Parlamentskorrespondenz Nr. 811 vom 20.11.2013

Hundstorfer: Duales Berufsausbildungssystem wurde ein Exportschlager

Aktuelle Stunde im Nationalrat: Opposition fordert effizientere Maßnahmen im Bereich Jugendbeschäftigung und Bildung

Wien (PK) – NSA und die Lage des Budgets stehen heute im Mittelpunkt der Sitzung des Nationalrats. Zur Abhöraffäre des US-Geheimdienstes geben Verteidigungsminister Gerald Klug und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine Erklärung ab. Die Auseinandersetzung über den Staatshaushalt findet im Rahmen einer Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen unter dem Titel "Desinformationspolitik über die budgetäre Lage Österreichs" ihre Fortsetzung. Zudem haben die Grünen einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur "näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Budgetlüge der Bundesregierung" eingebracht.

Die Sitzung begann jedoch mit einer Aktuellen Stunde, die im Zeichen der besorgniserregend hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa stand. Auf Vorschlag der SPÖ wurde unter dem Titel "Jugendbeschäftigung: Vorbild Österreich" über diverse Konzepte diskutiert, die geeignet sind, junge Menschen wieder vermehrt in die Berufs- und Arbeitswelt zu integrieren.

Oberhauser: Österreiches Modell wurde zur Bench-Mark in Europa

Die Erstrednerin der Sozialdemokratischen Fraktion, Sabine Oberhauser, sprach von einem Thema, das nicht nur für Österreich, sondern für die ganze EU von großer Bedeutung sei. Aktuell gibt es in Europa mehr als 5,5 Millionen Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren, die keine Arbeit finden. Es könne nicht so einfach hingenommen werden, dass sich so viele junge Menschen keine eigene Existenz mehr aufbauen können und zurück in ihre Kinderzimmer ziehen müssen, sagte sie. Auch in Österreich seien Phänomene wie etwa "Generation Praktikum" bekannt, räumte die Rednerin ein, dennoch man habe man es durch eine vernünftige Politik der Sozialpartner geschafft, die Jugendarbeitslosigkeit relativ gering zu halten; mit 8,7 % ist sie die zweitniedrigste in Europa. Das österreichische Modell, das u.a. auf einer sehr guten dualen Ausbildung basiert, wurde somit zu einer Bench-Mark in Europa, war die stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ überzeugt. In den letzten Jahren habe die Bundesregierung zudem eine Reihe von weiteren wichtigen Maßnahmen beschlossen, um der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung entgegenzusteuern. Als Beispiele führte sie die Einführung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, das Jugendcoaching oder die Aktion "Zukunft Jugend" an. Diese erfolgreiche Strategie weiterzuverfolgen, also die Jugendlichen auf ihren Weg in die Zukunft bestmöglich zu unterstützen, das werde auch die zentrale Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, sagte sie.

Hundstorfer: Trotz guter Zahlen werde weiter massiv gegengesteuert

Auch wenn die Zwischenrufe der Oppositionsparteien noch so laut sind, die vorliegenden Fakten müsse man zur Kenntnis nehmen, leitete Sozialminister Rudolf Hundstorfer seine Wortmeldung ein. Trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Situation weise Österreich die niedrigste Arbeitslosenrate in ganz Europa auf. Positiv sei vor allem, dass es einen kontinuierlichen Rückgang im Bereich der 15- bis 19-Jährigen gibt. Eine Tatsache sei es auch, dass das politische Programm einer Ausbildungsgarantie mittlerweile zu einem Exportartikel geworden ist. So habe etwa vor kurzem der schwedische Reichstag beschlossen, das duale Berufsausbildungssystem nach österreichischem Vorbild zu übernehmen. Auch mit Spanien, Griechenland und Portugal gebe es in dieser Frage intensivste Kontakte. All dies sei das Ergebnis einer konsequenten Politik in den letzten fünf Jahren, war der Bundesminister überzeugt.

Dennoch dürfe man nie zufrieden sein und müsse weiter massiv gegensteuern, betonte Hundstorfer. Es sei richtig, dass es noch Probleme beim Übergang von der Schule in den Beruf gibt und dass zu viele Jugendliche ihre Lehrausbildungen nicht abschließen. Aus diesem Grund seien auch zusätzlich 500 Mio. € für diverse Maßnahmen zur Verfügung gestellt worden, die vor allem den 15- bis 24-Jährigen zugute kommen sollen. Ein Beispiel sei etwa das Projekt Ausbildungsfit, bei dem man sich Jugendlichen mit speziellen Problemen annimmt und das ab 1. Jänner nächsten Jahres wirksam werden wird. Österreich sei durch all diese Maßnahmen zu einem Ideengeber in Europa geworden und leiste somit einen wichtigen Beitrag zur EU-Gemeinschaft, unterstrich der Sozialminister.

