Ablesbar ist dieses Bemühen an einer Vielzahl von Veranstaltungen, Aktivitäten, Publikationen und einer vielfältigen Informationstätigkeit. Einer der Orte dafür ist das "Abgeordnetensprechzimmer", wo regelmäßig Veranstaltungen stattfinden, bei denen aktuelle Themen mit BürgerInnen, WissenschaftlerInnen oder KünstlerInnen diskutiert werden. An Plenarsitzungstagen empfangen Abgeordnete und BundesrätInnen im Sprechzimmer BürgerInnen zu Gesprächen über deren Anliegen und Anregungen. Auch heute, am Tag der offenen Tür, besteht im Sprechzimmer Gelegenheit zum direkten Kontakt mit ParlamentarierInnen aller Fraktionen.

Österreich und die Geschichte der Demokratie

Historische "Entdeckungen und Begegnungen" ermöglicht der Sitzungssaal des ehemaligen Abgeordnetenhauses. Skulpturen und Gemälde dieses Raumes, der wie ein antikes Amphitheater gestaltet ist, lässt Personen und Ereignisse aus der Geschichte der Demokratie und des Parlamentarismus Revue passieren - Solon, Perikles, Cato, Gracchus, Cicero und Demosthenes. Man blickt in die Sitzreihen, in denen bis zum Ende der Monarchie 516 Abgeordnete die Völker der österreichischen Reichshälfte vertraten und europäische Geschichte schrieben, unter ihnen Karl Renner, Tomas Masaryk, Alcide de Gasperi oder Ignacy Daszynski. In diesem Saal wurde in acht Sprachen debattiert und das allgemeine Wahlrecht erkämpft, hier kamen im April 1945 die Gründerväter der Zweiten Republik um Karl Renner zusammen und hier leisten die Bundespräsidenten vor der  Bundesversammlung ihren Eid auf die österreichische Bundesverfassung.

Blick in die Schaltstelle der Gesetzgebung

Auf ihrem Rundgang durch das Parlamentsgebäude können die Besucherinnen auch heuer wieder das Büro der Nationalratspräsidentin besichtigen und dort Einblick in die Führungsaufgaben einer Parlamentspräsidentin gewinnen. Sie beruft die Sitzungen des Nationalrates ein und achtet - mit Unterstützung des Zweiten und Dritten Nationalratspräsidenten - auf die Einhaltung der Geschäftsordnung. In ihrem Büro tritt auch die Präsidialkonferenz ("Präsidiale"), zusammen, der die drei NationalratspräsidentInnen und die Obleute der Nationalratsklubs angehören. Dieses höchste Gremium des Nationalrates - der Bundesrat hat eine eigene Präsidiale - berät über Termine und Tagesordnungen für Plenar- und Ausschusssitzungen, klärt wichtige Fragen des Parlamentarismus und koordiniert die internationalen parlamentarischen Beziehungen.

Viele junge BesucherInnen im Parlament

Unter den ParlamentsbesucherInnen sieht man auch heuer viele Kinder und Jugendliche. Damit auch sie einmal einen Nationalfeiertag mit ihren Kindern in Hansens Prachtbau verbringen können, werden schon bald bauliche Erhaltungsmaßnahmen notwendig sein. "Es ist kein Geheimnis, dass das Parlamentsgebäude in den nächsten Jahren von Grund auf saniert werden muss", sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Auch zu diesem Projekt erhalten die ParlamentsbesucherInnen an einem Info-Stand in der Säulenhalle Auskunft. Dort lernen Kinder und Jugendliche "Lesco" kennen, eines der beliebten Maskottchen aus der "Demokratiewerkstatt". Das ist die international vielbeachtete Bildungseinrichtung des österreichischen Parlaments, in der sich Kinder und SchülerInnen in Workshops mit Idee, Geschichte und Praxis der Demokratie vertraut machen können.

Heute verteilt Lesco Gutscheine für Familienführungen im Parlament. Ein kuscheliges Lesco-Stofftier mit der charakteristischen Plüschbrille können BesucherInnen neben vielen anderen Souvenirs im Parlamentsshop erwerben. Dort werden auch Bücher verkauft, darunter die neueste Publikation des Parlaments, ein Bildband zum Werk Theophil Hansens, der kürzlich zum 200-jährigen Geburtstag des genialen Architekten in der Edition Winkler-Hermaden erschienen ist.

Schließlich verlassen die BesucherInnen das Parlament durch das moderne BesucherInnenzentrum. Dort informieren interaktive Medienstationen über die Geschichte von Parlamentarismus und Demokratie in Österreich, Parlamentsbedienstete stehen auch hier mit Rat und Tat zur Seite, wenn sich Gäste mit der neuen Parlamentshomepage vertraut machen wollen.

Nach dem Spaziergang durch das Parlamentsgebäude erwarten die BesucherInnen weitere architektonische Sehenswürdigkeiten in dem zum Parlament gehörenden Palais Epstein. Dieses klassische Ringstraßenpalais zeigt einen prächtigen Innenhof, eine Feststiege und die erst vor wenigen Jahren renovierten Wohn- und Repräsentationsräume der Bankiersfamilie Epstein, darunter ein Kaminzimmer, ein Spielzimmer, einen Speise- und einen Tanzsaal.

Hinweis: Fotos vom Tag der offenen Tür finden Sie auf der Homepage des Parlaments (www.parlament.gv.at). (Fortsetzung) fru