Das Image der Lehre verbessern

In der nachfolgenden Debatte hob Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) das sehr gute duale Ausbildungssystem sowie die effiziente Jugendarbeitsmarktpolitik hervor, die dazu beitragen, dass Österreich im europäischen Vergleich so gut abschneidet. Im Besonderen ging er auf das Erfolgsmodell Lehre ein, das weiterhin einen zentralen Stellenwert im Rahmen der Beschäftigung von jungen Menschen haben werde. Dennoch sollte man daran arbeiten, dass das Image dieser Berufswahl verbessert und generell die Durchlässigkeit des Ausbildungssystems erhöht wird, wünschte sich Katzian.

ÖVP-Mandatar Peter Haubner sprach von einem guten Gesamtsystem, das auf der dualen Ausbildung sowie dem gutem und praxisnahen Berufs- und Fachhochschulsystem basiert. Diesen Weg gelte es fortzusetzen, meinte Haubner, wobei vor allem die Unternehmen durch weitere Anreize noch besser unterstützt werden sollten. Dieser Meinung schloss sich auch August Wöginger (V) an. Er ging insbesondere auf die erfolgreiche Aktion "Zukunft Jugend" ein, die allen Arbeitslosen zwischen 15 und 24 Jahren garantiert, dass sie entweder einen Arbeitsplatz, eine zielgerichtete Schulung oder eine geförderte Beschäftigung bekommen. Im Mittelpunkt stehe dabei, dass den Jugendlichen Hoffnung und eine Perspektive gegeben wird, hob Wöginger hervor.

FPÖ: Tatsächliche Jugendarbeitslosigkeit ist höher als offizielle

Der Klubobmann der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, warf den Regierungsvertretern vor, wieder das sattsam bekannte Lied zu singen, dass in Österreich alles besser sei als in anderen europäischen Ländern. Angesichts der vielen jungen Menschen, die verzweifelt eine Arbeit suchen, stelle dies eine Verhöhnung dar, kritisierte er. Die Tatsache, dass sich Jugendarbeitslosigkeit auf einem historischen Hoch befindet, sei für ihn wahrlich kein Anlass zur Freude. Statt sich selbstzufrieden zurückzulehnen, sollten endlich effektive Maßnahmen ergriffen werden, um den 76.250 jungen Menschen, die davon betroffen sind, wieder Zukunftsperspektiven zu geben, forderte Strache. Stattdessen werde aber nur die Arbeitslosigkeit verwaltet und die Menschen in irgendwelchen Schulungen geparkt. Ein weiteres massives Problem ortete Strache im Bildungssektor, zumal 28 % der Pflichtschulabgänger nicht sinnerfassend lesen können. Wenn man sich zudem vor Augen halte, dass wahrscheinlich die bisherigen Regierungsparteien in einer Neuauflage diesen Kurs fortsetzen und "weiterwurschteln" werden, dann sei nichts Gutes zu erwarten.

In ihrer ersten Rede bezichtigte SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits den FPÖ-Klubobmann der Panikmache. Es sei nicht richtig, dass über 72.000 junge Menschen arbeitslos sind, sagte sie; die korrekte Zahl betrage 42.000. Natürlich sei jeder Arbeitslose einer zu viel, betonte die Rednerin, weshalb die zahlreichen erfolgreichen Maßnahmen, z.B. Ausbildungsgarantie, Jugendcoaching etc., die in der Vergangenheit begonnen wurden, fortgesetzt werden müssen.

Bernhard Themessl (F) entgegnete seiner Vorrednerin, dass es sich bei den 42.000 nur um die offizielle Statistik handle. Auch die Arbeiterkammer habe bestätigt, dass insgesamt 76.000 Jugendliche betroffen seien, da über 30.000 in diversen Stiftungen oder überbetrieblichen Lehrausbildungen "versteckt" seien. Außerdem bestreite niemand, dass das duale Ausbildungssystem ein Vorzeigemodell in Europa ist. Die Politik in den letzten Jahren habe aber dazu beigetragen, dass dieses System gefährdet ist. Als Beispiele führte der FPÖ-Mandatar die Lockerung des Kündigungsschutzes oder die Abschaffung des Blum-Bonus an.

Grüne urgieren Bildungsreform

Wenn schon ein gemeinsamer Diskurs von Seiten der Regierungsparteien gefordert wird, dann frage sie sich, warum von Seiten der SPÖ und ÖVP die Konstituierung von entsprechenden Fachausschüssen verhindert wird, bemängelte Birgit Schatz von den Grünen. Ihre Partei stehe bereit für eine konstruktive Zusammenarbeit, die Basis dafür sei aber eine gute Bildungsreform. Es sei nämlich ein Skandal, dass in einem Land wie Österreich ein Viertel der PflichtschulabsolventInnenen nicht ordentlich lesen, schreiben und rechnen kann. Außerdem wünschte sie sich Qualitätssicherungsmaßnahmen in den Betrieben, da viele Jugendliche ihre Lehren abbrechen.

In seinem privaten Umfeld habe er die Erfahrung gemacht, dass sich sehr viele junge Menschen davor fürchten, keinen Platz mehr in der Arbeitswelt zu finden, einen Kredit aufzunehmen oder eine Familie zu gründen, erklärte Julian Schmied (G) in seiner Antrittsrede. Außerdem müssen diejenigen, die einen Job haben, oft unter sehr prekären Bedingungen arbeiten, gab er zu bedenken. Er habe den Eindruck, dass dieses Stimmungsgefühl in der Politik aber noch nicht angekommen ist. Handlungsbedarf sah Schmied vor allem im Bildungsbereich sowie hinsichtlich der Förderung von Start-up-Unternehmen und der Erleichterung des Berufseinstiegs.

Team Stronach kritisiert EU-Bürokratie

Kathrin Nachbaur vom Team Stronach war der Auffassung, dass vor allem die zentralplanerische Bürokratie in der EU und die Umsetzung des Euro maßgeblich zum Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit beigetragen haben. Die Teilnahme von wirtschaftlich sehr unterschiedlichen Ländern am Projekt der gemeinsamen Währung raube den reicheren Staaten ihr Vermögen und den schwachen Ländern ihre Wettbewerbsfähigkeit, war sie überzeugt. Die Jugendarbeitslosigkeit sei nämlich gerade in jenen Ländern am höchsten, die Nettoempfänger sind. Nachbaur trat ebenso wie ihr Kollege Leopold Steinbichler (T) zudem für unternehmerfreundlichere Rahmenbedingungen, die Entlastung der Leistungsträger, die Senkung der Lohnnebenkosten sowie ein einfaches und gerechtes Steuersystem ein, das Innovationen begünstigt. Steinbichler forderte überdies Maßnahmen für den Agrarsektor, da immer mehr Bauern ihre Höfe aufgeben.

NEOS: Gelder werden falsch eingesetzt

Angelika Rosa Mlinar (N) erinnerte nochmals an die erschreckend hohe Raten im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die teilweise über 55 % liegen. Damit verbunden seien neben den ökonomischen Effekten auch weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, da junge Menschen mit dem unerträglichen Gefühl leben müssen, sich nicht durch eigene Kraft konstruktiv in die Gesellschaft einbringen zu können. Während in Europa nun 3,2 Billionen € für die Bankenrettung zur Verfügung gestellt würden, seien für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aber nur 45 Mrd. € vorgesehen, gab Mlinar zu bedenken. Dies ist ihrer Ansicht nach nicht nur zu wenig, die Gelder würden auch falsch eingesetzt. Statt die Menschen in Massenkursen zwischenzuparken und staatlich geförderte Billigjobs auf Zeit zu schaffen, sollte etwa die Gründung von Unternehmen erleichtert werden, forderte sie.

Ein weiterer Vertreter der NEOS, Gerald Loacker, gab zu bedenken, dass aufgrund der Probleme im Bildungsbereich und der demographischen Entwicklung die Betriebe es in Zukunft schwerer haben werden, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. Die Lehrlinge litten zudem nicht nur unter einem Imageproblem, sondern auch unter einer Ungleichbehandlung in arbeitsrechtlicher Hinsicht, meinte Loacker und fügte hinzu, hier wären die Gewerkschaften gefordert. Fortsetzung Nationalrat (sue)